Gewissenskontrolle im Vordergrund

Der katholische Theologe David Berger war bis vor kurzem Herausgeber der traditionalistischen Zeitschrift „Theologisches“. Jetzt outete er sich in der FR als Schwuler. Er hat sein Amt niedergelegt. Der unmittelbare Anlass dazu war der Auftritt des Essener Bischofs Overbeck bei Anne Will und sein Statement über Homosexualität: Sünde! Es hat nach eigenem Bekunden schon länger in Berger geköchelt, aber es scheint gedauert zu haben, bis er merkte, dass Würdenträger der katholischen Kirche offenbar gezielt Informationen über Schwule in kirchlichen Funktionen sammeln, um diese als Druckmittel einzusetzen. Auch gegen ihn. So meint er, dass die Entscheider schon vor seiner Ernennung zum Herausgeber von „Theologisches“ gewusst haben müssten, dass er schwul ist. „Ideologisch konnte ihnen das nicht passen“, schreibt er in der FR. „Aber zupass kam es ihnen trotzdem“, denn man habe einen „linientreuen, willigen und wegen seiner sexuellen Veranlagung obendrein gut domestizierten neuen Herausgeber“ gesucht. Für die katholische Kirche ist die Einsicht, die die Öffentlichkeit so in die tieferen Mechanismen der Kirche nehmen kann, zweifellos ein GAU. Bergers Geschichte ist jedoch kein Einzelfall, wie FR-Leser Stefan Diefenbach aus Frankfurt berichtet:

„Lieber David Berger! Respekt und Anerkennung – auch dafür, dass Sie Ihren Schritt nicht still und heimlich vollzogen haben. Es ist wichtig: Gesicht zu zeigen und Position zu beziehen! Als ehemaliger Ordenspriester – selbstbewusst katholisch und selbstbewusst schwul – kann ich mir vorstellen, welche Konflikte sie innerlich auszutragen hatten. Aber irgendwann ist das Maß voll – und der innere Druck nicht länger auszuhalten. Für mich war damals wichtig: nicht bloß aufzuhören, sondern auch anzufangen. Daher engagiere ich mich beim Lesben- und Schwulen-Verband im Projekt ‚Dialog mit Kirchen‘.
Bitte bringen Sie Ihre theologische und philosophische Kompetenz in den längst überfälligen Diskurs ein – damit sich etwas in der Kirche ändert! Dann können auch andere sich trauen – und irgendwann braucht es gar keinen Mut mehr, weil es keine Rolle spielt, welche Begabung zu lieben man hat.“

Dr. Klaus Obenauer aus Bonn:

„Vorbemerkungen:  1.) Dass es  „rechtskatholische“ Milieus gibt, wie David Berger sie beschreibt, Schlangengruben mit gepflegter Freikorps-Diktion, ist Verfasser aus eigener Anschauung gut vorstellbar.  2.) Dass intrigante Machenschaften solcher Kreise einen erheblichen Anteil an der Lage haben, in denen Berger sich  befindet, nimmt Verfasser ihm gern ab. 3.) Verfasser erkennt das Verdienst Bergers an, Thomas von Aquin und seiner Schule eine verstärktere Präsenz im deutschen Sprachraum verschafft zu haben.
Dennoch: Fast sprachlos macht die Unverfrorenheit, mit welcher Berger sich in seine markante Stellung eines streng-konservativen thomistischen Theologen hineingeglitten beschreibt. Es ist nicht zu sehen, wer ihn zu dem für ihn typischen Exklusivismus veranlasst haben soll, außer er selbst in seinem Bedürfnis nach möglichst scharfem Profil!  Einen Exklusivismus, der ihn völlig unhistorisch einen „Thomismus strikter Observanz“ postulieren ließ,  ihn noch das Diskutierbare zu dogmatisieren veranlasste (Thomismus der „24 Thesen“).
Und was soll man nun dazu sagen, wenn selbiger Mann sich jetzt in einer Zeitung, mit welcher ihn in früheren Tagen, gelinde gesagt, wenig verbunden hatte, der kirchenkritischen Gemeinde andient? Darf man fragen, ob die kurz beschriebene alte Vergangenheit mit der neuen Gegenwart nicht doch vielleicht eines gemeinsam hat: die Offenbarung eines regressiven Narzissmus?
Von daher muss auch der Kirchendistanzierte, der Bergers Bekenntnis liest, sich fragen, ob er, wenn er intellektuell redlich bleiben will, solche Einlassungen für bare Münze nehmen darf. Ist demjenigen, der berühmte Theologen wie allen voran Karl Rahner mit einer Kritik überzog, die in ihrer Maßlosigkeit evidentermaßen nicht zu halten ist, Glauben zu schenken, wenn er katholischen Kirchenoberen pauschal und ohne Beweis derart perfide Strategien unterstellt?“

