Iris Berben äußert sich im FR-Interview über ihre Scham gegenüber Nazi-Opfern, alltäglichen Antisemistismus und ihre Mitarbeit an einem Doku-Film über den Nazi-Jäger Simon Wiesenthal. Sie wählt leise Töne, und was man von ihr hört, würde man auch gern von einer Eva Herman vernehmen:

„Das Thema Nationalsozialismus ist ein Minenfeld. Und ich kenne meine Grenzen gut. Von daher käme es mir nie in den Sinn, historische Vergleiche zu ziehen, Bewertungen vorzunehmen. Aber wenn man in einer Talkshow ständig dazu aufgefordert wird, kann es passieren, dass man sich missverständlich ausdrückt, auch, weil man in vielen Talkshows nicht in Ruhe ausreden kann.“

Bemerkung des Interviewers: „Sie sollen dabei [bei Ihren Lesungen, Anm. Bronski] auch beschimpft und sogar attackiert worden sein.“

Antwort Berben: „Ich war mehr als einmal heilfroh, dass wir Polizeischutz hatten. Diese immer wieder kehrende Debatte darüber, ob die Deutschen noch antisemitisch sind oder nicht, erscheint einem dann erst recht völlig unsinnig. Es geht doch nicht darum, ob es alle sind oder keiner. Es geht darum, dass solche Anfeindungen nur die Spitze des Eisbergs sind.“

Frage: „Empfinden Sie Scham?“

Berben: „Große.“

Frage: „Als Vertreterin des Tätervolks?“

Berben: „Genau deshalb – obwohl meine Eltern nachweislich keine Nazis waren.“

Iris Berben nimmt den Begriff „Tätervolk“ nicht in den Mund, bestätigt ihn aber indirekt, indem sie auf die Frage von Mark Oberth eingeht, ohne zu widersprechen. Diesen Aspekt des Interviews hat Ruth Lamprecht aus Frankfurt zum Anlass genommen, mir zu schreiben:

„Ich möchte mich entschieden dagegen wehren, als Angehörige eines Tätervolks bezeichnet zu werden. Das ist diskriminierend und journalistisch unseriös. Ebenso wenig wie die Eltern von Frau Berben waren weder meine Eltern und Großeltern noch die meines Mannes Nazis, was ebenso wie bei Frau Berben nachgewiesen werden könnte. Sie versuchten zu überleben, wie viele andere in dieser schlimmen Zeit auch, was ihnen am Ende mit schweren Verlusten gerade eben gelang.
Sicher gab es viele Täter, und unentschuldbare Verbrechen sind begangen worden, aber wer die Geschichte kennt (und von einem Journalisten erwarte ich das), der weiß, dass die Auswirkungen dieser Diktatur für die deutsche Bevölkerung verheerend waren und ihr Leiden während des Krieges und danach fürchterlich. Ich selbst bin Jahrgang 1948 und erfuhr in der Schule einen hervorragenden Geschichtsunterricht. Darüber haben wir in der Familie diskutiert und geredet.
Angesichts solcher Anwürfe darf man sich über die Verschlossenheit der Menschen nicht wundern. Niemand soll vom Vergessen reden, aber ein wenig mehr Ausgeglichenheit wäre angebracht.“

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60 Kommentare zu “Niemand soll von Vergessen reden

  1. schade, mein Beitrag den ich eben mühselig zusammen gestellt habe ist leider vom System gefressen worden. VIelleicht versuche ich es später noch einmal

  2. So, auf eine neues.

    Was Frau Lamprecht anführt klingt für mich gerade wieder nach dem typischen Muster.

    1) Mit dem Satz: „Sie versuchten zu überleben, wie viele andere in dieser schlimmen Zeit auch, was ihnen am Ende mit schweren Verlusten gerade eben gelang.“ werden ihre Eltern nicht nur zu nichttätern, selbst zu Opfer höherer Mächte und Umstände.

    2) Mit dem Satz: „Sicher gab es viele Täter, und unentschuldbare Verbrechen sind begangen worden, aber wer die Geschichte kennt, der weiß, dass die Auswirkungen dieser Diktatur für die deutsche Bevölkerung verheerend waren und ihr Leiden während des Krieges und danach fürchterlich.“ wird die umkehr des Opfer-Täter-Verhältnisses dann auf die deutsche Bevölkerung übertragen. Die Relativierung der Schuld der Täter durch das nachgehängt aber ist peinlich

    Mal ernsthaft:
    Der Krieg ging vom Deutschen Reich aus. Die Täter kamen aus Deutschland, sprachen Deutsch. Es waren Soldaten aus Deutschland, die Krieg, Verderben, hunger und Tod über Europa (außer der Schweiz). Afrika sowie große Teile Westasiens und den Atlantik brachten. Die Ausrottung der Juden wurde in Deutschland ersonnen, geplant und von Menschen aus Deutschland begonnen umzusetzen. Die Idee, Bomben nicht beim Aufschlag sondern verzögert explodieren zu lassen, kam aus Deutschland. Damit sollte das Leid in den englischen Städten verschärft werden. Es waren die „Deutschen“ die den totalen Krieg ausriefen und die Zivilbevölkerung nun vollständig und restlos zum militärischen Ziel erklärten. Dieses Leid mit einem „aber“ und einen Verweis auf die Leiden des Tätervolkes zu relativieren ist unglaublich. Hier werden aus Tätern Opfern und aus den Opfern Täter. Hier wird die militärisch Unterwerfung Deutschlands nicht als Reaktion auf die Agression Deutschlands und seine Weigerung der Kapitulation begriffen, sondern als Agression gegen Deutschland eingestuft.

  3. Liebe Inga, das hatte ich auch schon. Die Lösung: ins Textprogramm schreiben und anschließend den Text in die Blog-Maske kopieren. Das irrtümliche Schließen des Textprogramms wird durch eine entsprechende Kontroll-Meldung ggf. verhindert.

    Lieber Bronski, wieso wird meine mehrfach geäußerte und begründete Kritik an den Autoren und Interview-Partnern, die die FR in Sachen Faschismus auswählt und die du hier zur Diskussion stellst, von dir notorisch ignoriert? Ist es nicht eine Frage des angemessenen Stils, dass man als Moderator zumindest reagiert, wo man persönlich angesprochen wird?

    Meine Frage hier wäre: Inwiefern qualifiziert eigentlich die Mitwirkung an einem Film eine bislang wenig durch intelligente Äußerungen in Erscheinung getretene Filmschauspielerin dazu, als Expertin in Sachen Tätervolk und Schuld und Verantwortung der Nachgeborenen befragt zu werden?
    Muss die FR den Quatsch nachäffen, den sich die ARD erlaubte, indem sie niemand Geringeren als Frau Ferres in den Status der DDR-Expertin in Anne Wills Runde hob, weil sie die Rolle der Frau vom Checkpoint Charly so schön gespielt hatte?
    Und was, bitteschön, ist hier eigentlich das Diskussionsthema? Ist die Frage für uns relevant, ob eine Iris Berben Scham empfindet oder nicht, oder vielmehr die allgemeine Frage, was die angemessene Haltung der Nachgeborenen gegenüber den Untaten der Nazis war? Promi-Kult? Ich bin stolz darauf, Iris Berben als Repräsentantin des nationalen Gewissens zu haben?

    Es gibt mit Sicherheit berufenere Leute für die allgemeíne Frage, Ralph Giordano fiele mir dazu ein, oder auch Rheinhard Kühnl, deren Überlegungen zum Thema mit Sicherheit Stoff für geistreichere, Kommentare böten, als die Berben ihn bei deiner Leserbriefschreiberin evoziert hat.
    Eine Zumutung für intelligente Menschen, die sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen möchten.

  4. Tätervolk?

    Fühlen sich heinrich und Inga denn als Täter, weil sie Teil dieses Volkes sind?

    Ich kann viele Verbrechen der heutigen BRD nicht verhindern, weil ich überleben muß und keinen Einfluß habe.

    Macht mich diese Machtlosigkeit zum Mittäter?

    @Inga

    Aggression geht nicht von einem „Volk“ aus, sondern von Einzelnen.

  5. @# 5.BvG

    Da ich Ihrem Zeugnis zufolge nichts weiss, sie aber, wenngleich ohne Einfluss zu allem hier im Blog etwas zu sagen wissen, erklären Sie mir doch bitte, wie es Ihrem Statement #5 zufolge widerspruchsfrei möglich ist, dass die „BRD“, also unser deutscher Staat (der politische Zussammenschluss des deutschen „Volkes“) „Verbrechen“ (welche z.B.?) begehen kann, das Verbrechen der „Aggression“ ( der Angriffskrieg, der Judenmord) durch das III.Reich, also des vormaligen deutschen Staates, der genauso der politische Zusammenschlusses des deutschen „Volkes“ war, nur von „Einzelnen“ begangen worden sei?

  6. @BvG

    ja, die gute Deutsche Interpretation. Es gibt ja keine Nazis, sondern verwirrte Einzeltäter. Die schließen sich auch nicht zusammen, sprechen sich nicht ab und verfolgen alle auch nicht das selbe Ziel.

    Genauso ist es schon immer gewesen. Zufällig fande sich von einander völlig unabhängig Menschen zusammen, die die Selbe Uniform trugen, alle Bewaffnet waren und zufällig Tot und Verderben in Agressiver Art und Weise über die Welt brachten. JEder natürlich zu unwichtig, um etwas zu bewirken oder zu verändern. Lauter Individuum die zufälligerweise Juden zu Zügen brachten, sie deportierten, vergasten und verbrannten. Keiner hatte etwas mit dem anderen zu tun, keiner folgte einem Plan, keine Befehlskette, keine Kooperation. Es waren auch immer nur einzelne die Hitler wählten, die ihm zujubelten oder ihm die Macht freiwillig abtraten. Alles Individuuen im täglichen Kampf des kapitalismus, die sich quais auf dem freien Markt austauschten und als Ergebnis, vonn allen ungewollt und ungeplant, durch Smiths invisble hand, wurde Europa und die Welt in Schutt und Asche gelegt.

    Verdrängung beginnt immer im eigenen Kopf. Bei ihnen war sie anscheinend schon vor einer Ewigkeit erfolgreich.

