FRANKFURT.Die deutsche Wirtschaft brummt wie lange nicht mehr – angeblich. Der Bundesfinanzminister hatte mehrfach Steuereinnahmen zu verzeichnen, die weit über dem prognostizierten Niveau lagen – heißt es. Diesem Land geht es besser denn je – glaubt man Angela Merkel und ihrer schwarz-gelben Koalition. Dass das alles irgendwie nicht wahr sein kann – oder nur die halbe Wahrheit ist -, das erkennt ein jeder leicht, der offenen Auges durch unsere Innenstädte geht. Wohin man auch blickt, unsere Infrastruktur droht zu veralten. Jedes Jahr entsteht zusätzlicher Investitionsstau in Milliardenhöhe. Und natürlich leidet auch die Kultur!
Sparen, sparen, sparen. Frankfurt ist Austragungsort eines Kulturkampfes, der symptomatisch für unsere Gegenwart ist (und der natürlich auch woanders stattfindet). Es ist kein Geld im Stadtsäckel, auch wenn sich die Situation leicht verbessert hat – denn Frankfurt ist bei weitem nicht so reich, wie Hochglanz-Fernsehbilder von der schicken Skyline vermuten lassen. Das Frankfurter Schauspielhaus und die Frankfurter Oper sind Kulturinstitutionen von Ausnahmestatus, sie strahlen weit über Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet aus. Beide Häuser zusammen haben einen Etat von 65 Millionen Euro. Davon müssen sie, wenn es nach dem Willen der Stadtpolitik geht, 2014 eine Summe von 1,36 Millionen Euro einsparen. Frankfurt wird von einer schwarz-grünen Koalition regiert und hat einen SPD-Oberbürgermeister. Michael zu Löwenstein, Chef der CDU-Fraktion im Römer, verweist darauf, dass Frankfurt „die höchsten Kulturausgaben pro Einwohner“ aller deutschen Großstädte habe – rund 220 Euro im Jahr.
Dazu ein Leserbrief von Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
Hier geht es um die Systemfrage!
Der Gestaltungswille des schwarz-grünen Magistrats beschränkt sich offensichtlich auf die Verteilung von Steuereinnahmen entlang einer Prioritätenliste, über die in der Stadtverordnetenversammlung ein weitgehender Konsens zwischen Regierungsparteien und SPD herrscht und auf der die Kultur einen nachrangigen Stellenwert besitzt. Diese Engführung findet im offenen Brief des CDU-Fraktionsvorsitzenden beredten Ausdruck.
Folglich stellt keiner unter den tonangebenden Frankfurter Politikern grundsätzliche Fragen. Etwa nach der Beteiligung der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen: Warum erhalten Städte und Gemeinden keinen festen Anteil aus der Umsatzsteuer, obwohl diese Verbrauchssteuer wesentlich auf den Infrastrukturen vor Ort beruht? Warum beklagen Finanzdezernenten und -minister zwar eine Einnahmesituation, welche den notwendigen Ausgaben nicht gerecht wird, und unterlassen trotzdem so ziemlich alles, um diese Einnahmen (sprich Steuern) spürbar zu erhöhen bzw. um ein gerechtes und zukunftsweisendes Steuersystem zu installieren?
Warum wird die Frage der Besteuerung rhetorisch und öffentlichkeitswirksam immer auf ein relativ unbedeutendes Nebengleis gelenkt, nämlich das der Steuer auf normale bis gehobene Einkommen? Warum erfolgen keine durchgreifenden Maßnahmen gegen Steuervermeidungsstrategie und Steuerflucht, warum werden auf nicht nachhaltig produzierte Produkte keine gesonderten Steuern erhoben, warum keine auf Energieverschwendung und auf Mietwucher? Warum wird die Vernichtung des Kapitals von Millionen Kleinsparern durch EZB und internationale Großbanken nicht besteuert?
Fragen über Fragen, doch statt Antworten zu geben, wird manipuliert. Man orientiert sich an der „Schuldenuhr“ eines fragwürdigen Steuerzahlerverbands und implantiert sogenannte Schuldenbremsen. Auf die „Vermögensuhr“ hat noch keiner der Verantwortlichen geschaut.
Am Willy-Brandt-Platz in Frankfurt wird ein Grundwiderspruch dieser Gesellschaft optisch deutlich. Auf der einen Seite das von Hochhäusern dominierte Bankenviertel, auf der anderen die vergleichsweise bescheidenen und renovierungsbedürftigen Bauten der Städtischen Bühnen mit Oper und Schauspiel: Kapital contra Kultur.
Die Feindseligkeit der Parteien gegenüber der kritischen Intelligenz und damit der Kultur im Allgemeinen spiegelt sich im Kampf um den Etat der Frankfurter Bühnen. Diese Auseinandersetzung ist keine Provinzposse, auch kein marginaler Verteilungskampf, sondern hier geht es um die Systemfrage.
Der kluge Machtpolitiker ist eigentlich ein Freund der Kultur , schließlich ist eine gut bezuschusste Kultur auch eine brave Kultur.
Könnte man ja schon mal die Frage stellen , warum der siechende Kapitalismus mit seinen fortwährenden Steilvorlagen nicht viel mehr Subversivität auf den Plan ruft – aber vielleicht ist gerade auch dieser Umstand ein nicht unwesentlicher Teil unserer Krise.
Sie vermissen, wohl zu Recht, „mehr Subversivität“. Das vermisse auch ich, sogar bisweilen in der FR. Eine Partei, die Subversivität fördert, die unser kapitalistisches System kompetent kritisiert, nämlich die Linke, wird oft einfach totgeschwiegen oder als SED – Nachfolgerin mit einem Gysi als möglichem IM denunziert, manchmal leider auch in der FR. Hoffen wir mal, dass sich das noch rechtzeitig ändert.
Sie haben Recht , leider sind es oft die mittig-linken Blätter – die Sueddeutsche ist da nicht anders – die meinen , sich besonders scharf abgrenzen zu müssen gegenüber der Linken.
Ich halte die Fragen von Klaus-Philipp Mertens für mehr als berechtigt und schließe mich seinen Ausführungen an. Als weiteres Beispiel des kulturpolitischen Kahlschlags hier ein Link zum Umgang des Berliner Senats mit Dozenten der Musikschulen in Berlin:
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/lehrerprotest-musikschulen-werden-laut,10809148,23160264.html