Ich hatte kürzlich ein sehr interessantes Gespräch mit Jakob Schlandt, unserem Mitarbeiter, der nicht müde wird, eine stutzende Öffentlichkeit auf ein Problem am Markt der erneuerbaren Energien hinzuweisen: Die Photovoltaik boomt, und mit ihr boomen die Einspeisevergütungen, was zur Folge hat, dass der Strompreis deutlich anzieht. Auf diese Berichte kamen viele Leserbriefe (unten eine moderate Auswahl), die Jakob Schlandt vorwerfen, Büttel der Atomwirtschaft zu sein. Das regte ihn sehr auf, schließlich hat er oft genug gegen den atomaren Wahnsinn angeschrieben. Da stellt sich die Frage: Ist man automatisch pro-AKWs eingestellt, wenn man kritisch über die Photovoltaik schreibt? Unsinn, oder? In unserer Diskussion kamen wir zu dem Schluss, dass dies eine ideologisch aufgeladene Debatte ist, in der Fakten eine untergeordnete Rolle spielen. Denn Photovoltaik ist natürlich per se gut.

Ist sie das? Darf man keine Zweifel anmelden? Der Boom der Photovoltaik kommt in dieser Massivität völlig unerwartet. Ja, es handelt sich um saubere Energie, die Kohlendioxid zu vermeiden hilft und zudem Arbeitsplätze schafft. Aber die Photovoltaik ist teuer und rechnet sich, wenn überhaupt, erst mittelfristig. Der Strom ist zudem nur „in steilen Produktionsspitzen“ verfügbar, wie Jakob Schlandt in seiner Analyse „Teure Sonnenkraft“ schreibt, und verstopft dann die Netze. Die Deutsche Energie-Agentur Dena warnt vor dem Netzkollaps. Jakob Schlandt zieht das Fazit: „Die deutsche Solar-Blase platzt spätestens in einigen Jahren – das ist unvermeidlich.“

Dazu meint Bernd Kunz vom BUND aus Mörfelden-Walldorf:

„Der FR-Artikel ist völlig einseitig und journalistisch keinesfalls ausgewogen. Den Ruf nach dem Stopp der Förderung von Atomkraft (sechs Cent/kWh gemäß einer Studie von Greenpeace) sucht man vergebens. Die folgenden Vorteile der Photovoltaik und Windkraft sind nicht einmal ansatzweise erwähnt:
– Jede kWh Strom aus einem Kohlekraftwerk verursacht etwa ein kg CO2-Ausstoß, die durch jede kWh aus Photovoltaik oder Windkraft vermieden wird.
– Unsere hohe Abhängigkeit vom Import wird durch die erneuerbaren Energien vermindert. Bei konventionellen Energien beträgt sie für Kernkraft 100 Prozent, Erdgas 80, Steinkohle 70  Prozent (davon über 60 Prozent aus Australien, Kolumbien und Südafrika!).
– Photovoltaik und Windkraft führen zu regionaler Wertschöpfung. Das Geld bleibt in den Kommunen und gelangt nicht in die Taschen von Konzernen bzw. von „Scheichs und Putins“.
Der starke Anstieg der installierten Photovoltaik-Anlagen 2010 von 9,5 Gigawatt gegenüber vier Gigawatt 2009 ist aus den hier genannten Gründen für uns alle vorteilhaft. Offenbar will der Chef der Dena, Stephan Köhler, mit seiner Äußerung „Solarstrom überlastet Stromnetze“ die Netzbetreiber nach mehr als 12 Jahren Photovoltaik wachrütteln, damit sich diese endlich von Stromzählern aus dem 19. Jahrhundert verabschieden. Die neue Technologie ist schon lange vorhanden und kann zur Stabilisierung der Netze eingesetzt werden.
Mit schlauen Stromzählern (Smart Meter) kann der Stromverbrauch so gesteuert werden, dass Verbraucher von Stromüberangeboten zu günstigeren Tarifen profitieren können. Unter dem Überbegriff Smart Grids (Schlaue Netze) gibt es eine Reihe weiterer Technologien zur Steuerung des Stromangebots, zu denen Erfahrungen vorliegen, z.B. durch bedarfsgesteuerte Blockheizkraftwerke oder Gasturbinen. Diese Entwicklung der Stromnetze muss endlich in Gang kommen. Kommunen, die ihre Stromnetze wieder in eigener Regie betreiben, haben wegen der Unabhängigkeit von den großen Energieversorgern hierbei viele Vorteile. Den Ausbau der Photovoltaik zu bremsen, ist der Weg in die völlig falsche Richtung. Mehr Tempo und Kreativität beim Umbau der Stromnetze sind gefragt, um den Weg der Erneuerbaren zu bahnen. Sonst werden wir in 100 Jahren noch die  „Atomkraftbrücke“ haben!“

Heinrich Duepmann von der NAEB aus Gütersloh dagegen:

„Die EEG-bedingte Strompreis-Erhöhung 2011 ist geschönt! Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) benennt als EEG-Zuschlag für 2011 einen Betrag von 3,53 Cent/kWh. Dieser Wert ist stark geschönt. Er fußt auf einem umzulegenden Betrag von 13 Milliarden als EEG-Zuschlag auf den Strompreis in 2011, der dann die benannten 3,5 Cent/kWh ergibt. Das ist jedoch nicht der Gesamterlös der „Renewable“-Branche aus dem EEG-Geschäft. Nicht berücksichtigt und in kommenden Jahren abzugelten ist der Anteil, den man an der Strombörse glaubt verkaufen zu können. Das sind weitere vier Milliarden Euro. Tatsächlich ist der Strompreis bei starkem EEG-Strom-Angebot allerdings oft sogar negativ, so dass man als vorsichtiger Kaufmann, der hier aber offensichtlich politisch nicht gewollt ist, besser von einem Null-Erlös ausginge.
Mit dieser Basis kalkuliert, wäre der Zuschlag nicht 3,5, sondern 4,57 Cent/kWh. Dabei ist die Mehrwertsteuer noch nicht berücksichtigt, die jeder Verbraucher zu tragen hat und nicht gegenrechnen kann. Diese addiert macht einen Betrag von 5,44 Cent/kWh! Wohlgemerkt, dass ist nur der EEG-Zuschlag (ohne Netz-Mehrkosten etc.).
Es ist noch nicht lange her, da hat der Strom den Verbraucher nicht mehr als diesen EEG-Zuschlag gekostet. Aber damit ist der Wahnsinn noch nicht komplett: Warum ist der Börsenpreis von EEG-Strom (Windstrom plus Voltaik hauptsächlich) de facto Null? Er ist wertlos, weil er unzuverlässig ist und man Strom bekanntlich nicht speichern kann, sondern er zum Bedarfszeitpunkt millisekundengenau erzeugt werden muss.“

Hajo Zeller aus Marburg:

„Ich bitte Sie sehr herzlich: Fallen Sie nicht auf das Geschrei und Getöse von Lobbyisten der Energieriesen herein. Bitte informieren Sie sich sorgfältig über das Zustandekommen von Strompreisen. Jakob Schlandt scheint mit seinem Kommentar den Energieriesen auf den Leim gekrochen zu sein. Diese verdienen allein durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich 100 Milliarden Euro. Seit Bestehen der Bundesrepublik haben die Stromkunden und der Steuerzahler über 200 Milliarden Euro an Subventionen für die Atomindustrie geblecht. Dies wird schamhaft verschwiegen.
Zudem schon mal was vom „Merit-order-Effekt“ gehört? Dieser bremst den Preis an den Strombörsen und wird hauptsächlich durch die Einspeisung von Photovoltaikstrom ins Netz hervorgerufen. Nur davon reden die Stromhändler nicht. Die EEG-Cents werden aufgeführt und den Kunden in Rechnung gestellt. Die Preisvorteile durch die Photovoltaik werden verschwiegen und in die eigene Tasche gesteckt.“

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13 Kommentare zu “Kreativität ist gefragt

  1. Ich habe weiter unten beim Thema zum Verstopfung der Netze einiges geschrieben was ich jetzt hier wiederholen könnte. Vielleicht nur ein Argument. Die PV ist derzeit sicher die teuerste Möglichkeit Strom zu erzeugen. Sie hat aber zwei große Vorteile. Sie ist sehr dezentral einsetzbar und sie wird immer billiger.
    Wenn man jetzt liest das 80% der Windenergieflächen auf dem Meer inzwischen den 4 großen Energieversorgern gehören, dann ist klar das mit der Windenergie und anderen Großanlagen die monopolartigen Srukturen auf dem Deutschen Energiemarkt nicht aufgebrochen werden können. Das ist auf Dauer sicher die teuerste Möglichkeit Strom zu kaufen. Zum Thema Netze vertraue ich erst einmal darauf das es der Autoindustrie gelingt das Speicherproblem zu lösen.

  2. Sollte H. Schlandt noch Bedarf an Erkenntnissen zum Thema PV haben könnte ich ihm empfehlen die heutige Sendung von Monitor sich anzusehen. Dort wurde in einem Beitrag kurz und korrekt zusammengefast was zu diesem Thema zu sagen ist.

  3. Wer bezahlt eigentlich solche Postings wie das von „Bernd Kunz“ vom BUND?

    Die smart-meter Lügen kamen bisher eigentlich ausschließlich von den Versorgern.

    Aber wer sowieso unfähig ist seine paar Haushaltsgeräte verbrauchsabhängig zu nutzen hat nichts besseres verdient!

    MfG Karl Müller

  4. gruß der herren,

    die dezentralen und regenerativen technologien dürfen nicht von dem gesammten sozio-urbanen umfeld und der kulturellen entwicklungsprozess, die sie hervorgebracht hat getrnnt betrachtet werden.die kernenergie, erdöl-politik, kohlekraftwerke, mega-wasserkraftwerke, offshore-parks, desert-projekte etc. dürfen ebenfalls nicht von der monopolistischen ausrichtung der grossabnehmer und hersteller der grosstechnologien sowie historisch-politischen machtgelüsten der herschaftscliquen, die vor angriffs-kriegen nicht zurückschrecken getrennt betrachtet werden. wenn wir wirklich eine entwicklung der demokratie zur öffnung und mitwirkung aller nicht mit dem scheitern verurteilen wollen ist es notwendig, den eingeschlagenen weg der dezentalisierung und dadurch dem wachsenden dynamischen stabilisierung der netze durch reversible energieformen eine irreversibilität zu verleihen und es nicht dem heiligen-geiz zu opfern. keinen schritt mehr zurück!

