Das kaltherzige, machtbewusste Deutschland und sein hässliches Gesicht

Das waren traurige Tage. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat bei den Verhandlungen in Brüssel ein Ergebnis akzeptieren müssen, das schlechter ist als alles, was Griechenland vor dem Referendum hätte unterschreiben können. Eurozone, EZB und IWF haben damit den Beschluss des griechischen Volkes, keine weitere reine Sparpolitik zu wollen, schlicht ignoriert. Sie haben schlicht nicht verstanden, was hier zur Abstimmung stand: das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Es soll weitergehen mit einer Schuldenpolitik, deren Bilanz schon bisher katastrophal ist, ja, mehr noch: Es wird ein Treuhandfonds eingerichtet, der staatliches Vermögen Griechenlands privatisieren soll, ohne dass die Griechen mitreden können. Das nennt man Enteignung. Haben wir Deutschen nicht gewisse Erfahrungen mit Organisationen, die als „Treuhand“ fahren? Treu zu wessen Händen?

Eine gescheiterte Politik wird fortgesetzt. Wie kann das sein? Tsipras hat herausgehandelt, dass ein Viertel der Einnahmen aus den Privatisierungen in Investitionen umgelenkt werden sollen, aber das ist auch schon alles, womit er bei seinen Wählerinnen und Wählern für seine Position werben kann. Ansonsten bedeutet das dritte „Hilfspaket“ unter dem Strich den Verlust der nationalen Souveränität der Griechen. Nach diesem Verhandlungsergebnis muss die Troika (ich nenne sie weiterhin so) „in relevanten Bereichen“ allen Gesetzesvorlagen der Regierung zustimmen, bevor sie dem griechischen Parlament vorgelegt werden. Die neue Regierung in Griechenland heißt also Troika, egal welcher Ministerpräsident unter ihr dient. Und damit steht fest: Unter dem Strich läuft die Rechnung darauf hinaus, dass Europa am Ende ist. Die Griechenland-„Rettung“ ist gescheitert.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einer Meinung mit Hans-Peter Friedrich (CSU) sein könnte. Der hat gesagt: „Ich glaube nicht, dass Griechenland innerhalb von zehn Tagen jetzt die Reformen hinbekommt, die es in den letzten zehn Jahren nicht geschafft hat.“ Das glaube ich tatsächlich auch nicht — aber genau das wird in dem Verhandlungspaket gefordert. Das Ganze soll im Hauruck-Verfahren durchs Parlament — in Athen ebenso wie in Berlin. Keine Zeit für sorgfältige Beratungen. Da wanken Mehrheiten. Vielleicht ist Alexis Tsipras die längste Zeit griechischer Regierungschef gewesen. Vielleicht gibt es Neuwahlen, welche die alten Seilschaften wieder an die Macht bringen, der wir das ganze Desaster verdanken. Vielleicht profitieren aber auch die Faschisten. Hatten wir das nicht schon mal?

Natürlich wird jetzt wieder die Schulddebatte aufkommen. Es stimmt: Die Griechen haben rund zehn Jahre lang weit über ihre Verhältnisse gelebt. Es stimmt: Griechenland trat dem Euro im Jahr 2001 mit betrügerischen Mitteln bei, und bisher ist niemand für diesen Betrug belangt worden. Es stimmt, dass viele staatliche Strukturen in Griechenland — Finanzverwaltung, Justiz — korrupt sind, dass es nur so scheppert. Es stimmt aber auch, dass seitens der EU der politische Wille bestand, Griechenland in den Euro aufzunehmen. Und es stimmt, dass die EU knapp zehn Jahre lang zugesehen hat, wie das griechische Defizit wuchs und wuchs und wuchs. Ohne die Mitgliedschaft im Euro hätte sich Griechenland bis 2010 niemals derart verschulden können, denn es war schon immer wirtschaftlich schwach. Die EU hat also schon 2010 versagt. Sie versagt jetzt ein weiteres Mal, denn das, was mit Griechenland gemacht wird, ist ein Verrat an der Grundidee der Gemeinschaft. Noch mehr Schulden, die das Land niemals wird zurückzahlen können — dies jetzt aber unter Aufsicht. Da wird ein ganzes Land quasi zur Sonderwirtschaftszone gemacht.

Hier wird der Herzfehler des Euro offensichtlich. Es war von Anfang an falsch, eine gemeinsame Währung in so vielen so unterschiedlichen Volkswirtschaften einzuführen, ohne zugleich auch eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik einzuführen, die eine Art Länderfinanzausgleich hätte beinhalten müssen. Der Euro war als Projekt der Einigung Europas gedacht, aber kurz nach seiner Einführung blieb die Entwicklung der notwendigen Strukturen schlicht stecken. Man begnügte sich mit dem Erreichten. Das rächt sich nun. Das Erreichte ist zu wenig. Es droht der Rückfall in Nationalstaaterei. Es droht der Zerfall der Europäischen Union. Dieses Gebilde hat keine Idee mehr. Es ist von innen hohl, wenn künftig einzig und allein der monetaristische Maßstab angelegt werden soll, wie es seit langem die Politik Angela Merkels ist.

In den Leserbriefen, die ich gleich folgen lassen werde, klingt immer wieder die historische Parallele zu der Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an. Der Vergleich hinkt, denn es hat in den vergangenen Jahren keinen Krieg gegeben, den die Griechen verloren hätten — zumindest keinen Krieg mit Mörsern und Kanonen, in dem Menschen leibhaftig gestorben wären. Dieser aktuelle Krieg ist anderer Natur. Darüber sollten wir vielleicht mal reden. Ob das deutsche Volk im Jahr 1918 oder ’19 dem Versailler Diktat zugestimmt hätte, wenn es gefragt worden wäre? Unfraglich ist, dass die Weltgeschichte anders verlaufen wäre, wenn das Abkommen von Versailles Deutschland einen Platz unter den Völkern eingeräumt hätte, statt es nur zu schröpfen. Ein klares Ergebnis der Austeritätspolitik, welche die Regierung Merkel in Europa exerziert, ist, analog zu damals, indes schon jetzt absehbar: Die politischen Ränder erfahren Zulauf. Das Ergebnis von Brüssel ist Wasser auf die Mühlen von Cinque Stelle, Podemos, Front National und wie diese — durchaus verschiedenartigen — Gruppierungen alle heißen. Diese Zentrifugalkräfte könnten Europa zerreißen — und damit das großartigste Friedensprojekt, das es in der Weltgeschichte bisher gegeben hat. Und das wegen fiskalischer Kleinkrämerei.

So absurd es im ersten Moment auch klingen mag: Das griechische Parlament sollte sich am Willen des Volkes orientieren, der im Referendum bekundet wurde, nicht am Spardiktat aus Brüssel und Berlin. Es sollte Nein sagen zu den kaltschnäuzigen, instinktlosen Auflagen, die einer Enteignung gleichkommen. Das Ergebnis wäre dann wohl der Grexit, der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro. Dann lieber ein Schrecken mit Ende. Die Verantwortlichen dafür sitzen maßgeblich in Berlin.

„Verrat an Europa“, kommentierte die FR. Karsten Neumann aus Nürnberg (Bethang) meint dazu:

Chapeau! Das ist ein Kommentar mit dem richtigen Biss, vor allem weil er Angela Merkel nicht nur, wie sonst üblich, zaudernd darstellt, sondern als ganz bewusst so und nicht anders politisch Agierende. Das Einzige, was ich vermisse, ist eine Darstellung der Motivation, warum die deutsche Regierung Europa so brutal an die Wand fährt. Weil sich Tsipras geweigert hat, den von Deutschland forcierten Kurs der Totalprivatisierung mitzumachen, kann Fraport auf einmal keine griechischen Flughäfen mehr kaufen. Dieses Manko haben ja Merkel, Schäuble und Co jetzt abgewendet. Im Management so manchen deutschen Aktienkonzerns dürften heute die Schampusgläser erklingen.    Karsten Neumann, Nürnberg

Uwe Brauner aus Tübingen:

„Griechenlands „Oxi“ ist kein Nein zur europäischen Solidargemeinschaft, denn nichts ist solidarisch an Kürzungsauflagen, die die Wirtschaft strangulieren. Dem Land wurde eine toxische Mischung aus Antibiotika und Rattengift eingeflößt, wie der Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen sagt. Daher kann von Haushaltskonsolidierung oder Strukturreformen in Athen keine Rede sein. Auch in Portugal und Irland hat sich die Lage nicht wirklich verbessert, das dortige „Wachstum“ ist vielfach nur von der Statistik generiert und hat kaum Auswirkungen auf Arbeitslosigkeit und Armut.
Mit dem Gürtel-enger-Schnallen einer schwäbischen Hausfrau ist eben keine marode Volkswirtschaft auf die Beine zu bringen. „Ausgaben runter, Verbrauchersteuern rauf, ordentlich Druck auf die Löhne, und alles wird wieder gut.“ Diese Scheuklappenperspektive verleugnet eine ganze Hälfte der Volkswirtschaft, nämlich die Nachfrage-Seite und die negativen Effekte der Restriktionspolitik auf sie. Das Glaubensgeheimnis, wie Autos Autos kaufen, tragen die Konservativen noch immer in einer Monstranz durch die Dörfer einer inwendigen schwäbischen Alb ihrer Klientel, weil sie ihr nicht zumuten wollen, ihr kleinteiliges Denken in ökonomischen Fragen aufzugeben.
Doch längst haben Ökonomen ohne Austeritäts-Hausaltar den Weg aus der Krise gezeigt: eine Mischung aus Inflation, Sondersteuern auf Privatvermögen und Schuldenschnitten. Gerade Deutschland, das der erlassenen Hälfte seiner Schulden (1953) den Anstoß zu seinem Aufstieg verdankt, schuldet Europa dieses Heilmittel.“

Frank Eckes aus Frankfurt:

„Lieber Herr Hebel, Sie machen es sich doch recht einfach. Niemand hat irgendeiner griechischen Regierung jemals verboten selbst angemessene Reformen anzubieten oder umzusetzten. Niemand würde einer Firma Geld leihen, solange sie nicht nachweisen kann weniger Geld auszugeben als sie einnimmt. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, weil sie den Griechen mit handelsüblichem Gewinn Waren verkauft hat, die diese über Schulden finanziert haben ist mindestens naiv. Und ich darf Sie daran erinnern, dass es eines der Versprechen bei Einführung des Euro war, niemals für Schulden anderer Länder verantwortlich zu sein. Wenn Sie heute für einen europäischen Länderfinanzausgleich sind, dann können Sie sämtliche Reformbemühungen aufgeben. Veränderungen brauchen Druck von außen: Ohne Ölkriese keine neuen Energien – ohne Reformdruck kein Fortschritt. Sie können ja mal den Altkanzler der SPD fragen, welche Gründe es gab Hartz 4 einzuführen.“

Heinz-Ewald Schiewe, Berlin:

„Glückwunsch zu diesem Kommentar! Die Neoliberalen in Gemeinsamkeit mit den Massenmedien verblöden den sog. deutschen mündigen Bürger, es ist schlichtweg zum Kotzen, von Merkel erwartet man ja nicht viel, aber Gabriel verrät mal wieder die Ideen der Sozialdemokratie, es lebe das kaputte Europa …

Irmgard Mersch, Köln:

„Das verschlägt mir fast die Sprache. Ich schäme mich, Deutsche zu sein. Das ist nicht mein Land, das ist nicht mein Europa. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ scheint wieder der Leitsatz der deutschen Politik zu sein. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir einen Sprung in die Zeit wünschen, als die Staaten der Welt über das Schicksal des besiegten Deutschland entschieden. Ich würde mir wünschen, dass sich alle Staaten so verhalten hätten, wie sich Deutschland jetzt gegenüber Griechenland aufführt. Vielleicht hätte das die Deutschen von ihrer Großmannssucht endgültig kuriert.

Günther Rohr, Rodgau:

„Zunächst freue ich mich , daß die FR weiterhin in kritischer Weise berichtet. Nun, wenn man die letzten Informationen über Griechenland und der Ukraine gelesen hat, dann kommt automatisch der Gedanke eines im 8o. Lebesjahr Stehenden hoch.. wer hat denn nun den Weltkrieg II gewonnen? Von Lisabon bis Wladivostok .. da war doch schon einmal etwas. Soll denn wirklich die ganze Welt am DEUTSCHEN WESEN genesen? Machen denn die anderen Nationen alles falsch? Diese Fragen stehen im Raum .. Beantwortet können sie wohl nur von der Völkergemeinschaft werden. Ausgerechnet Griechenland, die uns die Demokratie gelehrt hat, wehrt sich dagegen. Warum wohl?“

Kurt Skrdlant, Frankfurt:

„Gestern Abend hörte ich eine Sendung im HR über die brutale Ausrottung der Herero und Nama in den deutschen Kolonien vor 110 Jahren. Man hatte kein Unrechtsbewußtsein, vielmehr glaubte man, etwas Sinnvolles und Notwendiges zu tun: am deutschen Wesen sollte die Welt genesen.
Auch Herrn Schäuble – und in seinem Kielwasser Frau Merkel – unterstelle ich, dass sie glauben, etwas Sinnvolles und Notwendiges zu tun, wenn sie Griechenland eine „Rettung“ aufzwingen, die nur den Gläubigern nützt, die Griechen selbst aber in eine hoffnungslose Situation bringt. In Europa darf keine linke Regierung erfolgreich an der Macht sein! Koste es, was es wolle! Das könnte sonst Nachfolger ermutigen, den Turbokapitalismus infrage zu stellen.
War nicht ein Hauptvorwurf gegen die Griechen, sie hätten durch ihr Verhalten leichtfertig ihr Vertrauen verspielt? Aber auch Schäuble/Merkel verspielen das Vertrauen, das sich Deutschland seit über 60 Jahren (seit Adenauer, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Schröder) bei dem Aufbau Europas erworben hat. Sie zeigen wieder das kaltherzige, machtbewußte Deutschland, das den anderen Ländern seinen Willen aufzwingt – sogar dem engen Freund Frankreich. Wir sind wieder da, wo wir vor über hundert Jahren waren: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!“

Thomas Ewald-Wehner aus Nidderau

„Korrespondierend zur permanenten Erpressung der griechischen Regierung durch die „Institutionen“ betreiben die Herren Kleber, Krause und Co. im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nachhaltig „Volksverhetzung“. Aus allen Kanälen wurde der deutsche „Ottonormalverbraucher“ gegen Griechen und Griechenland aufgehetzt. Sie haben ganze Arbeit geleistet. Die Linksregierung Griechenlands ist eingeknickt.
„Sparen“ zielt nicht etwa darauf, überflüssiges Geld zurückzulegen, sondern den Nichtbegünstigten Griechenlands weitere harte Sozialkürzungen zuzumuten. Die geforderten „Reformen“ sind der reine Horror; der ursprüngliche Inhalt ist pervertiert. Den Niederländer J. Disselbleom als „Sozialdemokraten“ zu identifizieren, ist mir unmöglich. Schande über sie!
Das unrühmliche und schäbige Agieren der SPD – prototypisch stehen dafür Gabriel und Schulz – im Kontext der „Griechenlandrettung“ führt die SPD hart an Wahlergebnisse unter 20 Prozent heran.  Ich baue trotzdem auf eine wachsende Griechenlandsolidarität in Deutschland.“

Bernd Vollmer, Frankfurt:

„Nach jeder Wahl wird bei uns lamentiert über die noch weiter gesunkene Wahlbeteiligung und die „Politikverdrossenheit.“ Die vielgeschmähte griechische Regierung hat unseren auf so hohen Rössern sitzenden Politprofis gezeigt, was ein gutes und wirksames Mittel gegen Politikverdrossenheit wäre, nämlich vor Entscheidungen, von deren Folgen große Teile der Bevölkerung erheblich betroffen sind (wie bei uns z.B. vor Verabschiedung der „Hartz-Reformen“) das Volk zu befragen . Und analog wäre es ein gutes Mittel gegen Parteienverdrossenheit, wenn Parteiführungen, die vorhaben, wesentliche Wahlversprechen oder traditionelle Grundwerte ihrer Partei zu „korrigieren“,vorher ihre Mitglieder befragen würden.
Vielleicht erinnern sich ein paar Bürger und ein paar mehr Sozialdemokraten wieder an Brandts Versprechen „Mehr Demokratie wagen“ und fordern seine Einlösung von den Nachfolgern ein.“

Peter Bläsing aus Bonn:

„Als Tsipras gewählt worden war, habe ich geglaubt, die Griechen hätten begriffen, dass für den Schlamassel, in dem sie stecken, einzig und allein sie selbst verantwortlich sind und dass nur sie selbst sich daraus befreien können. Ihre bisherigen Regierungen seit der Militärjunta, die Clans von Karamanlis und Papandreou, an Skrupellosigkeit, Unfähigkeit und Korruption nicht zu überbieten, haben sie in den Untergang geführt, haben unterstützt von den Finanzhaien in Brüssel, Washington und Frankfurt selbst den Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft noch nutzen wollen, um das griechische Volk zu ihrem eigenen und zum Wohle der internationalen Geldgeber inklusive Hedge-Fonds weiter auszurauben.
Viele glaubten wie ich, Tsipras würde dem Einhalt gebieten können. Dazu musste er auf jeden Fall, egal wie, die mit Hilfe seiner Vorgänger seinem Volk aufgezwungene Sparpolitik rigoros beenden. Doch damit war die weitere Zunahme der Verarmung, der weitere Rückgang der Wirtschaftsleistung, das Anwachsen der Schuldenberge nicht aufzuhalten. Irgendwann nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten muss er erkannt haben, dass –  egal, ob er seine Wähler verraten und sich dem europäischen Diktat beugen oder ob er die finanziellen Bindungen an Europa kappen und allein auf die Kraft und Entschlossenheit des griechischen Volkes setzen würde – eben dieses Volk vor einer Katastrophe nicht mehr zu bewahren ist. Erst schien es so, als würde er einknicken, aber als er das letzte Angebot der EU, den „Juncker-Plan“, vom Tisch gefegt, die Verhandlungen abgebrochen und das Referendum angesetzt hatte und als dann das Volk ihm im Referendum unmissverständlich klar gemacht hatte: „Wir sind bereit zu kämpfen!“, da schien die Entscheidung eindeutig gefallen zu sein, trotz der Risiken und der Leiden, die die Bevölkerung zu ertragen haben würde, Griechenland wieder auf die eigenen Beine stellen zu wollen.
Und drei Tage später kommt der Bettelbrief aus Athen, der das alles zunichte macht! Man muss nun sogar hoffen, dass Schäuble und die Finnen sich durchsetzen, die Griechen aus dem Euro rausschmeißen und sie dadurch zwingen, nur auf sich selbst gestellt, um den Erhalt ihrer Würde und Unabhängigkeit zu kämpfen. Das Schlimme ist nur: sie hätten in diesem Kampf keinen glaubwürdigen Führer mehr.“

Verena Utterson aus Frankfurt:

„Wer hat Vertrauen in einen Finanzminister, der in einen Spendenskandal verwickelt war? Sollen wir in einen ehemaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten, der  Firmen wie Amazon durch Steuervorteile in sein Land gelockt hat, vertrauen? Sollen wir etwa einer offentsichlich gescheiterten Austeritätspolitik vertrauen? Meiner Ansicht nach nicht! Leider kann ich die Heuchlerei nicht mehr ertragen!“

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142 Kommentare zu “Das kaltherzige, machtbewusste Deutschland und sein hässliches Gesicht

  1. Viele Wahrheiten, besonders aber sollte die Erinnerung von Frau Utterson hervorgehoben werden, dass ein Finanzminister, der selbst in einen Spendenskandal verwickelt war und das Parlament in dieser Frage belogen hat, einem gebeutelten Volk diktiert, was es zu tun und zu lassen hat.

    Ich möchte nicht wissen, welche Leichen Dijsselbloem im Keller hat; dass Guy Verhofstad an den Firmen beteiligt ist, die von der Privatisierung profitieren, ist dankenswerterweise publiziert worden.

  2. Wenn es nicht um Deutschland und die Deutschen gehen würde, könnte man vielleicht die Hoffnung haben, dass der fast einstimmige Aufschrei aus dem Ausland und die nagtiven Reaktionen auf die deutsche Sturheit, etwas bewegen würden und die deutsche Regierung den Bogen doch überspannt hat.

    Aber die deutschen „Leitmedien“ ARD und ZDF, Bild, SZ und FAZ werden schon dafür sorgen, dass sich der deutsche Michel nicht allzusehr aufregt und die Politik der heißgeliebten ewigen Kanzlerin weiterhin für gut befindet oder mindestens für alternativlos hält.

    Ich will hier aber ganz bewusst nicht nur die Medien kritisieren sondern auch die deutschen Bürger, denn es ist ja duchaus möglich, sich zu informieren, man muss es nur wollen.

    Wenn man das machen würde, würde auch das Denkmal Merkel ins Wanken geraten, denn die deutsche Regierung hat es durch ihre unseelige Sturheit und ihren neoliberalen Starrsinn geschafft, die Rückzahlung der Schulden durch Griechenland wieder ein STück weit unwahrscheinlicher zu machen (denn eine auf den Binnenmarkt ausgerichtete Wirtschaft kann man schon theoretisch niemals gesundsparen!), sie hat es geschafft, Gräben in Europa aufzureißen (jetzt stehen die altbekannten Fronten wieder- Südeuropa gegen den Norden), sie hat es geschafft, Deutschlands Bild auch weit jenseits von Europa wieder sehr einzutrüben.

    Doch bleiben wir realistisch- egal was Merkel macht, with a little help of her friends (Krause, Kleber, BILD, SZ, FAZ etc. pp) wird sie auch bei der nächsten Wahl wieder 40 % plus x erhalten (seien wir mal ehrlich, wenn die SPD den Kanzler stellen dürfte würde es mir minimum genauso grauen, wenn ich mir anschaue, wie wenig Europa in der ehemaligen Arbeiterpartei, die als solche immer dem europäischen Gedanken besonders verbunden war, noch verbleiben ist, mindestens an der Führungsspitze).