  7. „Kaum war der Lusttraum dieses Menschen [Adolf Hitler] ausgeträumt, so war es, als ob die Nation aus langer Betäubung erwachte. Kein Gedanke daran, dass Regime und Partei ihn überleben könnten; auch dann nicht, wenn die fremden Sieger jetzt nicht in Deutschland gewesen wären. Der böse Zauber hielt nicht länger an als der Zauberer. Mit ungläubigem Staunen fanden die Alliierten, dass es in dem Land, das zwölf Jahre lang vom Nationalsozialismus regiert worden war, eigentlich überhaupt keine Nationalsozialisten gab. So, als sei das ganze nur eine Komödie im Stil des Hauptmann von Köpenick gewesen, mörderisch wie nie zuvor ein Unfug in der Weltgeschichte, aber eben doch ein Unfug, eine Betrügerei nur, mit der jetzt, da sie demaskiert war, kaum einer etwas zu tun gehabt haben wollte.“

    (Golo Mann, Deutsche Geschichte 1919-1945, Frankfurt und Hamburg 1958)

  8. #7 Inga

    Weiß ich alles, und bin derselben Meinung.
    Aber es gibt keine Sippenhaft oder Pauschalverurteilung,
    Sie unterstellen mir sehr viel. Ich habe das alles nicht behauptet.
    Ich behaupte nicht, daß es das alles nicht gegeben habe. Aber auch wenn es Millionen von Tätern sind, so sind diese als Einzelne verantwortlich und haftbar zu machen.
    Eine Pauschalisierung in ein amorphes Tätervolkes ergibt genau diese undifferenzierte Masse, in die die Täter abtauchen, und wie ja alle wissen, völlig unbehelligt wieder auftauchen.

    Es war nicht das Volk, es ist auch heute nicht das Volk. Es sind „Interessengruppen“, die ihre Machtinteressen im sogenannten „Volkswille“ verstecken.

    Aber meine Frage ist nicht beantwortet: Fühlen Sie sich selbst als Täter?

    (no theel-comment required)

  9. @Inga
    Eigentlich habe ich den Begriff „Einzelne“ nicht so verharmlosend gebraucht wie Sie es glauben.
    Ich habe nichts aus der Geschichte geleugnet.
    Es sind Menschen mit Namen gewesen, die diese Taten vollzogen haben.
    Jeder muß sich seiner Verantwortung stellen, aber niemand muß sich für Taten verurteilen lassen, die sein Nachbar oder Ortsgruppenleiter begangen haben.

    Schuld muß dort sichtbar gemacht werden, wo sie ist.
    Mit einem „irgendwie sind wir ja alle schuld“ wird nichts gelöst.
    .

  10. @Theel

    Bißchen lesen wär schon gut.
    Ich habe geschrieben, daß Sie nichts verstehen,
    Wissen ist ja viel vorhanden.

    Der Mord an Menschen ist von einzelnen Menschen begangen worden, nicht von einer am Ort vorhandenen Menge von x-Millionen Deutschen.

    Wenn XXX denunziert, dann ist er der Denuziation schuldig, wenn XXX schießt, dann ist er der Tötung schuldig.

    Haben Sie unser Rechtssystem nicht verstanden?

    „Die Juden, die Deutschen, die grünen Männchen sind schuld“ das ist die Ebene Ihrer Argumente.

    Mal was zum Nachdenken: „Wenn man die Menschen niemals aus der Schuld entläßt, rechtfertigen sie diese durch eine Vermehrung des Bösen“

  11. @ #11. BvG

    Ich kann an dieser Stelle nicht ermitteln, wo bei Ihnen die Quelle und der Grund Ihrer politischen und geschichtlichen Unbildung, Ihrer bodenlosen Ignoranz und Verbohrtheit beim Denken herrührt. Auf jeden Fall aber ist feststellbar, dass es eine Unverschämtheit darstellt, mich zu fragen, ob ich unser Rechtssystem verstanden hätte und mich weiter wortwörtlich zu beschuldigen, dass ich den Opfern des Judenmords selbst die Schuld an ihrem Tod gäbe, von den anderen Abstrusitäten im nämlichen Satz gar nicht zu reden.

    Inga Wolf hat Ihnen schon in o. #7 versucht klar zu machen, wie sehr Sie sich irren. Heinrich hat es mit Golo Mann versucht. Vergebens.

    Offenbar können Sie persönlich es nicht ertragen, geschweige denn es verstehen, dass dem deutschen Volk eine geschichtliche Schuld und daraus erwachsende Verantwortung auferlegt bleibt, die solange überdauern wird, bis unsere und die von Menschen gemachte Weltgeschichte den Beweis angetreten hat, dass der Schoß aus dem das (der Faschismus) einst kroch, wirklich unfruchtbar georden ist.

    Sie waren und sind zwar kein Täter in dem platten Sinne wie Sie es meinen, wenn Sie es wagen, Inga Wolf frech zu fragen, ob sie sich als solche Täterin fühle, aber im Gegensatz zu ihr und mir tragen Sie den übertragbaren Virus der vorzeitigen Freisprechung, der betäubenden Verdrängung in sich und künden davon hier im Blog. Sie schwadronieren von Tausenden von Einzeltätern, kommen aber in Iher Borniertheit nicht einmal auf die Idee sich zu fragen, wo denn da jeder Einzelne sein ebenso persönliches, ihn vom nächsten Einzeltäter unterscheidendes Motiv für sein jeweiliges Verbrechen im Dienste des Faschismus gehabt habe, das der von Ihnen angerufene Rechtstaat, wie Sie offenbar nicht zu wissen scheinen, immer individuell nennen können muss, wenn er Recht spricht und Urteile fällt.

    Letzlich haben Sie in Ihren Beiträgen dieses erbärmliche Motiv aber selbst und sogar für Sie selbst gültig seiend, offenbart: So wie Sie sich selbst als den Verhältnissen machtlos ausgeliefert beschrieben haben, als jemand, der einflusslos um sein Überleben kämpft, haben wohl in Ihren Augen auch die Deutschen ihren Überlebenskampf im dritten Reich dadurch geführt, dass sie – selbst angeblich machtlos – den tyrannischen Befehlen der Führerdiktatur gefolgt sind, um der eigenen Vernichtung zu entgehen: „Führer befiehl, wir folgen!“ hieß das damals. Im stillen Kämmerlein haben sie alle aber immer gesagt, so richtig demokratisch und menschenwürdig sei das alles natürlich nicht.

    Mit derselben kruden Logik, wenn zum Glück auch nicht mit denselben Folgen, sagen Sie ja auch, der Neoliberalismus sei ja gar keine Politik/Lehre der Freiheit, gehen aber am nächsten Tag zur Arbeit, um den neoliberalen Kapitalismus weiter am Laufen zu halten, denn Widerstand, in welcher Form auch immer sei ja zwecklos, wenn sie das gleiche Land und damit ja wohl sein Volk des Begehens von Verbrechen beschuldigen.

    Wir heute Lebenden und sie selbst trotz allem hoffentlich auch, können nur froh sein, dass Sie, ja Sie BvG, die Befehle eines Ortsgruppenleiters oder Mächtigeren des real existierenden Faschismus in diesem Land nie bekommen werden, so Gott will.

    Und ein Letztes: Sie sind wahrscheinlich noch nie einem Überlebenden des Holocaust oder einem seiner Kinder wirklich gegenübergestanden, haben Scham gefühlt und sich dann gefragt, was empfindet dieser überlebt habende, nachgekommne Mensch, wenn er einem anderen Menschen begegnet, der aus dem Land ist, das zur Heimat des Todes geworden ist: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ – Celans Satz ist immer noch gültig, auch wenn Sie ihn weder je verstehen, noch im Sinne Celans anerkennen werden.

  12. @Theel
    Sie mißbrauchen hier jeden, um ihre verdrehten Schublädchen auszuschütten.
    Von Anfang an war klar, daß mit Ihnen keine Diskussion möglich ist,
    aber Ihre Sprache kommt derjenigen gleich, dieaus dem Schoß gekrochen ist:
    Sie ist so unverschämt polemisch und beleidigend, daß man immer wieder widersprechen muß.

    Seien Sie gewiß, daß ich mehr über das Thema weiß als Sie und es auch tiefer empfind, anstatt es hier zur Selbstdarstellung eines verbildeten Schulmeisters zu nutzen.

    Lassen Sie mich endlich in Ruhe, ich bin nciht die Projektionsfläche Ihren scheinlinken Vorurteile.

  13. Ich könnte zu jedem einzelnen der Aspekte natürlich etwas beitragen, aber den entscheidenden Bezugspunkt müsste, meine ich, für uns alle die Frage darstellen: „Was kann dann ich, was kann unsere mit Schuld beladene Nation tun, was kann die gequälte und quälende Menschheit tun, damit dies: „Das darf nie wieder geschehen!“ im Ernstfall nicht hohle Phrase bleibt?“
    Diese Frage habe ich in einem Leserbrief zu einem denkwürdigen Artikel von Arno Widmann über Freizeit-Fotos von SS-KZ-Bewachern geschrieben, aus welchem die FR beim Abdruck die für mich wesentliche Passage geschnitten hat und den ich samt Artikel Bronski für die Diskussion im Blog vorgeschlagen habe. Aber Bronski, beratungs-resistent, wie er sich hier zeigt, hat offenbar Besseres zu tun, als das auch nur zu beantworten, nämlich zu den Fragen, die im Blog an ihn gerichtet sind, zu schweigen.

    Im folgenden poste ich erst einmal den Link zum Artikel und meine komplette Stellungnahme.

  14. Ich finde, dass BvG hier in weiten Teilen recht hat, und dass eine moralisierende Attitüde, die ihn erst einmal in die rechte Ecke stellt, in die er sich erklärtermaßen nicht gestellt wissen möchte, seinen Argumenten und Fragen keineswegs gerecht wird.

    Aber worum soll es hier eigentlich genau gehen? Ein Komplex von Fragen, die zwar irgendwie miteinander zusammenhängen, aber jede für sich schwierig genug zu beantworten ist.

    Um welche der Fragen geht es der FR hier? Antwort: um keine, es geht um Iris Berben.

  15. @ #13. BvG

    Erläutern Sie mir bitte detailliert und nicht mit pauschalen Beschimpfungen, wo oder wie ich z.B. Ihren Beitrag

    #5. Kommentar von: BvG
    Geschrieben am 10. November 2007 um 00:22

    „Tätervolk?