Werner Engelmann aus Luxemburg:

„David Bergers mutiges ‚Coming out‘ offenbart das Innenleben eines verknöcherten, auf bloßen Machterhalt orientierten konservativen Katholizismus, und dafür sei ihm gedankt. Es macht deutlich, dass eine allein auf Zölibat oder Missbrauchsfälle konzentrierte Diskussion an der Sache vorbeigeht. Es geht um ein ganzes System dogmatischer Verengung sowie ein frauen- und lebensfeindliches Menschenbild. ‚Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten oder Werken‘, heißt es noch heute im Beichtspiegel. Zwischen etwa pädophilen Begierden und entsprechenden Taten wird nicht unterschieden. Und der Essener Bischof Overbeck behauptet, ‚dass es eine Sünde ist, homosexuell zu SEIN‘.
Nicht die Verhinderung schändlicher Taten steht im Vordergrund, sondern Gewissenskontrolle. Es geht darum, den ‚Sünder‘ – wie   Berger schreibt – ‚gefügig zu machen‘. Und es geht um Ausgrenzung im Sinne eigenen Machterhalts. Eine Opferperspektive passt nicht in ein solches System. Doch auch für Täter ergibt sich kein Ausweg aus eigener Schuldverstrickung: Der Zölibat ist das Gegenstück zum unseligen ‚Jungfräulichkeits‘-Dogma, das Schuldbewusstsein bei Frauen erzeugt. Die Faszination, welche ein in der katholischen Kirche – und nicht nur hier – kultivierter ‚Reinheits‘-Wahn auf Menschen ausübt, die mit eigenen sexuellen Fantasien nicht zurechtkommen, ist verständlich. Versprechen sie sich doch davon Halt und Hilfe gegen ihre „sündhaften“ Neigungen. Und wie die ‚jungfräuliche‘ Mutter erscheinen ihnen Kinder als Symbol der „Reinheit“. Das Bewusstsein der Schändlichkeit des eigenen Tuns, das man unterstellen kann, erweist sich als machtlos gegenüber einem unterdrückten, nach Selbstbefreiung schreienden „Es“, das sich mit der Faszination kindlicher ‚Reinheit‘ verbindet, die man sich im sexuellen Akt quasi einzuverleiben scheint.
So erscheint die mit moralischer Empörung vorgetragene Verurteilung der „gefallenen“ Geistlichen durch Benedikt XVI. heuchlerisch, wenn der gleiche Papst zu den unerträglichen Auslassungen seines Kardinalstaatssekretärs Bertone schweigt, der ‚einen kausalen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche‘ behauptet. Es geht um Ausgrenzung von Menschen, die nicht in das engstirnige, dogmatische System passen oder ihm nicht genügen, nicht um Einsicht in  Verfehlungen oder Verirrungen eben der Kirche, die er vertritt. So ist es nur konsequent, wenn Tausende aufrechter, aber verunsicherter Katholiken an der Einsichts- und Reformfähigkeit ‚ihrer‘ Kirche zweifeln und daraus ihre Konsequenzen ziehen.“

Dr. Hans-G. Wiedemann aus Düsseldorf:

„Solange die katholische Kirche an ihrer menschenfernen Sexualdoktrin festhält, nach  der Sexualität nur legitim und ‚gottgefällig‘ ist, wenn sie der Zeugung dient, wird sie nicht akzeptieren können, dass homosexuelle Liebe in der Sexualwissenschaft   längst als normale  Ausprägung  menschlicher Sexualität anerkannt ist! Ich bin froh,  dass wir das in unserer evangelischen Kirche  im Rheinland nach längerer Diskussion akzeptiert haben. Schon vor neun Jahren  habe ich mit  Beschluss  unserer Landessynode als Pfarrer  die ersten Gottesdienste mit  homosexuellen Lebenspartnern in meiner  Gemeinde  durchgeführt!
Wie lange müssen katholische schwule und  lesbische Christen  und Christinnen  noch  auf die Achtung ihrer Liebe und Würde  durch ihre Kirche warten?  Es  widerspricht doch radikal der Menschenliebe Gottes, dass sie  zu Opfern klerikaler Homophobie  gemacht werden.“

