Da marschieren also elf Männer, laut der Polizei von Dubai Mitarbeiter des israelischen Geheimdiensts Mossad, unter den Linsen von Überwachungskameras munter in ein Hotel in Dubai und ermorden einen Hamas-Führer. Das Mordopfer, Mahmud al-Mabhuh, wurde mit Elektroschocks betäubt und dann mit einem Kissen erstickt. Der Mann, der in dem Hotel die Lieferung von geschmuggelten Waffen absichern sollte, wird für die Entführung zweier israelischer Soldaten zu Beginn der ersten Intifada von 1987 bis 1993 verantwortlich gemacht, die ermordet wurden. Mabhuh ist also ein Terrorist. Und der Mossad, wenn er denn wirklich dahinsteckt, ist diametral zu seinem Ruf ein Dilletantenverein.
„Nasse Sache“ heißt so ein Auftragsmord im Geheimdienstjargon, und sowas ist gewiss kein Einzelfall. Auch die CIA steht im Verdacht, solche „gezielten Tötungen“ vorzunehmen. Dabei wurden schon ganze Hochzeitsgesellschaften Opfer von Raketenangriffen. Was beim Dubai-Mord anders ist: Wenn es wirklich der Mossad war, hat er seine Killer hiermit verbrannt. Ihre Gesichter auf den Aufnahmen der Überwachungskameras gingen um die Welt. Für die elf Agenten heißt das künftig: Innendienst. Zudem hat die Affäre Israel in eine diplomatische Zwickmühle gebracht, denn die Agenten verwendeten gefälschte ausländische Pässe, auch solche aus der EU, darunter einen deutschen, ausgestellt am 18. Juni vergangenen Jahres von der Stadt Köln, und die EU stellt Israel deswegen öffentlich zur Rede. Der Pass lautet auf den Namen Michael Bodenheimer, doch nach Spiegel-Recherchen lebt in Köln kein Mann dieses Namens. Und auch in Israel gibt es nur einen, der so heißt, und der ist Rabbiner im strengreligiösen Tel Aviver Vorort Bnei Brak. Die Agenten, wenn sie denn welche waren, haben also möglicherweise auch israelische Staatsbürger in Gefahr gebracht.
Nach einem Bericht der britischen „Sunday Times“ soll Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Mord persönlich genehmigt haben. Wenn das stimmt, wäre es nicht das erste Mal, dass Israel nach der Devise vorginge: Angriff ist die beste Verteidigung. Ob dieses Motto angebracht ist, wird sich zeigen. Könnte sein, dass eher ein anderer Spruch zutrifft und dass Israel Öl ins Feuer gegossen hat. Zugeben wird Israel eine solche „nasse Sache“ jedoch niemals. Die Regierung in Jerusalem vertritt den Standpunkt, dass es keine Hinweise auf eine Beteiligung des Mossad gebe. Normalerweise bezieht Israel öffentlich überhaupt keine Stellung zu Geheimdiensteinsätzen oder Vorwürfen. Normalerweise. Doch es hat schon mindestens einen Fall gegeben, in dem es anders lief: Vor 13 Jahren, während der ersten Amtszeit Netanjahus, hatten zwei israelische Agenten in Amman versucht, den heutigen Chef des Hamas-Politbüros, Chaled Meschaal, zu töten. Die beiden israelischen Agenten wurden festgenommen, Israel musste ein Gegengift liefern, sich entschuldigen und außerdem den langjährigen spirituellen Führer und Gründer der Hamas, Scheich Ahmed Jassin, aus einem israelischen Gefängnis freilassen.