    Fühlen sich heinrich und Inga denn als Täter, weil sie Teil dieses Volkes sind?

    Ich kann viele Verbrechen der heutigen BRD nicht verhindern, weil ich überleben muß und keinen Einfluß habe.

    Macht mich diese Machtlosigkeit zum Mittäter?“

    mißverstanden oder verdreht habe, wenn ich ihn paraphrasiere und verstehe wie in meinem Kommentar #12 niedergeschrieben?

    Das Thema dieses Blogs ist „Niemand soll von Vergessen reden!“ Vordergründig fordern Sie zwar nicht ausdrücklich ein Vergessen, aber mit Ihrer Forderung nach Nichtkonfrontation der Lebenden mit den Verbrechen (Taten) der Ihren in der Vergangenheit und der daraus ableitbaren Schuld, die längst nicht abgetragen ist und der Verantwortung für eine bessere Zukunft, die sich wiederum aus der ersteren ableitet und so insgesamt den Begriff Tätervolk heute sinnvoll begründet, argumentieren Sie mindestens indirekt für das Vergessen. Ihr für sich selbst in oberflächlichster Weise reklamiertes Nichtvergessen hat Sonntagsredencharakter.

    Und nocheinmal: Ihre platte Pseudobegrifflichkeit von „Täter“ oder „Tätervolk“ führt Sie zu der, nur hinterhältig zu nennenden Frage an Inga Wolf und heinrich. Ich aber frage Sie: Wie können Sie ernsthaft annehmen, dass Ihr Täterbegriff, den Sie, wenn überhaupt, allenfalls für die eigene Verdrängungstaktik bei Ihnen selbst brauchen dürften, Grundlage sein könnte, für das verantwortliche Denken der von Ihnen frech Angesprochenen?

  16. Leider wird mir bei dem zersplitterten Posting die Veröffentlichung der Kritik an Berben und Klatschmagazinen verweigert.

    http://fr-aktuell.de/top_news/?em_cnt=1213632&

    Habe heute Morgen den eindringlichen Artikel von Arno Widmann gelesen und mir die Bilder angesehen. Tränen in den Augen. Konnte die Zeitung nicht weiterlesen. Hannah Arendt kam mir in den Sinn: die Banalität des Bösen, Claude Landsmann: Deportation, ein Güterzug, die Waggons voller Menschen, tausend Kilometer, etliche Tage, Zwischenhalt auf Nebengleisen: Der Rüstungsnachschub hat Vorfahrt. An jeder Haltestation SS mit Hundestaffeln. Verzerrte Gesichter schauen aus Gucklöchern, gequälte Menschen rufen heraus. Wieviele Menschen, „sonst brave Leute“ wie Tucholsky über ein freiwilliges Erschießungskommando im ersten Weltkrieg schreibt, sehen das, hören das, stellen die Weichen und Signale zum Halt und zur Weiterfahrt, füllen die Tender mit Kohlen und die Tanks mit Wasser?
    Warum nicht im Lager den „Dienst“ antreten? Ehrenvolle Aufgabe, keine Front, Extra-Zulage, samt Wein aus Frankreich. Und Pariser Spitzenwäsche. Hübsch schaut sie aus darin, die „SS-Helferin“.

    Die Täter, schreibt Widmann, „waren Menschen, die lieber gelacht, einander zärtlich und freundlich berührt haben als zu foltern und zu massakrieren. Wie wir. Aber sie konnten beides. Wie – das dämmert uns bei der Betrachtung der Aufnahmen – wie wir.“

    Konnte den ganzen Morgen an nichts anderes denken: Was kann dann ich, was kann unsere mit Schuld beladene Nation tun, was kann die gequälte und quälende Menschheit tun, damit dies: „Das darf nie wieder geschehen!“ im Ernstfall nicht hohle Phrase bleibt?

    Günther Anders hervorgeholt, „Die Antiquiertheit des Menschen“. Dort steht, dass wir „als Fühlende noch immer im „rudimentären Heimarbeiter-Stadium stecken, in dem wir zur Not einen einzigen Selbsterschlagenen bereuen können, während wir als Tötende oder gar als Leichenproduzenten bereits das stolze Stadium industrieller Massenproduktion erreicht haben“.

    Anders hat mit dem Bomberpiloten von Hiroshima korrespondiert und ihn gefragt, was er beim Bombenabwurf gedacht habe. Er habe sich überlegt, wie er seinen Kühlschrank abbezahlen könne, war die Antwort.

    „Dass derselbe Mensch Angestellter im Vernichtungslager und guter Familienvater sein konnte (…) Diese entsetzliche Harmlosigkeit des Entsetzlichen ist kein Einzelfall geblieben. Wir alle sind die Nachfolger dieser im wahrsten Sinne schizophrenen Wesen.“

    „Wenn nicht alles verloren sein soll“, so Günther Anders, besteht unsere einzige Möglichkeit darin, das Gefälle zu überwinden zwischen dem, was wir tun und dem, was wir fühlen können. Ausweitung unseres Gefühls und unserer „moralischen Fantasie“ durch bewusstes Training, durch „Exerzitien“ des Gefühls, damit wir das, was wir tun, auch fühlen können.

    Vielleicht ist es das, das Geringste und das Höchste, was wir tun können.

    Arno Widmann hat heute durch seine Worte zu den Bildern mein Gefühl erweitert.

  17. An demselben Tag wie die FR erscheint auch ein Interview von Berben in der Bild-Zeitung (Bild.de), die Berben laut eigenem Bekunden immer auf dem Tisch liegen hat. Das Interview entspricht dem Niveau des FR-Artikels, hat aber weniger suggestive Fragen. Dafür tritt aber das eigentliche Motiv für die Berichterstattung der Klatschmagazine offener zutage:
    „Eine faszinierende Frau steigt aus, nach der sich immer noch halb Deutschland umdreht.“

    Na bravo, dann wird sie uns wohl auch Wesentliches zum adäquaten Umgang mit unserer Nazi-Vergangenheit zu vermitteln haben.

  18. Könnte man nicht bitte wieder zum Thema zurückkommen, das für mich der erschreckende, vor Abwehrhaltung strotzende Leserbrief von Ruth Lamprecht darstellt? Auf diesen ist bisher nur Inga Wolf adequat eingegangen. heinrich drischt lieber auf die fr und Iris Berben ein (die zum Theam Nazionalsozialismus meiner Meinung nach sensibel und differenziert antwortet), Theel und bvg befetzen sich wie üblich.

    Der Begriff Tätervolk beinhaltet für mich nicht den Vorwurf eine Kollektivschuld (moralische und juristische Schuld ist immer individuell), sondern die Feststellung, dass der Massenmord und die Masse seiner Täter, Tathelfer und Tatdulder mit dem deutschen Volk (oder der Gesellschaft) und seiner (Vor-)Geschichte verbunden ist. Die wichtige Frage lautet, was von den Einstellungen, die den Nazionalsozialismus ermöglicht haben, auch in dem in unserer Gesellschaft virulenten und manifesten Fremdenhass und Antisemitismus nachwirkt.

  19. Was an den Gymnasien über den Nationalsozialismus informiert wird oder nicht, das wissen andere Leute wohl besser als Frau Berben, die vielleicht zum letzten Mal ein Gymnasium von innen gesehen hat, als sie die Schule geschmissen hat.
    Wenn überhaupt ein historisch-politisches Thema in den letzen 30 Jahren in der Schule durch die vielgescholtenen 68er in den Vordergrund gehoben wurde, dann ist es dieses. Mit mäßigem Erfolg aber leider, wenn man entsprechenden Untersuchungen glaubt, woran vielleicht die Abwehr erzeugende Haltung so mancher 68er, die Nachgeborenen sollten für die Verbrechen der Täter schämen, nicht ganz unschuldig ist.

    Wenn Iris Berben sich dafür schämt, zum Tätervolk zu gehören, ist das einerseits sensibel und andererseits dumm. Wer vom Tätervolk redet, verhält sich zum völkischen Bewusstsein der Nazis in bloßer Negation und bleibt ihm also verhaftet. „Das reine Sein und das reine Nichts sind ein und dasselbe“ sagt Hegel. Wo alle schuldig sind, ist niemand schuldig.

    Mit der Scham verhält es sich ja leider so, dass die Täter sich am wenigsten schämten und schämen. Moralisch sensible Menschen schämen sich für das, was Menschen überhaupt an Untaten zu begehen imstande sind, ob unter Hitler oder Stalin oder Franco oder Pol Pot. Ein solches aus einem humanen Begriff des Menschseins erwachsendes Schamgefühl ist nicht völkisch-national begrenzt.

    Moralische Schuld ist tatsächlich immer die Schuld der Einzelnen, auch wenn sie massenhaft handeln. Hätten die Alliierten das anders gesehen, hätten sie den Morgenthau-Plan umgesetzt statt des Entnazifizierungsprogramms und des Nürnberger Tribunals.

    Ich finde Inga Wolfs engagiert vorgetragene Kritik an Frau Lamprecht berechtigt, aber sie spart auch etwas aus. Diese schreibt: „“Ich möchte mich entschieden dagegen wehren, als Angehörige eines Tätervolks bezeichnet zu werden.“, und das m.E. vollkommen zurecht.

    Man sollte vielleicht doch einmal differenzierend daran erinnern, dass es den Nazis seinerzeit trotz massiver Einschüchterung politischer Gegner nicht gelang, durch eine demokratische parlamentarische Wahl die Mehrheit zu erringen, die sie für ihre „Machtergreifung“ brauchten. Unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 wurden Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und sonstige Oppositionelle in hektisch errichtete KZs gesperrt, und die später zentralisierten und ausgebauten KZs wurden auch auf dem Höhepunkt der Zustimmung der Bevölkerung für die Nazis ab 1936/37 nicht etwa geschlossen, sondern der Terror war für die Einschüchterung neben einem unglaublich aufwendigen Propaganda-Apparat für die Werbung immer präsent. Beides wäre bei einem homogenen Tätervolk überflüssig gewesen.

    Ich habe in den achziger Jahren, als das besonders virulent war, jungen Leuten zugeredet, sie sollten sich bloß nicht in Frankreich oder Holland von jungen nationalistischen Cheauvinisten widerspruchsfrei als Nazis beschimpfen lassen.