Brigitte Ernst aus Frankfurt:

„Ich muss mich wundern. Wie konnte ein praktizierender Homosexueller je glauben, in der katholischen Kirche eine Heimat zu finden? Weil er sich von dem kitschigen Mummenschanz angezogen fühlte, der darin gipfelt, dass der Papst rote Schühchen trägt? Ein viel zentralerer Aspekt dieser Religion ist doch die menschenverachtende Sexualmoral. Und da ist jegliche sexuelle Betätigung außerhalb der Ehe Sünde. Deshalb muss es nicht einmal von besonderer Homophobie zeugen, wenn gelebte Homosexualität als sündhaft empfunden wird.
Das Problem dieser sexuellen Ausrichtung im Gegensatz zur Heterosexualität ist doch, dass ein solch „sündhaftes“ Tun niemals in eine „von Gott gesegnete“ Partnerschaft münden kann, da die Kirche ja Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern verbietet. Dass sich das ändern würde, konnte Herr Berger doch nicht ernsthaft annehmen! Also lebt er ständig „in Sünde“, ebenso wie all die Priester, die in sexuellen Partnerschaften leben, weil sie damit zusätzlich das Gebot des Zölibats verletzen. Von einem aufrechten Charakter erwarte ich aber, dass er ehrlich mit sich und anderen umgeht und entweder nach den von ihm selbst vertretenen Gesetzen lebt oder  zu dieser für sie unpassenden Gemeinschaft auf Abstand geht. Priester, die erkennen, dass sie nicht nach dem Zölibat leben können, müssen halt ihr Amt niederlegen. Wie können sie sonst im Einklang mit ihrem Gewissen leben? Denn die unter den bombastischen Gewändern verborgene Verlogenheit, dass man Wasser predigt und Wein trinkt, ist der wirkliche Skandal. Gut, dass dies Herrn Berger nach so vielen Jahren der Mitarbeit bei dieser unsäglichen Zeitschrift endlich aufgegangen ist!“

Michael Haas aus Sanur (Indonesien):

„Schön dass Herr Berger endlich den Weg gefunden hat, sich zu seiner Sexualität zu bekennen. Eigentlich müsste man das nicht. Denn es gibt ja auch keine bekennenden Heterosexuellen.
Warum sollen die Schwulen immer darüber reden, dass sie das eigene Geschlecht attraktiv finden? Die Notwendigkeit, sich zu outen, weist immer noch auf die Situation des Außergewöhnlichen, des Zu-Erklärenden hin.
Der einzige Grund des Darüber-Reden-Müssens ist: Um der Erpressbarkeit zu entgehen. Deshalb musste sich Herr Berger outen und nur deshalb. Vielleicht auch, um den Druck los zu werden, der immer noch mit dem Gefühl verbunden ist, anders zu sein als andere. Aber wir sind ja alle irgendwie anders als andere. Und wir sind auch wieder so wie andere: in unserem Menschsein, in unserer Kreatürlichkeit. Damit dann in unserer Notwendigkeit, mit anderen Kontakt zu haben (zoon politikon hat das Aristoteles genannt), körperliche und seelische Nähe zu brauchen usw. Wollen wir uns auf das uns Verbindende und das uns Unterscheidende positiv Bezug nehmen. Beides macht uns lebendig und hat tiefe Wurzeln in unserer Kreatürlichkeit und verbindet uns da sehr mit dem Tierreich.
Noch etwas abschließend, um die Verbindung mit dem Tierreich in unser Thema der Sexualität zu holen. Jedem, der sich mit Verhaltensforschung ein wenig beschäftigt hat, weiß, wie normal gleichgeschlechtliche Liebe bei Tieren ist. Karl Lorenz hat in seinem Buch ‚Das sogenannte Böse‘ sehr hübsch beschrieben, wie schwule Ganter das größte Revier an einem Teich mit Erfolg gegen schwächere heterosexuelle Pärchen verteidigen.
So gesehen – erlauben Sie mir den Spaß – kann ich die Stärke und Durchsetzungskraft von Herrn Westerwelle nun auch biologisch recht gut verstehen.“

