Doch nicht in unserer Zeitung!

Thilo Sarrazin war in der FR – mit einem doppelseitigen Interview. Der Versuch, Sarrazin zu stellen, ist dabei nicht gelungen. Sarrazin reagiert gewandt und unbeeindruckt. Zwischen den Zeilen wird zwar erkennbar, dass es ihm nicht darum geht, eine Debatte zu führen, sondern darum, sich gegen seine Kritiker zu behaupten und Recht zu behalten. Insofern hat das Interview einen gewissen Erkenntniswert – aber neu ist diese Erkenntnis nun auch nicht gerade. Musste dieses Interview wirklich sein? Die FR-Leserinnen und -Leser haben dazu eine klare Meinung.

Hans-Peter Schemitz aus Offenburg:

Seit 1966 bin ich Abonnent Ihrer Zeitung. Wenn ich Sarrazin-Interviews lesen wollte, hätte ich die Welt abonniert. Bitte  ersparen Sie mir doppelseitige Dokumente dieser Art.“

Manfred Kirsch aus Neuwied:

„Es war ja wohl nicht zu erwarten, dass Thilo Sarrazin etwas von seinen kruden, demagogischen und braun schimmernden Thesen zurücknehmen würde. Dieser Mann ist einfach weder lernbereit noch lernfähig. Wir steuern in der Bundesrepublik auf eine frostige Gesellschaft zu, wenn man betrachtet, welch hohe Auflage Sarrazins Buch hatte. Dazu noch ein Bundespräsident, der diesem Volksverhetzer Mut attestiert. Mir wird regelrecht Angst vor der politischen und gesellschaftlichen Zukunft hierzulande.“

P. Dietsche aus Hennef:

„Ganzseitige Interviews mit Stars und Sternchen und anderen Leuten, über die ich wirklich nichts wissen will, kann ich hinnehmen. Offensichtlich wünscht die Mehrheit diesen Kram. Aber lesen zu müssen, dass Sarrazin in meiner Tageszeitung auf zwei Seiten seinen Dreck verbreiten darf, geht zu weit.“

Gundula Schöpp aus Bernau:

„Seit Jahrzehnten bin ich treue Leserin der FR, bin mit ihr durch Höhen und Tiefen gegangen und habe sie gestern noch gegenüber einer anderen Leserin verteidigt. Und nun sehe ich ein Interview mit Thilo Sarrazin. Es kann nicht sein, dass meine Zeitung Rassisten ein Forum bietet! Zur Einschätzung von Sarrazin sei auf die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom 2. September 2010 verwiesen. Zum Weiterlesen empfehle ich die Bücher „Manifest der Vielen“ und „Deutschland Schwarz Weiß“.“

Jürgen W. Fritz aus Frankfurt:

„So richtig weitergekommen ist man mit den Fragen der FR auch nicht. Nirgendwo ein brauchbarer Ansatz von Kritik der ihn in die Enge trieb. „Sie können sich keine Welt basteln, die sich von den Fakten löst.“ Wo er recht hat, da hat er recht. Das ist genau der Punkt. Übrigens: ich habe sein Buch nicht gelesen, und werde auch das Taschenbuch nicht lesen.“

Erhard Schmidt aus Neumünster:

„Das aktivierte Erinnerungen an die Nachkriegszeit, als Millionen Deutscher aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern nach Westdeutschland flüchteten oder vertrieben wurden. Wie wurden sie hier aufgenommen? Zwar taten die Behörden alles, um sie unterzubringen, aber die Leute sagten: „Ach, jeder Ostpreuße war ja angeblich Gutsbesitzer, und denen wird das Geld nachgeworfen!“ Oder: „Zu Hause haben sie auf Strohsäcken geschlafen, und hier wollen sie wie Grafen behandelt werden.“ Oder: „Dies Gymnasium ist eine Schule für höhere Töchter und nicht für Flüchtlingskinder.“ So sah die Bereitschaft der ansässigen Bevölkerung aus, Fremde zu integrieren. In manchen Dörfern sind manche Einwohner noch in fünfter Generation „Zugereiste“.
Die Flüchtlinge und Vertriebenen haben sich in Vereinen und Verbänden zusammen geschlossen und pflegen ihre von Westdeutschen ungeliebte Kultur jetzt immer noch. Nach Sarrazin ist das ja wohl ein deutliches Zeichen von geringer, ererbter Intellegenz, während die ansässige Gesellschaft natürlich, genetisch bedingt, hoch intellegent ist.
Also: DAS hat mich erschreckt: Die FR bietet dem Volksverhetzer Sarrazin eine große Plattform. Als wissenschaftlich bezeichnet er seine Arbeit. Das kommt der Verhöhnung der Wissenschaft gleich. Da sammelt einer Daten, ohne ihre Subjektivität zu hinterfragen, konstruiert daraus ein diffamierendes Bild einer ganzen Bevölkerungsgruppe, ohne auch nur mögliche Lösungsansätze zu skizzieren (die aus seinem Machwerk zu folgernde Lösung in Form der ethnischen Säuberung kann man wohl kaum als Lösung bezeichnen), verdient mit seinen in Blei gegossenen Vorbehalten gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen Millionen und nennt seine Arbeit „wissenschaftlich“. Da drehen sich doch den Kulturwissenschaftlern, den Neurobiologen, den Erbgutforschern, den Evolutionsbiologen und ganz vielen Pädagogen die Mägen um. Totschweigen sollte man ihn!
In der Tat wird die SPD den Gabriel überleben. Aber ob sie den Sarrazin überleben kann, das ist noch nicht ausgemacht. Da müsste sie vielleicht doch noch was tun.“

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4 Kommentare zu “Doch nicht in unserer Zeitung!