    Auf einem völlig anderen Blatt steht, es, dass die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des 3.Reichs in der Pflicht steht für Schuldbekenntnisse, Entschuldigungen, Entschädigungen, vertrauensbildende Maßnahmen usw., und wenn man betrachtet, wie opportunistisch gegenüber den Altnazis Adenauer das gemacht hat, kann einem schlecht werden.

    „Im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten.“, sagte Adenauer 1951 im Bundestag, und Avi Primor kommentiert zurecht: „Wer, fragte man sich, waren die Täter, die diese Vollmacht mißbrauchten? Etwa Söldner?“ – oder vielleicht gar Außerirdische?, könnte man ergänzen.

  20. #19
    Nun, ich finde schon, daß ich zum Thema geschrieben habe. Um nochmal meinen Punkt zu verdeutlichen:

    Ich möchte die Taten und die Täter differenziert sehen, eben damit jeder sich seiner Verantwortung stellen muß. Ein Verrühren in eine anonyme „Tätervolk“-Masse verhindert dies.

    Ich möchte auch, daß diejenigen, die mehr Macht haben und diese auch gebrauchen, genau in dem Maße mehr Veantwortung übernehmen und ggf auch Schuld zugewiesen bekommen.

    Es gab viele Täter, aber es waren nicht alle Reichskanzler, Propagandaminister usw.

    Das hat nichts mit Verleugnen oder Verharmlosen zu tun, ganz im Gegenteil. Es stellt die Frage für jeden: Woran war ich schuld, woran bin ich Schuld und woran werde ich mitschuldig sein, wenn ich nicht wachsam bin.?

  21. @ BvG

    sie haben vollkommen recht, wenn sie das so formulieren, wozu sie offenbar mehrere Anläufe brauchen. Klarere Formulierungen von vornherein verhindern vielleicht Missverständnisse und man kann über die Aspekte sich streiten, die tatsächlich strittig sind.

    Wir können auch durchaus Gelassenheit walten lassen gegenüber Leuten, die hier die Definitionshoheit über ein so vielschichtiges Thema beanspruchen.

    Es gab im 3. Reich die ganze Palette: fanatische Faschisten und Überzeugungstäter, materiell und ideologisch Verführte, Mitläufer, Zurückgezogene in der inneren Emigration, eben auch Deutsche in der äußeren, individuelle Renitenten und aktive einzelne und organisierte Widerstandskämpfer.
    Was wirklich beschämend und ein historisches Versäumnis war, ist, dass eben Leute wie Adenauer die Antifaschisten, die nach dem Krieg ein anderes Deutschland aufbauen wollten, kaltstellten und, wo Kommunisten, kriminalisierten zugunsten einer Kooperation mit den Nazis, und keineswegs nur mit sog. unbelasteten.
    Was zudem beschämend war und ist, dass die Waffen-SS nicht als terroristische Vereinigung deklariert wurde, dass im Auschwitz-Prozess die Opfer zu Angeklagten wurden und umgekehrt, dass der jüdische Anwalt Hans Deutsch, der u.a. erfolgreich bemüht war, dass von den Nazis geraubte Kunstwerke an ihre jüdischen Eigentümer zurückgegeben würden, Dass die Adenauer Regierung einen Reporter der Frankfurter Rundschau, der aufdeckte, dass hohe Vertreter des Auswärtigen Amtes während des Krieges im Osten an der Deportation von Juden in die Vernichtungslager aktiv beteiligt waren, vor Gericht zu zerren versuchte, usw.usw..

    Ich bin ja selber einer der von mir hier auch kritisierten 68er, aber ich kann die wohlfeilen abstrakten und sensiblen Sprüche a la „Das darf nicht in Vergessenheit geraten“ nicht mehr hören, zumal nicht in Medien, wo ganz revisionistisch darüber räsoniert wird, was „damals“ gut war.

    „Das“ wird in tausend Jahren nicht vergessen sein, unsere Aufgabe ist nicht das Mahnen, das erledigen die Sonntagsredner und Filmschauspielerinnen (natürlich ist es mir lieber, wenn sie auf meiner Seite stehen, das ist doch wohl keine Frage), sondern die, aufzuklären und einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen darüber, w i e Faschismus verhindert werden kann angesichts der Einsicht, dass er von Menschen wie dir und mir verbrochen wird. Da haben m.E. Günther Anders u.a. schon vor 50 Jahren Überlegungen angestellt, die von uns noch gar nicht richtig eingeholt sind.

  22. Errata

    „…dass der jüdische Anwalt Hans Deutsch, der u.a. erfolgreich bemüht war, dass von den Nazis geraubte Kunstwerke an ihre jüdischen Eigentümer zurückgegeben würden, in einer konzertierten Aktion zwischen ehemaligen Nazi-Geheimdienstlern, der Regierung und Gerichten diffamiert, angeklagt und im Zuge eines zehnjährigen Prozesses als ehedem reicher Mann trotz endgültigen Freispruchs in seiner Existenz vernichtet wurde …

  23. #23
    Wollte ich gerade sagen:
    Es gibt nichts, was bei der Aufarbeitung so sehr stört wie das Opfer.

    Diese unmenschlich/menschliche Tatsache/Abwehrhaltung muß man erstmal überwinden.

    Soweit sogut für heute,
    zurück zur Gelassenheit.

  24. @bvg

    zwei Dinge

    Verantwortung übernehmen bezieht sich immer daruf, HINTERHER für etwas einzustehen was man getan hat. Bei solchen Verbrechen wie hier, ist es immer notwendig das die Verantwortung bei denjenigen liegt, die die „Mächtigen“ kontrollieren müssten (die Bevölkerung). Damit trägt die Bevölkerung hinterher aber eine Mitschuld, wenn sie nicht alles in ihrer Machstehende unternommen hat.

    DIe Sache, dass jeder seine Verantwortung über nehmen muss ist die eine, dass ich aber auch als nicht-täter, sofern ich mich in der nachfolge, tradition oder volksgruppe oder wie auch immer zugehörig fühle, übernehme ich eben immer eine Verantwortung.

  25. @ BvG

    Zu manchen ihrer Beiträge bzw. Nachträge kann man doch wirklich nur sagen: „Si tacuisses …“.

    Was soll denn das bedeuten: „Es gibt nichts, was bei der Aufarbeitung so sehr stört wie das Opfer.“

    Auch wenn ich es fragwürdig finde, von den Deutschen als „Tätervolk“ zu sprechen, so kann man doch gewiss zumindest von den Juden als Opfervolk sprechen, wenn man mal außer Acht lässt, dass die europäischen Juden erst durch den europäischen Nationalismus und Antisemitismus zu einem „jüdischen Volk“ gemacht wurden.

    Hannah Arendt, die ihre ganze Philosophie der „Conditio humana“ auf den Pfeilern Verzeihen und Neuanfang aufbaut, sagt ausdrücklich, dass es Taten gibt, die man nicht verzeihen kann, und dass der Holocaust etwas sei, was niemals hätte passieren dürfen.
    Bei der Unterzeichnung des „Wiedergutmachungsvertrags“ 1952 zeigte, wie üblich, der israelische Außenminister Sharett Adenauer seinen vorbereiteten Redetext, in dem stand: daß der Holocaust ein Verbrechen ohne Vergeben sei. Er wollte allerdings auch die positive Seite der Wiedergutmachung ansprechen. Adenauer reagierte verärgert mit den Worten: „Ich bin bereit, so etwas anzuhören, Deutschland nicht.“, worauf Sharatt, opportunistisch, wie ich meine, auf die Rede verzichtete.
    Sein Satz war in der Sache mehr als berechtigt, und dass viele überlebende Juden und Angehörige der ermordeten das Verbrechen bis heute nicht verzeihen, ist mehr als verständlich.

    Und wir alle dürfen froh sein über diejenigen Opfer, die verzeihen, wenn auch nicht vergessen konnten und können. Die Opfer sind kein Störfaktor, sondern ein notwendiger Bestandteil der „Aufarbeitung“.

  26. @ Inga #25

    Möchtest du ggf. einen Kommentar dazu von mir, wiewohl du namentlich an BvG dich wendest und, wie vorgehabt, auch meine Thesen ggf. kontrovers diskutieren?

    Ich verstehe meine Postings nicht als abgeschlossene Statements, sondern als Diskussions-Beiträge, in denen ich bewusst Kontrapunkte setze, ohne dass meine Meinungen zu diesen schwierigen und komplexen Fragen als abgeschlossen gelten können. Dein und anderer Widerspruch ist also durchaus gefragt.

  27. @heinrich
    Der Satz „es gibt nichts..so stören ist“ war eine Erklärung zu den vielfältigen Bemühungen, die Opfer aus der Nachkriegsverarbeitung herauszuschieben, so wie es das Beispiel Hans Deutsch deutlich macht. Sozusagen aus Tätersicht :“Nun lass mal gut sein, war ja alles schlimm aber jetzt geht’s Leben ja weiter…“ damit man nicht immer an die Schuld erinnert wird.

    _________________
    „Si tacuisses“ ist ein zweischneidiges Schwert, weil das ganze Beispiel in einer endlosen Schleife von einseitigen und willkürlichen Regeländerungen mündet.

  28. @ Heinrich, # 4

    „Inwiefern qualifiziert eigentlich die Mitwirkung an einem Film eine bislang wenig durch intelligente Äußerungen in Erscheinung getretene Filmschauspielerin dazu, als Expertin in Sachen Tätervolk und Schuld und Verantwortung der Nachgeborenen befragt zu werden?“

    Berben stellt sich selbst zwar nicht als Expertin in Sachen Tätervolk hin – aber das war nicht deine Frage. Was qualifiziert Iris Berben dazu, überhaupt Stellung zu diesem Thema zu nehmen? Einzig ihr Status als Filmschauspielerin? Ich glaube, du verkennst die Person von Iris Berben dann doch erheblich. Durch ihre Familiengeschichte, aber mehr noch durch ihr künstlerisches Eintreten gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus ist ihr Wirken längst ein Politikum. Ich denke, das geht auch aus dem Interview deutlich hervor. Dafür erhielt sie 2002 den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Vergleich mit Veronika Ferres hinkt vorne, hinten und an allen Ecken und Enden. Den Film haben wir lediglich zum Anlass für das Interview genommen. Inhaltlich geht es darin um viel mehr.