    Ich schäme mich aber nicht „Deutscher“ zu sein, mit solchen Kategorien kann ich nix anfangen- ich war auch noch nie „stolz“ Deutscher zu sein. Ich halte allerdings das Agieren der deutschen Regierung in der Griechenlandfrage für katastrophal, wirtschaftlich, sozial und außenpolitisch.

    Daraus könnte man bei der nächsten Wahl Konsequenzen ziehen, wenn man nicht schon beim letzten Mal entsprechend gehandelt hat.

  3. Kleiner Nachsatz: Ich finde, dass durch das Verlangen der EU, diese wirklich einschneidenden Maßnahmen für Griechenland im Prinzip ohne hinreichende Beratungsmöglichkeit durchs Parlament zu peitschen, Merkels Begriff von der „marktkonformen Demokratie“ eine ganz neue Bedeutung bekommt.

    Auch die Tatsache, dass Griechenland gezwungen werden soll, Volksvermögen (also Vermögen, das dem griechischen Volk gehört und das dieses durch seine Arbeit geschaffen hat) unter Aufsicht der Institutionen zu versilbern, ist für mich skandalös.

    Das griechische Volk wird nicht nur gedemütigt, es wird noch zusätzlich entmündigt und bestohlen, denn wie lässt sich auf einem Markt ein auch nur annähernd fairer Preis für ein Wirtschaftsgut erreichen, wenn der Käufer weiß, dass der Verkäufer zwingend verkaufen muss?).

    Und wer glaubt, dass es nicht dem nächsten Land, der nächsten Bevölkerung, das/die sich unbotmäßig zeigt, genauso ergeht, der glaubt auch daran, dass an Weihnachten ein dicker alter Mann mit rotem Mantel Geschenke durch den Schornstein liefert. Griechenland ist nur eine Blaupause und das nächste Land wird vielleicht extrem erleichtert und froh sein, wenn der Lebensstandard dort „nur“ um 25% und damit nicht ganz so drastisch wie bei den Griechen gekürzt wird.

    In dem Zusammenhang würde ich gerne einmal Herrn Schmickler (Kabarettist) zitieren: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“.

    Manchmal möchte man Tsipras ja raten, den Europäern den Stinkefinger zu zeigen, sämtliche Zahlungen an sämtliche Kreditgeber sofort einzustellen und sämtliche Entscheidungen der EU, die Einstimmigkeit erfordern durch ein Veto zu blockieren bis man Griechenland eine „ehrenvolle Kapitulation“ anbietet, aber seien wir ehrlich- aus diesem Traum würde Tsipras extrem schnell erwachen, denn seit wann lassen sich „die Märkte“ von irgendeiner Regierung etwas sagen- sie würden Mittel und Wege finden, Griechenland noch mehr zu demütigen und zu schwächen. Und wir stehen am Rand und sind kreuzfroh, dass es uns (noch?) nicht erwischt hat (aber dass es bei uns eine Mehrheit gibt, die nun noch lauter als vorher „Merkel vor, noch ein Tor!“ brüllt, ist schon schwer erträglich:-).

  4. ich habe mich jahrelang geschämt, deutsche zu sein (obwohl ohne „verwandschaftsbedingt-historische schuld“) und war in den jahren, da ich im ausserdeutsch-europäischen ausland gearbeitet habe, immer erleichtert, wenn man mich als skandinavierin o.ä. einschätzte… nicht begeistert war ich allerdings, wenn man mich (dann wieder als deutsche) z.b. in indien oder tunesien zu hitler beglückwünschte… irgend wann habe ich dann gelernt, mich nicht mehr „zuständig“ zu fühlen, vor allem angesichts der gebahren, die „zivilisierte“ mitbürger anderer länder – ob in afrika oder asien – am dem tag legten. ich habe mich einfach von meiner vermeintlichen identität gelöst…
    nun geht alles von vorne los…ich fühle mich nicht repräsentiert von dieser regierung – schon gar nicht von merkel/gabriel etc. ich könnte pathetisch sagen „ich schäme mich“. aber ich tu ’s nicht, weil ich einfach entsetzt bin. ich gehöre nicht dazu. tspiras mag schon „geopfert“ sein…und weiterhin von vielen verpönt. dennoch zolle ich ihm den respekt, den er verdient… un auch wenn es viele nicht (mehr) kennen… es gab einmal einige Mutige – ausserhalb europas -, die vieles gewagt , hoffnungen geweckt, mut gemacht haben…thomas sankara, amilcar cabral, samora machel und viele andere mehr. sie alle wurden „geopfert“…
    und es gab und gibt noch unzählige, die in diese reihe gehören. sie werden aber mundtot gemacht.

  5. # 3 u. 4, A.H. ich kann Ihnen nur zustimmen. Bereits im Januar 2013 habe ich in einem Leserbrief in der FR meine Zweifel an einer echten Zustimmung zu Merkel geäußert, die vielmehr durch die Auswahl der befragten Personen sowie die Art der Fragestellung hochgeschaukelt wurde und dann in den „Qualitätsmedien“ ausgebreitet wird.

    Das Geschrei über die Einheitsmeinungsmache in der DDR ist heuchlerich, wenn man betrachtet, wie hier unisono auf „die Griechen“ eingedroschen wird und diese Medien entweder wiedergeben, was die Poltik sagt oder umgekehrt (Letzteres, wenn sog. Ökonomen wie Prof. (Un)sinn oder Raffelhüschen ihren Senf verbreiten, der dann als Stein der Weisen verkauft und von der Politik umgesetzt wird).

  6. „Es geschieht nichts Neues unter der Sonne“ – so heißt es im alttestamentlichen Buch „Kohelet“. Und so wurde auch zur Griechenlandkrise eigentlich alles bereits gedacht, gesagt und geschrieben – einschließlich sämtlicher auf Nichtwissen gründender Vorurteile. Wirklich alles? Eine mehrteilige Frage scheint mir nicht hinreichend gestellt und folglich nicht beantwortet zu sein.

    Jedem, dessen Bildungsniveau jenes übersteigt, das die achtklassige Sonderschule vermittelt, müsste klar sein, dass Griechenland nur dann eine Chance auf wirtschaftliche Konsolidierung besitzt, wenn es über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, um seine gesamte Infrastruktur und sein Sozialsystem nach westeuropäischen Standards zu erneuern und Anschubfinanzierungen für zukunftsweisende Wirtschaftsprojekte gewähren zu können. Das würde nicht nur die Binnenwirtschaft beflügeln, sondern auch den Handel mit den Partnern in der EU. Und in 50 oder mehr Jahren bestünde sogar eine realistische Chance, dass es einen Teil der Schulden zurückzahlen könnte. Aber warum lässt vor allem Deutschland das nicht zu?

    Geht es um einen Wettkampf der Systeme, also Neoliberalismus contra Gemeinwohl und Sozialstaat, gar Sozialismus? Befürchten jene, die die Marionetten Merkel, Schäuble, Gabriel und Konsorten an den Fäden ziehen, dass ein derartiges Modell Schule machen könnte, dass zumindest der Süden Europas die gesellschaftspolitischen Parameter nachhaltig verändern könnte? Dass 300 bis 400 Milliarden Euro, die für die so genannte Griechenlandrettung (faktisch aber für die Griechenlandvernichtung) eingesetzt wurden, geradezu einen Discountpreis darstellen gemessen an dem Profit, der durch die Rettung des globalen Kapitalismus mittelfristig zu erwarten wäre?

    Oder aber weht der Wind von ganz woanders her? Haben sich in den zwölf Götterwohnungen des Olymps die Geister von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Liebknecht, Dutschke und Genossen breit gemacht? Läuft bereits die Umsetzung des Geheimprogramms „Enteignet die Enteigner“? Ist die Zuspitzung der Griechenlandfrage durch Merkel und Schäuble nichts anderes als die rasante Beschleunigung einer epochalen Entwicklung, an deren Ende es heißen wird: „Ewig der Sklaverei ein Ende, heilig die letzte Schlacht“? Man würde den Eurokraten so viel revolutionären Elan nicht zutrauen. Aber der Geist weht, wohin er will. Und der vom Olymp ist derzeit unberechenbar.

  7. Ich kann das Eine oder Andere verstehen was hier so geschrieben wird, aber eines kommt mir hier klar bisher zu kurz, nämlich die Frage wer soll das bezahlen? Ich habe schon des Öfteren geschrieben das Zypern überall geht und das es schon des Öfteren das Thema Lastenausgleich in der Geschichte gegeben hat. Das die EU zwischenfinanziert ist auch ok. Das sollten auch Investitionszuschüsse sein, aber auch da stellt sich die Frage wer soll das bezahlen. Klar kann man in D. sagen wir haben 2 Billionen Schulden da kommt es auf ein paar Milliarden mehr oder weniger nicht an. Das kann aber doch wohl nicht der Ansatz sein? Wer ist denn dafür z.B. die Mehrwertsteuer um 2 % zu erhöhen um G. helfen zu können? Ich bin mal gespannt wie viele sich melden.

  8. Dank an Hans, dass er wenigstens mit Stichworten an die eigentliche Thematik und möglichen Denkansätzen zur Überwindung der Krise erinnert: So mit Hinweisen auf „Kapitalverkehrskontrollen“, um zu verhindern, dass „Kapital das Weite“ sucht („Es hat noch nie geholfen…“, #16), „Investitionszuschüsse“ und „Lastenausgleich“ (#8) – analog zum Adenauerschen Modell im Nachkriegsdeutschland, eine Idee, die der griechischen Regierung vorgeschlagen, aber nicht einmal beantwortet wurde – oder auch „Transaktionssteuer“ („Schicksalstage in Athen“,#132) “ – ein Vorschlag, der auch von Martin Schulz, etwa zur Finanzierung von Investitionszuschüssen, eingebracht wurde.
    Wo ich aber nicht mehr folgen kann: Er könne „verstehen was hier so geschrieben wird“. Ich nicht mehr.

    Und das ist auch der Hauptgrund, warum ich nicht die geringste Lust verspüre, mich in eine Diskussion einzubringen, die mir zu größten Teilen als Widerspiegelung des „dialogue de sourds“ erscheint, der auf europäischer Bühne zu beobachten ist: mit Wiederkäuen ewig gleicher Denkansätze, Pauschalisierungen, Instrumentalisierungen und denunziatorischen Bildern in Empörungspose (etwa Bernd Riexingers Bild vom „Dolch an der Gurgel“).
    Soll nun auch hier jeglicher Ansatz zur Problemanalyse durch psychologisierende Behauptungen ersetzt werden – so etwa, es gehe nur darum, „Griechenland noch mehr zu demütigen“? Oder durch nationale Nabelschau („Ich schäme mich, Deutsche zu sein“), unterfüttert mit mehr als fragwürdigen historischen Vergleichen vom „Versailler Diktat“? Und was offenbart das pauschalisierend-moralisierende Gerede vom „kaltherzigen, machtbewussten Deutschland“ anderes als nationalistisches Denken ex negativo?

    Vergessen, worauf Bronski einleitend zurecht verweist:
    „Der Euro war als Projekt der Einigung Europas gedacht, aber kurz nach seiner Einführung blieb die Entwicklung der notwendigen Strukturen schlicht stecken. Das Erreichte ist zu wenig. Es droht der Rückfall in Nationalstaaterei.“
    Front National und andere nationalistische Nostalgiker soll’s freuen. Auch die reden permanent von „nationaler Würde“ – und meinen damit die Zerstörung dieser notwendigen Entwicklung europäischer Strukturen, auch auf fiskalischer Ebene. Was notwendiger Weise Einschränkung nationaler Selbstbestimmung, nicht nur in Griechenland, bedeutet – mit „Demütigung“ aber nichts zu tun hat.
    Und die etwa in Ungarn sind gerade dabei, einen „Schutzwall“ gegen Flüchtlings-„Invasion“ aufzubauen, dessen Kosten die für deren Versorgung um ein Erhebliches übersteigen.

    Vergessen auch die wirklich Leidtragenden in Griechenland? Sofern deren Thematisierung jemals zu mehr diente als zu ideologischer Instrumentalisierung.

    Der Salzburger Erwin Schimpf hat einen Verein gegründet zur Unterstützung vor allem griechischer Krankenhäuser, fährt 2 mal wöchentlich vor allem mit Medikamenten aus Österreich und Deutschland nach Griechenland – ohne ideologisches Brimborium.
    Website und Spendenaufruf unter: http://www.griechenlandhilfe.at/
    Der Mann hat meinen Respekt.

  9. @engelmann

    Da muss man wohl mal wieder auf den Unterschied zwischen Regierung und Bürger hinweisen.

    Ich bin weder kaltherzig, noch machtbewußt, ich habe auch kein hässliches Gesicht, nicht mal ideologisch gesehen. auch ich befleissige mich konkreter Hilfen für Bedürftige und wirklich Leidtragende und ich bin durchaus nicht gewillt, in vorauseilendem Kollektivschuldgebrechen mich in den nationalen Topf werfen zu lassen.

    Einige Hilfreiche haben meinen Respekt, ich habe meinen vor mir auch noch.

    Schmerzlich ist aber, daß die Helfenden immer wieder ganz unfreiwillig systemstützend werden.

  10. #9
    Ich muss Herrn Engelmann zustimmen: Das Gerede von Ehre, Würde und Demütigung geht mir allmählich gehörig auf die Nerven. Wir sind doch hier nicht unter pubertären Jugendlichen auf dem Schulhof, wo man sich gegenseitig eine reinhaut, wenn man sich beleidigt fühlt. Durch das sehr undiplomatische Auftreten von Tsirpas und Varoufakis, die finanzielle Unterstützung forderten, sich gleichzeitig aber jegliche Einmischung in griechische Belange verbaten, ist nun genug Porzellan zerschlagen worden.
    Dass man im Falle einer Insolvenz einen Teil seines Selbstbestimmungsrechts aufgeben muss, ist auf privater Ebene genauso normal wie auf politischer. Dass am Ende dann allerdings der Erlass oder die Streckung zumindest eines Teils der Schulden stehen könnte, sollte von Schäuble angesichts dessen, was Deutschland nach dem 2. Weltkrieg zugestanden wurde, nicht so völlig von der Hand gewiesen werden
    Jetzt muss es ganz konkret darum gehen, Griechenland so schnell wie möglich dabei zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Ganz vorne muss dabei meiner Ansicht nach neben den von Herrn Engelmann angesprochenen Maßnahmen das Bemühen stehen, der von den griechischen Steuerflüchtlingen ins Ausland verschobenen Gelder habhaft zu werden. Wenn die internationale Staatengemeinschaft, ganz vorne Luxemburg und die Schweiz, Griechenland hier unterstützen würde, wäre doch schon viel gewonnen.

  11. Hallo Frau Ernst !

    Da würde ich tendenziell widersprechen wollen. Natürlich ist es einfach als Unbeteiligter quasi vom grünen Tisch aus, sachlich und objektiv zu bleiben. Ich habe in meinen Beiträgen aber eben auch versucht, mich in die Lage eines Griechen/einer Griechin hineinzuversetzen, die das Handeln und Auftreten insbesondere auch des deutschen Finanzministers sicher nicht so wohlabgewogen beurteilen.

    In der Sache ist es sicher richtig, dass Griechenland seine Schulden/Fehler schon selber gemacht hat und auch nicht von anderen Ländern dazu gezwungen wurde (dass u.a. auch Deutschland davon profitiert hat, ändert an dieser Sachlage nichts) und es ist auch nicht zu leugnen, dass in Griechenland bestimmte Auswüchse im Rentensystem oder in der Bürokratie geherrscht haben (und zum Teil immer noch herrschen), die nicht hinzunehmen sind. Ich halte auch die im neuen „Plan“ aufgeführte „Entpolitisierung“ der Verwaltung für essentiell (von der immer mal wieder zitierten Einrichtung eines Katasteramtes und einer funktionierenden Finanzverwaltung mal gar nicht zu reden).

    Ich bin also durchaus bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass ein Land, dass Hilfe von anderen Ländern erwartet, auch „Eigenleistungen“ erbringen muss und dass man dazu möglicherweise auch sanften Druck auf dieses Land ausüben muss.

    Ich würde aber mal behaupten, dass auch die meisten Griechen keinesfalls unglücklich wären, wenn man in einer Behörde nicht erst dann etwas erreichen kann, wenn man Geldbriefe verteilt und ich glaube auch nicht, dass sich die Demonstrationen und der Ärger (auch gegen Schäuble) daran entzünden, dass man seitens der EU eine funktionierende Finanzverwaltung fordert.

    Was die meisten Griechen und auch mich massiv ärgert ist, dass man bisher seitens der Troika bzw. der Institutionen ganz offensichtlich (im wahrsten Sinne des Wortes) nur Maßnahmen forciert hat, die die Bevölkerung hart treffen. Obwohl Griechenland schon lange in den Hilfsprogrammen steckt, hat man ja offenbar kein besonderes Augenmerk auf den Aufbau der Katasterämter oder der Finanzverwaltung gelegt oder darauf, dass man in Griechenland einfacher ein Unternehmen gründen kann. Denn in diesen Fragen hat sich bisher kaum etwas getan- und es wäre ein leichtes gewesen, diese Forderungen seitens der „Institutionen“ durchzudrücken (was Rentenkürzungen und Abbau des Sozalstaats angeht war man ja erkennbar „deutlicher“ in den Forderungen).

    Insofern geht es gar nicht darum, dass ein Geldgeber vom „Begünstigten“ nicht etwas fordern kann oder darf; das ist in der Tat weder unüblich noch verwerflich noch ein Grund wütend oder ärgerlich zu werden. Es kommt eben drauf an, WAS man fordert.

    Das „Nein“ der Griechen war gewiss kein „Nein“ zu einer Verwaltungsreform, es war eher ein Ausdruck, dass der „Normalbürger“ an seine Leistungsgrenzen gekommen ist. Dies ist aus vielen Berichten, die ohne Schaum vorm Mund daherkommen, doch auch leicht nachvollziehbar. Die Renten, in einigen Familien die einzige Einnahmequelle mehrerer Generationen wurden drastisch gekürzt, die Löhne wurden gekürzt, der Sozialstaat bricht in Teilen zusammen (Stichwort Gesundheitsversorgung) und so lobenswert einzelne Initiativen, wie die von Herrn Engelmann vorgestellte, sind, muss man sich doch die Frage stellen, ob so etwas in einem Europa, dass ja auch ein Zeichen der Freundschaft und Solidarität unter den Völkern dieser Gemeinschaft sein sollte, wirklich hinnehmbar sein sollte oder ob das nicht vielleicht doch ein Grund sein könnte, sich zu schämen?

    Die Menschen, die in Griechenland leiden (ja, es leiden beileibe nicht alle Menschen dort aber es gibt eine wachsende Zahl von Bürgern, die keine Zukunft in dem Land mehr sehen, die auswandern- und das sind im Regelfall die bestausgebildeten, die dem Land den Rücken kehren und zu einem zusätzlichen „Brain drain“ führen- oder aufgeben und sich an Suppenküchen oder wegen Medikamenten eben an private Hilfeleister wenden müssen) können eben nicht verstehen, wie es sein kann, dass „Europa“ nun verlangt, dass die Renten noch einmal gekürzt werden müssen, dass die Steuern (und damit die Preise) noch einmal heraufgesetzt werden müssen- und angesichts der bisherigen „Erfolge“ dieser doch mindestens auch ideologischen Politik kann man sich doch tatsächlich die Frage stellen, warum und inwiefern das Kürzen von Einnahmen der Bürger und das Erhöhen der Preise der Wirtschaft und damit dem Staat helfen sollen. Viele Wirtschaftswissenschaftler sehen das übrigens ebenso kritisch.

    Warum konnte man in diesem „Hilfspaket“ die von Ihnen in einem Nebensatz gestreifte Frage der „Schudenumstrukturierung“ (nebst des vom IWF auch aktuell noch einmal geforderten Schuldenerlasses) nicht auch regeln und sich darauf verständigen, dass man Griechenland auch in dieser Beziehung helfen muss und wer war immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, dieses Thema abzuräumen?

    Und ich würde auch gerne die Frage stellen, wo Sie denn die Ansätze sehen, mit denen Griechenanland „so schnell wie möglich“ geholfen werden soll?

    Eine Möglichkeit wäre es, die bisher zwingend erforderliche Kofinanzierung der EU-Investitionen auszusetzen oder Griechenland auch dafür ein Darlehen zu gewähren, denn es ist ja schön und gut, wenn seitens der EU immer wieder auf die bereitstehenden 35 Mrd Euro hingewiesen wird. Ein Land, das kein Geld für den Eigenanteil hat, hat dann auch von den EU-Mitteln nichts!

    Was die „Steuerfrage“ angeht, muss ich doch immer sehr schmunzeln. Deutschland selber besteuert seine Reichen und Vermögenden kaum bis gar nicht, weil es diese Steuern ideologisch für schädlich hält (siehe Diskussion über die Erbschaftssteuer) bzw. weil als Gegenargument dann immer kommt, dass die Reichen ihr Vermögen dann aber ins Ausland schaffen und man dann leider keine Handhabe mehr hat, das Vermögen zu besteuern- wie glaubwürdig ist dann der Hinweis, ausgerechnet aus Deutschland, dass die Griechen doch mal ihre Reichen etwas härter an die Steuerkandarre nehmen sollen? Wohlgemerkt, ich wäre sehr dafür, wenn ganz Europa den Griechen entsprechende Infos über Firmen, Immobilien, Konten etc. von „Auslandsgriechen“ geben würden, damit diese prüfen können, ob es sich bei dem angelegten Geld um nicht versteuertes Vermögen handelt- aber mir fehlt ehrlich gesagt der Glaube daran, dass Europa sich dazu aufrafft.