  1. Gegengift in der Überdosis toxisch

    Sarazin ist eine Art Gegengift für jene Leute, die alle Probleme auf schizoide Weise schönreden. Wenn bestimmte Gruppen, nennen wir sie ruhig „Gutmenschen“ zum Beispiel von Toleranz faseln, schwule Schützenkönige haben wollen, aber gleichzeitig weggucken, wenn bestimmte Kulturbereicherer aus einer religiös bestimmten Männergesellschaft in Berlin Jagd auf Schwule und Lesben machen, oder Deutschstämmige Kinder als Minderheit in Kreuzberg einem regelrechten Rassismus ausgesetzt sind, kommt Sarazin mit dem Notarztkoffer und setzt eine Überdosis. Darin enthalten: Sozialdarwinismus auch gegen Deutsche HarzIV-Empfänger, Menschenverachtung, Rassismus, samt dem unseligen verquasten Gen-Theorien. Das Problem ist, daß vernünftige unbequeme Mahner, Lehrer, Sozialarbeiter Ortsbürgermeister, Polizisten, Jugendrichter (der tragische Fall ist bekannt) nie oder selten zu Wort kommen, sondern man stattdessen diesen populistischen Schaumschläger zum „Sprachrohr“ gekürt hat und in Talkshows wie einen Tanzbären herumreicht. Sarazin ist ein Medienphänomen. Die Medien haben scheinbar kein Interess daran, daß Mißstände – zum Beispiel Gewalt in U-Bahnen, S-Bahhöfen usw. (Täter kommen fast alle aus dem gleichen kulturellen Umfeld)aufhören; sie wollen einen „Aufreger“ einen Polarisierer, eine Art rechtpopulistischen Hofnarren. Um sich hinter her ins Fäustchen zu lachen und zu sagen: „Haha, jetzt hat er mal wieder einen Bock abgeschossen!“. Das Problem ist, daß es Sarazin gelungen ist, bestimmte Mißstände mit seiner Person zu besetzen, und andere, die zur Thematik mehr zu sagen hätten, einfach totgeschwiegen werden.
    Eine gute Reportage über den Alltag der Frankfurter Polizei, ohne Tabus und falsche Rücksichtnahme gegenüber bestimmten Kulturellen Milieus, wäre sicherlich sinnvoller gewesen. Hätte aber wahrscheinlich weniger Leser gefunden. Und eine Zeitung lebt nun mal in erster Linie vom Verkauf, und nicht von Lesern, die im Internet ihren Frust ablassen.

    Taunuswolf

  2. Bereits der vom Verlag gestattete Titel mit der mehr als offenkundig falschen Feststellung, dass, paraphrasiert, alle menschliche Arbeitskraft moderner Gesellschaften allein darauf ausgerichtet sei, ein Land in der gegenwärtigen Gestalt namentlich der Bundesrepublik abzuschaffen, genügt deshalb nicht der Kunst der Provokation, weil sie systematisch weit unterhalb des Horizonts bleibt, was unabweisbar von jedem an Leistung erbracht werden muss. Wenn man so will, könnte ein jeglicher Sarrazin zurecht ankreiden, noch heute gleichsam ohne gültigen Fahrschein in Händen dadurch höchst verloren am Bahnsteig zu stehen unter Verzicht sämtlicher Anstalten, eine solche für keinen haltbare Situation zu ändern; entlehnt man die vom Soziologen Beck seit den 1980er Jahren verbreitete Metapher in dieser Frage.

  3. Selbst wenn Ein mit allen Wassern gewaschener Interviewer Sarrazin in die Ecke getrieben hätte, wie das in einer anderen grossen Zeitung mit mehr Erfolg geschehen ist, hätte das letztlich nichts geändert. So wie schon Antisemitismus arbeitet Sarrazin mit dem Ressentiment der Leute, und da ist es egal, ob seine Thesen argumentativ widerlegt werden oder ob seine Statistiken weder Hand noch Fuss haben. Sie entsprechen dem Subjektiven Gefühl der Leute und werden nur deshalb auch so gut von den Massen angenommen. Wer auf emotionaler Ebene punktet, den kann man Schwer auf rationaler Ebene widerlegen.

  4. Die Vielfalt der Gefühle und bislang erreichter Erkenntnisstand existieren zweifelsohne seit jeher und auch künftig jeweils autonom; d. h. dass sie durch einander sich niemals widersprechen. Beides angesichts dessen vorsätzlich zu stören, wie es Sarrazin anhand seiner allein fiktional zu bezeichenden Schrift fraglos anstrebt, weist ihn nicht nur als höchst uneinsichtig in die Natur des Menschen aus, sondern in seiner hinreichend belegten Einfalt zudem als äußerst daran interessiert, wie es das Vorwort zu Marx‘ Kapital längst kritisiert, wegzudekretieren und zu überspringen, was ohnehin von keinem geleugnet werden kann.

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