Das Thema polarisiert die FR-Leser. Erwin Chudaska aus Rödermark applaudiert:
„Sicherlich ist das mit den Pässen so eine Sache. Grundsätzlich ist die Aktion, wenn sie denn eine des Mossad war, zu befürworten. Die Israelis zeigen dem Rest der Welt, wie man mit unverbesserlichen, voll Hass erfüllten Terror-Führern umzugehen hat. Es werden nur solche Leute beseitigt, die nach etlichen Chancen einer Umkehr weiterhin Terror proklamieren und somit auch wie in diesem konkreten Fall der Sache der Palästinenser erheblichen Schaden zufügen. Als gläubiger Christ habe ich mit solchen „Strafmaßnahmen“ keine Probleme. Ich darf auf folgendes Bibelzitat hinweisen, wo der Gott der Juden und Christen sagt: „Wer mein Volk antastet, der tastet meinen Augapfel an.“
Alle Geheimdienste der Welt sollten von den Israelis lernen. Und noch eins. Als einer, der mehrere Jahre in verschiedenen arabischen Ländern beruflich tätig war, weiß ich, dass die überwiegende Mehrheit der Palästinenser keinen Terror will. Unterstützen wir Europäer diese Menschen dabei.“
Herbert Steffes aus Eschborn dagegen spannt einen großen Bogen:
„“Stehen wir jetzt kurz vor dem moralischen Endsieg der Besatzungsmacht Israel, eines hochgerüsteten Staates, der bis heute nicht seine Staatsgrenzen definiert hat? Mal abgesehen von den Landeroberungen schon vor und erst recht seit der Staatsgründung ist Israel schreckliche Besatzungsmacht in Palästina/Westjordanland, Gaza, Ost-Jerusalem und Golan seit 1967, führt immer wieder brutale Angriffs- und Eroberungskriege gegen die unterdrückten Palästinenser, gegen Irak, Syrien und Libanon – und ist, laut Liebermann, auf dem (vorerst: geistigen) Sprung, den verhassten Iran mit Atombomben zu vernichten. Raub des Bodens, des Wassers, Tausender kostbarer Olivenbäume – Missachtung Dutzender UN-Resolutionen, gezielte Morde gegen Gegner (aktuell: Dubai), 10000 gefangene Palästinenser in Gefängnissen, Phosphorkrieg gegen Gaza – und alles im Schutze von 200-300 Atombomben, in jeder Weise hochgerüstet und unter dem Schutz der USA und der BRD: Das ist das heutige Israel, dessen Grenzen auf der 1967er Grünen Linie von den Palästinensern und den arabischen Staaten längst akzeptiert sind.
Und was machen die eifernden Gutmenschen der FR, des Römers, des Rates der Religionen, der Antideutschen, der Pro-Israelis daraus? Einen ‚Kampf gegen Antisemiten‘! Was soll das real heißen? Jegliche Kritik an der Besatzungsmacht Israel soll nicht nur ein für allemal unterbunden; sondern für immer und ewig als unmoralisch und verwerflich verdammt werden. Dafür wird ein umfassender Diffamierungs-Krieg gegen den Frankfurter Imam angefacht, der es gewagt hat, am Al-Quds-Gedenktag teilzunehmen, der an das Unrecht der israelischen Besatzung erinnert – und sonst nichts.
Mit Schaudern und Abscheu reklamiert die FR, daß dieser böse Imam das sogenannte Existenzrecht Israels nicht anerkennt. Was soll das eigentlich heißen? Der Staat Israel existiert – und keine Macht der Welt kann ihn vernichten; das ist auch gut so. Wo aber bleibt das Existenzrecht Palästinas? Das Existenzrecht des Iran, den zu vernichten Israel, USA und BRD für geboten und gerechtfertigt halten? Zweierlei Maß – mit der größten Selbstverständlichkeit zelebriert. Da empört sich niemand über reale Bedrohungen, reale Angriffskriege, reale Gefängnisinsassen, gegen menschenverachtende Besatzung und endlosen Chauvinismus.