  12. Und noch ein Nachtrag:

    Was genau würden Sie als Griechin denken, wenn ihr Heimatland von „Europa“ gezwungen werden würde, das Staatsvermögen, was ja nichts anderes ist als das „Vermögen des Staatsvolks“, das dieses sich im Laufe der Jahrzehnte erarbeitet hat, in einen Fonds einzubringen, der von „Europa“ kontrolliert wird und dessen Ziel es ist, dieses Staatsvermögen zu versilbern (was ja unter dem Druck des „Verkaufenmüssens“ nicht grade leicht sein dürfte)? Und was würden Sie denken, wenn dieses Geld dann noch nichtmal dafür verwendet werden darf, Investitionen in Griechenland anzustoßen sondern zu 75% in die Schuldentilgung fließen muss?

    Würden Sie das nicht als „demütigenden Ausverkauf“ Griechenlands ansehen- zumal Sie ja damit rechnen müssen (s.o.), dass das Vermögen nicht wirklich zu einem adäquaten Preis veräußert werden kann?

  13. Ich denke das derzeitige einprügeln auf G. ist recht einfach zu begründen. Nicht zuletzt die Deutsche Regierung will von ihrem Totalversagen in der Finanzkrise ablenken. Was ihr ja hervorragend geling. Die Aussage das G. die Schulden ja selbst gemacht hat ist bestenfalls eine Halbwahrheit. Wenn ich in eine Bank gehe und sage ich bestimme selbst wie viel Geld sie mir leihen soll muss ich aufpassen das ich nicht mit einem Krankenwagen irgendwo eingeliefert werde wo es mir bestimmt nicht gefällt. Bei keinem Kredit bestimmt der Kreditnehmer alleine wie hoch er sein kann. Das war auch bei den Krediten die G. aufgenommen hat so, also hat der Kreditgeber auch eine Mitverantwortung. Dieser Verantwortung ist unsere Regierung natürlich nicht annähernd gerecht geworden und darüber soll nicht geredet werden.

  14. BvG klagt anfangs seines Beitrags (Nr. 54) zum Thread „Es hat noch nie geholfen, gutes Geld…“: „Nun gibt es schon drei Griechenland-Threads, man verliert die Übersicht.“

    Wie ich Bronski einschätze, hat er seine eigenen, bestimmt auch uns überzeugenden Gründe dafür, drei Threads parallel laufen zu lassen. Möglicherweise in Anlehnung an die drei herausragenden Säulen der griechischen Kultur, als da sind: Mythologie, Tragödie und Komödie.

    Wer von uns könnte sich Alexis nicht als den Herumirrenden zwischen Skylla und Charybdis vorstellen? Wem von uns erscheint nicht sofort das Bild eines schuldlos Schuldigen, der von dem einen Orakel die Antwort „OXI“, von dem anderen hingegen ein „NAI“ bekommt? Wer von uns erkennt nicht sofort den Bruder Leichtfuß, der, mit dem Auftrag ausgestattet, juristische Winkelzüge zu studieren, wie man sich Gläubiger vom Halse schafft, erst mal ganz andere Flausen im Kopf hat? Es helfe der Deus ex Machina!

  15. empi, ich stimme dir zu.. aber leider ist diese form der auseinandersetzung von vielen verpönt…
    aber im y…s..nn, gibgt ’s schon nen kommentar.
    man kann ernst mit satire, mit humor, mit laissez-faire, mit sarkasmus kombinieren. verbissenheit und altklugerei – in welcher dosierung auch immer – ist einfach unnötig…
    vieles mit wenigem aussagen – und damit den anspruch verbinden, dass es auch jeder, jeder, versteht… – das ist eine olympische herausforderung. packehen sie s’s an!

  16. Liebes maiillimi,

    es ist nicht mein Bestreben, daß mich jeder versteht; mir genügen die Verständigen (nach Goethes Definition). Die vielen Vernünftigen hier ertrage ich so, wie sie mich ertragen sollten.

  17. @ manfred petersmark, #15
    Und unter welche Kategorie würden Sie diesen Thread hier einordnen? Mir scheint „Komödie“ wohl am zutreffendsten. – Freilich hat auch die einen tragischen Ansatz.

  18. Passend zu diesem, aber auch zu den anderen Threads:
    Augsteins letzte Kolumne in SPON „Trau, schau, wem“ !

  19. Lieber A.H.,
    in den meisten Punkten stimme ich Ihnen zu. Dass die Austeritätspolitik Griechenland immer weiter heruntengewirtschaftet hat, ist klar, das sollten die Tonangebenden in der EU endlich begreifen, denn wie soll eine Wirtschaft in Gang kommen, wenn keiner mehr Geld hat, etwas zu kaufen?
    Ich wehre mich nur gegen diese Ehrpusseligkeit, die mit Begriffen wie Ehrverletzung und Demütigung daherkommt. Das sind so Machobegriffe aus dem vorletzten Jahrhundert, mit denen ich nichts anfangen kann. Da sehe ich im Geiste die Adeligen des 19. Jahrhunderts nach Satisfaktion schreien und sich gegenseitg mit der Duellpistole totschießen. Das Versilbern des Staatsvermögens ist schlicht falsch, das haben die negativen Folgen der Privatisierungen in Deutschland ja deutlich gezeigt. Ob sich da irgendwer gedemütigt fühlt, finde ich in diesem Zusammenhang nebensächlich, lieber ist es mir, er ist wütend darüber. Dann muss er aber auch wütend sein über die vorherigen Regierungen, die das Land abgewirtschaftet haben und die das griechische Volk immerhin selbst gewählt hat (!). Das darf man bei allem Mitgefühl mit der leidenden Bevölkerung nicht vergessen.
    Bezüglich der deutschen Steuerpolitik seit den Steuersenkungen unter Gerhard Schröder bin ich mit Ihnen durchaus einer Meinung. Allerdings ist es Deutschland ja doch wohl mithilfe von Informationen aus der Schweiz gelungen, diejenigen, die es nicht einmal für nötig hielten, ihre vergleichsweise niedrigen Steuern zu zahlen, etwas mehr an die Kandare zu nehmen (siehe Beispiel Höhnes). Da sehe ich für Griechenland durchaus noch einen Spielraum.

  20. Brigitte Ernst, #11, A.H., #12

    Endlich mal Beiträge, auf die sich einzugehen lohnt.
    Zu A.H.: Bis auf den letzten Ansatz stimme ich Ihnen zu. M.E. der bisher fundierteste Beitrag, der aber auch einer bloß volkswirtschaftlichen Sicht verhaftet bleibt.
    Ich möchte daher bei meinen Überlegungen eher an Frau Ernsts (und meinem) Unbehagen an dem von Syriza und „Linken“ eingeschlagenen Diskurs ansetzen.
    Gefühle und Unbehagen können ja ein sensibler Seismograph für Widersprüche sein, die rational noch nicht erfasst sind, können aber auch grandioser Selbsttäuschung unterliegen. Sie bedürfen demnach rationaler Hinterfragung.

    Zum „Gerede von Ehre, Würde und Demütigung“:
    Prinzipiell ist solchem Bedürfnis Verständnis entgegenzubringen, vor allem gegenüber Menschen, die plötzlich in Not geraten sind, für die es in einer materialisierten Welt einen neuen Stellenwert erhält und Ausdruck für Selbsterhaltungswillen ist. Bei meiner Mutter etwa, nach einem relativ begüterten Leben plötzlich mit 7 Kindern alleingestellt vor dem Nichts, drückte sich dies im „Stolz“ aus, es „aus eigener Kraft zu schaffen“, ohne auf Almosen angewiesen zu sein.
    Dass sich im gegenwärtigen Fall Griechenland ein Wolfgang Schäuble als Reiz- und Schmähfigur anbietet, lässt sich zumindest teilweise durch mangende Senibiltät in dieser Hinsicht erklären.
    Fragt sich freilich, ob es sich in der Syriza-Diktion tatsächlich um solcher Art von „Würde“ handelt. Der vorwiegend aggressive Forderungs- und Anklageton spricht eher eine andere Sprache.
    Zudem ist „Menschenwürde“ im Sinn der Menschenrechtserklärung eine auf Individuen bezogene Kategorie, die Übertragung auf kollektive Gebilde und vor allem Nationen schon von vornherein problematisch (analog etwa dem Missbrauch des Darwinismus im „Sozialdarwinismus“). Der von Syriza angeschlagene Tenor der „nationalen Würde“ lässt auch hier den Verdacht des Missbrauchs aufkommen.

    Zu „linken“ und „rechten“ Grundprinzipien:
    Zu den traditionellen Grundwerten der „Linken“ gehören seit jeher Gerechtigkeit, Solidarität und Internationalität. Die traditionelle „Rechte“ ist demgegenüber gekennzeichnet durch Bekenntnis zu „Freiheit“ im Sinne von Eigennutz und Abwehr jeder Einschränkung, Politik mit emotionalisierenden und moralisierenden Begriffen sowie Misstrauen gegen jede Form staatlicher „Lenkung“ (etwa Republikaner in den USA) einerseits, Denken in nationalen (bis nationalistischen) Kategorien andererseits (einer ihrer spezifischen Widersprüche).

    „Linke“ und „rechte“ Politik heute:
    Diese traditionelle Unterscheidung von Politikformen erscheint heute längst hinfällig. Spätestens seit der Ukrainekise, mit der Anbiederung von „Linken“ an Autokraten vom Schlage eines Putin ist das weitgehende Einschwenken auf „rechtes“ Politikverständnis offensichtlich. Gleiches gilt für die Totalopposition gegenüber der EU. Und sogar in der Haltung gegenüber „Neoliberalismus“ (resp. „Turbokapitalismus“) hat eine erkennbare Annäherung (in diesem Fall von „rechts“ nach „links“) stattgefunden. (Auch diese Tendenz hat freilich Vorläufer im „romantischen Antikapitalismus“ und der – zumindest rhetorisch – antikapitalistischen NS-Propaganda.)

    Syriza – eine „linke“ Bewegung?
    Dieser Frage ist mit großen Zweifeln zu begegnen, nicht allein wegen des Bündnisses mit der extremen Rechten.
    Daniel Cohn-Bendit forderte neulich in einer Talkshow die schnellstmögliche Beendigung dieser höchst merkwürdigen Koalition. So recht er mit dieser Forderung hat: Mir scheint, der gute Dani fällt hier in 68er-Wunschvorstellungen zurück, um sich nicht der Frage nach tieferen Ursachen stellen zu müssen.
    Näher an die Realität dürfte der Kommentator in „L’Express“ (Nr.3340, 8.-14.Juli) kommen, der im griechschen „OXI“ die „Spur eines schweren, von Widersprüchen und Drohungen gebeutelten Nationalismus“ sieht und ihn auf die fatale Neigung zurückführt, in einem der Wirklichkeit entrückten, von Theaterdonner bestimmten Bewusstsein zumindest subjektiv den Part des tragischen griechischen Helden zu übernehmen.
    Zu Theaterdonner verkommen ist offenbar auch die Beschwörung des demokratisch ermittelten „Volkswillens“, der keine 7 Tage überlebte. Dass eine solche Politik eines äußeren Feindes und Sündenbocks bedarf, verkörpert im „Teufel“ Schäuble, liegt auf der Hand.

    Soziale Gerechtigkeit?
    Um auf die von Brigitte Ernst völlig zurecht aufgeworfene Frage nach griechischen Steuerflüchtlingen einzugehen:
    Natürlich werden mit der vorliegenden Kritik in keiner Weise Positionen und Vorgehen der „Geldgeber“ gerechtfertigt und unkritisch übernommen. Insbesondere nicht erzwungenes Verscherbeln von „Tafelsilber“ via Privatisierung. Natürlich ist Kritik an der „Troika“ bez. mangelnden Drucks in dieser Frage berechtigt.
    Heuchlerisch aber erscheint es, wenn dieser Vorwurf nicht auch von „Linken“ an eine „linke“ Regierung gerichtet wird. (Ihr Vergleich des deutschen Steuersystems, lieber A.H., mit staatlich organisierter – verfassungsmäßig garantierter – milliardenschwerer Steuerflucht griechischer Oligarchen, darunter dem reichsten Reeder der Welt, erscheint mir nicht nur in hohem Maße verschleiernd, sondern durchaus auch zynisch.)
    Selbstverständlich ist von einer Regierung, die sich für „links“ hält, zu erwarten, sich der Bedeutung bewusst zu sein, in einer so elementaren Frage sozialer Gerechtigkeit umgehend Klarheit zu schaffen – und sei es, wenn keine kurzfristige Lösung möglich erscheint, in Form eindeutiger Weichenstellungen.
    Dass auch nach sechs Monaten keinerlei Anstalten in dieser Richtung erkennbar sind – wiewohl die Schweiz wie auch Frau Lagarde Steuerflüchtlinge geradezu auf dem Silbertablett präsentiert haben – lässt wohl am ehesten Aufschluss auf den wirklichen Charakter dieser Regierung zu. Die Erklärung mit dem „rechten“ Koalitionspartner greift hier viel zu kurz.
    Es ergänzt das Bild, dass statt dessen die Zustimmung der Bevölkerung mit sozialen Versprechungen erkauft wurde, die von vornherein illusorisch waren. Man muss nichts Übles wollen, wenn man vermutet, dass es auch hier um Theaterdonner – oder deutlicher: um Instrumentalisierung der Bevölkerung – ging: Die Unterstützung der aufgebrachten Menge zu erlangen, indem man Hineinsteigern in ein realitätsfernes Selbstbild befördert und zugleich die (natürlich ausländischen) Sündenböcke (in Varoufakis-Sprache: „Terroristen“) präsentiert.

    „Linker“ Beifall:
    Von einer Partei, die sich auf die Marxsche Erkenntnis beruft, dass eine „Idee“ zur „materiellen Gewalt“ werden kann, „wenn sie die Massen ergreift“, sollte man, wenn nicht einen konkretisierten Gesellschaftsentwurf, so zumindest eine nachvollziehbare Idee von deren möglicher Realisierung erwarten.
    Statt dessen aber plumpe Polemik, Nachbeten von Positionen eines – durchaus mit demagogischen Fähigkeiten ausgestatteten – Herrn Varoufakis in Inhalt und Diktion – bis hin zum unsinnigen „Versailles“-Vergleich und unsäglichen Bildern wie dem „Messer an der Kehle“. Offenbar kein Ausrutscher eines Bernd Riexinger, sondern (von Klaus Bartsch wiederholt) Ausdruck einer Parteistrategie auf der Ebene einer griechischen Komödie, die aber nicht im Ansatz deren Esprit und Ideenhaftigkeit besitzt.
    Plumpe Affirmation, die selbst zur stattgefundenen Verhöhnung des griechischen „Volkswillens“ nichts zu sagen hat.
    Nicht auszudenken das Empörungsgeschrei, wenn eine Angela Merkel auf die Idee käme, in der von Syriza praktizierten Weise mit Referenden umzugehen. In der Auseinandersetzung mit Sozialdemokraten erwärmt man sein Ego an immer neu aufgelegtem „Verrats“-Geschrei.
    Was eigene Widersprüche angeht, drückt man aber lieber beide Augen fest zu und verlegt sich auf den berühmten Stinkefinger.

  21. @ 18, Werner Engelmann

    Unter typisch griechische Tragödie, dargeboten von typisch deutschen Laiendarstellern, wobei ich für mich den Begriff Knallcharge reklamiere.

  22. zu 21 Werner Engelmann
    Ein sicher lesenswerter Beitrag dem aber das interessanteste Kapitel mit der Überschrift Lösungsansätze fehlt.

  23. @ BvG

    Ich habe vergessen, auf Ihr Statement einzugehen:
    „Da muss man wohl mal wieder auf den Unterschied zwischen Regierung und Bürger hinweisen.“
    – Natürlich stimme ich Ihnen zu – besonders wenn letztere zumindest in gewisser Hinsicht als Opfer der ersten angesehen werden können.
    „Schmerzlich ist aber, daß die Helfenden immer wieder ganz unfreiwillig systemstützend werden.“
    – Fragt sich nur, ob das nicht auch für Kommentatoren zutrifft – vor allem, wenn sie sich mit Vorliebe auf Splitter im Auge anderer stürzen.

  24. Lieber Herr Engelmann,
    Sie Schreiben: „Dass auch nach sechs Monaten keinerlei Anstalten in dieser Richtung erkennbar sind – wiewohl die Schweiz wie auch Frau Lagarde Steuerflüchtlinge geradezu auf dem Silbertablett präsentiert haben – lässt wohl am ehesten Aufschluss auf den wirklichen Charakter dieser Regierung zu.“
    Woher wissen Sie, dass die griechische Regierung keine Anstalten macht, die Zustände zu ändern? Ich habe grosse Zweifel, dass die Schweiz einzelne Steuerflüchlinge benennt.Noch ist das in der Schweiz meines Wissen strafbar. Was hat der IWF (Frau Lagarde) mit Steuerflüchtlingen zu tun? Kennt der IWF etwa auch meine Steuererklärung?
    Syriza hat ihrer Meinung nach das griechische Volk instrumentalisiert. Aber ich frage mich dann: wofür? Um Ministerpräsident und Finanzminister in Griechenland zu werden?
    Ich wundere mich darüber, wie leichtfertig hier in diesem Blog Urteile über die charakterlichen Eigenschaften von Menschen gefällt werden, die man doch eigentlich gar nicht kennt.

  25. @Engelmann

    Sehr früh habe ich in dieser Diskussion darauf hingewiesen, daß moralische Maßstäbe im Finanzgebaren nichts zu suchen haben, sondern daß es auf ein funktionierendes System ankommt.
    Dies kann aber nur solange gelten, wie beide „Seiten“, sowohl die abschöpfende, als auch die produzierende „Seite“ sich keiner unmoralischen Werkzeuge bedienen und alle dem funktionierenden System dienen.

    Diebstahl, Ausbeutung, Wucher und Unterdrückung, Unterschlagung und was der unmoralischen oder ungesetzlichen Verhaltensweisen mehr sind, dürfen in einem Wirtschaftssystem, auch in einem Finanzsystem, keinen Raum finden und müssen ausgeschlossen bleiben.

    Die vernutzten und nicht mehr treffenden Sortierungen „links“ und „rechts“ versuche ich hier zu vermeiden.

    Gerne und mit Verve wird der Begriff der Austerität bemüht, der bezeichnen soll, daß niemand „über seine Verhältnisse“ leben darf.

    Die Kernfrage ist: „Was sind jemandes zugemessene Verhältnisse?“

    Die unterste Grenze der Wohlhabenheit ist, da sind wir uns wohl einig, die Lebensgefährdung, ob es eine obere Grenze geben muß, hängt davon ab, ob die unterste Grenze in Sicht kommt.

  26. @ Henning Flessner, #25

    Lieber Herr Flessner,

    zum Thema „Steuerhinterzieher“ hier einige Fakten:
    – Die Schweiz hat vor ca. 2 Jahren der damaligen griechischen Regierung eine Liste von (nach meiner Erinnerung) ca. 2000 Namen von der Steuerhinterziehung Verdächtigter übergeben. Die alte Regierung hat davon in fast 2 Jahren 3 oder 4 Fälle verfolgt. Bei der Syriza-Regierung sind nach Aussagen des Regierungsberaters bei einer Talkshow (auf hartnäckige Nachfrage) etwa 5 Fälle dazugekommen. Nachweislich sind inzwischen Namen von regierungsnahen Personen (der alten Regierung) inzwischen wieder von der Liste verschwunden. Der Umfang des Schadens durch Steuerhinterziehung von griechischen Oligarchen wird auf ca. 70 Milliarden geschätzt.
    Zur“Lagarde-Liste“ vgl. Wikipedia. Auch hier sind über 2000 Namen mutmaßlicher Steuerflüchtlinge der HSBC-Bank benannt.
    Freilich – auch dies habe ich erwähnt – fehlt es auch an hartnäckigen Nachfragen insbesondere der „Troika“ in dieser Sache, was nicht auf ein besonderes Interesse an der Lösung dieser Problematik schließen lässt.

    Zum Thema „Instrumentalisierung“:
    Wenn ein Ministerpräsident unmittelbar vor erfolgreichem Abschluss von Verhandlungen alle seine Mitarbeiter abberuft und 18 Teilnehmerstaaten brüskiert, wenn er ein kurzfristiges Referendum ohne klare Zielsetzung einberuft (was bedeuten „nein“ und „ja“?), wenn er die eigenen Verhandlungsergebnisse zu verwerfen empfiehlt, nach erfolgreicher Ablehnung (nach eigener Aussage) „gestärkt“ an den Verhandlungstisch zurückkehrt, um wenige Tage später das Gegenteil der eigenen Empfehlungen wie auch des „Volkswillens“ im Parlament durchzusetzen – wie nennen Sie das dann? Ist Ihnen der umgangssprachliche Ausdruck „das Volk verkohlen“ lieber?
    Die Absicht solcher Winkelzüge lässt sich natürlich nur vermuten und dies durch Fakten bzw. Aussagen stützen. Meine Vermutung geht dahin, dass Herr Tsipras, in grandioser Selbstüberschätzung, meinte, mit dem Referendum im Rücken, seine 18 Verhandlungspartner an die Wand spielen und einer Kompromisslösung entgehen zu können („Kompromiss“ gilt nach Aussagen mancher Griechenlandkenner hier als Schande). D.h. also, dass das Referendum von vornherein als Trumpfkarte in einem Machtpoker verwendet wurde und mit der Respektierung eines demokratisch ermittelten Volkswillens wenig zu tun hat.

    Was die Behauptung betr. „Urteile über die charakterlichen Eigenschaften von Menschen“ betrifft, weise ich diese, was mich betrifft, entschieden zurück. In meinem Beitrag gibt es ein einziges, durch eindeutige Aussage gestütztes, Urteil über eine Person, nämlich Herrn Varoufakis. Ansonsten geht es ausschließlich um eine durch klare Fakten gestützte und zu diskutierende politische Einschätzung, was von „charakterlichen Eigenschaften von Menschen“ völlig zu unterscheiden ist. Ich bitte, dies doch zu beachten.
    Was Urteile „in diesem Blog“ betrifft, teile ich z.T. durchaus Ihre Verwunderung und habe dies in #9 auch zum Ausdruck gebracht. Ich bitte aber, dies doch den entsprechenden Personen gegenüber zu äußern und nicht in Pluralform im Kontext indirekt mir unterzujubeln.