  29. @ #22. heinrich

    Verstehe ich Dich, heinrich, in #22, (wo Du Bezug nimmst auf BvGs #21) richtig, dass Du, was die Tätervolkfrage anbelangt, näher an BvGs Position bist als an der Meinen. Da bleibe ich dann doch, nicht verstehend, etwas verwundert zurück: Mein Satz in #16, daß BvGs

    „Forderung nach Nichtkonfrontation der Lebenden mit den Verbrechen (Taten) der Ihren in der Vergangenheit und der daraus ableitbaren Schuld, die längst nicht abgetragen ist und der Verantwortung für eine bessere Zukunft, die sich wiederum aus der ersteren ableitet und so insgesamt den Begriff Tätervolk heute sinnvoll begründet, argumentieren Sie (=BvG) mindestens indirekt für das Vergessen.“

    drückt dazu, glaube ich dasselbe aus, wie Inga Wolfs gegen BvGs gewandte Sätze aus #22

    „Verantwortung übernehmen bezieht sich immer daruf, HINTERHER für etwas einzustehen was man getan hat. Bei solchen Verbrechen wie hier, ist es immer notwendig das die Verantwortung bei denjenigen liegt, die die „Mächtigen“ kontrollieren müssten (die Bevölkerung). Damit trägt die Bevölkerung hinterher aber eine Mitschuld, wenn sie nicht alles in ihrer Machstehende unternommen hat.

    Die Sache, dass jeder seine Verantwortung über nehmen muss ist die eine, dass ich aber auch als nicht-täter, sofern ich mich in der nachfolge, tradition oder volksgruppe oder wie auch immer zugehörig fühle, übernehme ich eben immer eine Verantwortung.“

    denen Du, wenn ich es richtig bemerke zustimmst; auch Abraham formulierte in # 19 ähnlich.

    Natürlich bleibt die Position, dass Täterschaft und Schuld immer individuell zu bestimmen sind grundsätzlich und im Falle gerichtlicher Urteilsfindung immer uneingeschränkt richtig. Aber im Falle der gesamtgesellschaftlichen, öffentlichen Aufarbeitung der deutschen Geschichte (auch: notwendiger „Trauerarbeit“) kommt man mit diesem justiziablen Täterschaftsbegriff nicht ganz hin, diesem fehlt doch die historische, die politische, die philosophisch-ethische Dimension. Genau über den rein positiven (positivistischen?) Begriff der Täterschaft kommt BvG m.E. aber eben nicht hinaus, deshalb kritisierte ich ihn, wenn er es auch nie verstehen wird.

  30. @Inga
    „Verantwortung übernehmen bezieht sich immer darauf, HINTERHER für etwas einzustehen was man getan hat. „
    im Prinzip einverstanden

    „Bei solchen Verbrechen wie hier, ist es immer notwendig das die Verantwortung bei denjenigen liegt, die die „Mächtigen“ kontrollieren müssten (die Bevölkerung). „
    Im damaligen System war das Volk als „Auftraggeber“ wohl noch nicht „mündig“, daran hapert’s ja heute noch (auf beiden“Seiten“, Volk und Volksvertreter).
    „Damit trägt die Bevölkerung hinterher aber eine Mitschuld, wenn sie nicht alles in ihrer Machtstehende unternommen hat.“
    Das ist einer der brisanten Diskussionskerne: Wieviel Macht hatte die Bevölkerung und konnte sie Entsprechendes unternehmen? Warum haben Teile viel unternommen, andere nichts?
    „DIe Sache, dass jeder seine Verantwortung über nehmen muss ist die eine, dass ich aber auch als nicht-täter, sofern ich mich in der nachfolge, tradition oder volksgruppe oder wie auch immer zugehörig fühle, übernehme ich eben immer eine Verantwortung. „
    Einverstanden. Meine Differenzierung bezieht sich auf moralische Schuld, juristische Schuld und politische Verantwortung. Selbstverständlich übernehme ich politische Verantwortung und moralische Verpflichtung, vielleicht sogar Schuld, aus der Zugehörigkeit zu diesem Volk.
    Zu dieser Übernahme gehört aber der Mut der Selbstoffenbarung der Täter. Für moralische und politische Feiglinge übernehme ich gar nichts.
    Juristische Schuld übernehme ich aber nicht, da ich nicht eine Strafe für die Täter verbüßen will, die diese Verbrechen verübt haben.

  31. Nochmal mit Absatz(hoffentlich)

    @Inga
    „Verantwortung übernehmen bezieht sich immer darauf, HINTERHER für etwas einzustehen was man getan hat. „

    im Prinzip einverstanden

    „Bei solchen Verbrechen wie hier, ist es immer notwendig das die Verantwortung bei denjenigen liegt, die die „Mächtigen“ kontrollieren müssten (die Bevölkerung). „

    Im damaligen System war das Volk als „Auftraggeber“ wohl noch nicht „mündig“, daran hapert’s ja heute noch (auf beiden“Seiten“, Volk und Volksvertreter).

    „Damit trägt die Bevölkerung hinterher aber eine Mitschuld, wenn sie nicht alles in ihrer Machtstehende unternommen hat.“

    Das ist einer der brisanten Diskussionskerne: Wieviel Macht hatte die Bevölkerung und konnte sie Entsprechendes unternehmen? Warum haben Teile viel unternommen, andere nichts?

    „DIe Sache, dass jeder seine Verantwortung über nehmen muss ist die eine, dass ich aber auch als nicht-täter, sofern ich mich in der nachfolge, tradition oder volksgruppe oder wie auch immer zugehörig fühle, übernehme ich eben immer eine Verantwortung. „

    Einverstanden. Meine Differenzierung bezieht sich auf moralische Schuld, juristische Schuld und politische Verantwortung. Selbstverständlich übernehme ich politische Verantwortung und moralische Verpflichtung, vielleicht sogar Schuld, aus der Zugehörigkeit zu diesem Volk.
    Zu dieser Übernahme gehört aber der Mut der Selbstoffenbarung der Täter.
    Für moralische und politische Feiglinge übernehme ich gar nichts.
    Juristische Schuld übernehme ich aber nicht, da ich nicht eine Strafe für die Täter verbüßen will, die diese Verbrechen verübt haben.

  32. @Theel
    Nah’t Ihr Euch wieder, schwankende Gestalten?
    Er schafft’s doch immer wieder:

    Theel,
    1.Ich habe NICHT „die Nichtkonfrontation mit der Vergangenheit“ gefordert!!
    2. Ich plädiere NICHT für das Vergessen
    3. Wenn ich es auch nie verstehen werde, so bleibt mir doch die Rolle des Steins für Ihre Sysiphosarbeit.

    Ein humoriges Fähnchen schwenkend, dessen Farbe Sie bestimmen mögen.
    Mit freundlichem Gruß
    BvG

  33. @heinrich,

    gerne dürfen sie meine kommentare kommentieren. wo kämen wir denn sonst hin 😉
    Ich würde aber auch gerne ihre Meinung hören

  34. @ # 32 BvG

    „Das ist einer der brisanten Diskussionskerne: Wie viel Macht hatte die Bevölkerung und konnte sie Entsprechendes unternehmen? Warum haben Teile viel unternommen, andere nichts?“

    Die Frage ist nicht, ob die Bevölkerung die Macht hatte, die Verbrechen der Nazis zu verhindern. Die Frage ist, warum ein überwiegender Teil der deutschen Bevölkerung gar nicht den Willen hatte, etwas verhindern zu wollen.

    Die breite Zustimmung, der sich das Naziregime spätestens seit der Mitte der 30er Jahre selbst in der Arbeiterschaft erfreute, kam auch deshalb zu Stande, weil viele den Antisemitismus der Nazis teilten. Die ersten Schritte zur Vernichtung der Juden, die Ausgrenzung, die Entrechtung, die Ausplünderung und der Abtransport, geschahen mitten in Deutschland. Sicherlich haben dabei aktiv nur einige mitgewirkt, aber die Zahl derer, die bereit war zu helfen oder zumindest Anteilnahme zu zeigen, war noch geringer. Das kann man sehr gut bei Saul Friedländer nachlesen. Wie schnell dann aus „ganz normalen Männern“ Mörder wurden, zeigen die Untersuchungen von Christopher F. Browning zum Polizeibatallion 110.

    In sofern kann man vom „Tätervolk“ sprechen, bei aller Problematik der „Kollektivbildung“. Weniger sinnvoll scheint mir dieser Begriff für die „Nachgeborenen“ zu sein. Auch ich, als Kind von Auschwitz-Überlebenden, zähle mich nicht zum „Opfervolk“, weil sich darauf mein Judentum nicht reduzieren lässt. Insofern möchte ich heinrich (# 26) widersprechen.

    Berben hat sich aber nicht nur zur Vergangenheit, sondern auch zum Antisemitismus der Gegenwart geäußert. Sie sei froh, bei Lesungen Polizeischutz zu haben. Sollte nicht auch darüber diskutiert werden?

  35. @ Abraham #35

    Ich würde das ja gerne mit ihnen diskutieren, mit partieller Zustimmung und partiellem Widerspruch, allerdings nur, wenn meine Argumente aufgenommen und ernst genommen werden, was ich leider bei ihnen vermisse. Ich kann mit Zustimmung und Widerspruch nur adäquat umgehen, wenn sie das treffen, was ich geschrieben habe.

    Aus meiner Darlegung herauszulesen, ich würde das Judentum der Nachgeborenen der Auschwitz-Überlebenden darauf reduzieren, zum Opfervolk zu gehören, ist ja geradezu abenteuerlich.

  36. @abraham

    Was mich stört, ist die gefährliche Verflachung der Beschreibungen. Die Begriffe „Opfervolk-Tätervolk“ scheinen einen Konflikt zwischen Völkern zu beschreiben. Den hat es aber nicht gegeben, sondern er ist durch Propaganda durch die Geschichte hindurch herbeigeredet worden.
    Ich fürchte den primitiven Gedankengang:
    „Wo es ein Tätervolk gibt, gibt es auch „Volkstaten“ und gibt es auch Volksmotive.“

    Genaugenommen gibt es ja weder ein deutsches, noch ein jüdisches „Volk“.