Heuchelei und Falschspielerei ohne Ende: Widerwärtig, wie die Gutmenschen sich selbst mal wieder die Taschen der Empörung volllügen – und der ‚gewöhnliche Deutsche‘, schuldbeladen wie er ist, wagt es nicht, die Realität von Besatzung, Ausbeutung und Unterdrückung zur Kenntnis zu nehmen. Leute, macht die Augen auf – und seht endlich wieder genau hin. Un-Recht ist nun wirklich nicht schwer zu erkennen.“
PS von Bronski: Hier mehr zur von Herbert Steffes angesprochenen „Imam-Affäre„. Der Frankfurter Imam Sabahaddin Türkyilmaz hatte an Al-Quds-Demonstrationen teilgenommen und musste auf massiven öffentlichen Druck hin zurücktreten. Der Al-Quds-Tag ist im Iran ein gesetzlicher Feiertag und wurde von Ayatollah Chomeini eingeführt. Im Rahmen der öffentlichen Veranstaltungen in Teheran sprach der derzeitige iranische Präsident Ahmadinedschad 2009 vom Holocaust als „Lüge, die als Vorwand für die Gründung Israels gedient habe“. Al-Quds-Demonstrationen in Deutschland werden von der „Quds-AG“ organisiert, die unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz steht. Auch Mitglieder der DVU oder der ultraorthodoxen jüdischen Gruppierung Neturei Karta, die den Zionismus und den Staat Israel ablehnt, nehmen an diesen Demonstrationen teil. (Alle Angaben nach Wikipedia.)
War es wirklich der Mossad? Oder die Fatah? Oder eine interne Abrechnung innerhalb der Hamas? Hätte nicht jeder andere Geheimdienst eines Nahost-Staates europäische Pässe israelischer Bürger genauso fälschen können, um den Verdacht auf Israel zu lenken?
Siehe kluger Kommentar von Josef Joffe im Tagesspiegel:
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,3037877
Liebe Blog-User,
offenbar ist es nicht möglich, dieses Thema zu diskutieren, ohne fehlgehende Vergleiche mit den Nazis ertragen oder sich mit Fakern herumschlagen zu müssen. Das FR-Blog wird daher – vorübergehend – unter verstärkte Überwachung gestellt: Alle neuen Kommentare gehen erstmal in die Moderationsschleife und müssen von mir freigeschaltet werden. Manche von euch werden sich erinnern: Wir hatten das schon mal.
Leute, nehmt euch zusammen!
Lieber Bronski, dieses Thema verleitet zu vielen Spekulationen. Faktisch wissen wir doch nichts. Das Thema ist aus meiner Sicht gar nicht diskutierbar. Ein Mord ist geschehen, der muss aufgeklärt werden, egal wer ihn begangen hat. Es darf nicht sein, dass die Geheimdienste der Welt nach eigenen Regeln handeln. Aber sie tun es!
Wir harmlosen Menschen können uns nur die Frage stellen, wem dieser Mord wirklich nutzt. Aus meiner Sicht schafft er nur neue Unruhen und bewirkt keinen Frieden in dieser unruhigen Region. Wer also profitiert wirklich davon?
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“
Die Mossad hat nie einen Hehl daraus gemacht und sieht seine Berechtigung seit München 1972 ständig gegen einen übermächtigen Feind kämpfen
zu müssen.Aber so eine dumme Aktion wie in Dubai traue ich ihnen nicht zu,ob wohl sie sich in der Vergangenheit einige Fehlschläge erlaubt haben.
Wenn sie dennoch waren,würde es mich interessieren ,wie die Welt reagieren würde,wenn ein iranisches Komado einen Israeli auf gleiche weise getötet hätte.
Am Ende bleibt alles Spekulation
Fakt ist nun einmal, das jeder Geheimdienst, „und nicht nur die großen“ ihre Killerkommandos haben (auch wenn dies bestritten wird) und diese nach belieben, bzw. wie es gerade in ihr Konzept reinpasst, eingesetzt werden.