  27. Zum Thema gibt es ein Video das man unbedingt
    sehen muss.

    blog.campact.de/2015/07/griechenland-krise-wa

  28. Für alle die sich jetzt schämen Deutscher zu sein und Herrn Schäuble als Totengräber Europas verunglimpfen, möchte ich doch mal die Fakten ins Gedächtnis zurückrufen.
    Griechenland, ein Land mit elf Millionen Einwohnern, hat es geschafft in kürzester Zeit ca. 420 Mrd. € spurlos zu versenken. Jetzt sollen noch mal ca. 80 Mrd. dazukommen.
    Für jeden Griechen sind das etwa 45000 €
    Das macht pro Einwohner der Euro-Zone etwa 1500 € aus. Für Deutschland sind das etwa 120 Mrd. Halftungsrisiko. Deutschland als reiches Land könnte das wohl auch verkraften, aber wie soll man den Balten, den Portugiesen und den Spaniern und anderen klarmachen, dass sie mit 1500 € pro Einwohnen haften sollen?
    Griechenland bekommt pro Tag etwa 220 Mill. Euro für die Versorgung der Flüchtlinge. Griechenland schafft es nicht, diese ausreichend zu versorgen. Wo bleibt das Geld?
    Genau so ist es mit anderen Vorhaben. Es gibt bis heute kein funktionierendes Steuersystem, kein Kataster, alles Reformen, für die die EU extra Geld bezahlt.
    Angesichts der Tatsache, dass sich Griechenland seit Jahren weigert, grundlegende Reformen in der Staatlichen Verwaltung durchzuführen und seine verkrusteten Wirtschaftregeln aufzubrechen, darf sich niemand beschweren, wenn neue Hilfen mit strengen Auflagen und Kontrollen konditioniert werden.
    500 Mrd. € sind ein großer Batzen an Solidarität, da kann man gut verstehen, dass manch einem der Geduldsfaden reißt.
    Griechenland muss lernen, dass man nur das verfrühstücken kann was man selbst erwirtschaftet.

  29. Ergänzung zu #27

    Bei Wikipedia werden in der aktualisierten Fassung unter „Griechische Staatsschuldenkrise“ die Ursachen und die Entwicklung seit 2009 bis zur jüngsten Parlamentsentscheidung sehr differenziert geschildert. Alle Maßnahmen der griechischen Regierungen seit 2010 werden differenziert aufgeführt. Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher finden sich nicht darunter.
    Unter „Bekämpfung der Korruption und Schattenwirtschaft“ sind einzelne Maßnahmen gegen erwiesene Steuerhinterzieher und korrupte Politiker aufgeführt, die von ihrem Umfang her wohl eher als Feigenblatt gewertet werden können.
    Das in weit höherem Ausmaß dem griechischen Staat vorenthaltene Vermögen griechischer Reeder wie auch der griechisch-orthodoxen Kirche wird hierbei nicht erfasst, da diese per Verfassung von Steuer befreit sind, diese vom Ausmaß wohl bedeutendste Art der Steuerhinterziehung also „legal“ ist.
    Über soziale Medien höhnte ein griechischer Multimilliardär, dass das Rückgängigmachen 5-7 Jahre dauere, genügend Zeit, um alles Vermögen „in Sicherheit“ zu bringen.
    Über Maßnahmen oder nur Absichtserklärungen, die Beseitigung solch skandalöser Zustände in Angriff zu nehmen, ist weder von den alten griechischen Regierungen noch von der Syriza-Regierung etwas bekannt geworden.
    Die Recherchen über griechische Reeder sind mühsam und müssen einzeln verfolgt werden.
    Unter „Signa Holding“ mit 50 % Marktanteilen des griechischen Reeders George Economou – die durch Übernahme des Karstadt-Konzerns von sich reden gemacht hat – wird unter „Steuervermeidung“ aufgeführt:
    „Durch die „Luxemburg-Leaks“ wurde bekannt, dass Signa auf Basis eines von der Wirtschaftsprüfungskanzlei PricewaterhouseCoopers erstellten Steuersparmodells zwecks Steuervermeidung Geld durch Luxemburg geschleust hat. Steuervereinbarungen zwischen den Luxemburger Behörden und Signa sind im Internet einsehbar.“

  30. @ G.Krause, #28

    Wie ist der genaue Link?
    Man stößt bei Ihren Angaben auf griechische Hotels, aber auf kein VideO:

  31. #31
    Lieber Herr Engelmann,
    wenn sie den Link eingegeben haben, dann bitte
    bei campakt@campakt/twitter anklicken.
    Das Video heißt 5 Expert/innen entzaubern die einfachen Wahrheiten. Viel Spaß beim anschauen.

  32. zu @29 Günter Rack
    Wenn Schäuble zu kritisieren ist dann deshalb weil die Griechen die 420 Milliarden bekommen haben um sie zu versenken wie sie so schön belieben sich auszudrücken. Gehen sie doch mal zur nächsten Sparkasse und lassen sich ein paar Millionen zum versenken geben. Es gibt nie nur einen Kreditnehmer sondern auch einen Kreditgeber und der Wichtigste heißt halt mal Wolfgang Schäuble. Solange das Geld benutzt wurde zur Bankenrettung und dabei die angelegten Vermögen deutscher Lebensversicherungen in Sicherheit gebracht werden mussten war das andere alles kein Problem was sie da alles aufgezählt haben. Diese Nummer hat man übrigens in ganz Südeuropa gemacht und das Ganze ist noch lange nicht fertig.

  33. @engelmann

    „Was Urteile „in diesem Blog“ betrifft,…“

    Nun , da weiß ich auch nicht immer so genau, ob ich mich gemeint fühlen soll, z.B in #24.

    Ich glaube. alle Teilnehmer dieses Blogs dürfen sich getrost darauf zurückziehen, daß sie weder die handelnden Person, noch deren Beweggründe und Ziele kennen, noch eine wirkliche Einsicht in die Vorgänge haben.

    Ob nun dies oder jenes Verhalten griechischer Bürger, Politik oder Firmen gut oder schlecht ist, kann wohl keiner der Teilnehmer beurteilen.

  34. zu 35 Peter Boettel
    Wenn das was man in dem Video sehen und hören kann stimmt und ich sehe das genau so, dann sieht man auch warum Schäuble so sauer dauernd ist. Ich denke das er nicht so doof ist zu merken das er und seine Kanzlerin seit Jahren die falsche Wirtschaftspolitik machen, aber nicht mehr zurück können. Warum er die Finanzindustrie die das Ganze ja zumindest mit verursacht hat nicht am bezahlen teilnehmen lässt weis er wohl nur selbst. Wer noch daran zweifelt sollte sich die USA ansehen die wohl die Finanzkrise überwunden haben. Vor einigen Jahren habe ich hier im Bloog geschrieben das es spannend sein wird zu beobachten wer mehr Erfolg bei der Überwindung der Finanzkrise haben wird Merkel oder Obama. Diese Frage ist inzwischen entschieden. Jetzt kann man nur hoffen das Frau Merkel den Euro durch ihre Schuldenpolitik gegenüber den Banken und der Sparpolitik gegenüber den wirtschaftlich Schwachen, den Euro nicht kaputt gemacht hat. Die Entscheidung ist nämlich schon gefallen und man wird sehen wie die Maßnahmen der letzten Jahre wirken. Ich möchte nur ein Beispiel für die USA sagen. Da wurden über 100 Banken geschlossen. Die haben einfach gesagt bist du systemrelevant und brauchst Geld wirst du verstaatlicht, bist du es nicht dann halt insolvent. So geht Kapitalismus, nicht, bist du reich wirst du gerettet vom Steuerzahler bist arm musst du sehen wo du bleibst(G)

  35. @hans
    #33 Wenn man Ihrer Logik folgt, dann ist der Geldgeber schuld, nicht derjenige der die Schulden gemacht und über seine Verhältnisse gelebt hat.
    Zur „Rettung“ der Banken möchte ich anmerken, dass vor dem Hintergrund der Lehmann-Pleite niemand einen neuen Bankencrash riskieren wollte. Sie würden dieses Risiko wohl eingehen, dann wären ja wieder die Banken Schuld am Desaster. Die Vermögen der deutschen Lebensversicherer sind aber auch die Vermögen der vielen kleinen Versicherten, die etwas für ihr Alter zurückgelegt haben. Wollen sie die auch für das verantwortungslose Schulden machen anderer haftbar machen?
    Wenn man die griechenlandfreundliche, sozialromantische Brille absetzt, werden auch Fakten sichtbar, die einen anderen Blick auf die Misere eröffnen.

  36. Nachtrag zu meinem Kommentar am 19. 7. 2015 um 8:34
    @hans Sie blenden offensichtlich aus, daß Griechenland durch die skrupellose Fälschung und Verschleierung seiner tatsachlichen Finanzlage die Kredite bekommen hat. Es ist infam dafür W. Schäuble verantwortlich zu machen. Im übrigen war es nicht W. Schäuble allein, es waren weitere 18 Finanzminister der Eurozone daran beteiligt.

  37. @G. Krause und W. Engelmann

    Campact schreibt sich mit „c“. Vielleicht liegt es daran, dass das Video nicht zu finden war.
    Ich selbst bekomme den Newsletter dieser Organisation und habe das Video gesehen. Ich muss aber sagen, dass es nichts bringt, was bisher nicht schon anderweitig diskutiert wurde, z. B. in Talkshows, Zeitungskommentaren und verschiedenen Blogs.
    Vielleicht noch ein Punkt zur Entlastung von Syriza: In der von W. Engelmann bereits angesprochenen Talkshow wies der griechische Regierungsberater darauf hin, dass die in der Verfassung verankerte Steuerfreiheit für Reeder und die Kirche nicht einfach so von heute auf morgen zu beseitigen sei, weil für eine derartige Verfassungsänderung ja die Mehrheit im Parlament fehlt.

  38. zu @ 38 Günter Rack
    Ich kann mich nicht erinnern geschrieben zu haben das immer der Geldgeber schuld ist. Sondern ein Kredit ist ein Geschäft zu dem zwei gehören aber der Geldgeber ist einer der zwei und hat natürlich Mitverantwortung. Das die griechischen Daten positiv dargestellt worden sind konnte man schon als sie eigetreten sind in fast jeder Zeitung lesen.
    Zum Thema Lehmann Pleite. An dem Thema kann man sehen wie die USA an so etwas heran gegangen sind. Sie wollten auch große Banken in die Insolvenz gehen lassen. Als sich heraus gestellt hat das es so nicht geht haben sie die systemrelevanten Banken alle verstaatlicht und die anderen geschlossen auch nach Lehmann. In den USA hat das auch kleine Sparer getroffen aber so ist halt mal die neoliberale Marktwirtschaft. Diese Regel können nicht nur für Hartz 4 Empfänger gelten. Wenn jemand Geld irgendwo hingibt wo mit diesem schlecht gewirtschaftet wird kann das eigentlich nicht das Problem des Steuerzahlers sein. Jetzt hat man aber in Euroland alles gerettet was irgend einen Bedarf angemeldet hat und stellt jetzt fest das halb Europa pleite ist. Ob da die geretteten Vermögen heil rauskommen? Wie wäre es wenn sie mal einen Vorschlag machen wie man aus der Nummer raus kommen will. G. ist doch nur die Spitze vom Eisberg Spanien Portugal Frankreich und Italien sind doch in einem ähnlichen Zustand. Zu Wolfgang Schäuble, natürlich ist D. als größte Volkswirtschaft im Euroraum auch Führungsnation und hat am Desaster das da angerichtet wurde die größte Verantwortung aller Eurostaaten und ich bin gespannt wie die aus der Nummer raus kommen wollen. Jetzt in G. das Sozialprodukt nochmal um 5% abzusenken und die Leute noch mehr ins Elend zu treiben ist sicher nicht die beste Idee

  39. zu Brigitte Ernst
    Der Link den ich im Beitrag 34 eingestellt habe geht direkt zu dem Video. das da nicht wirklich was Neues gesagt wird ist richtig, aber wenn ich die Beiträge hier so lese ist das aber nicht allen bekannt. Das 2/3 aller Renten in G.<600 Euro sind war mir z.B. auch nicht bekannt. Was das bringt die noch weiter zu senken ist eigentlich klar.

  40. @hans #41
    Die USA als Vorbild? Lieber nicht.
    Zum Verhältnis Geldgeber und Schuldner sollten Sie sich mal vor Augen führen, was es bedeutet, sich einen Kredit zu erschleichen. In D ist das ein Straftatbestand, und den Geldgeber trifft daran keine Schuld. Sie haben nicht behauptet der Geldgeber sei immer schuld, aber im Falle Griechenland geben sie sogar W. Schäuble persönlich die Schuld.
    Die USA als Vorbild? Lieber nicht. Ich zitiere Sie mal:

    „In den USA hat das auch kleine Sparer getroffen aber so ist halt mal die neoliberale Marktwirtschaft. Diese Regel können nicht nur für Hartz 4 Empfänger gelten. Wenn jemand Geld irgendwo hingibt wo mit diesem schlecht gewirtschaftet wird kann das eigentlich nicht das Problem des Steuerzahlers sein.“

    Dann kann also Griechenland getrost den Bach runtergehen???
    So wie die Situation jetzt ist, ist es nun mal das Problem des Steuerzahlers.
    Wir sind dem Idealbild von Syriza, nämlich der Sozialistischen Union der Euroländer schon ziemlich nahe. Wer immer nur die Solidarität der anderen einfordert, ohne selbst Anstalten zu machen, aus der Misere rauszukommen, muss bei Krediten mit Auflagen rechnen. Und solange es in Euroland noch Länder gibt, deren Lebensstandart niedriger ist als der Griechenlands, und die auch ihren Soli für Gr. Beitragen, gibt es keinen Grund für Gr. sich zu beschweren.

    Zur Lösung:
    Die Griechen sollten endlich die seit Jahren versprochenen Reformen in Angriff nehmen, damit sie den angebotenen „Marshallplan“ von 35 Mrd. und andere Hilfen auch sinnvoll ausgeben können.
    Aber selbst daran gibt es berechtigte Zweifel.

  41. Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen durchsickerte, plant die Deutsche Gesellschaft für praktizierte Hellenophilie e.V. den Erwerb des Parthenons, um mit dessen Umwidmung die Sympathie der Hellenen für’s Deutsche zurückzugewinnen.

    Es sei daran gedacht, in dieser geschichtsträchtigen Säulenhalle ein Musicaltheater zu installieren. Ein US-amerikanischer Finanzinvestor sei schon gefunden. Außerdem solle sich die griechische Bevölkerung über eine mit einem Crowdfunding verbundene Abstimmung beteiligen: Wer mit NAI stimmt, brauche nichts zu zahlen.

    Die britische Regierung habe sich bereiterklärt, obwohl sie mit der griechischen Sache eigentlich nichts zu tun habe, einen Gipsabdruck der umstrittenen Elgin Marbles zur Verfügung zu stellen unter der Bedingung, daß Shakespeares „Timon von Athen“ aufgeführt werde, wobei man nicht unbedingt auf Purcells gleichnamiger Oper bestehe.

    Konstantin Wecker, der schon frühzeitig über das völkerverbindende Vorhaben informiert war, hat sich sofort bereiterklärt, eine eigene zeitgemäße Übersetzung des Timon zu liefern und sich im musikalischen Bereich nicht von seinem Vorbild Henry Purcell allzusehr beeinflussen zu lassen.

    Kritische Stimmen, die schon jetzt hinter vorgehaltener Hand zahlreich zu vernehmen sind, wenden ein, daß der Parthenon als Musicaltheater ungeeignet, weil nie als solches geplant, sei. Verständigere wissen diesem vorgeschobenen Argument entgegenzuhalten, daß der Parthenon, obwohl als solches nicht geplant, als türkisches Schießpulverdepot gedient und ihm dieses nicht geschadet habe.

  42. Tsipras‘ Chancen liegen – vorerst – einzig und allein in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Korruption. Aber das ist allein in 3 Jahren nicht zu schaffen. Ein Schuldenschnitt, so logisch er auch sein mag, wird es nicht bringen, wenn am griechischen Wirtschafts- und Steuersystem nichts geändert wird und dadurch die Staatseinnahmen nicht steigen. Hinzu kommt ja noch, dass die Wrtschaft am Boden liegt. An die reichen Landsleute muss er ran, die ihre Konten bzw. Immobilien im Ausland haben. Vielversprechend ist der Antikorruptionsminister Nikoloudis, der schon 257 Korruptionsuntersuchungen hat einleiten lassen. Die neue Regierung ist auch ein hoffnungsvoller Schritt. Wenn Tsipras es schafft, kurzfristie Erfolge zu erzielen, ist es Der Mann.

  43. Herr Ullrich, es stimmt, dass Tsipras angesichts der Fesseln, die Schäuble & Co, ihm angelegt haben, bestenfalls einiges in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Korruption bewirken kann, sofern er dabei nicht von der Troika behindert wird. Immerhin hat seine Regierung bezüglich der Lagarde-Liste in fünf Monaten mehr geleistet als die vorigen Regierungen in mehreren Jahren.

  44. Auch ich neige ja zu Vereinfachungen, aber was mir inzwischen gewaltig auf den Senkel geht, ist diese gnadenlose Vereinfachung beim Thema. Sind alle Griechen gleich: Steuerhinterzieher, Sirtaki-tanzende und Ouzo-saufende Verschleuderer unseres Ersparten, die sich gegenseitig das Fakelaki hinten rein schieben? Was unterscheidet die griechische von unserer Oberschicht, die sich ja auch keine Gedanken macht, wie es denen „da unten“ geht und wovon die leben (oder vegetieren). Warum wird nicht berücksichtigt, das es genau diese Oberschicht in Gr. ist, die seit Jahrzehnten alle möglichen und wohl zu zaghaft angedachten Strukturreformen blockiert hat, durch ihre Vetterles-Wirtschaft in PASOK und NEA DIMOKRATIA. Aber waren ja „Schwester-Parteien“ von CDU und SPD, oder? Und so, wie bei uns die Reichen und dadurch Mächtigen geschont werden, ist es auch in Griechenland.

    Aber eingeprügelt wird auf die Krankenschwester, den Rentner, die Arbeitslosen, die alle seit Jahrzehnten „auf unsere Kosten“ gelebt haben – eben Populismus hoch drei!

    Ich mache dies mal an einem, sicherlich hinkenden Beispiel, fest. Wo entstehen bei uns Flüchtlingsheime – in Villengegenden, in der Südstadt? Nee, dort, wo eher die Abgehängten wohnen, die dann Wut bekommen sollen, weil ihnen erzählt wird, das diese Fremden ihnen noch das bißchen, was sie haben, weg nehmen werden. Und dies wird 1 zu 1 auf die griechische Situation übertragen: Du, deutscher Arbeiter, zahlst für die faulen Griechen, die sich auf Deine Kosten einen Lenz machen.

    Oh armes Deutschland! Oh arme Demokratie! (oder: Demagogie?) Es muß ein Exempel statuiert werden, weil, wenn in Griechenland „die Falschen“ gewinnen würden, könnten ja bei uns auch „die Falschen“ auf dumme Gedanken kommen.

  45. @44: manfred petersmark:
    In der heutigen englischsprachigen Ausgabe der „Volksstimme Griechenland“ wird der amerikanische Investor (dessen Eltern aus Leros eingewandert sind) bereits mit konkreten Vorschlägen für die Erstaufführung zitiert. Er knüpft seine Finanzierung daran, dass zumindest einer seiner Wünsche respektiert wird: „Die schöne Hellena“ in einer Vertonung von Mikis Theodorakis oder „Die trojanische Stute“. Vertonung der letzteren ist noch offen. Sie soll weltweit ausgeschrieben werden.

  46. @ BvG #10,36

    „Schmerzlich ist aber, daß die Helfenden immer wieder ganz unfreiwillig systemstützend werden.“
    Ich habe Ihrer Aussage ja in keiner Weise widersprochen, sondern sie nur in der von Ihnen gewählten allgemeinen Weise erweitert.
    Sie können getrost davon ausgehen, dass, wenn ich Sie gemeint hätte, Sie auch angesprochen hätte.
    Es gibt also keinerlei Veranlassung, sich betroffen zu fühlen.

  47. # 47, Georg Siebert, ich finde Ihren Kommentar sehr gut, weil Sie sehr treffend die Realität beschreiben.

    Gerade das Exempel, das statuiert wurde, soll davon abhalten, z.B. in Spanien Podemos stark werden zu lassen; leider erinnert es auch an den Putsch in Chile 1973; selbst in Griechenland gab es 1967 eine Parallele. Alles Weitere zu dieser Schockstrategie werden dann TTIP, Ceta und Tisa besorgen.

    Das einzig Positive ist, dass wir uns künftig die Kosten für die Wahlen zu den Parlamenten sparen können, denn diese werden, angefangen in Griechenland, durch die Troika und später bei uns durch regulatorische Kooperationen ersetzt.