    Mir persönlich sind diese ethnischen und politischen Einteilungen eh schnurz.

  37. @bvg

    das „volk“ war immer in der Lage, verantwortlich zuhandeln. Es waren schließlich nicht nur einzelne die vor 1933 aber auch danach darauf hinwiesen, wohin das führen wird. Ja durch Gesetz waren ab 1933 alle verpflichtet, ein Buch zu besitzen, welches die Regierungspolitik des drittenreiches ausführte. Insofern würde ich sehr wohl darauf bestehen, dass die Menschen immer mündig waren, schließlich entstammen sie alle der selben zeit und insofern gibt es wohl kaum wirkliche Wissensunterschiede.

    Ich hatte darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ausreichend sei, alles was einem möglich ist zu tun, nicht erfolgreich oder heldenhaft zu sein.

    Die Frage ist doch, wieviel Macht haben die Mächtigen! Denn ihre Macht beruht auf dem Glauben des EInzelnen, dass a) Gegenwehr unmöglich ist und b) dass sie mächtig seien. Alleine, wenn sich 90 Prozent der Kooperation entzogen hätten, hätte es nicht funktioniert.

    Über juristische Schuld habe ich nicht gesprochen. Denn hier gibt es nur bedingt Kollektivschuldverfahren.

    Dies alles ändert jedoch wenig daran, dass der Faschismus und Nationalismus benannt werden muss wo er sichtig wird inkl. direktem entgegentreten und das ferne stets bedacht sein muss, dass ganz in ihrem Sinne Rassismus gemacht wird. Namen gibt es zu haufen und die schlimmsten (weil wirksamsten) sitzen seit Jahren immer wieder für die Großen Volksparteien im Bundestag (sind natürlich immer wieder andere). Hier als Beispiel sei nur der sogenannte „Asylkompromiss“ 1992 genannt oder die Debatte um die Doppelte Staatsbürgerschaft. Hier wird Ausgrenzung, Diskriminierung und kategorisierung in verschiedene Klassen von Menschen öffentlich hoffähig und politisch bewusst in Kauf genommen.

  38. @ Administrator(in), Bronski

    „39. Kommentar von: heinrich Der Kommentar muss erst vom Administrator bestätigt werden.“

    Es wäre freundlich, wenn dies geschähe und mir vielleicht nebenbei bedeutet würde, was an meinen entsprechenden Postings hier laufend der Zensur anheimfällt.

  39. „Berben stellt sich selbst zwar nicht als Expertin in Sachen Tätervolk hin – aber das war nicht deine Frage. „
    – Eben, aber DU machst das „Tätervolk“ hier zum Thema, oder habe ich einen anderen Eingangsbeitrag zum Thread auf dem Schirm als du?

    Ich glaube, du verkennst die Person von Iris Berben dann doch erheblich.
    Ja natürlich, es ist ja bekanntermaßen meine Art, mich zu Gegenständen und Personen zu äußern, mit denen ich mich nicht beschäftigt habe. Meine Einstellung zu Frau Berben liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem promoteten Lob und folgender bedenkenswerter Kritik:
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/16/16541/1.html
    Es geht mir aber überhaupt nicht darum, Engagement in Frage zu stellen, sondern weiterbringende Äußerungen für die Diskussion hier einzufordern. Mir unverständlich, wie man das missverstehen kann.
    „Es gibt mit Sicherheit berufenere Leute für die allgemeíne Frage, Ralph Giordano fiele mir dazu ein, oder auch Rheinhard Kühnl…“
    Hier nur ein Beispiel für die Verquastheit ihrer Aussagen an zentralen Stellen des Interviews:
    Scham ist intim. Weder kann man von jemandem, dem das alles gleichgültig ist, Scham verlangen, noch können Sie von jemandem, den diese Scham belastet, verlangen, dass er immer wieder an ihre Ursache erinnert wird. Die Forderung nach einem allgemeingültigen Schlussstrich, nach Befreiung von der besonderen Verantwortung, die ist fraglos absurd.
    Was wird hier eigentlich genau zu unserer Orientierung gesagt?

    „Den Film haben wir lediglich zum Anlass für das Interview genommen.“ – „2002 [erhielt sie] den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland.“
    Verstehe! Der Film ist also nur der Anlass, der Leo-Baeck-Preis als Gewähr für Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit ist das Wesentliche.
    Dem kann ich durchaus etwas abgewinnen.

    Allerdings hätte ich dazu folgende bescheidene Frage: Berben erhielt den Leo-Baeck-Preis 2002. Drei Tage vor deinem Posting hier, lieber Bronski, wurde der Preis erneut vergeben, an Kanzlerin Merkel.
    http://www.tagesschau.de/kultur/leobaeckpreis2.html

    Habe ich den Bericht darüber in der FR übersehen, dann hilf mir bitte drauf!

    Und wenn, warum dies nicht hier als Diskussionsgrundlage?

    Sie äußert darin nicht solche Sätze, wie „Das Thema Nationalsozialismus ist ein Minenfeld“ (Berben), was immer das bedeuten mag, sondern betritt es, beginnend mit der klaren Aussage: „… Dauerhaft dafür einzustehen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen.“

    http://www.zentralratdjuden.de/de/article/1467.html

    Von dem Rest der Rede könnte ich nahezu jeden Satz unterschreiben, was nicht bedeutet, dass sie nicht diskussionswürdig wäre, sondern im Gegenteil, dass die allgemeinen Aussagen und Postulate eine Diskussionsbasis ergeben hätten, um über das „wie“ sich auseinanderzusetzen.

    Wäre das gepostet worden, hätte ich bestimmt nicht auf die FR und die Rednerin „eingedroschen“ (so ein Blödsinn überhaupt!).

    Ich bin gespannt darauf, lieber Bronski, den Link zu dem Bericht zu erhalten und die Erklärung dafür, weshalb die diesjährige Preisträgerin und ihre Äußerungen offenbar als weniger ergiebig für die Blog-Diskussion angesehen wurde als die von vor fünf Jahren.

  40. „Berben stellt sich selbst zwar nicht als Expertin in Sachen Tätervolk hin – aber das war nicht deine Frage. „
    – Eben, aber DU machst das „Tätervolk“ hier zum Thema, oder habe ich einen anderen Eingangsbeitrag zum Thread auf dem Schirm als du?

    „Ich glaube, du verkennst die Person von Iris Berben dann doch erheblich.“
    Ja natürlich, es ist ja bekanntermaßen meine Art, mich zu Gegenständen und Personen zu äußern, mit denen ich mich nicht beschäftigt habe. Meine Einstellung zu Frau Berben liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem promoteten Lob und der bedenkenswerten Kritik, die hier offenbar zensiert wird.

    Es geht mir aber überhaupt nicht darum, Engagement in Frage zu stellen, sondern weiterbringende Äußerungen für die Diskussion hier einzufordern. Mir unverständlich, wie man das missverstehen kann.
    „Es gibt mit Sicherheit berufenere Leute für die allgemeíne Frage, Ralph Giordano fiele mir dazu ein, oder auch Rheinhard Kühnl…“
    Hier nur ein Beispiel für die Verquastheit ihrer Aussagen an zentralen Stellen des Interviews:
    Scham ist intim. Weder kann man von jemandem, dem das alles gleichgültig ist, Scham verlangen, noch können Sie von jemandem, den diese Scham belastet, verlangen, dass er immer wieder an ihre Ursache erinnert wird. Die Forderung nach einem allgemeingültigen Schlussstrich, nach Befreiung von der besonderen Verantwortung, die ist fraglos absurd.
    Was wird hier eigentlich genau zu unserer Orientierung gesagt?

    „Den Film haben wir lediglich zum Anlass für das Interview genommen.“ – „2002 [erhielt sie] den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland.“
    Verstehe! Der Film ist also nur der Anlass, der Leo-Baeck-Preis als Gewähr für Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit ist das Wesentliche.
    Dem kann ich durchaus etwas abgewinnen.

    Allerdings hätte ich dazu folgende bescheidene Frage: Berben erhielt den Leo-Baeck-Preis 2002. Drei Tage vor deinem Posting hier, lieber Bronski, wurde der Preis erneut vergeben, an Kanzlerin Merkel.
    http://www.tagesschau.de/kultur/leobaeckpreis2.html

    Habe ich den Bericht darüber in der FR übersehen, dann hilf mir bitte drauf!

    Und wenn, warum dies nicht hier als Diskussionsgrundlage?

    Sie äußert darin nicht solche Sätze, wie „Das Thema Nationalsozialismus ist ein Minenfeld“ (Berben), was immer das bedeuten mag, sondern betritt es, beginnend mit der klaren Aussage: „… Dauerhaft dafür einzustehen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen.“

    http://www.zentralratdjuden.de/de/article/1467.html

    Von dem Rest der Rede könnte ich nahezu jeden Satz unterschreiben, was nicht bedeutet, dass sie nicht diskussionswürdig wäre, sondern im Gegenteil, dass die allgemeinen Aussagen und Postulate eine Diskussionsbasis ergeben hätten, um über das „wie“ sich auseinanderzusetzen.

    Wäre das gepostet worden, hätte ich bestimmt nicht auf die FR und die Rednerin „eingedroschen“ (so ein Blödsinn überhaupt!).

    Ich bin gespannt darauf, lieber Bronski, den Link zu dem Bericht zu erhalten und die Erklärung dafür, weshalb die diesjährige Preisträgerin und ihre Äußerungen offenbar als weniger ergiebig für die Blog-Diskussion angesehen wurde als die von vor fünf Jahren.

  41. @ #33. BvG

    Natürlich das rote Fähnchen schwenkend, nehme ich das ernste Spiel mit Ihnen auf, denn

    „Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
    Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten“

    Sie fragen eigentlich ganz richtig:

    „Das ist einer der brisanten Diskussionskerne: Wieviel Macht hatte die Bevölkerung und konnte sie Entsprechendes unternehmen? Warum haben Teile viel unternommen, andere nichts?“

    Zvörderst möchte ich von Ihnen gar nicht die wirklich schwere Beantwortung Ihrer eigenen Frage verlangen, was die Deutschen unter dem Faschismus denn hätten tun oder lassen sollen, aber wenn Sie von und für sich selbst sagen und fragen.

    „Ich kann viele Verbrechen der heutigen BRD nicht verhindern, weil ich überleben muß und keinen Einfluß habe.