Erika Micale aus Stuttgart:

„Sehr geehrter Herr Berger, ich bedanke ich mich bei Ihnen für Ihren MUT Ihr Amt niederzulegen und uns einmal ‚hinter die Kulissen‘ schauen zu lassen, damit wir besser verstehen lernen. Wenn dies alle schwulen Priester tun würden, diesen Mut zu haben, dann müssten sich Bischöfe, Kardinäle und seine Heiligkeit der Papst ernsthaft Gedanken machen, wie sie die kath. Kirche noch aufrecht erhalten wollen. Solange nur Einzelne diesen Mut zeigen und gehen, wird sich nichts ändern.
Ich habe mich schon seit 1997 mit der kath. Kirche, Bischofskonferenz und nach Rom geschrieben, als Mutter von zwei schwulen Söhnen, einer Hetero-Tochter mit angolanischen Ehemann und selbst mein sizilianischer Ehemann, alles Antworten, die nichtssagend waren, und man soll sich einen Priester seines Vertrauens suchen, der einem dann unmittelbar helfen kann. Wie soll er helfen können, wenn homosexuelle Menschen für die Kirche eine ‚Gefahr‘ sind und sie schlichtweg nicht für die Kirche existieren?
Durch die Missbrauchsfälle kommt jetzt sehr viel ans Licht und die Äußerungen von diesem Kardinal Bertone kann ich nicht mehr ertragen.
Unsere homosexuellen Kinder sind genauso geliebte Kinder Gottes wie alle anderen auch. Keine kath. Kirche hat das Recht, sie zu ignorieren. Wir Eltern sind im Bundesverband für Eltern, Freunde und Angehörige von Homosexuellen vereint und kämpfen für gleiches Recht wie für unsere heterosexuellen Kinder. (http://www.befah.de/)
Ein offener Brief ging an die Bischofskonferenz.
Für Ihren neuen Lebensweg von Herzen alles Gute und Gottes schützende Hand.“

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13 Kommentare zu “Gewissenskontrolle im Vordergrund

  1. Ich mache mir die Auffassung von Herrn Dr. K. Obernauer aus Bonn zu Eigen, mit der Ausnahme der Zuerkennung der Verdienste des Herrn Berger um den Thomismus, welche ich nicht beurteilen kann und jetzt muß.
    Auch nach meinem Dafürhalten sind sowohl das beschriebene kirchliche Gebaren, als auch das rebellorische Novizentum des Herrn Berger, welchen mit gruppenspezifischer und fortdauernder inquisitorischer Härte exerziert wurden bzw. werden, zwar eindeutig öffentlichkeitsrelevant, aber es handelt sich bei diesem Vorgang um eine Farce bzw. um eine Groteske, von welcher ich mich nur mit Grausen abwenden kann.

  2. In der Bibel steht: „Du sollst nicht bei einem Mann liegen, wie bei einer Frau, es ist ein Greuel“, aber es steht doch nicht dort: „Du sollst nicht die Neigung haben, bei einem Mann zu liegen, wie bei einer Frau, denn schon die Neigung ist ein Greuel“.

    Insofern ist in der kath. Kirche, die in dieser Angelegenheit wohl eher die Position von Paulus und Moses einnimmt als die von Berger, nicht Homosexualität Sünde, sondern die homosexuelle Tat. Ein Homosexueller befindet sich also nicht schon allein durch sein Schwulsein in einer Art sündigem Dauerzustand. Wenn der Homosexuelle abstinent lebt oder eine heterosexuelle Ehe eingeht, entspricht er Gottes Willen… keine Spur von Sünde!!!

    Kirchen, egal welchen, ist es nunmal zu eigen, ihre Mitglieder mit bestimmten Anschauungen, Vorschriften und Regeln zu traktieren, selbst Taubenzüchtervereine machen das. Hat Herr Berger nach jahrelanger Vereinsmitgliedschaft erst jetzt, vermittels Anne Will, die Anschauung der kath. Kirche bemerkt, daß ein Ausleben der Homosexualität Sünde sei? Das wäre ja sehr merkwürdig, wenn es so wäre. Wenn er diese Anschauung aber schon vorher kannte, dachte er vielleicht: Ach, ist ja sicher nicht so gemeint? Ich werde aus seiner plötzlichen Aufregung zu diesem Thema ehrlich gesagt nicht schlau.