    Der Ökonom Flassbeck hat Recht, wenn er schreibt: „Es scheint, der Marxismus besiegt die Marktwirtschaft am Ende auf eine ganz hinterhältige Weise. Indem die Marktwirtschaft von denen regiert wird, die der Marxismus so verschreckt hat, dass sie nur an die Auseinandersetzung zwischen den Systemen denken, nicht aber an die konstruktive Auseinandersetzung mit dem übrig gebliebenen System selbst, macht er der Marktwirtschaft endgültig den Garaus. Bravo Karl Marx – das ist die höchste Form der Dialektik.“

  48. zu 43 Günter Rack
    Warum unterstellen sie mir in jedem Beitrag etwas was ich nie geschrieben habe und auch nicht so meine. Ich habe nur geschrieben wie die Regierung Obama und wie die Regierungen von Euroland unter Deutscher Führung an die Finanzkrise herangegangen sind. Dabei habe ich noch erwähnt wie in einer kapitalistischen Marktwirtschaft das System so etwas löst. Ich finde beides nicht gut und würde mir einen andere Herangehensweise gewünscht haben und noch wünschen. Was sie auch noch völlig missverstehen ist das ich das gut finde was die Griechen machen. Das ist nicht so, allerdings gebe ich auch einer Regierung die erst seit 5 Monaten im Amt ist nicht die Schuld für die letzten 7 Jahre. Außerdem kann man es nur als Witz bezeichnen das die Griechen sich die Kredite zur Bankenrettung erschlichen haben. Sie wurden ihnen unter anderem vom deutschen Finanzminister regelrecht aufgedrängt damit keine Großbank pleite geht.
    Das was sie beim Thema Lösungen so geschrieben haben ist denke ich mit bescheiden gut beschrieben. Nach meiner Meinung bleibt nur die Möglichkeit die Finanzindustrie endlich in die Pflicht zu nehmen sich an dem bezahlen dessen was sie angerichtet haben zu beteiligen und so schlimm es auch ist den Rest weg zu inflationieren. Das versucht die EZB gerade in dem sie jeden Monat 60 Milliarden verschenkt

  49. # 50: Danke, Peter Boettel, immer wieder gut, zu wissen, das man mit seinen Gedanken nicht alleine im Wald steht.

    Ich habe seit ein paar Tagen einen recht verwegenen Gedanken, den ich jetzt mal äußern will:

    Wie wäre es, wenn es bei den ganzen Debatten und Belehrungen mit nachfolgenden Bestimmungen gar nicht um Politisches, sondern höchst Persönliches geht? Der bedauernswerte Wolfgang Schäuble (Jurist, nicht Volkswirt!) wirkt seit dem Attentat auf ihn noch verbissener als zuvor. Beneidet er womöglich diese junge, virile griechische Garde? Sich aufs Motorrad schwingen, mit einer kessen Braut auf dem Sozius, so wie Varoufakis, und dann noch Erfolg beim Volk? Nee, da muß man was tun. So Leute müssen weg – sind ja keine Respektpersonen – wie Schäuble. Irgendwas muß und wird es da schon geben, um die wegzuräumen???

  50. # 52: Tatsächlich, Herr Siebert, jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Dieser Neidhammel Schäuble aber auch!
    Jetzt kapiere ich endlich, warum der Francois Hollande aus dem Griechenlandbashing ausscheren wollte. Wo der doch so einen Schlag bei den Frauen hat, der Schwerenöter! Der kann es schließlich mit diesem Motorradfuzzi Varoufakis aufnehmen: Nachts mit dem Motorroller durch Paris zur Geliebten, oh là là!
    Ein Hoch auf die Psychologisierung der Weltpolitik!

  51. # 52 u. 53, ich hatte schon immer vermutet, dass Schäuble die Griechen für sein Missgeschick verantwortlich machen will, und Rache für das Oxi bei der Volksabstimmung war ohnehin zu erwarten. Und iwe an anderer Stelle oben bereits erwähnt, hat er seit der Spendenaffäre einige Leichen im Keller.

    Das Kapitel BER wird in Stuttgart bei S 21 fortgesetzt. Auch hier steckt der Bund mit seinen Staatssekretären im Aufsichtsrat und als Eigentümer der DB gewaltig im Dilemma drin.

    Hier sollten alle, die ihren Finger gegen Griechenland richten, bedenken, dass gleichzeitig mehrere Finger auf diejenigen selbst zeigen.

  52. # 54, Brigitte Ernst: Sie können zwischen einem „verwegenen“ Gedanken, und einer Behauptung, unterscheiden? Hoffe ich doch. Ich jedenfalls würde lieber mit dem Varoufakis abends durch das Viertel ziehen, als mit dem Schäuble (ohne Rollstuhl, ich will nicht zynisch sein, ich meine den Charakter jenseits der Behinderung).

    Mit „schwäbischen Hausfrauen“ hatte ich es noch nie so, weil die mich dann ab dem 3. Ouzo fragen würden: „muß das sein“? Hätte ich immer so gehandelt, wären mir unsterbliche Abende in griechischen Insider-Lokalen im Raum Hanau erspart geblieben, voller Lebensfreude und vor allem Lebenslust, Gefühlen, deren Menschen wie Schäuble wohl nie fähig sind.

    Zorba läßt grüßen.

  53. @Georg Siebert
    #53 zu dem link. Immerhin ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Verantwortlichen dieser Firma. Gleichartiges habe ich aus Griechenland noch nicht vernommen.

    @Herr Siebert, @Herr Böttel, @ Frau ernst.
    Jetzt haben wir endlich das dem Thema angemessene Niveau erreicht und ich habe verstanden!!!

    DIE GRIECHEN HABEN DIE SCHULDEN NUR GEMACHT; UM W. SCHÄUBLE ZU ÄRGERN UND WEIL F. HOLLANDE SO EINEN SCHLAG BEI DEN FRAUEN HAT.

    Ich fass mich an den Kopf.

  54. @ Günter Rack, #57

    Es geht eben nichts über Psychologie, die immer zur Verfügung steht, wenn man zur Sache nichts zu sagen hat. (Vgl. meinen Hinweis in #9)

  55. @ Günter Rack

    Das Verständnis für Ironie scheint Ihnen abzugehen. Wie sieht’s mit Ihnen aus, Herr Engelmann?

  56. @ Brigitte Ernst, #59

    Ich vermute mal, dass Herr Rack sich inhaltlich auf die Beiträge von Herrn Siebert und Böttel bezieht und Sie nur wegen des Bezugs darauf mit reingeraten sind.
    Man braucht wohl kein abgeschlossenes Germanistik-Studium, um Ihren Beitrag als ironisch einzuordnen.
    Viele Grüße
    W.Engelmann

  57. # 57, Herr Rack, Sie haben wohl die Pointe von # 52 nicht ganz verstanden.

    Aber, was die Strafverfolgung in Griechenland anbelangt, so weise ich darauf hin, dass z.B. auf Betreiben der Tsipras – Regierung ein führendes Mitglied der Familie Bobolas wegen Steuerhinterziehung verhaftet wurde. Bei der Familie Bobolas handelt es sich um eine Oligarchenfamilie, zu deren Imperium die GDF Environnement gehört, die die Wasserwerke von Thessaloniki übernehmen wollte, obwohl sich mehr als 200.000 Menschen dagegen ausgesprochen hatten. Die GDF Environnement wiederum ist eine ehemalige Tochterfirma der GDF Suez, die mehr Gewinne macht als Siemens oder BASF. An der GDF Suez ist die Fa. Sofina in einem Wert von rd. 154 Mio Euro beteiligt. Und im Aufsichtsrat von Sofina wiederum sitzt der ehemalige belgische Premier und heutige liberale MdEP Guy Verhofstadt.

    Und was Ihren Freund Schäuble anbetrifft, wollte dieser bekanntlich den Privatisierungsfonds von Griechenland der KfW unterstellen, deren Aufsichtsratsvorsitzender er bezeichnenderweise selbst ist. Bezüglich Schäubles Politik zur Steuer erinnere ich nur an das glücklicherweise gescheiterte Steuerhinterziehungsabkommen mit der Schweiz oder seine Weigerung, endlich die Finanztransaktionsteuer einzuführen. Auch scheint seine Schwarzgeldaffäre in Vergessenheit geraten zu sein, dass er auf eine entsprechende Frage im Bundestag die Existenz der Schwarzen Kassen abstritt, obwohl er 10.000 DM in der Schublade hatte.

    Wie soll der eine Steuerehrlichkeit in anderen Ländern überwachen? Schließlich hat er auch den Plan von Tsipras, hohe Einkommen mit einer Sondersteuer zu versehen, abgelehnt!

  58. Danke, # 61, Peter Boettel, wir ziehen da an einem Strang.

    Zu der ganzen Geschichte fällt mir BB und seine Dreigroschen-Oper ein:
    Denn die einen sind im Dunkeln
    und die andern sind im Licht
    und man siehet die im Lichte
    die im Dunkeln sieht man nicht.

    Ein Psychologe würde sagen: Mit Dreck am Stecken hinkt sich’s am besten. Oder auch; Nur Ehrenmänner wissen, wie man anderen einen rein würgt.

  59. Im Zusammenhang mit den jüngsten Griechenland-Verhandlungen am 12. und 13. Juli d.J. wird – insbesondere auf der extremen linken und der extremen rechten Seite des politischen Spektrum Europas – häufig von einer angeblichen Erniedrigung Griechenlands gesprochen. Diese Bewertung entspricht in keiner Weise dem Verhandlungsergebnis, denn Griechenland wurden 80 Milliarden Euro frische Hilfsgelder zugesagt. Dessen größerer Teil wird von der Bundesrepublik bereitgestellt. Die mehr als skurrile Denkspirale, es seien die Gläubiger, die Griechenland überhaupt in die Abhängigkeitsposition gebracht hätten, ist derart absurd, dass es sich erübrigt, darauf einzugehen.

    Griechenland ist nicht, wie dies in der Geschichte häufiger geschehen ist, Opfer völlig wahnwitziger Reparationszahlungen nach einem verlorenen Krieg. Vielmehr ist Griechenland zum Großschuldner geworden, weil es mit dem statistisch getürkten Eintritt in die Eurozone jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat.

    Der Präsident des Europäischen Ministerrats, der Pole Donald Tusk, hat nach den Verhandlungen am 12./13 Juli klipp und klar gesagt, dass die Position Deutschlands durch das Verhandlungsergebnis weder geschwächt noch gestärkt worden sei. Es habe aus seiner Sicht weder Gewinner noch Verlierer gegeben. Man habe schlicht über ökonomisch-finanzielle Fragen, nicht aber über Fragen des Vertrauens, der Würde oder gar der Erniedrigung debattiert.

  60. Die „Denkspirale“, es seien die Gläubiger, die Griechenland in die Abhängigkeitsposition gebracht hätten, wird vom Leser Sigurd Schmidt als derart absurd qualifiziert, dass es sich nicht lohne, darauf einzugehen. Dem darf widersprochen werden.
    Dass unserem Wirtschaftssystem aus Selbsterhaltungsgründen die Wachstumsnotwendigkeit immanent ist und dieses Wachstum über weite Strecken durch private und öffentliche Schulden finanziert wird, ist sicher auch Herrn Schmidt nicht entgangen. Dabei kommt es, wie im Falle Griechenlands, häufig vor, dass Gläubiger gleichzeitig Verkäufer oft nutzloser Waren sind, d.h. den Konsumenten den Kredit gleich mitverkaufen.
    Wenn es also, wie seit dem Jahr 2000 geschehen, der deutschen und der französischen Industrie – unterstützt von Forderungen aus dem Nato-Hauptquartier – gelungen ist, Rüstungsgüter im Wert von rund 50 Mrd. Euro auf Kredit in ein Land zu verkaufen, dessen Schuldentragfähigkeit nicht mehr gegeben war, und dadurch sicher Tausende Industriearbeitsplätze in den Gläubigerländern erhalten wurden, dann sollten sich kluge Leute wie Herr Schmidt keine Denkverbote bezüglich der Verantwortung von Gläubigern für die Lage von Schuldnern auferlegen.
    Auch sollte man sich der Einsicht nicht verschließen, dass deutsche Steuerzahler, hier über den Umweg Griechenland, nur den Fortbestand des eigenen schuldenfinanzierten Scheinwohlstands finanzieren. Auch ohne derartige Umwege tragen deutsche Gläubiger mit Insolvenzverlusten von jährlich etwa 100 Mrd. Euro zum Gelingen einer freien Marktwirtschaft bei.

  61. Sigurd Schmidt hält es für eine skurrile Denkspirale, dass „es die Gläubiger (seien), die Griechenland überhaupt in die Abhängigkeitsspirale gebracht hätten“. Griechenland habe über seine Verhältnisse gelebt. Da spielt auch der Weg von der Banken- in die Staatsschuldenkrise keine Rolle.
    Ich hoffe nur, dass ich mich nicht der von Schmidt beschworenen extremistischen Position verdächtig mache, wenn ich darauf verweise, dass das Griechenland-Problem ein Beispiel für die „Landnahme des Sozialen“ ist, wie es der Soziologe Klaus Dörre ausdrückt. Von den Milliarden, die Schmidt nennt, werden die Banken und die Kreditgeber etwas haben, nicht die Griechen. Seit 2008 schrumpft deren BIP (2011 um sieben Prozent). Offizielle Arbeitslosigkeit 27 Prozent, inoffiziell ein Drittel. Seit 2008 ist die Jugendarbeitslosigkeit von 22 auf 59 Prozent gestiegen. All dieser Niedergang ist in dem Zeitraum geschehen, als man dem Land half. Die Verschuldung ist unter der Hilfe von 120 auf 175 Prozent (in 2013) gestiegen. „Elementare soziale Leistungen werden nur noch auf dem Weg der Selbsthilfe“ erbracht (Dörre in: Blätter zur deutschen und internationalen Politik 7/2015).

  62. # 63, Sigurd Schmidt, ausgerechnet Herrn Tusk als Zeugen heranzuziehen, dass die Position Deutschlands durch das Verhandlungsergebnis weder gestärkt noch geschwächt worden sei, halte ich für sehr blauäugig.

    Denn Herr Tusk, der den Nobelpreisträger Paul Krugman wegen dessen Kritik an der Austeritätspolitik ablehnt, sollte sich in ökonomischen Fragen vielleicht weniger am hartnäckig verbitterten Juristen Schäuble orientieren, sondern sich ernsthaft mit den Aussagen des renommierten Ökonomen Paul Krugman beschäftigen.

    Gerade die Vertreter aus Osteuropa, die von der EU aufgepäppelt wurden und sich besonders gegen Russland stark machen, wollen sich natürlich ebenso wie Spanien und Portugal, jegliches Aufkommen einer Partei oder gar einer Regierung, die gegen den Austeritätskurs aufmuckt, vom Halse halten.

    Ich darf bezüglich des Herrn Tusk gerade auf den letzten Absatz meines Kommentars unter # 50 verweisen.

    Im Übrigen sprechen auch die Kommentare unter # 64 und 65 eine klare Sprache über die tatsächliche Problematik in Griechenland, die keine Einzelmeinungen darstellen, sondern durch unterschiedliche Quellen eindeutig nachgewiesen sind.

  63. Sigurd Schmidt (#63),

    es sind banale Tatsachen, die Sie hier aussprechen, aber eben doch auch gefährlich genug, die apokalyptische Weltdeutung der Ihrem Beitrag folgenden Herren Müller und Jannack einstürzen zu lassen, daß es immer nur der Kapitalismus ist, der den griechischen Staat im Würgegriff hält, nie aber der Egoismus, Nepotismus und Klientelismus, kurz die Gleichgültigkeit und Staatsfeindlichkeit seiner Geldeliten und sonst auf ihren Vorteil bedachten Bürger.

    Die Griechen hatten ja erfolgreich 320 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen auf sich gelenkt, um nicht zu sagen sich ihrer bemächtigt, und nun schaffen sie es, weitere ca. 90 Milliarden in ihr Land zu lenken bei offen erklärter Unlust, die Reformauflagen der Geldgeber engagiert unterstützen zu können. Macht in der Summe 410 Milliarden Euro mit der Aussicht, die Reformzusagen am Schluß erfolgreich unterlaufen zu haben. Man kann dies auch als Beutezug eines sehr speziellen griechischen Kapitalismus gegen den Solidarismus der Geberländer interpretieren.

    Wenn Kapitalismus das ist, was ungerechtfertigt Geld in die eigene Tasche lenkt, dann haben die Griechen den Vogel abgeschossen in Europa. Geld gegen die Ware Reform, deren Wert mittels nachhaltiger Verzögerungs- und Unterlaufungstechnik in Richtung Null gebracht werden soll. Was schon 2-mal gelungen ist. Und das ist ganz klar WUCHER.

    Was die beiden Herren offenkundig nicht stört. Die haben ihren Universalschuldigen, und da können die nicht einfach runter. Die Armen.

  64. Witzig, wenn man freiwillige Kreditvergaben einen Beutezug nennt. Kurios, wenn man die Rettung privater Banken als solidarischen Akt bezeichnet und dafür Menschen in Krankenhäusern nicht mehr behandeln kann, Wohnungen gekündigt, der Strom abgedreht und Kinder aufgrund von Hunger in der Schule ohnmächtig werden. Sind ihre Maßstäbe nicht ein wenig in Unordnung geraten? Sind das die Werte ihres zukünftigen Europa? Der IPPNW und andere international tätige ärztliche Organisationen haben sich zur Lage dezidiert geäußert. Von ihnen gibt es offenbar dafür nur ein müdes Lächeln. Bemerkenswert.
    Da sie sich im Übrigen fortgesetzt weigern zur Kenntnis zu nehmen, was renommierte Wirtschaftswissenschaftler zu den Sparanstrengungen Griechenlands im Vergleich zu Portugal und Spanien sagen, bleibt nur, die ihnen eigene Realitätsverkennung schulterzuckend zu akzeptieren. Die von ihnen formulierten Wertvorstellungen werden im Übrigen in Deutschland – wie ich finde überaus treffend – als die „Verrohung der Mittelschicht“ beschrieben. Das passt. Mehr dazu zu sagen, wäre schon zuviel.

  65. Lieber Herr Geuer (#68),

    das hier ist doch nicht unser Forum hier. Zu emotional und holzschnittartig. Die reine Jammerbude. Gehen wir wieder zurück zu den „Schicksalstagen“, die ihren ersten Platz in der Präsentation ja verloren haben. Obwohl die Schicksalstage ja noch längst nicht vorbei sind. Eigentlich geht es erst richtig los.

    Da schauen Sie mal, was die Griechen in ihrem Land alles angerichtet haben. Das schlimmste eben ist, daß sie die Forderungen der Troika unterlaufen haben, einen Sozialstaat aufzubauen. Und dann kommt es eben zu Folgen wie den von Ihnen beklagten.

    Daß Banken ein unverzichtbarer, tragender Bestandteil unseres Wirtschaftssystems sind, ist den Griechen spätestens bewußt geworden, als sie vor geschlossenen Schaltern und leeren Automaten gestanden haben. Und vieles andere mehr. Die übliche Bankenschelte hilft da leider nicht weiter. Sich auf Kosten der Banken profilieren kann doch jeder Hinz und Kunz. Das haben Sie doch nicht nötig, lieber Herr Geuer !

    Und die renommierten Ökonomen ? Nun ja, die haben ihre Theorien, ihre politischen Ansichten, und sie müssen ja auch nicht bezahlen, was sie da als ihre Rezepte verkünden. Und vor allem wollen sie nicht haftbar sein für Fehlentwicklungen, die ihren Ratschlägen folgen. Aber theoretisch sicher hochinteressant, diese Herren und Damen.

    Gehen wir doch wieder zurück zu den „Schicksalstagen“.

  66. # 69, V. Grebe, schauen Sie doch bitte erst mal, was die Deutschen im 2. Weltkrieg und später auch die Banken sowie inzwischen Schäuble und Merkel in Griechenland angerichtet haben, bevor Sie pauschal à la Bild über „die Griechen“ herziehen; es ist beschämend.

  67. # 69 V. Grebe

    Zu den renommierten Ökonomen Folgendes: Bisher kennen wir nur die Fehlentwicklungen des „Kaputtsparens“ à la Schäuble, und die sind niederschmetternd, wie es z.B. Wolfgang Geuer in #68 beschreibt, und für die Folgen haften neben den Griechen die Steuerzahler der anderen Euro-Länder. Diese vernichtende Politik endlich zu beenden und den Ratschlägen der renommierten Ökonomen zu folgen, gebietet doch der gesunde Menschenverstand. Schlimmer kann die Situation in Griechenland ja wohl kaum werden.

  68. Sehr geehrter Herr Boettel (#70),

    es gibt leider auch spiegelbildliche „Bildzeitungsvarianten“, die von der linken Gegenrichtung sozusagen. In Stil, Anmaßung, Apodiktik und Pauschalität die gleiche Machart. Wovon Ihr Text ja bestens zeugt, Herr Boettel. Ich argumentiere schon seit langem gegen beide Varianten.

    Ihr Bezug zum 2. Weltkrieg und den Verbrechen der Nazis ist absolut unpassend. Und wenn Sie Merkel und Schäuble in diesen Zusammenhang rücken, kann ich nur von geschichtsfrivol sprechen.

    Es wäre an der hohen Zeit, daß die FR einmal Anstrengungen zur Versachlichung der Debatte unternähme. Dazu gehörte zuerst und zuallerst, eine sachliche und wahrheitsgetreue Auflistung aller wesentlichen von der Troika bzw. den Instititionen gemachten Forderungen und Vorschläge an die griechische Seite zu präsentieren und diesen die konkreten Taten bzw Unterlassungen der Griechen gegenüber zu stellen. Es kursieren zu viele Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Verfälschungen dessen und darüber, was tatsächlich geschehen ist.

    Solange Weltanschauungsversessene und -besessene zuallerst auf eine Bestätigung ihrer Vorurteile und Denkschablonen aus sind, solange haben es nämlich die Fakten schwer, in einer realitätsnahen Gesamtschau adäquat gewürdigt zu werden.

    Daß die FR dadurch ein Problem hat, daß sie sich einer bestimmten ideologischen Denk- und Publikationsweise verschrieben hat (ich verweise auf meinen entsprechenden Beitrag über Bascha Mika in „Schicksalstage“), macht meine Forderung zweifellos ein wenig pikant. Ich bin gespannt, ob es in der FR-Redaktion – gerade auch angesichts der 70 Jahre – nicht endlich einmal Bewegung gibt.