    Macht mich diese Machtlosigkeit zum Mittäter?“

    was können Sie mir dann antworten auf diese und die daraus, genauso Sie selbst betreffende Frage:

    Wenn wir uns darin einig seien, dass das heutige Deutschland, bei aller notwendigen Kritik auch nicht im Entferntesten der Nazidiktatur und ihrem Unterdrückungsapparat im Wesen gleichkommt, können Sie mir dann sagen, was hier und heute Ihre Machtlosigkeit bedingt, das zu verhindern, was Sie selbst als heute stattfindende „Verbrechen“ bezeichnen?

    Und weiter: Welche Schuld, welche Täterschaft laden Sie Ihrer Meinung mit diesem Nichtstun(können???) auf sich oder nicht?

    Es grüßt Sie

    Uwe Theel

  42. @Theel
    Nun, ich hoffe es gelingt uns, unser Temperament diesmal zu zügeln.

    Zunächst: Natürlich ist die BRD kein Unrechtsstaat.

    Die Frage der Schuld und Mitschuld bewegt sich auf zwei beispielhaften Ebenen:

    1. Die hinlänglich bekannte Tatsache der Waffenherstellung und des Waffenexports im und aus dem eigenen Lande.
    2. Die strukturelle Gewalt der Ausbeutung der „dritten Welt“

    3. Das Sterben von Kindern im eigenen Staat aufgrund einer Kette von Versäumnissen, die sich von individueller Schuld der Eltern bis hin zur politischen Mitschuld wegen mangelnder Einflußnahme auf die öffentliche Hilfe erstreckt.

  43. @ bvG

    Niemand würde dagegen sprechen, die von Ihnen genannten Mißstände nicht als solche zu bezeichnen, for the sake of the argument soll sogar angenommen werden, es handele sich um „Verbrechen“ – wiewohl Sie hier wieder politische und justiziable Ebenen miteinander vermischen, bzw. für sich nicht trennen zu können scheinen.

    Aber die wichtigere Frage nach ihrer persönlichen Entscheidungsfindung und Bewertung ihrer selbst, bleirben Sie wieder schuldig.

    Sollte ich annehmen müssen, ihr Versuch die von Ihnen unter dem Faschismus als unvermeidlich angenommene Ohnmacht des Einzelnen – die Sie nie wirklich begründet haben – sei dieselbe, wie die die Sie heute selbst empfinden? – Wie könnte dies sein?

  44. @Theel
    Wenn Sie die Gesamtheit meiner Einstellungen und Meinungen wissen wollen, schreib‘ ich Ihnen ein Buch.
    Hier im Blog geht das nicht. Also bitte nicht zu schnell urteilen.
    Es wäre leichter, wenn Sie selbst Antworten geben würden.

    Erstmal bezogen auf Punkt 1:
    „politische und justiziable Ebenen “
    Im Falle der tragischen Kindstode ist ja die politische Ebene zur justitiablen geworden.
    Wenn man die Schuld an Verbrechen in die lange Ursachen-Wirkung Kette zieht, ergeben sich solche Fragestellungen.
    Stellen Sie sich vor, Sie erlebten solche Mißstände in der Nachbarschaft: Wann würden Sie eingreifen?
    Stellen Sie sich zudem vor, Ihr Eingreifen hätte zur Folge, daß auch Ihre eigene Familie Gegenstand öffentlicher Untersuchung würde?

    Auch wenn Sie nichts zu verbergen haben, würden Sie dies ohne Zögern zulassen? Würden Sie sich als mitschuldig bezeichnen, weil Sie „erst jetzt“ reagierten?
    Provokativ draufgesetzt: Wie früh würden Sie eingreifen? Würden Sie Grundrechte übergehen?

    2. Ohnmacht des Einzelnen
    Wenn es genügte „Nein“ zu sagen wäre diese Diskussion gegenstandslos.

  45. @ # 36 heinrich

    Sie haben mich gründlich missverstanden, wenn Sie schreiben: „Aus meiner Darlegung herauszulesen, ich würde das Judentum der Nachgeborenen der Auschwitz-Überlebenden darauf reduzieren, zum Opfervolk zu gehören, ist ja geradezu abenteuerlich.“

    Dies habe ich nicht aus Ihrer „Darlegung“ herausgelesen. Ich habe mich vielmehr auf Ihre Aussagen bezogen, mit denen Sie zwar den Begriff des „Tätervolkes“ in Frage stellen, hingegen meinen, dass man die Juden zu Recht als Opfervolk bezeichnen kann. (Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht wieder falsch verstanden). Dazu habe ich eine andere, auf die Nachgeborenen bezogene Meinung geäußert und geschrieben, dass ich mein Judentum nicht auf das Opfersein reduzieren möchte. Ich habe dies keinesfalls als Ihre Aussage oder als eine Konsequenz Ihrer Aussage gemeint und glaube auch nicht, dass es so verstanden werden kann.

    Ich nehme Ihre Argumente auf und nehme sie auch ernst, bitte tun Sie es auch mit meinen Argumenten.

    @ # 37 BvG

    „Genaugenommen gibt es ja weder ein deutsches, noch ein jüdisches „Volk“. Mir persönlich sind diese ethnischen und politischen Einteilungen eh schnurz.“

    Ich will keine Diskussion über die Begriffe Volk, Nation und Ethnien beginnen. Das Menschen als gesellschaftliche Wesen auch durch Zugehörigkeit zu Kollektiven „definiert“ werden, kann man nicht negieren. Ihre Schnurz-Einstellung kann man als Teil der (dominierenden) Mehrheit leicht einnehmen. Für Minderheiten, deren kollektive Identität negiert oder unterdrückt wird (wie die Kurden oder Tibeter) sieht die Sache anders aus.

    Insofern widerspreche ich auch heinrich (# 26), „dass die europäischen Juden erst durch den europäischen Nationalismus und Antisemitismus zu einem „jüdischen Volk“ gemacht wurden“. Sicherlich ist der Druck von Außen einer der Faktoren, aber nicht minder wichtig ist auch ein „internes Volksbewusstsein“. Nur auch dieses komplexe Fragengeflecht werden wir hier kaum diskutieren können.

  46. @ # 45 BvG
    Wenn Sie die Diskussion nun auf die Frage der politischen und sozialen Verantwortung lenken (darauf läuft doch das, wass Sie aufzählen, hinaus), dann geht dies meiner Meinung nach – bei aller Wichtigkeit auch dieser Fragestellung – an dem hier angesprochenem Problem des Versagens der deutschen Gesellschaft und der Mehrzahl ihrer Glieder unter dem Nationalsozialismus vorbei.

    Auch Ingas Frage nach Macht des Volkes oder der Mächtigen klärt die Verhältnisse nicht, weil unabhängig von der Möglichkeit, die „Machtverhältnisse“ zu verändern, den Menschen in der NS-Zeit unterschiedliche Handlungsoptionen offen standen, von denen sie Gebrauch machten oder nicht.

    Die wichtigste Frage lautet für mich immer noch: Welche Konesquenz ziehen wir für unser konkretes Verhalten in der heutigen Gesellschaft in Bezug auf Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass?

  47. @ Abraham

    Exegetische Übungen sind eigentlich nicht mein Interesse, aber vielleicht sollten sie doch etwas kritischer mit ihren Sätzen umgehen:

    „Auch ich, als Kind von Auschwitz-Überlebenden, zähle mich nicht zum „Opfervolk“, weil sich darauf mein Judentum nicht reduzieren lässt. Insofern möchte ich heinrich (# 26) widersprechen.“

    Aber gut, ich nehme ihre Deutung nun an.

    Folgender Kommentar noch:

    „Tätervolk“ Vielleicht ist doch der Begriff für die Zeitgenossen zutreffender, als ich in meiner auf Differenzierung bedachten Ablehnung des „Volksbegriffs“ zu bedenken gegeben habe.

    Friedländer und Browning nehme ich gerne als Anregung auf und sollte vielleicht überhaupt wieder mehr lesen als schreiben. Mein Gewährsmann waren in den 90ern Raul Hilberg und, aus einer ganz anderen Perspektive, Günther Anders, den ich hier ins Spiel gebracht habe, worauf leider niemand eingeht. Vermutlich verdient auch Goldhagen eine größere Zustimmung, als ihm durch die Kritik zuteil geworden ist.

    Für die Nachgeborenen ist der Begriff nicht „weniger sinnvoll“, wie sie butterweich ausdrücken, sondern verfehlt und dysfunktional. Er stilisiert, wie gesagt, Nichttäter zu Tätern und erzeugt damit berechtigte Abwehr.

    Zu meiner Differenzierung „Tätervolk“-„Opfervolk“: Beileibe nicht alle Deutschen wollten die Juden umbringen, aber diejenigen, die das wollten und weitgehend umgesetzt haben, wollten alle Juden umbringen.

    Der alltägliche Antisemitismus, der übrigens in Polen, wo die Vernichtungslager standen, mindestens so virulent war, und vielleicht noch ist, wie in Deutschland, reicht als Motiv und Erklärung für den Massenmord keineswegs aus.

    „Insofern widerspreche ich auch heinrich (# 26), „dass die europäischen Juden erst durch den europäischen Nationalismus und Antisemitismus zu einem „jüdischen Volk“ gemacht wurden“. Sicherlich ist der Druck von Außen einer der Faktoren, aber nicht minder wichtig ist auch ein „internes Volksbewusstsein“.

    Da missverstehen sie mich. Ich beziehe mich durchaus auf das „interne Volksbewusstsein“, das als zionistische Ideologie im 19 Jhd. als Reflex auf den europäischen Antisemitismus entstanden ist. Das wissen sie doch wohl so gut wie ich. Die europäischen, zumal die westeuropäischen, Juden verstanden sich mehrheitlich keineswegs als einem „jüdischen Volk“ zugehörig.
    „Von Außen“, jedenfalls durch den nazistischen Antisemitismus, wurden die Juden eben nicht als Volk, sondern als Rasse angesehen.

    „Die wichtigste Frage lautet für mich immer noch: Welche Konsequenz ziehen wir für unser konkretes Verhalten in der heutigen Gesellschaft in Bezug auf Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass?“ (# 49)

    Da gehen wir völlig überein, aber wichtige Fragen erheischen wichtige Antworten, und die – das war die Quintessenz meiner Kritik – gibt uns eben Iris Berben nicht. Eine sehr bedenkenswerte gibt m.E. Günter Anders, auf die, wie gesagt, hier leider niemand eingeht.