  3. Ich möchte darauf aufmerksam, dass Sie, Herr Wedell, aus dem alten Testament zitieren, aus den Moses-Büchern. Diese Lehrsätze sind nicht grundsätzlich Bestandteil der christlichen Lehre, auch wenn sie in der Bibel stehen. Basis des Christentums sind in erster Linie die Evangelien und dann die Paulus-Briefe. In den Evangelien steht nichts im Sinne von „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau.“

  4. Ich habe den Fehler gemacht und mich auf Bronskis Zusammenfassung verlassen, die mal wieder höchst unzulänglich war, denn auch sein Link auf den eigentlichen Artikel funktioniert ja nicht. Den habe ich inzwischen gesucht und nachgelesen.

    Das Problem Bergers scheint zu sein, daß er sich in Kreisen innerhalb der kath. Kirche bewegte, in denen die offizielle Position der kath. Kirche nicht auch die persönliche Meinung mancher Beteiligten war, sondern darüber hinaus, so wie er es schildert, Homophobie vorlag. Unakzeptabel ist natürlich die Ansicht, der er über den Weg gelaufen zu sein behauptete, im Nationalsozialismus hätte man eine adäquate Antwort auf Homosexualität gefunden, d.h. der Homosexuelle gehöre eingesperrt.

    Was für einen Sinn es macht, sich an Stellen der Gesellschaft zu begeben, wo sich Homophobie möglicherweise häuft, um anschließend über die Häufung zu lamentieren, sei dahingestellt… vielleicht denselben, wie in einen Swingerclub zu gehen, um sich dort über grassierende sexuelle Unmoral aufzuregen. Homosexualität kann auch überhaupt nur in Umgebungen zur Steuerung von Homosexuellen verwendet werden, in denen Homophobie verbreitet ist. Der vernünftige Homosexuelle meidet daher solche Umgebungen einfach.

    Der berechtigte Anspruch des Homosexuellen, nicht auf Homophobie zu treffen, besteht ja durchaus, nämlich in der Öffentlichkeit. In geschlossenen Zirkeln, wie z.B. konservativ-katholischen Funktionärszirkeln kann er diesen Anspruch haben, kann sich aber doch nicht beklagen, wenn der vereinzelt enttäuscht wird.

  5. @ Monika,

    kann man das wirklich so trennen? Von den zehn Geboten heißt es ja auch nicht, daß sie nur insofern Bestandteil christlicher Glaubenslehre sind, wie sie nochmal vereinzelt im NT erwähnt werden. D.h. das NT baut insofern auf dem AT auf, als der Gott des AT derselbe ist wie der des NT, und daher nicht einmal dieses verkünden kann und ein anderes Mal jenes. Ist aber bloß meine Laienmeinung, über die hochgelehrte Theologen sicherlich herzhaft lachen werden… 😉

    Wie dem auch sei, im NT heißt es:

    „Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“

    Homosexualität ist also laut Paulus eine Verirrung und entehrend. Hier zeigt sich allerdings, daß möglicherweise Bischof Overbeck doch recht hat und die offizielle, tolerierende Position der kath. Kirche eine Annäherung an den Zeitgeist: Hier ist die Leidenschaft schon entehrend, und nicht erst ihr Ausleben.

    Nun könnte man natürlich sagen, Paulus, einer der ersten christlichen Theologen, na der war einfach homophob, und das, was er hier schrieb, war einfach eine persönliche Meinung, die er ins „Wort Gottes“ hineinbrachte. Die Anschlußfrage wäre dann, ist das die einzige Verfälschung, und wenn nein, ist das nicht unwahrscheinlich, und wenn ja, welche gibt es noch?

  6. Ugekehrt… Die Anschlußfrage wäre dann, ist das die einzige Verfälschung, und wenn ja, ist das nicht unwahrscheinlich, und wenn nein, welche gibt es noch?