  69. „Zu emotional und holzschnittartig. Die reine Jammerbude. “

    Der einzige, der hier holzschnittartig seine Plattitüden abspult, sind Sie, V.Grebe.
    Was Sie da an Weisheiten von sich geben ist zum größten Teil falsch, der Rest ist trivial und wird auch nicht durch stete Wiederholung interessanter.

  70. Frau Ernst (#71),

    in allen „Austeritätsstaaten“ der Eurozone gibt es Zeichen einer wirtschaftlich Erholung. Vielleicht hätten Sie die Güte, dieses einmal zur Kenntnis zu nehmen.

    Das liegt übrigens auch daran, daß die Menschen dort bereit, die damit verbundenen großen Einschränkungen auf sich zu nehmen und ihr Land dadurch nach vorne zu bringen. Anpacken statt Klagelieder anstimmen. Könnte man anderen auch empfehlen.

  71. # 72, V. Grebe:

    nur drei Anmerkungen:

    1.) Welches Elend mit der Folge zahlreiche Suizide die Austeritätspolitik über Griechenland gebracht hat, wurde wiederholt, zuletzt in # 65 von Wilfried Jannack eindeutig dargestellt, reicht dies Ihnen etwa nicht?

    2.)Der britische Telegraph erinnerte kürzlich daran, dass auch Großbritannien in zwei Weltkriegen gegen Deutschland gekämpft habe, um eine Dominanz Deutschlands über Europa zu verhindern, und schreibt: Jetzt hat Deutschland dies ohne einen Schuss erreicht.

    Die von Ihnen erwähnte wirtschaftliche Erholung in Spanien oder Portugal täuscht gewaltig, Sie sollten sich genauer informieren; die Armen werden noch ärmer.

  72. Herr V. Grebe muß ein ziemlicher Masochist sein – ein Betonkopf sowieso, sonst würde er nicht krampfhaft immer wieder versuchen, Unwahres zu behaupten und Wahres bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen.

    Sparen kann man nur, wenn mensch was hat, von dem er sparen kann. Austerität hat nichts damit zu tun, sondern erinnert eher an die Story von dem Zugpferd, das nach Meinung des Bauern zu viel frist. Also setzt er es auf „Diät“. Klappt auch am Anfang ganz gut, und daher reduziert er die Futter-Dosis auf Null. Irgendwann dann hat er das Futter gespart, das Pferd jedoch liegt tot, da verhungert, im Stall.

    So etwas stellt auch der Inhaber der Milchmädchenrechnung V. Grebe vor: alle sparen, und siehe da, von dem Eingesparten wächst und gedeiht die Wirtschaft. Nur noch halbe Löhne, keine Sozialversicherung mehr, nichts mehr bei Krankheit – und von dem eingesparten Geld kaufen sich dann alle SUVs. Firmen entlassen die Hälfte ihre Mitarbeiter, und sparen dadurch Lohnkosten. Und die Arbeitslosen verzichten dann auf Einkäufe, mangels Masse, und erzielen dann damit wiederum Wachstum, bei den Arbeitslosenzahlen, weil ihr Konsum (selbst auf Pump) dann wieder Umsatz und Gewinn anderer Firmen – Produzenten und Dienstleister – sind.

    Wir erleben das hier in unserem Provinzkaff seit Jahren. Weil die Autobahn eine Dauerbaustelle ist – Dobrindt und Schäuble sparen ja – quält sich der Verkehr auf der Bundesstraße durch den Ort. Ergo machen Ladeninhaber und Lokale dicht, ziehen Menschen weg aufgrund des unerträglichen Verkehrslärms und Gestanks, usw. usf.

    Ja, Wachstum haben wir, aber Negativ-Wachstum.

    Und dies läßt sich auf Europa übertragen. Wenn alle sparen, können sich wir deutsche Exportweltmeister unsere Produkte bald irgend wohin schieben.

    Das hier bei uns Doppelzüngigkeit hoch drei herrscht, hat ja erst die letzte MONITOR-Sendung gezeigt, beim Thema Hotelsteuer. Muß in Gr. von 6,5 auf 13% rauf, wegen „Hausaufgaben“. In D. sank die Steuer bekanntlich von 19 auf 7% mit der Begründung: „Wirtschaftsförderung“. Das Gesetz damals hieß: „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, abgesegnet damals von schwarz-gelb mit einem FM, na, richtig, W. Schäuble.

    Folgen wir dieser Logik, müßten die Maßnahmen in Griechenland jetzt also eher eine Wachstumsbremse sein. Aber die Logik versteht wahrscheinlich nur, wer vorher eine Flasche Oozo säuft und sich dann die leere Flasche auf den Schädel haut – oder V. Grebe heißt. Bei Betonköpfen zerbrechen Flaschen ja, ohne Schaden anzurichten.

  73. @Grebe
    Anscheinend haben Sie nicht mehr drauf, als andere zu provozieren. Geschenkt, Ihre mit Bedacht haarscharf an Beleidigungen grenzenden „Beiträge“ provozieren nicht. Unwidersprochen bleiben sie trotzdem nicht.

    Die griechischen Freunde haben längst eine Entschuldigung von Ihnen verdient. Da diese wohl nicht zu erwarten ist, bitte ich stellvertretend um Verständnis.

  74. Herr Siebert (#76),

    hier das Wirtschaftswachstum der EU-Länder (in % im Vorjahresvergleich)(Stern kennzeichnet Schätzung)

    2012 2013 2014 2015* 2016*
    Belgien +0,1 +0,3 +1,0 +1,1 +1,5
    Bulgarien +0,5 +1,1 +1,7 +1,0 +1,3
    Dänemark -0,7 -0,5 +1,1 +1,8 +2,1
    Deutschland +0,4 +0,1 +1,6 +1,9 +2,0
    Estland +4,7 +1,6 +2,1 +2,3 +2,9
    Finnland -1,4 -1,3 -0,1 +0,3 +1,0
    Frankreich +0,3 +0,3 +0,4 +1,1 +1,7
    Griechenland -6,6 -3,9 +0,8 +0,5 +2,9
    Großbritannien +0,7 +1,7 +2,8 +2,6 +2,4
    Irland -0,3 +0,2 +4,8 +3,6 +3,5
    Italien -2,8 -1,7 -0,4 +0,6 +1,4
    Kroatien -2,2 -0,9 -0,4 +0,3 +1,2
    Lettland +3,8 +3,3 +2,9 +2,8 +3,3
    Litauen +4,8 +4,2 +2,4 +2,3 +3,2
    Luxemburg -0,2 +2,0 +3,1 +3,4 +3,5
    Malta +2,5 +2,7 +3,5 +3,6 +3,2
    Niederlande -1,6 -0,7 +0,9 +1,6 +1,7
    Österreich +0,9 +0,2 +0,3 +0,8 +1,5
    Polen +1,8 +1,7 +3,4 +3,3 +3,4
    Portugal -4,0 -1,6 +0,9 +1,6 +1,8
    Rumänien +0,6 +3,4 +2,8 +2,8 +3,3
    Schweden -0,3 +1,3 +2,1 +2,5 +2,8
    Slowakei +1,6 +1,4 +2,4 +3,0 +3,4
    Slowenien -2,6 -1,0 +2,6 +2,3 +2,1
    Spanien -2,1 -1,2 +1,4 +2,8 +2,6
    Tschechien -0,8 -0,7 +2,0 +2,5 +2,6
    Ungarn -1,5 +1,5 +3,6 +2,8 +2,2
    Zypern -2,4 -5,4 -2,3 -0,5 +1,4
    Quelle: ARD/Eurostat/EU-Kommission; *Schätzung

    Wie Sie sehen können, Herr Siebert, ist das Wachstum und die Wachstumsprognosen der „Austeritätsstaaten“ sehr beachtlich.

    Leider beschert die von mir so genannte „Tsipras-(Varoufakis)-Delle“ Griechenland nun eine Rezession von geschätzten – 4 % oder sogar mehr.

    Es dürfte klar sein, daß die Erholung der Krisenstaaten nicht von heute auf morgen zu realisieren ist. Aber ein Anfang ist gemacht, trotz der Unkenrufe der Austeritätsgegener und ENTGEGEN ihren Theorien. Die Kommission will zudem gezielte Maßnahmen der Wirtschaftsbelebung einleiten, die auf die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit von jungen Leuten abzielt.

    Können Sie mir erklären, warum es gerade Griechenland ist, das den negativen Ausreißer abgibt ?

  75. BvG (#77),

    seien Sie doch nicht komisch !

    Der wahre Freund kritisiert und liest schon mal die Leviten, wenn es nötig ist. Der wahre Freund redet nicht nach dem Munde.

    Sie haben sich für sich selbst entschuldigt, nicht für mich !

  76. Herr Boettel (#75),

    daß es untern den Briten nach wie vor anti-deutsche Ressentiments gibt, ist ja bekannt. Daß sie im Moment wieder besonders hochspülen, ist einer ganzen Anzahl von Briten aber auch durchaus peinlich. So z.B., wenn das Beharren auf die Einhaltung der Regeln der Währungsunion mit einem Dominanzstreben Deutschland´s vewechselt wird.

    Auf der BBC fand ich dieses hübsche Beispiel eines anti-deutschen Sentiments, Zitat:

    „So would Greece have been better off throwing in the towel (perhaps one left behind by a German tourist)?“

  77. Schöne neue Welt der Zahlen. Danke Herr Grebe. Aber Interpretationen gehören auch dazu. Lassen wir 2015 und 2016 weg – da sind immer Berufsopportunisten am Werk. Hier ein paar Lesehilfen für ihre Fleißarbeit: Selbst mit dem bisschen Wachstum in Spanien – hauptsächlich durch britischen Tourismus, weil der Euro schwach ist – liegen die Arbeitslosigkeit bei 22,5% und die Jugendarbeitslosigkeit immer noch bei 50%. Und die neue entstandene Beschäftigung (drei Viertel on 412000) ist reine Saisonbeschäftigung im Touristiksektor. Viele – die gut ausgebildeten – wandern aus, viele arbeiten in zwei Jobs, um zu überleben. Schöne neue Welt.
    Nun zu den Balten. Geholfen hat denen bei ihren Sparaktivitäten, dass ihr Export schon vor der Krise 40 bis 70 Prozent des BIP ausmachte. Wenn der Export ohnehin viel zur Wirtschaftsleistung beiträgt, haben kleine Ausfuhrzuwächse große, positive Wachstumseffekte.
    Verglichen mit den Handelspartnern sind die Preise in Griechenland seit 2009 um zwölf Prozent gefallen, bei den Letten um zehn Prozent. Der Export von Waren macht in Griechenland aber nur 16 Prozent des BIP aus. Darum müssen die Griechen 20% mehr Außenhandel erzielen, um 10% Rückgang des Inlandsgeschäftes zu kompensieren. Das ist aufgrund der Produktpalette jedoch nicht möglich. Den Esten reichten hierfür nur 3% Exportzuwachs. Schlussfolgerung: Sparmaßnahmen haben eben – je nach volkswirtschaftlicher Ausrichtung – unterschiedliche Wirkungen.
    Deshalb wirken Sparmaßnahmen in kleinen Ländern mit hohem Exportanteil ganz anders, als im Falle Griechenlands. Dort waren die Wirkungen desaströs und das hätte man wissen können. Werden die neuen Sparvorgaben ohne Wachstumsimpulse (u. a. weitere Rentenkürzungen und Mehrwertsteuererhöhungen) umgesetzt, wird die Wirtschaftsleistung geschätzt um weitere 13 – 15% einbrechen. Wie heißt es so schön: „Therapie erfolgreich, Patient tot.“
    PS. Hypothetische Fragen, lieber Herr Grebe, beantworte ich grundsätzlich nicht. Also bekommen sie auf die Frage, wie ich beim Referendum gewählt hätte keine Antwort. Ich bin, auch wenn ich in Griechenland zu tun habe, kein Grieche.

  78. Lieber Herr Geuer (#81),

    möchte ich alles nicht bestreiten, was Sie da ausführen. Nur, gemessen an den düsteren Vorhersagen der Austeritätskritik, die sich nicht genug darin ergehen konnte, den wirtschaftlichen Absturz zu beschwören, sind das alles sehr ordentliche Ergebnisse. Wenn man von Griechenland einmal absieht.

    Wie es heißt, entfaltet die Geldflut der EZB (100 Milliarden Euro monatlich) im Euroraum und in der EU nun ihre wirtschaftsbelebende Wirkung. Wir dürfen wohl leider davon ausgehen, daß Tsipras und Varoufakis es verstanden haben, ihr Land von einer Partizipation an den positiveb Effekten dieser EZB-Maßnahme ausgeschlossen zu haben. Und von vielen weiteren positiven Effekten ebenfalls. Da Sie von der Zukunft sprechen, was ich ja auch schon seit geraumer Zeit tue,
    sollten wir uns einmal der Frage zuwenden, was die Griechen denn SELBER tun können und tun sollten, um den gigantischen Vertrauensverlust wieder wettzumachen, der der wirtschaftlichen Belebung wie ein Mühlstein am Halse hängt und sie weiter in den Orkus zu reißen droht.

    Was also müssen die Griechen selbst dazu tun, was ihnen niemand außerhalb ihres Landes abnehmen kann ?

    Auf Ihre Antwort wäre ich doch sehr gespannt.

    (…)

    (…) Passage gelöscht, Anm. Bronski

  79. Wie SPON vorab meldet und den Hinweis auch in seiner aktuellen Printausgabe bringt, hält es die Bundesregierung für zwingend, dass viele griechische Bürger im Rahmen des dritten Hilfpakets ihre Arbeitsplätze verlieren.

    Endlich einmal eine gute Nachricht – Wachstum in Griechenland!!! Wenn auch nur bei der Zahl der Arbeitslosen. Dann wird es dort lustig, bei lediglich 12 Monaten Arbeitslosengeld, und dann – Sturz ins Bodenlose. Aber es gibt hier bestimmt Blogger, die auch diesem Wahnsinn etwas Positives abgewinnen können. Schließlich kann man das bei den Beschäftigten eingesparte Geld ja für den Aufbau einer Sozialversicherung verwenden, oder ist dies eine Milchmädchen-Rechnung. Aber an solchen „Rechnungen“ ist ja kein Mangel.

    Und wer sich ein bißchen im Netz nach Daten umschaut, findet z.B. einen Artikel vom 19.05.10 in der WELT „Achtlose EU-Beamte ermöglichten Griechen Beitritt (in die €-Zone) oder ein Interview vom 25.09.13 im SPIEGEL mit dem damals verantwortlichen Finanzminister Nikos Christodoulakis zu den damaligen Fakten.

    Wetten, daß nach dem erwünschten Ergebnis von Neuwahlen, welches sich die unerwünschten Syriza-Leute weg wünscht, plötzlich Mittel und Wege gefunden werden, einer neuen, nicht mehr sozialistisch-kommunistisch gefärbten Regierung, zu helfen und wieder, wie 2001, sämtliche Augen und Hühneraugen zuzudrücken?

    Auch wird immer übersehen, daß SYRIZA mit der ANEL einen Partner hat, welcher ungefähr so passt wie die AfD zur LInkspartei. Natürlich gibt es auch die Chance auf die CHRYSI AVGI als Wahlgewinner, Frau Le Pen wird dann als erste gratulieren. Wie geht es dann weiter:

    Lustig wird es, wenn der Euro crasht, was nicht unwahrscheinlich ist. Selbst eine Schrumpf-Euro, also eine Art „Neuro“ würde drastisch aufwerten, meiner Schätzung nach um rund 30%, ähnlich die damals die DM, welche im Kurs-Wechsel-Verhältnis zu niedrig bei der Euro-Einführung eingestuft wurde.

    Und dann werde ich Merkel, Schäuble und andere fragen, wie sie es mit den wunderbaren deutschen Export-Erfolgen halten wollen – griechische Verhältnisse bei uns, strengste Austerität, sparen, bis es quietscht, so wie den Griechen empfohlen, oder Millionen zusätzliche Arbeitslose wie 30 – 33? Und Frau Petri als Nachfolgerin von Merkel, mit Koalitionspartner Seehofer?

  80. V. Grebe ist halt genauso verbohrt, verbissen und unbelehrbar wie Schäuble, vielleicht sind die beiden miteinander blutsverwandt, auf jeden Fall seelenverwandt. Von keinem der beiden würde ich ein gebrauchtes Auto kaufen.

  81. zu
    V. Grebe:
    nachstehend folgende Meldung „Erfolgreiche Erholung in Spanien mit 5,2 Millionen (22,5%) Arbeitslosen?
    Die gebeutelte konservative spanische Regierung braucht dringend Erfolgsmeldungen vor den Parlamentswahlen im Herbst und fatalen Ergebnissen der Volkspartei (PP) bei den Regionalwahlen im Mai, als sie in fast allen Regionen und vielen Städten die Macht verlor. So war es absehbar, dass Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) die Daten als „weiteres Zeichen für die wirtschaftliche Erholung“ Spaniens einstuft.
    Noch im ersten Quartal stieg die Arbeitslosenquote, obwohl zwar einige Stellen geschaffen wurden, aber die Zahl der Auswanderer steigt und die Zahl der aktiven Bevölkerung sank. Doch was geben die neuen Zahlen des Statistikinstituts (INE) zum zweiten Quartal her?
    Demnach sind, trotz eines relativ starken Wachstums, noch immer fast 22,5% der Bevölkerung ohne Stelle. Das sind weiter fast 5,2 Millionen Menschen. Abgeschlagen in der EU und der Eurozone konkurriert Spanien dabei nur mit Griechenland, das eine noch höhere Quote ausweist, und beide Länder liegen mit 50% Jugendarbeitslosigkeit gleichauf.
    Quelle: Telepolis“
    Ist das Ihr vermeldeter Erfolg der Austeriät?

  82. Naja, wie schon vor gefühlten tausend Jahren hier im Blog festgestellt wurde, muß auch die Austerität irgendjemand bezahlen. Eine gegebene Fläche ernährt nur einen begrenzte Anzahl an Individuen und da hapert’s zuallererst an der Verteilung.

    „Wer bewirkt, daß dort, wo bisher ein Halm wuchs, nunmehr zwei Halme wachsen, der hat mehr für ein Volk geleistet als ein Feldherr, der eine Schlacht gewann.“

    (Friedrich II ?)

    Wer es dann noch schafft, daß von den „zwei Halmen“ auch Zweie leben, anstatt nur einer umso besser,
    der mag von Austerität reden.

    Statt nun auf ewig darüber zu reden, wieviel Menschen man pro Halm einsparen kann, wäre es nun an der Zeit, sich zu überlegen, wie man mehr Halme wachsen lässt.

    Da gäbe es eine Menge an vernünftigen ökologischen Ideen, aber Rechthaberei war schon immer der Tod jeder guten Idee.

    Man muß halt säen, wenn Saatzeit ist, und das Saatgut darf man nicht essen müssen.

  83. @ 86, BvG

    Des mid dene zwaa Halme had der aale Fritz awwer aach nur gesacht, weil er als Feldherr noch die Kadoffele in de Hinnerhand gehabd had.

  84. Die EZB hat im März des Jahres – nachdem bereits zuvor der Leitzins heruntergefahren, Unternehmenskredite aufgekauft und Banken für EZB-hinterlegtes Geld zu „Strafzinsen“ verdonnert wurden angekündigt, bis September 2016 1 Billionen Euro für Anleiheaufkäufe von Banken auszugeben. Mit dem frischen Geld will man die drohende Deflationsgefahr im Euroraum bändigen und zugleich – was mindestens genauso wichtig ist – die Konjunktur beleben, indem man Unternehmen Kredite für Geschäfts- oder Produktionsausweitungen gibt. Leider funktioniert das nicht. Die florierenden Unternehmen schwimmen selbst im Geld und suchen nach Anlagemöglichkeiten jenseits der Produktion. Warum? Weil Unternehmen nur dann in Produktion investieren, wenn die Märkte – sprich der Verbraucher – Waren nachfragen. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. In ganz Europa ist die Nachfrage im Sinkflug, in den Krisenländern besonders dramatisch.
    Und was passiert nun? Klein- und Großanleger können sich kurzfristig über steigende Börsenkurse freuen, aber Vorsicht, längerfristig wird die nun aufgepumpte Blase platzen. Auch andere Vermögenswerte schnellen nach oben, aber das BIP der Eurozone schwächelt. Was Draghi vergisst: Die Geldpolitik kann falsche wirtschaftspolitische Strategien nicht verbessern. Wenn man gleichzeitig mit der lockeren Geldpolitik durch Schuldenbremse und Fiskalpakt der Konjunktur Handschellen anlegt, lacht nur der Finanzmarkt; die Menschen in der Eurozone haben nichts davon. Wachstum wird nur im Blasenmilieu erreicht.
    Was hat das mit Griechenland oder den anderen Krisenländern zu tun? Sehr viel. Es ist die gleiche, völlig verfehlte Sparpolitik, mit der deflationäre Tendenzen erzeugt werden, die Arbeitslosigkeit steigt, die Nachfrage wegbricht und die Sozialsysteme kollabieren. Aber es geht um weit mehr als Einkommens- und Nachfrageeinbußen. Und das verstehen unsere „Sparfüchse“ noch weniger. Je länger nämlich eine Rezession dauert – und sie dauert in allen Krisenländern schon mehrere Jahre – desto folgenschwerer sind die Wirkungen im Bereich der realen Investitionen. Unternehmen legen Produktionsstätten still, weil ihre Gewinnerwartungen immer weiter nach unten gehen. Sie revidieren ihre Zukunftsinvestitionen, bilden nicht mehr aus und entlassen Personal, das aufgrund längerer Arbeitslosigkeit seine Qualifikation verliert. Arbeitskräfte wandern ab, eine ganze Generation – die zwischen 20 und 30 Jahren – macht sich auf die Reise und es bedarf eines langen dornenreichen Weges, um einen Wachstumspfad zu erreichen. Mit einfachen Worten: Austerität in Verbindung mit lockerer Geldpolitik ist zum Scheitern verurteilt, ja, richtet in Europa schweren Schaden an. Wer investiert denn, wenn die Staaten es nicht tun? Die Unternehmen tun es nicht, weil sie auf ein schwaches Marktumfeld treffen. Sie gehen mit dem frischen Geld lieber an den Derivatemarkt, spekulieren mit Währungen, handeln mit Zinsswaps, tätigen Aktienrückkäufe und warten ab, ob es irgendwo Licht am Ende des Tunnels gibt. Genau deshalb müssen die Staaten eintreten und das tun, was heute Unternehmen nicht leisten. Das gilt für Deutschland und auch für Griechenland. Die Erfolge von Draghis „dicker Berta“ gehören leider ins Reich der Märchen, sie sind durch nichts empirisch belegt. Die Gründe dafür sind klar.
    Zum Schluss: Prozentsätze beziehen sich immer auf eine bestimmte Grundgröße und auf die muss man schauen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Im Fall der Krisenländer sieht man in absoluten Zahlen, dass die Produktion immer noch weit von der Vorkrisenzeit entfernt ist. Sparen des Staates in der Krise – leider muss ich mich offenbar wiederholen – funktionierte noch nie. Diese Erkenntnis verdanken wir Theoretikern wie Keynes und mutigen Politikern wie Franklin D. Roosevelt. In Europa geht jedoch bis auf wenige Ausnahmen in Griechenland und Spanien der Politik der Mut aus, und das ist das Schlimmste, was der Politik passieren kann. Sie degeneriert zum Stammtisch, statt die Zukunft zu gestalten.