    Und jedenfalls gibt die Rede von Merkel dazu Substanzielleres her als das Interview mit Berben. Dazu und zu der Berichterstattung (?) der FR über die Preisverleihung hätte mich ihr Urteil interessiert.

  48. Ach Heinrich, was du immer zu nörgeln hast!

    Wir haben die Verleihung des Leo-Baeck-Preise an Angela Merkel am 7.11. auf Seite 6 in einer kleinen Personalie gemeldet. Die ist offenbar online nicht abrufbar, aber die Printseite liegt mir vor. Schau doch zu Hause noch mal nach.

    Ich werde hier keine Grundsatzdiskussion mit dir darüber führen, wie Tageszeitung funktioniert, aber eine Bemerkung dazu dennoch, obwohl ich glaube, davon ausgehen zu können, dass du das weißt; aber manchmal hilft es, sich das noch einmal in Erinnerung zu rufen. In aller Regel reagiert Tageszeitung auf aktuelle Anlässe. In diesem Fall ist der Film ein solcher Anlass. Möglicherweise ist das, was dabei rausgekommen ist, dir nicht intelektuell genug; Berben ist ja auch nur eine Schauspielerin. Uns geht es darum, eine möglichst große Zahl von Leserinnen und Lesern anzusprechen. Und wenn ich die Leserbriefe sehe, die auf das Interview reagieren, dann ist das auch gelungen. Die Prominenz und Popularität von Berben ist gewiss nicht schädlich, wenn es darum geht, mit diesen Inhalten – Rechtsextremismus, Antisemitismus – eine breite Leserschicht zu ereichen. Ich wüsste nicht, was daran auszusetzen wäre. Das heißt nicht, dass ein Giordano-Interview nicht mindestens ebenso interessant gewesen wäre, auch wenn es möglicherweise weniger Leser erreicht hätte. Giordano kriegt auch sicher wieder Platz in der FR, wenn er einen Anlass liefert. Zuletzt war das am 5. Oktober im Zusammenhang mit dem Bau einer Moschee in Frankfurt der Fall.

  49. @ # 50 heinrich

    Die Begriffe „Tätervolk“ und „Opfervolk“ können für die Nachgeborene nicht bedeuten, dass diese Täter oder Opfer wären, aber es wirkt das nach, was u.a. Dan Diener als kollektives Gedächtnis bezeichnet. Ein Indiz dafür sind die Abwehrreaktionen a la „auch die Deutschen haben gelitten“ (womit ich dieses Leiden nicht bestreiten will). Die Diskussion um den Begriff „Tätervolk“ ist aber weniger produktiv. Es ist tatsächlich besser, Friedländer (der mit seiner Verknüpfung der Geschichte mit Einzelschicksalen über Hilberg hinausgeht) und natürlich auch wieder einmal Günter Anders zu lesen. Was Goldhagen betrifft, ziehe ich Brownig vor, der das gleiche Quellenmaterial erforscht und weniger „effekthascherisch“ argumentiert.

    Der „gewöhnliche Antisemitismus“ reicht als Erklärung für den NS-Mord nicht aus, aber er war eine der Voraussetzungen; so sieht es auch Hilberg, der die Geschichte des Antisemitismus das erste Kapitel seines Werks über die Vernichtung der europäischen Juden widmet. Er machte es auch außerhalb Deutschlands (in Polen, aber vor allem in der Ukraine und im Baltikum) leichter, Helfer für die Mordtaten zu rekrutieren.

    Mit meiner Bemerkung zu dem „inneren Volksbewußtsein“ habe ich nicht auf den politischen Zionismus des späten 19. Jahrhunderts gedacht (dieser ist sicher eine Reaktion auf den europäischen Antisemitismus). Auch in langen Zeiträumen davor sahen sich Juden nicht nur als eine Religionsgemeinschaft, sondern als Volk. Erst mit der Emanzipation tritt dieser Aspekt zurück, zugunsten der Hoffnung auf die Aufnahme in die (nationale) bürgerliche Gesellschaft. Aber das ist wirklich ein anderes Thema.

    Die Rede von Frau Merkel zur Verleihung des Leo-Baeck-Preises war glaubwürdig, klar und schnörkerlos, auch in Bezug auf Iran. Warum die FR darüber nicht berichtet hat, kann ich nicht nachvollziehen. Trotzdem würde ich nicht Merkel gegen Berben, die sich tatsächlich gegen den Antisemitismus in Deutschland engagiert, ausspielen, den beide haben unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen.

    Die letzte Seite in der FR stört mich nicht; die Interviews mit Pop- und Show“größen“ kann ich überspringen. Was mich mehr stört, ist die sonstige Verflachung der Zeitung, aber auch das ist ein anderes Thema.

  50. #49 Abraham

    „soziale Verantwortung“ wäre zu kurz gegriffen, ich habe mich dem Thema
    „wieviel Macht braucht es zum Widerstehen, wieviel Macht verhindert einen Widerstand“
    aus dem Austausch mit Inga und heinrich zu nähern versucht.
    Dazu brauchts ja auch Beispiele.
    Aber ich glaube nun, daß dieses Wahnsinnsthema den Rahmen sprengt.

  51. @bronski

    schön mal wieder vonihnen zu hören.

    Was macht der Kritikblog? Sind ja mittlerweile schon 200 Tage neue FR. Wir wärs? Vielleicht noch vor dem Ende des Bahnstreiks?

  52. @ #53 BvG

    „‚Soziale Verantwortung‘ wäre zu kurz gegriffen.“ . Da gebe ich Ihnen recht.

    „Ich habe mich dem Thema
    ‚wieviel Macht braucht es zum Widerstehen, wieviel Macht verhindert einen Widerstand‘.“
    Dies Fragestellung suggerier, dass es zwischen „Mittäterschaft“ und „Widerstand“ keine weiteren Optionen gab, was falsch ist. Es war möglich – bis in das von mir erwähnte Polizebatallion – nicht mitzumachen, und zwar ohne sich selber in Lebensgefahr zu bringen. Das Erschreckende an der NS-Zeit ist, wie wenig Menschen von dieser Option gebraucht gemacht haben. Vielleicht später mehr dazu.

    Aber Sie haben recht, es ist ein Wahnsinsthema.

  53. @abraham

    Ich sehe das nicht so pointiert. Ich denke, daß die Menschen im Prinzip ihr normales Leben weiterleben wollte und dies auch bis weit in die extremen Zeiten hinein von sich geglaubt haben.

    Mal völlig neutral gesagt, ist „Dabeisein“ und „Nicht-Dabeisein“ Ausdruck eines inneren Gleichgewichts zwischen Gut und Böse.
    Das Grausige daran ist, daß es sehr leicht gelingt, die Maße zu verändern und die Gewichte zu verschieben. Da genügt oft schon ein diebisches Augenzwinkern.

  54. @abraham
    Noch was dazu:

    Ich hatte absichtlich „Widerstehen“ gesagt, um vom „Widerstand“ differenzieren.
    Es ist ein Wechsel im Gleichgewicht:
    Man war nie ganz „dabei“, man war nie ganz „dagegen“.

    Es ist schwer: Ich kenne Menschen denen es genügt, innerlich dagegen gewesen zu sein.

  55. @bvg

    gerade der Versuch das „nomrale Leben“ wie gewohnt fortzuführen ist doch so verwerflich. Es gibt eben „nichts Gutes im Falschen“. Wer wissentlich die Leiden anderer in Kauf nimmt, um sein gewohntes Leben fortzuführen ist zumindest der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, eher noch Träger des Terrors, den dieser funktioniert NUR wenn eine relative Minderheit eine relevante MInderheit (oder alle) terrorisiert, die Mehrheit aber davon ausgeht, dass sie bei konformen Verhalten davon nicht betroffe sein, obwohl der Terror doch gerade sie in ihrem Verhalten korrigiert bzw. sie sich selbst korrigieren. Würde der Terror aktiv von der Mehrheit ausgeübt (will heißen, dürfte praktisch jeder Willkür verüben), dann wäre die Gesellschaft aufgelöst und damit eine Regierbarkeit beendet.

    Gleiches trifft heute auf die Ideen/Vorstellungen Schäubles/Becksteins und anderer zu. Der Spruch „wer sich nichts vor zu werfen hat, hat auch nichts zu befürchten“ bzw. „diese Instrumente werden nur bei schweren Straftaten eingesetzt“ setzt genau auf diese stillschweigende Akzeptanz der Mehrheit, die nur hofft der Terror und die Überwachung werde bloß die anderen treffen, weil sie sich ja konform verhalten und sie werden sich noch konformer verhalten als vorher. Dabei zeigt die Geschichte der Telefonüberwachung oder des §129(a) sowie das aktuelle BGH Urteil, dass die Polizei und die Bundesstaatsanwaltschaft die Einsatzvoraussetzungen an den Haaren herbei ziehen und diese Instrumente auf Verdacht (bzw. noch weniger) einsetzen und Persönlichkeitsrechte massiv verletzen. Weder die Verantworltlichen bei der Polizei noch Frau Harms müssen gehen, auch herr schäuble sitzt das aus, sind sich doch alle einig, ein wenig Terror schadet nicht, sofern nicht die „Falschen“ trifft…

  56. @Inga
    jetzt wirds diffizil

    1. Ein unausgeprochenes Nein ist kein Ja. Wenn ich an einem Verbrechen nicht aktiv teilnehme, so ist das durchaus als Ablehnung dieses Verbrechens zu sehen.
    2. Wenn ich versuche, mein normales Leben weiterzuführen, kann das auch als eine Ablehnung der Veränderungen von außen verstanden werden. Die letzte Bastion des passiven Widerstands ist der Schutz des Privaten gegen politische Einflussnahme.
    3. „unterlassene Hilfeleistung“ Das ist wohl der Punkt der relativen Macht. Es kommt darauf an, ob ich mich stark genug fühle, zu helfen und so zu helfen, daß ich nicht selbst Opfer werde.
    4.Ich frage mich, wie man die (terror)tragende Mehrheit aus diesem Mißbrauch heraushalten kann.

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