  5. zu @ ibrahim kaya
    Im Grunde kann ich nicht wiedersprechen. Ich glaube aber das die dezentrale Energieversorgung nur in der Gesellschaft mehrheitsfähig sein kann wenn man sehr konkret die Möglichkeiten aufzeigt die es gibt dieses Ziel zu wirtschaftlich vernüftigen Bedingungen zu erreichen.

  6. Wenn ich hier das Geschriebene meiner Vorschreiber so durchlese, plädieren ich doch wieder für einen Mauerbau in Deutschland.
    Ein böses Atom-und Kohle-Deutschland (vielleicht Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen und ggf. Hessen) und ein gutes erneuerbare-Energien-Deutschland (Rest der momentanen BRD). Selbstredend ohne Transferzahlungen.
    Jeder sollte auf die Seite ziehen können, die er bevorzugt. Ich würde das Böse wählen. Dort würden sogar energieintensive Betriebe eine langfritige Chance haben.

  7. @Katja Wolf

    verehrte dame,
    auch ihnen wird nicht entgangen sein das, dass prinzip von „teile und hersche“ nicht nur länder durch mauern spaltet ohne auf den jeweiligen hälften das wohlfühl-regime für die jeweiligen klientel zu realisieren sondern die erde am rand des kollapses und die menschheit angesichts der kriege und milliardenfachen hunger-nots mit mehr als 5.000.000 hunger-toten jährlich seit jahren jedem raubtier in schatten stellende kulturlosigkeit getrieben hat. aus diesem grunde kann ich ihrem wunsch keine wohlgemeinte friedensabsicht gegenüber den jetzigen notleidenden menschen und auch der zukünftigen generationen entnehmen. wenn sie es doch anders meinen bin ich auf ihre argumente gespannt.

    @hans

    eine nicht-störungs-anfällige und kostengünstige einrichtung des von mir gewünschten netzes bedarf nicht nur eine beherzte unterstützung seitens der bürger sondern auch eine wohlmeinende unterstützung seitens des staates, welches die rüstungsausgaben und militerforschung und subventionen der großkonzerne umdisponiert zur erforschung und ermöglichung eines demokratischen versorgung auf grundlage dezentrale-dynamische-stabilität mittels regenerativer quellen. halbherzige lippenbekenntnisse lassen den sommer nicht kommen und die früchte nicht reifen.

  8. zu @ Katja Wolf
    eigentlich könnte ich jetzt antworten Sie könnten doch das ein oder andere Fass
    aus dem Bergwerk Asse das eine neue Bleibe sucht in Ihren Keller nehmen oder einen Kastor dann brauchen Sie 30 Jahre keine Heizung, das mache ich aber nicht.
    Die Abzocke die auf dem deutschen Energiemarkt mangels Wettbewerb herscht in Gut und Böse zu unterteilen halte ich auch für übertrieben. Das was da passiert ist ganz normal wenn der Wettbewerb fehlt. Das bedeutet natürlich nicht das es so bleiben soll. Ich habe schon öfter die Aussage des Vorstandsvorsitzenden von EON vor einigen Jahren zitiert das der Preis für Strom um 40% steigen muß wenn er ab 2013 für die Verschmutzungsrechte bezahlen soll. Ich sage einmal das es dazu nicht kommen wird und das dieses der Verdienst der Erneuerbaren Energien ist. Dafür spricht auch was heute in der FR zu den geplanten Umgestaltungen bei EON gestanden hat. Warten wir ab ob nicht auch dieser Konzern sich von neuen Kohlekraftwerken verabschiedet wenn für Verschmutzungsrechte gezahlt werden muß. EON wären nicht der Erste. Ich sage dazu das Stichwort Hanover. Die Zeit in der es wirtschaftlich sinvoll war erst Wasser zu kochen bevor man Strom erzeugt geht halt zu Ende.

  9. @ hans: ob Sie es glauben oder nicht – mich würde die Nähe eines Endlagers in meiner Wohngegend NICHT stören, jetzt mal von den hysterischen Demonstranten drumherum abgesehen.

    @ ibrahim kaya:
    verehrter Herr,
    ich befürworte die Nutzung der Kernenergie aus ganz egoistischen Gründen – ich will weiterhin im relativen Wohlstand leben.
    Schleierhaft ist mir hingegen, warum die Nutzung der Kernenergie für 5.000.000 Hunger-Tote jährlich verantwortlich sein soll.
    Könnten Sie mir einen entsprechenden Zusammenhang beweisen – ich würde über Nacht zur Gegenerin derselben.

  10. liebe katja wolf,
    ihre offenheit und ihre opferbereitschaft begeistern mich, ich freue mich dazu beitragen zu können, Sie als mitstreiterin zu gewinnen.

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