  85. #88 Wolfgang Geuer

    Gut, dass sich ab und zu auch mal ein Fachmann in die Diskussion einschaltet. Danke für die überzeugenden Ausführungen!

  86. Übergangen wird dabei meist die Frage, ob sich Geld innerhalb eines Landes bewegt, oder ob es das Land verlässt. Ob z. B. reiche Griechen, die keine Steuern bezahlen, den Gewinn im Land verprassen, was immerhin Arbeitsplätze erhält, oder ob sie das Geld ins Ausland schaffen. Den ganz großen Geldabfluss aus einem Land verursacht allerdings der Export-Import-Mechanismus. Das läuft, etwas vereinfacht, so ab: Der Staat des Landes mit Importüberschuss bezahlt Gehälter, Renten, Arbeitslosenunterstützung usw. Aber die Bürger des Landes kaufen importierte Güter, und das Geld landet im Ausland. Um die nächsten Gehälter, Renten usw. zu bezahlen, muss der Staat das Geld zurück holen, indem er sich an das Exportland verschuldet (über das Bankensystem). Gleichzeitig gehen viele Unternehmen im Land pleite, weil die Bürger ja nicht bei ihnen, sondern im Ausland einkaufen. Der Staat muss nun noch mehr Arbeitslose unterstützen, seine Schulden steigen noch rascher. So führt das Außenhandelsdefizit zum Staatsdefizit. Das technisch überlegene Land saugt das technisch unterlegene Land aus. Jetzt wird den Griechen gesagt, spart und kürzt noch mehr, dann werdet ihr konkurrenzfähiger. Dabei sind schon Tausende Griechen gestorben, weil sie ihre Krankenversicherung nicht bezahlen konnten und daher nicht behandelt wurden. Die Säuglingssterblichkeit ist allein im letzten Jahr um 43 Prozent gestiegen. Indes müssten die Griechen, um Schulden abtragen zu können, beim Export ein Plus erzielen. Doch wie kann ein Kleinwagen das Rennen gegen einen Düsenjäger gewinnen? Zudem ist es unmöglich, dass alle Länder, auch die armen, Exportüberschüsse haben. Wir machen uns hochgradig schuldig, wenn wir weiter nur den eiskalten Gesetzen des Marktes huldigen.

  87. Lieber Herr Geuer (#88),

    Sie sind jetzt in den Niederungen des typischen Streits zwischen Angebots- und Nachfrage-orientierter Wirtschaftspolitik angelangt. Das sind alles bekannte Argumente, und jede Seite hat ein Pro anzubieten und ein Contra auszuhalten.

    Im Falle Griechenland´s geht es jedoch um ein besonderes Problem. Kein anderes Land in der Eurozone und ist derart weit weg von nachhaltigem Wirtschaften wie Griechenland. Die Nachhaltigkeit einer Politik, die die Nachfrage durch unablässiges künstliches Hineinpumpen von Geld in den Wirtschaftskreislauf fördert, ist jedoch auf Dauer gleich Null, weil sie auf eine unablässig steigende Staatsverschuldung setzt. Auch Keynes funktioniert eben nur, wenn in wirtschaftlichen Blütezeiten gespart wird. Diese Seite der Keynes-Medaille wird gerade von denjenigen Wirtschaftsvertretern ignoriert, die Keynes als Kronzeugen für ihre Rezepte bemühen. Was sie vorschlagen, ist eben nur der halbe Keynes.

    Wir haben praktisch keinen Spielraum mehr für Schulden-finanzierte Ausgabenprogramme. Für die nächste Finanzkrise sind wir nicht gewappnet, wie genügend Fachleute sagen. Aber auch eine nächste Rezession dürfte schwer zu verdauen sein. Glücklicherweise ist der Rezessions-fördernde Impuls, den die griechischen Probleme auf die EU-Wirtschaft auslösen, durch die beginnende und reformbasierte Stabilisierung der „Austeritätstaaten“ kaum spürbar.

    Und wie sollte die Nachfragestimulierung Ihrer Meinung nach denn laufen ? Eben durch Schulden-finanzierten Transfer hinein in alle die griechischen Umverteilungssysteme, die den Konsum der griechischen Bürger beflügeln.

    Das geht allein schon deshalb nicht, weil es die Bürger in den Partnerländern nicht akzeptieren. Sie würden ihren Regierungen weglaufen, wenn sie es nur versuchen sollten. Die Bürger wissen nämlich sehr genau, daß eine solche Politik die griechischen Probleme nicht löst, sondern nur vertieft. Damit gibt es, beim allem Wehklagen über das Nein zu großzügigeren und permanenten Transfers, nicht die geringste Chance, daß sich Griechenland wieder einmal in die reformerische „Hängematte“ begeben kann. Entweder Reform, durchgreifen, hart und sofort, oder Grexit.

    Nachhaltigkeit ist die einzige erfolgversprechende Therapie für Griechenland, und übrigens nicht nur für Griechenland. Auch Deutschland wirtschaftet nicht nachhaltig. Sollen wir uns von der griechischen „Krankheit“ erneut anstecken lassen, obwohl wir selbst nicht vollständig genesen sind ? Sicherlich nicht.

  88. maiillimi (#92),

    nennen Sie so etwas diskutabel ? Ich zitiere nur den Beginn ihres famosen Links mit „Heiserkeit“ !

    Zitat: „Willkommen in der Postdemokratie
    Tomasz Konicz 27.07.2015
    „Das deutsche Krisendiktat gegenüber Hellas läutet eine dunkle Ära autoritärer Krisenverwaltung in einem erodierenden Europa ein“

    (…)

    Anm. Bronski. Passage gelöscht, da urheberrechtlich geschützt. Jede/-r User/-in kann sich selbst ein Bild machen, indem sie/er auf den Link klickt.

  89. Ich erlaube mir, mich mal wieder zu beteiligen. Ich muß zugeben, das ich weder Wirtschaftswissenschaftler (Volkswirt etc.) noch Banker bin, sondern nur den Kaufmannsberuf erlernt habe. Aber aus meiner Berufstätigkeit weiß ich, das Konsum auf Dauer nur möglich ist, wenn auch regelmäßiges Einkommen vorhanden ist.
    Dies gilt für Produkte in- und ausländischer Herkunft. Als Arbeitsloser bzw. Hartz-IV-Empfänger oder Kleinrentner kann ich da zwar von einem neuen Mittelklassewagen (die Antriebsart mal beiseite gelassen) träumen als Ersatz für meinen 20 Jahre alten Kadett, aber kaufen kann ich ihn nicht, auch nicht auf Kredit.

    Demnach kann ich nicht griechische Reeder (die ihr Geld wohl inzwischen zum Großteil im Ausland bunkern) und griech. Rentner und Arbeitslose in einen Topf stecken.

    Ob der Grexit eine Lösung wäre, wage ich zu bezweifeln. Der Fehler, die mit falschen Zahlen sich in den Euro reinmogelnden Griechen, incl. der Augen, welche die damals zustimmenden Länder alle zudrückten, läßt sich durch einen Grexis nicht 1 zu 1 korregieren. Das Land würde dann an mehreren Tröpfen hängen (müssen), weil es eben ohne funktionierende Eigenversorgung im Agrarsektor und ohne nennenswerte investive Lockangebote an das Ausland (mit Ausnahme Tourismus) nichts hat, um in den internationalen Wettbewerb einzusteigen. Alte Ruinen und schönes blaues Meer reichen eben nicht.

    Helfen könnte das Besinnen auf regenerative Energien, weil der Wind weht, und die Sonne scheint, uns es durch das Gefälle zwischen Mazedonien und dem Süden auch Möglichkeiten für Wasserkraft gäbe. Das aber kostete Milliarden, und wer möchte und sollte diese ausgeben?

    Sicherlich spielt auch die Mentalität mit rein. 400 Jahre osmanische Herrschaft haben ihre Spuren hinterlassen, da reicht auch die Nostalgie hinsichtlich „älteste Demokratie Europas“ nicht.

  90. @Fladung

    Ja Wolfgang, ökologische Aufbauideen noch und nöcher sollten in Griechenland verwirklicht werden, von Wiederaufforstung bis Energieerzeugung, Meeresschutz und sanftem Tourismus, und wenn es die grobstoffigen Gewürzbehälter begriffen haben, daß damit auch gutes Geld verdient werden kann, dann trauen sich die Milliarden auch mal raus aus der Schweiz.

    Griechenland ist klimabezogen eine der wichtigsten Regionen und die Sünden der Vergangenheit sollten zeitig wiedergutgemacht werden.

    Eigentlich braucht Griechenland dazu nur eine Infrastruktur, die den Energiebedarf von Google deckt, dann sind die Schulden bezahlt.

  91. Herr Oette beschreibt den extraktiven Weg der griechischen Volkswirtschaft treffend. Man kann auch von „nicht nachhaltigem Wirtschaften“ sprechen, wie Herr Grebe formuliert. Und wesentlich dabei ist, der Prozess entzieht sich der Entscheidung jedes einzelnen Bürgers. Oligarchen ausgenommen, weil diese Personengruppe über viele Netzwerke und Drähte mit mittelbarem bis direktem Einfluss auf politische Entscheidungen verfügt(e).
    Wunderbar, wie die Familie Karamanlis es in kurzer Zeit schaffte, die Olympia-Bahn mit ND-Personal so aufzublasen, dass für wenige Streckenmeter mehr das Personal verdreifacht wurde. Oder wie es Latzis gelang, ohne Gegengebot für die Hälfte des Schätzpreises das frühere Areal des Athener Flughafens – ein Sahnestückchen – zusammen mit arabischen und chinesischen Partnern zu erwerben. Zwei von vielen Vorgängen, die die klientelistische Personal- und Wirtschaftspolitik der früheren Regierungen kennzeichneten; sie ist der Feind eines demokratisch organisierten, modernen Sozialstaats. Den umzubauen, ist die eigentliche Herkulesaufgabe der neuen Regierung. Nur benötigt die Regierung dafür Zeit, die ihr offenbar die Eurogruppe nicht bereit war zu gewähren. Niemand ist in der Lage, 40 Jahre Versäumnisse in fünf Monaten zu beheben.
    Die Verhandlungen mit den Gläubigern seitens Syriza sahen vor, eine Überbrückung für die kurzfristige Finanzierung des Staates zu erhalten – um Zeit zu bekommen, sich dann mit ganzer Kraft auf die Modernisierung des Gemeinwesens zu konzentrieren und die Wirtschaft umzubauen.
    Syriza glaubte, den kurzfristig dafür benötigten Finanzbedarf mittels T-Bills (Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit) decken zu können. Die Hoffnung auf eine Finanzierung durch griechische Banken über T-Bills hat die EZB gezielt zerstört. Der weitere Vorschlag der griechischen Regierung lief darauf hinaus, die Rückzahlung der Schulden an das Wirtschaftswachstum zu binden. Diese Idee wurde durch die Verhandlungen zunichte gemacht. Am Geld kann es eigentlich nicht gelegen haben. Westdeutschland hat die frühere DDR mit eigenen Mitteln stemmen können – wir reden von weit mehr als einer Billionen Euro bis heute und jährlich weiter steigenden Kosten von 100 Milliarden Euro. Gemessen daran sind die Mittel, die Griechenland benötigt, Kleingeld. Man wollte offenbar die Regierung scheitern lassen.

    Damit befinden wir uns nicht in den Niederungen von Angebots- und Nachfrageorientierter Politik, wie Herr Grebe meint, sondern bei der Frage, welche Lösungen politisch akzeptiert oder nicht akzeptiert werden. Wir befinden uns mitten im Konflikt, wie Europa längerfristig gestaltet und weiterentwickelt werden soll. Eine Wachstumsstrategie für Griechenland wurde von der Troika – so viel steht fest – angesichts all der Sparauflagen nicht als bedeutsam angesehen. Die Überzeugung hieß, Sparen in der Krise ist der einzige Weg zum Erfolg.
    Die europäische Kommission stellte 2014 fest, dass die öffentlichen Ausgaben zwischen 2009 und 2013 in Griechenland um 30% gekürzt wurden (von 120 auf 79 Mrd.). Wer sich darüber informieren möchte, sollte sich zu den Sparschritten den „Euro Plus Monitor“ anschauen. Gerade deswegen stiegen das Haushaltsdefizit auf -12% des BIP und die Staatschulden auf 180%. Das Sparen in der Krise hat massiv geschadet. Und wir sehen auch in Portugal und Spanien, dass die Sparpolitik nicht zielführend war. In Portugal verbot das Verfassungsgericht weitere Entlassungen, was von der Troika ohne großes Aufheben akzeptiert wurde. In Spanien ließ man sogar Rajoy gewähren, das Sparprogramm auszusetzen. Die aktuelle politische Situation in Europa ist offenbar davon gekennzeichnet, dass alles geht, entscheidend ist nur, wer es macht. Das darf dauerhaft nicht so sein.
    In Griechenland hat sich trotz der Lohnstückkostensenkung die Wettbewerbsfähigkeit kaum verbessert. Verkürzt gesagt: Für die Konkurrenz mit China zu teuer, für die Konkurrenz mit Deutschland zu wenig Wertschöpfung. Know How, Technik und Ausbildungsstand sind auf sehr niedrigem Niveau.

    Als weltweit drittgrößter Erzeuger von Olivenöl wird beispielsweise nur ein Bruchteil der Ernte selbst vermarktet. Die größte Menge geht als Rohstoff nach Italien und wird – etwas lästerlich gesagt – von dort z. B. als „toskanisches“ Olivenöl mit beeindruckenden Preissteigerungen vermarktet.

    Wie geht es weiter? Griechenland ist angesichts der „Austerity Trap“ nicht (mehr) in der Lage, die Voraussetzungen für eine moderne Wirtschaft mit eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Private Investoren – griechische oder nicht – sind aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Situation, der Ungewissheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung und des geforderten, langen Atems kaum zu erwarten. Wenn, gehen sie jetzt auf Einkaufstour, um Schnäppchen zu machen. Der Privatisierungsfonds läd sie dazu noch ein. Er wird daher keine Wachstumseffekte erzeugen, sondern dient den Gläubigern, Cash zu bekommen.

    Nur der Staat, das Gemeinwesen kann meiner Meinung nach mit entsprechenden Mitteln der EU unter Abkehr von weiteren Sparzwängen und unterstützt durch internationale Beratung, die längerfristigen Voraussetzungen schaffen, den defizitären technischen Stand der Industrie und des Mittelstandes zu verbessern, kann zentrale Projekte zur Entwicklung von Infrastruktur und Forschung anstoßen, um endlich nachhaltiges Wachstum zu erzeugen. Der bisherige Weg – von Ignoranz und nationalen Interessen bestimmt – hat Griechenland schwer geschadet und das europäische Projekt destabilisiert. Und das mit voller Absicht.

    Die europäische Geld- und Politikklasse will offenbar ihr Modell des „schlanken Staates“ zur Grundlage aller EU-Länder machen. Zugleich soll uneingeschränkter Wettbewerb der Länder gegeneinander die treibende Kraft in unserer Region werden. Demokratische Kontrollen werden auf ein Minimum – am besten auf Symbolpolitik – beschränkt. Da stört eine fachlich kompetent aufgestellte linke Regierung nur. Kurzfristig wird Deutschland als stärkste Volkswirtschaft davon profitieren. Langfristig wir die Union dadurch zerstört, weil ein Wettbewerbsmodell für Nationen keine integrative Kraft entfalten wird, nationale Egoismen zu überwinden. Vielmehr ist zu befürchten, das es erneut die Völker gegeneinander aufbringen könnte. Europa als eine Art „Profitcenter“ war sicher das Letzte, was sich die Gründerväter Europas vorgestellt haben.

  92. Lieber Herr Geuer (#96),

    Sie sprechen von einer „fachlich kompetent aufgestellten linken Regierung“ ?

    Das hat mich nun doch wirklich betroffen gemacht. Daß Ihnen diese krasse Fehldignose so leichthin in die Feder fließt, eigentlich unglaublich ! Ich will mich hier nicht ständig wiederholen, aber was diese Regierung ihrem Land eingebrockt hat, läßt sich nur eine ausgemachte Katastrophe nennen. Es ist darüber soviel bekannt geworden, ich erspare es mir daher, das alles wieder hervorzukramen.

    Der Standort Griechenland ist für die dringend benötigten ausländischen Investitionen auf eine Weise unten durch, daß man sich fragt, wie sich das in absehbarer Zeit ändern soll. Dazu werden vermutlich auch die 3 Jahre nicht reichen, die den Griechen mithilfe der Partnerländer möglicherweise eingeräumt werden.

    Negativer Faktor Regierung. Kein Mensch weiß, wofür Tsipras wirklich steht. Ein Regierungschef, der Reformen umsetzen soll, die er innerlich ablehnt, schafft kein Vertrauen. Die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bleiben unklar. Neuwahlen sind in der Luft, ob sie aber politische Stabilität bringen werden, bleibt extrem unsicher.

    Negativer Faktor Erwartungshaltung. Die Griechen selbst belasten mit ihrem ständigen Gejammer vom angeblichen Spardiktat (das sie in Wirklichkeit den Geldgebern aufhalsen, die das Geld nämlich beschaffen müssen) die Erwartung, sie könnten ernsthaft darin interessiert sein, ihren Teil zum Gelingen von Reformen beizutragen. Schon die ersten Streiks nach den entscheidenden parlamentarischen Beschlüssen über die Forderungen der Euroländer waren nach außen hin kein gutes Zeichen.

    Negativer Faktor Demütigungsgerede. Solange in der Bevölkerung nicht die Woge abebbt, Reformen als nationale Demütigung zu verunglimpfen, wenn sie von außen gefordert werden, solange wird kein Investor glauben, die Griechen würden ernsthaft Reformen in Angriff nehmen wollen.

    Herr Geuer, mir ist ein „schlanker“ Staat lieber als ein durch Pump aufgeblähter künstlicher Staat, wie es Griechenland ist. „Uneingeschränkten“ Wettbewerb haben wir auch nur, wenn es keine Regeln gibt, die einen ruinösen Wettbewerb verhindern. Gerade deshalb braucht es mehr Europa als weniger, und es braucht dazu auch mehr Vertrauen in Europa als weniger.

    Die Griechen haben es leider verstanden, selbst das Vertrauen in die europäische Idee zu unterminieren. Und zwar mit Hilfe ihrer Gier nach dem Volksvermögen der Partnerländer, ohne Anzeichen dafür erkennen zu lassen, daß sie zur Überwindung ihrer hausgemachten Krise ernsthaft bereit sind.

    Daß Sie glauben, Herr Geuer, nur der griechische Staat könne dem Land die Zukunft bringen, macht mich schmunzeln. Diesen griechischen Staat, der das könnte, gibt es doch gar nicht, ist doch gar nicht nicht existent ! Dieser griechische Staats-Torso wehrt sich doch gerade gegen die „entsprechenden Mittel der EU“, wie Sie oben formuliert haben. Und Ihr angeblicher „Sparzwang“ ist angesichts von 420 Milliarden Euro, wenn man das dritte Rettungspaket hinzunimmt, eine groteske Verzerrung der Wirklichkeit. Wann ist je einem Land derart großzügig geholfen worden wie Griechenland ?

    Schon das Adjektiv „kaltherzig“, wie es die Überschrift suggeriert, grenzt an eine Beschimpfung der Eurosolidarität. Und „machtbewußt“ agierte nur ein Tsipras, solange er Europa mit einer Beschädigung drohen konnte, als der Grexit noch nicht als denkmöglich im Raume stand. Gottseidank haben alle die vielen weitsichtigen Politiker in Europa dieses verhindert, darunter auch Herr Schäuble mit seinem Papier und Fau Merkel.

    Sie sollten langsam einmal einsehen, Herr Geuer, daß auch das ständige Gerede von der Austerität seine – ohnehin geringe – Wirkung zu verlieren beginnt. 420 Milliarden Euro faktischen Transfers von 2011 bis 2018, sollte sich die Tilgung über 50, 80 oder 100 Jahre erstrecken, ist als Summe zu viel, als daß Sie damit noch erfolgreich hausieren gehen könnten.

  93. Bierseeliges Stammtischgekrächze, heiser und faktenfrei – lohnt nicht weiter zu kommentieren.

  94. # 98 Bravo Wolfgang Geuer, eigentlich wollte ich mir die Arbeit machen und ausführlich zu # 97 antworten, aber die Zeit ist einfach zu kostbar, Verstockte von ihrem Irrtum zu überzeugen; wie von Ihnen und glücklicherweise auch von den meisten Kommentatoren erwähnt, ist es beschämend, was V. Grebe ablässt.