  7. @ Max Wedell

    Ja, das kann man so trennen, denke ich. Das AT ist vorwiegend deshalb Bestandteil der Bibel, weil es Zeugnis ablegt von den Wurzeln des Christentums. Es liest sich in weiten Teilen wie ein Geschichtsbuch. Es ist auch voller politischer Propaganda. In den Moses-Büchern steht geschrieben, woher das alles gewachsen ist. Die frühen Juden waren Nomaden, und ihr Rechtskanon, dem das Gräuel-Zitat entstammt, ist eingebettet in eine ganze Reihe archaischer Bestimmungen und Rechtsauffassungen, die jener Zeit entsprechen und die in manchem Züge der Scharia haben. Reißen Sie solche Zitate also besser nicht aus dem Zusammenhang. Das gilt auch für das Versatzstück aus dem Römerbrief, den Sie oben zitieren. Da sind Sie doch glatt einem Stück politischer Propaganda des Paulus aufgesessen, der mit allen Mitteln die römische Dekadenz geißelt.

    Hier auf sodom-online.de gibt es noch mehr davon, da müssen Sie nicht immer so mühsam googeln:

    http://www.sodom-online.de/Kirche/Roem1.html

    Die katholische Theologie hat keineswegs alles bei sich eingebettet, was der Vielschreiber Paulus geschrieben hat, aber er hat in der Tat viel Futter geliefert und dabei auch nicht davor zurückgeschreckt, sich selbst zu widersprechen. Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, warum die katholische Kirche es in zweitausend Jahren nicht geschafft hat, zu einer positiven Haltung zur Homosexualität zu finden. Dabei müsste sie nur mal sich selbst erforschen. Benedikt beispielsweise soll früher auch auf schwulen Klappen …

    Vielleicht ist das einer der Gründe für den Zölibat: Die Kirche wollte sich nicht selbst erforschen …

    Was David Berger betrifft, stimme ich Heribert Süttmann zu. Der Schuss dürfte nach hinten losgehen. Aber es wäre nicht das einzige Mal. Im deutsche Fußball gab es ja auch gerade einen Skandal, der erst nach sexuellem Missbrauch roch und sich dann als Rosenkrieg entpuppte.

  8. @ Monika,

    vielen Dank für Ihre Erläuterungen, aus denen die Sachkenntnis spricht. Ich bin in diesen Fragen blutiger Laie und kann nicht viel mehr als nur googeln.

    Ansonsten bediene ich mich des gesunden Menschenverstandes, und der sagt mir, daß das Problem, das manche damit haben, bestimmte Dinge aus der Bibel zu relativieren (also z.B. eine doch schon vorhandene gewisse homophobe Tendenz), wahrscheinlich damit zusammenhängt, daß es schwierig ist, eine Grenze zu ziehen, bei der das dann aufhören soll. So kann man ja aus dem heutigen Zeitgeist heraus auch z.B. Jesus Aussagen in Frage stellen: „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg!“ Gerade wenn ich jetzt zur Frühlingszeit die Menschen so in den Café sitzen sehe, den Blick über die Fuzo schweifend… Mannomann, was wird da „Ehebruch“ begangen (Männer UND Frauen), zwischen den Stühlen der Cafés müsste man in ausgerissenen Augen nur so herumwaten.

    Die Sexualfeindlichkeit, die aus diesen Worten spricht, widerspricht auch den Erkenntnissen der Humanpsychologie, d.h. wer dauernd die Augen niederschlägt oder einen Punkt an der Decke fixiert, wenn sexuell attraktive Menschen durch sein Gesichtsfeld huschen, wird wohl eher unglücklicher dadurch als glücklicher.

    Auch „Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus“ ist aus heutiger Sicht eher Unsinn… Die Ehe ist also nicht unauflöslich, bei Unzucht kann sie aufgelöst werden… wenn der Mann die Frau ständig verprügelt (oder umgekehrt), kann sie aber nicht aufgelöst werden, dann wird sie wieder „unauflöslich“?

    Wenn Homophobie irgendwie eine archaische Tradition war, die sich in die Bibel schmuggelte, dann fragt man sich natürlich, warum man unzählig weiteres, das ebenfalls den Eindruck archaischer Traditionen macht, die z.B. auch aus dem Munde Christi überliefert werden, Bedeutung beimessen soll.

    Sie sind so mutig, Paulus politische Propaganda vorzuwerfen, könnten Sie auch Jesus von Nazareth politische oder andere Propaganda vorwerfen?