Hier dürften es „weniger“ die eigenen Leute sein, welche diese Mordaufträge durchführen,sondern Profikiller, welche für diesen oder jenen Auftrag angeheuert werden. Geld dürfte diesbezüglich, keine Rolle spielen.Dies war eigendlich schon immer der Fall. Normalerweise gehen solche Aktionen geräuschlos über die Bühne, wenn nicht durch irgendeinen dummen Zufall, egal wie dieser auch aussehen mag,diese oder jene Aktion,an die Medien gelangt. Beispiele hierfür, gibt es ja „zur“ genüge, und müsssen wohl nicht aufgelistet werden.
Wenn ich die Reaktion der EU auf den Hotelmord in Dubai richtig verstanden habe, wird Anstoß daran genommen, dass die Mordgesellen gefälschte europäische Pässe verwendeten. Der Mord selbst schon kein Missfallen zu erregen. Hat man sich schon daran gewöhnt, dass Gegner Israels immer und überall „gezielt getötet“ werden können?
Aus israelischer Sicht entsprach die Verwendung fremder Pässe der allgemein anerkannten geheimdienstlichen Praxis und die Tötung erfolgte auch lege artis.
Wäre die Staatsmoral Vorbild für die Strafjustiz, könnten die Gefängnisse als Heime für Asylsuchende verwendet werden, weil es nur noch Freisprüche gäbe.
Doch je mehr sich die Weltöffentlichkeit an eine Staatsmoral gewöhnt, die den Terrorismus gegen den Terrorismus zum Alltag macht, desto größer wird die Gefahr eines Krieges gegen den Iran. Denn das Vertrauen darauf, dass trotz mancher Proteste alles weitergeht und immer weitergeht als bisher, ist groß.
Eigentlich ist das ein normaler Kriegsschauplatz der täglich gepflegt wird auf kleiner Bühne.
Die Generalproben finden wie in einem Theater vorher statt,aber manchmal geht es schief.
Diese Art von Kriegsführung ist zunächst mal kostengünstiger und in seiner Wirkung ebenso efektiv ,aber mit weniger Opfer.
Bei Colateralschäden reicht einen offizielle Entschuldigung von Regierung zu Regierung.
Politisch einfacher zu handeln als jeden Tag Särge in den Medien zu präsentieren.
Bei aller berechtigter Empörung über die „gezielte Tötung“ würde sich lohnen, einmal auch die Gegenseite zu betrachten. Der Ermordete ist mit einem ebenfalls gefälschten Pass eingereist, um Waffenschmugel nach Gasa zu organisieren, was zumindest als Beihilfe zu Mord zu bewerten ist. Hat Dubai auch gegen ihn, die Hamas und den Iran polizeiliche Ermittlungen wegen international geächteter Straftaaten eingeleitet? Wird er künftig Personen, die von seinem Boden aus Angriffe auf Bürger eines UN-Mitgliedsstaates vorbereiten, verhaften, vor Gericht stellen oder nach Israel ausliefern?
Würde Polizei und Justiz überall funktionieren, wären Geheimdienste arbeitslos. Obwohl: Auch bei dem Kampf gegen organisiertes Verbrechen kommt die Polizei nicht ohne verdeckte Ermittler aus, die Straaftaten begehen (müssen).
@8 AbM
Würde Polizei und Justiz………….
Sind wir sicher alle auf Deiner Seite,wenn wir nicht direkte Opfer verdeckter Straftaten werden.
Das A und das O für Al Quds wie für den neuesten Mossad-Mord ist die israelische Besetzung. Das muß immer wieder in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt werden. Und die erste Forderung heißt also: Beendet die Besatzung. Existenzrecht für Palästina, aber auch Syrien und Iran: Israel ist höchstgerüstet und hat die USA und die NATO (zumindest BRD und andere) als Schutzschirm und Mitakteure im Sack.
Al Quds und Verfassungsschutz: ganz schwaches Scheinargument, lieber Bronski. Aber was unsere Staatsorgane angeht: Wir können jetzt auch auf Dresden sehen, wo die Kräfte, die den NPD-isten das Demo-Leben schwer gemacht haben, jetzt durch Polizei und Justiz verfolgt werden. Hatten wir das nicht schon in der Weimarer Republik?