  9. Max Wedel

    Das zehnte Gebot, „Du sollst nicht begehren“, meint keinesfalls eine sexuelle Begierde, sondern die nach fremden Eigentum. In der Übersetzung von Moses Mendelsohnlautet Ex. 20,14: „Du sollst keine Begierde haben nach dem Haus deines Nächsten. Du sollst keine Begierde haben nach deines nächsten Weib, nach seinem Sklaven, nach seiner Sklavin, nach seinem Ochsen, nach seinem Esel oder nach allem, was dein Nächster besitzt.“ Nach jüdischer Tradition ist allerdings nur das wirkliche Tun und nicht das Begehren strafbar. Rabbiner W. Gunther Plaut schreibt aber in seinem Tora-Kommentar weiter: „Dies war auch eine Frage in der christlichen Kirche. Zählte das innere Begehren bereits als Sünde (für die man um Verzeihung bitten musste), wenn es nicht zu einer äußeren Handlung geführt hat? Papst Pius V. bestimmte 1567 …, dass dem nicht so sei.“

    Ein (eingeschränktes) Verbot sexueller Handlungen enthält das 6. Gebot, dass lautet: „Du sollst nicht Ehe brechen.“

  10. @ Abraham,

    eigentlich zitierte ich nicht die 10 Gebote, sondern Jesus aus der Bergpredigt: „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Matthäus 5,28)

    Dabei muß es gar nicht mal um „inneres Begehren“ gehen. Man kann eine Frau als sexuelles Wesen wahrnehmen und sich an der Wahrnehmung erfreuen, auch ohne die Frau zu begehren, d.h. sexuelle Handlungen mit ihr vornehmen zu wollen. Aber das sind Differenzierungen, die zu machen die Autoren der Bibeltexte scheinbar nicht notwendig fanden. Und wir sitzen jetzt da mit dem ganzen Interpretationssalat…

  11. @ Max Wedell, Kommentar 9

    Ich hätte vielleicht besser religiöse Propaganda statt politischer sagen sollen, um verständlich zu machen, worum es geht. Paulus ging es zum einen darum, das Selbstbewusstsein und Durchhaltevermögen der urchristlichen Untergrundgemeinen zu stärken. Zum anderen wollte er damit natürlich zur Ausbreitung des christlichen Glaubens beitragen. In dem Moment, wo beides nur mit Agitation gegen das übermächtige Rom funktioniert, wird diese Propaganda allerdings originär politisch. Dabei ist Paulus der erste bedeutende Jesus-Interpret nach den Evangelisten. Jesus selbst enthielt sich weitgehend der Polit-Propaganda, wenn sie sich nicht gerade gegen die Unsitten am Tempel von Jerusalem entlud.

    Übrigens noch ein Nebengedanke: Allein die Tatsache, dass Moses es für nötig hielt, die Sache mit „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau …“ in seinen Rechtskanon aufzunehmen – nehmen wir mal an, dass er selbst dabei maßgeblich war, weniger seine Epigonen und Interpreten -, ist ja schon vielsagend. Offenbar war homosexuelles Verhalten schon bei den frühjüdischen Nomaden schon hinreichend praktiziert.

  12. Die sexuelle Veranlagung gibt keinen Hinweis darüber, ob es sich um einen guten oder schlechten Menschen, bzw. um einen Ehrlichen und Aufrichtigen oder um einen Lügner und Betrüger, handelt.

    Die Sexuallität eines Menschen ist eine sehr intime Angelegenheit und sollte es auch bleiben. Keiner hat das Recht einen anderen diesbezüglich in den Dreck zu ziehen.

    Schlimm ist es natürlich, wenn in diesem Zusammenhang andere missbraucht und verletzt werden. Dann sind die Grenzen überschritten und es muss eingeschritten werden. Doch diese Grenzüberschreitungen kommen doch nicht nur in der Katholischen Kirche vor!

    Im Übrigen finden Rechtsverletzungen nicht nur im sexuellen Bereich statt.

    Wenn ein Justizminister z. B. unter Aufbietung immens hoher krimineller Energie gefälschte amtlichen Urkunden für richtig erklärt und somit die ganze Welt täuscht, ist das doch weit aus schlimmer, als das was Walter Mixa gemacht hat!

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