  95. #97 V. Grebe

    Die einzigen beiden Punkte, in denen ich Ihnen zustimmen kann, ist, dass Tsirpas und Varoufakis das diplomatische Geschick wahrlich nicht mir Löffeln gefressen haben und dass das ewige Gefasel von Demütigung nervt.

    Andererseits: Bisher hat Deutschland an Griechenlands Schuldenkrise nur verdient, nämlich die von diesem gezahlten Zinsen. Das wurde hier im Thread nun oft genug erwähnt. Wieviele Zinsen es in Zukunft gezahlen muss, weiß ich allerdings nicht.

    Ansonsten sollten Bürger eines Landes, das einen mörderischen Krieg mit Zigmillionen Toten verursacht hat und dennoch von der internationalen Gemeinschaft die Hälfte seiner Schulden erlassen bekam, ihren Mund nicht ganz so weit aufreißen. Für einige Unbelehrbare muss man das leider ständig wiederholen.

  96. #97 V. Grebe

    Nachtrag: Dass die Vorgängerregierungen Griechenland über Jahrzehnte weit Schlimmeres eingebrockt haben als Syriza in diesem halben Jahr, sollte sich ebenfalls allmählich herumgesprochen haben.

  97. # 100, Frau Ernst

    Es trifft zu, dass Deutschland bisher nichts gezahlt hat, sondern nur Zinsen kassiert hat, womit Schäuble seine schwarze Null erfüllen konnte.

    Allerdings werden der Bund, das Land Hessen, die Stadt Frankfurt sowie einige Aktionäre künftig über Fraport weiteres Geld kassieren, weil Fraport die 14 gewinnbringenden Flughäfen in Griechenland vereinnahmt, während Griechenland nur die verlustbringenden Flughäfen weiterhin selbst betreiben muss. So sieht halt Privatisierung durch Troika-Auflagen aus.

  98. In der FR von gestern (28. Juli) wird in einem Essay von Robert Misik der griechische Premier Alexis Tsipras als „konkurrenzlose Zentralfigur“ der Politik bezeichnet.

    Lieber Herr Geuer, da hat doch der Autor das griechische Problem exakt umrissen, nämlich den Mangel an Wettbewerb(ern). Sie mögen ja Wettbewerb nicht, wie Sie hier mehrfach geschrieben haben, und was das für Griechenland und seinen gigantischen wirtschaftlichen Standortnachteil bedeutet, können wir jeden Tag erleben.

    Natürlich haben die griechischen Vorgängerregierungen selber genug an Schaden angerichtet, sehr geehrte Frau Ernst, aber auch Sie müßten doch eigentlich zugeben, daß Tsipras in einem halben Jahr das geschafft hat, wozu Vorgänger im Amte möglicherweise Jahre gebraucht haben. Das Ergebnis ist wirklich „einzigartig“, aber deshalb nicht etwa schützenswert. Finden Sie nicht auch ?

    Ich wundere mich immer höchst über das Argument, Deutschland hätte bislang an der griechischen Krise nur verdient. Kommt es doch von immer von denen, die so unablässig einen Schuldenschnitt für Griechenland fordern und ihrem Land und damit sich selber ja einen Verlust bescheren wollen. Wir sind bereits mit allen Tilgungsstreckungen in den Bereich des indirekten Schuldenschnitts eingetreten. Das Geld für Griechenland wäre besser in unsere Infrastruktur investiert worden. Auch die Investitionsstreckung im eigenen Land ist ein Schaden, den wir zugunsten von Griechenland längst eingegangen sind.

    In dem Essay von Misik schlichen sich hier und da Nachdenklichkeit und Selbstkritik sogar bei Syriza-Chefideologen ein. Bis es dann wieder kommt und den den Standort abermals ruiniert, wenn es über die Absichten der EU-Partner heißt, Zitat, „entweder ihr kapituliert bedingungslos, oder wir zerstören Euer Land“.

    Apropos Austerität. Wieder einmal. In der FR von gestern hat sich Thomas Geisen („Schwarz und Weiß“)auf erfrischende und unbestechliche Weise über Herrn Varoufakis´ jüngstes Bucherzeugnis geäußert, der seiner Tochter erklären will, wie Wirtschaft läuft. Und zum Schluß kommt der Riesenökonom auf den Punkt. Verschuldung habe eine therapeutische Funktion, und wenn Verschuldung nicht mehr geht, ja, dann kommt eben der Schuldenschnitt. Wirtschaft also gesehen als unablässige Abfolge von Verschuldung und Schuldenschnitt. Nein, eben nicht Insolvenz, denn dann ginge es ja dem Schuldner an den Kragen. Nur der Schuldenschnitt macht fröhlich, so Welterklärer und Superschlitzohr Varoufakis.

    Das kann Deutschland doch auch machen ! Jedem Bürger pro Monat 10.000 Euro, und dann machen wir Schuldenschnitt. Das Geld nehmen wir selbstverständlich vorher bei Varoufakis auf. Der soll ja schon an einem geeigneten System basteln, nicht wahr ? Goldene Zeiten, und das durch Griechenland. Man lernt nicht aus.

  99. Lieber Herr Geuer (#98),

    als Wirtschaftsexperte, als der Sie hier von vielen Mitbloggern gesehen werden, sollte es Ihnen nicht schwerfallen, den Griechen ein paar gute Ratschläge zur Aufbesserung des desaströsen Rufs als Wirtschaftsstandort zu geben.

    Welche Empfehlungen würden denn Sie den Griechen geben ?

  100. Die Schlampigkeit, mit der sich mich zitieren und mit der sie argumentieren – wenn man das überhaupt so nennen sollte – wird nur von der Unbedarftheit übertroffen, mit der sie ökonomische Sachverhalte zu einem Brei zusammenrühren,dessen Geschmacklosigkeit nur vom Koch nicht bemerkt wird.Ich weiß gar nicht, was ich zuerst tun soll, Kopfschütteln oder mir auf die Schenkel hauen.
    Überflüssig darauf einzugehen, dass ich nicht gegen Wettbewerb bin; zum Wettbewerb der Nationen und den Folgen in Europa aber auch weltweit werde ich noch schreiben.

  101. Ich melde mich jetzt doch noch mal zu Wort.
    An alle die „Griechenlandversteher“ und Humoristen.
    Ich finde es vollkommen unangebracht derlei Scherze und Satire-Einlagen auf Kosten eines Schwerbehinderten zu machen.
    Und nein, W. Schäuble ist nicht mein Freund und ich kenne ihn auch nicht persönlich, aber ich bewundere seine Leistung und halte ihn für einen guten Finanzminister, dessen positive Einstellung zu Europa er hinreichend unter Beweis gestellt hat.
    Zur Sache: Solange Griechenland sich fundamentalen Reformen widersetzt, wird es immer am Tropf der angeblich so „unsolidarischen“ anderen Euroländern hängen. Wer immer nur behauptet, es wären nur die Banken gerettet worden, muss sich die Frage gefallen lassen, was die Griechen mit den 420 Mrd. € gemacht haben, die sie sich von den Banken zusammengepumpt haben. So eine große Summe muss doch in so einer kleinen Volkswirtschaft wir der Gr. Spuren hinterlassen.
    Selbst wenn die Hälfte davon im Korruptionssumpf versickert ist, es wäre immer noch genug übrig, um signifikante Spuren in der Wirtschaft zu bewirken.
    Wo ist das Geld geblieben?

    Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn es neues Geld nur gegen Reformen gibt.

  102. @ Wolfgang Geuer
    Ich bin zwar in keinerlei Hinsicht ein „Experte“, meine aber, einen gesunden und kritischen Menschenverstand zu haben, ebenso ein Herz das auf der richtigen Seite schlägt. Wie oft schon ist mir der Unterkiefer heruntergefallen angesichts der „Überheblichkeit“ von V.G. … vermutlich gehört das zur Würzmischung des Blogs… Ich gebe mir jedenfalls keine Mühe mehr, den Versuch einer ernsthaften Gegenfrage bzw. Antwort zu produzieren, da V.G. niemanden ernst nimmt, der nicht seiner Meinung ist… und schon gar nicht selbstkritisch bzw. „lernfähig“. Ist ’s so? Wenn nicht, bitte Gegenbeweis! Konstruktive Beiträge sind viel lesenswerter, aufbauender, menschenfreundlicher…und davon gibt ’s glücklicherweise etliche zu diesem Thema.
    Amen.

  103. Zunächst sollte man aufhören, den Standort Griechenland schlecht zu machen, damit fängt es an. Diese Empfehlung gebe ich H.Grebe, die Griechen wissen schon selber, was sie tun.

  104. Herr BvG (#108),

    es wäre ja schön, wenn Sie recht hätten. Daß die Griechen wissen, was sie tun. Ich jedenfalls kriege es in kein logisches System eingeordnet, was die da machen. Wahrscheinlich liegt es an meiner Einfalt.

    Hätten Sie die Freundlichkeit, mir etwas Hilfe zu gewähren und Herrn Geuer zu bitten, endlich mal meine Fragen zu beantworten ? Wo er doch schon Experte ist ?

    Ich geb´ es einfach nicht auf. Außerdem ist es hier im Forum ohne mich nur halb so schön, nicht wahr ? Auch wenn es ein wahres Haifischbecken ist, noch halte ich durch.

  105. @V.Grebe

    Ich werde mal persönlich und bilderstark, aber es ist nicht böse gemeint:

    Wenn Sie schon dieses Blog für ein Haifischbecken halten, sind Sie ja noch nicht mal in das Kinderbecken des Blognet getaucht.
    Für einfältig hält Sie hier wohl niemand, für einseitig schon.
    Wie ich schon anderswo sagte, sollten die Beteiligten nicht glauben, sie verstünden wirklich, was in der Finanzwelt so vor sich geht. Das gilt auch für Sie! Es gilt auch für mich.
    Sie plantschen bloss so herum und glauben, Sie könnten schwimmen, und krähen über Olympia, während Sie noch das Seepferdchen machen.

    Die Mitblogger begegnen Ihnen trotz allem immer noch mit viel Respekt und Vorsicht, anderswo wäre Ihnen längst Lesen und Schreiben vergangen.

    Ihre polemischen Tricks, die Sie vielleicht noch für listig halten, sind für langjährige Blogger bloß ein Gähnen wert, trotzdem zolle ich Ihnen Respekt für das Durchhaltevermögen. Aber auch die Mitblogger müssen Ihre Beteiligung durchhalten.

    Mit einem freundlich/hämischen Grinsen gebe ich Ihnen zu verstehen, daß wenn Sie sagen, der Blog wäre ohne Sie nur halb so schön, Sie Ihren prozentualen Anteil weit überschätzen.

    Konkret kann ich Ihnen mitteilen, was viele Blogteilnehmer Ihnen bislang sanft zu verstehen geben wollten:

    Meine griechischen Freunde sind sehr empört über Ihre Äusserungen und fühlen sich beleidigt, mißverstanden und diskriminiert. Meine deutschen Freunde sind auch empört.

    Man sollte es als Deutscher nicht soweit treiben, daß sich die eigenen Landsleute für einen schämen müssen.

  106. Liebes BvG, Karnickel fressen ihre eigenen Knöttel, um das Letzte aus ihnen herauszuholen, und kacken dann wieder ne ganze Menge neue. Billigen wir Veronika doch eine besondere Rolle im Karnickelstall zu!

  107. Sehr freundlich, lieber Herr Petersmark, Sie Schöpfer meines wunderbaren Spitznamens Veronika. Die Karnickel waren schon immer führend in Recycling, alle Achtung vor dieser ingeniösen Spezies.

    Und, lieber Herr BvG, das „Haifischbecken“ hier ist für mich nur mit Sandtigerhaien besetzt. Das sind beeindruckende Tiere mit einem furchteinflößenden weil waffenstarrenden Maul, dessen Zähne jedoch – oh weh – nur kleine Fische festhalten können. Zu größerer Beute sind sie nicht fähig, nicht dazu gebaut. Kein Wunder, daß ich mich hier halten kann, weil einfach nicht so leicht zu fassen.

    Ja, und auch Sand trübt hier die Brühe, aufgewirbelt von den vielen aufgeregten Sandtigerhaien. Ich bin aber ein Fisch, der gern im klaren Wasser schwimmt, um klar zu sehen und sich nicht von Fehlfarben irritieren zu lassen. Auch Ideologie kann sedimentieren und den getrübten Blick befreien, wozu es aber ruhiges Wasser braucht. Von Ideologie gereinigtes klares Wasser ist etwas wunderbares. Noch weit besser als mein Spitzname, so wunderbar er auch ist.

  108. Nicht nur Veronika Grebe lege ich die Lektüre des des Beitrags zu Mikis Theodorakis‘ 90. Geburtstag in der FR vom 29.7. ans Herz! Ich habe noch keinen Griechen getroffen, der das ganze „Dilemma“ so gut (und mir unter die Haut gehend) formuliert hat. DANKE, FR !

  109. „E pruribus unum“
    „E pluribus unum“ steht im Wappen der Vereinigten Staaten – „aus vielen eines“. Es war der Leitgedanke seit 1792, der die USA zu dem machten, was sie heute sind. Es bedurfte vieler Krisen – auch Wirtschaftskrisen – und eines mörderischen Bürgerkriegs, um den Satz in all seinen Facetten zu verstehen. Dazu gehörte auch die Einsicht der politischen Elite zu erkennen, dass die Einheit nur dauerhaft Stabilität verspricht, wenn die integrativen Kräfte stärker sind als die Fliehkräfte, gleich welcher Art.
    In den USA findet daher seit Jahrzehnten ein fiskalischer Ausgleich statt, um konjunkturelle Dellen bzw. unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen der Einzelstaaten auszubalancieren. So fließen höhere Mittel aus den Staaten mit hohem Wachstum in den Bundeshaushalt, ohne dass diese Staaten stärker daraus profitieren. Das Geld bekommen die Schwächeren. Gleiches gilt für die US-Arbeitslosenversicherung. Staaten mit höherer Arbeitslosigkeit erhalten vom Bund mehr Geld für Arbeitslose als Staaten mit niedriger Arbeitslosigkeit. In den Vereinigten Staaten werden auf dieser Weise ausgleichende Transferleistungen vom Bund an die Peripherie ermöglicht, die den Zusammenhalt stärken. Die EWU verfügt auf der Basis von Struktur- und Kohäsionsfonds bestenfalls in Ansätzen und in keiner Weise hinsichtlich der Größenordnung über ähnliche Mechanismen, was sich seit Beginn der Krise immer massiver bemerkbar macht.
    Interessant ist, dass US-Bundesstaaten kein Defizit in das nächste Haushaltsjahr übertragen können – der Haushalt muss also am Jahresende ausgeglichen sein (Ausnahme ist Vermont). Allerdings können alle Einzelstaaten aus Investitionsgründen („auf Pump“, wie es bei uns so schön heißt) Schulden in Form von Anleihen machen, die von Ratingagenturen bewertet und auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden. Einen horizontalen Finanzausgleich wie in Deutschland zwischen den Bundesländern gibt es nicht (Länderfinanzausgleich). Dafür bietet der Bund in den USA den Einzelstaaten Finanzhilfen, die sich auf immerhin durchschnittlich 30% deren Ausgaben summieren. Dies sind u. a. Medicaid und Federal Grants. Die Größe der Finanzhilfe unterscheidet sich erheblich: So erhält Oregon nur etwa 20% seiner Ausgaben aus dem Bundestopf, während Arizona über 40% bekommt.
    Trotz ähnlich heterogener Bedingungen wie innerhalb der EWU (sieht man von Sprache und Kultur ab), schaffen die USA durch fiskalische Ausgleichsmechanismen die Zentrifugalkräfte ihrer Föderation im Griff zu halten. Weil am Ende der Bund mittels Transfer die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Staaten in angemessener Weise ausbalanciert. Die EWU zeigt durch das Verhalten vor allem gegenüber Griechenland, dass sie diesen Weg nicht beschreiten will. Griechenland ist allerdings nur die Blaupause für ein grundsätzlich anderes Modell Europas. Die in Brüssel diskutierten Vorschläge zur weiteren Angleichung der EWU laufen auf ein nationales Wettbewerbsverhalten hinaus, befeuert von sogenannten „Wettbewerbsräten“, die u. a. Lohnleitlinien festlegen. Das sollen demnach nicht mehr die Tarifpartner, sondern Technokraten in Brüssel entscheiden. Löhne sind nach dieser Vorstellung lediglich Kosten, ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit. Dass sie gleichermaßen auch Nachfrage erzeugen, Kaufkraft und Wohlstand dokumentieren, wird von den Brüsseler Technokraten nicht diskutiert. Damit wird eine Abwärtsspirale der Löhne unvermeidlich, denn es wird immer ein Land geben, dessen Löhne niedriger sind als die der anderen. Im Falle der USA würde das bedeuten, der vertikale Fiskaltransfer (Washington – Einzelstaat) würde durch die Forderung nach niedrigeren Löhnen im jeweiligen im schwächer aufgestellten Einzelstaat ersetzt. Das genau machen die USA aber nicht – sie bieten stattdessen Transferleistungen. Zu niedrige Löhne werden in den USA durch Wanderungsbewegungen der arbeitenden Bevölkerung aufgefangen.
    Brüssel favorisiert – unterstützt durch den IWF – massive Eingriffe in nationale Entscheidungen, zwingt weiterhin statt auf Konjunkturhilfen zu setzen zu einer erfolglosen und zugleich Armut erzeugenden „Austerity Trap“ und verspielt, verliebt in den Wettbewerbsgedanken der Nationen, eine gute Idee. Die Idee, dass Europa eins werden könnte, würde es von den USA lernen. Na gut, könnte man sagen, die USA sind gut 200 Jahre weiter als wir. In diesem, für die Einheit wesentlichen Punkt, sind sie es wirklich. Soviel Zeit wird man Europa leider nicht geben, um „e pluribus unum“, das Ziel, das wir einmal hatten, zu werden.

  110. Sehr geehrte Frau maiillimi (#113),

    ich habe den Artikel über Theodorakis gelesen, und je länger ich las, desto bekümmerter bin ich geworden.

    Auch große, ja die allergrößten Komponisten waren Menschen mit ihren Schwierigkeiten. Fehlbar wie andere im normalen Leben, jedoch als Komponisten mit dem Sinn der Untrüglichkeit bishin Unfehlbarkeit ausgestattet. J.S. Bach und Mozart zum Beispiel. Theodorakis habe ich immer gemocht ob seines glänzenden musikalischen Instiktes und lasse selbst dann nicht davon ab, wenn er sich im Alltagsdasein so vergaloppiert, wie es anderen Menschen leider auch unterläuft. Und da schützt ihn dann auch sein Nimbus als großer griechischer Komponist nicht, wenn er sich zu derart herbeigeholten Aussagen verleitet sieht wie, Griechenland sei während der deutschen Besatzungszeit „vernichtet“ worden. Bei allem was recht ist, Griechenland war kein Vernichtungslager der Nazis, wie es die KZ´s gewesen sind. Bei allem Unrecht, das Deutsche dort verübt haben.

    Zur heutigen Situation Griechenland´s sagt Herr Theodorakis, ohne ersichtlichen Grund sei Griechenland von einem auf den anderen Tag plötzlich ein „unterjochtes“ Land geworden. Und die Bevölkerung werde „in eine Krise gestürzt“. Es sei „lächerlich“, dafür die Schulden verantwortlich zu machen. Etc etc.

    Wissen Sie was, maiillimi, der Respekt vor dem alten und hochverdienten Mann verbietet es mir, das eingehender zu kommentieren.

  111. V. Grebe hat oben unter # 72 geschrieben: „Es wäre an der hohen Zeit, daß die FR einmal Anstrengungen zur Versachlichung der Debatte unternähme.“ Wenn die Redaktion einschreiten sollte, sollte sie es auch gegen V. Grebe tun, der /die (fast) alle Blogger hier sowie alle griechischen Mitmenschen, seien es gewählte Politiker oder geachtete Komponisten aufs übelste beschimpft, alles pauschal in einen Topf wirft und wie Wolfgang Geuer oben richtigerweise schreibt, „zu einem Brei zusammenrührt,dessen Geschmacklosigkeit nur vom Koch nicht bemerkt wird“.

    V. Grbe scheint wohl zu bedauern, nicht schon während der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg oder während der Militärdiktatur von 1967-1974 seine/ihre Wut an den dortigen Mitmenschen ausgelassen zu haben.

  112. Entschuldigung an alle, dass ich zu lange die Einfügetaste gedrückt habe. Das ist der Grund, warum der Text doppelt erschien. Soll nicht mehr vorkommen. Aber beim Thema Griechenland / Europa werde ich wohl noch einige Zeit bleiben.

  113. @grebe#112

    Es ist schade, daß Sie so überheblich reagieren.
    Das ist nun wohl der klare Beweis dafür, daß es Ihnen hier nicht um ernsthaften Austausch geht.

  114. Lieber Herr BvG (#118),

    nun seien Sie doch nicht so humorlos.

    Ich wehre mich hier nur gegen die Unterstellung, ich sei „kaltherzig, machtbewußt und habe ein häßliches Gesicht“.

  115. # 119, V. Grebe, dass Sie kaltherzig und machtbewusst sind, beweisen ihre Ausführungen, es sind also demnach keine Unterstellungen;
    ob Sie ein hässliches Gesicht haben, kann ich nicht beurteilen, weil ich Sie noch nie gesehen habe, aber daruaf lege ich auch keinen Wert.

  116. Ich finde, diese kleinen, mehr oder weniger beleidigenden Scharmützel (auf beiden Seiten!) zwischen V. Grebe und einigen anderen Bloggern bringen uns nicht weiter. Wir wissen mittlerweile alle aus den vewrschiedensten Threads, dass V. Grebe immer grundsätzlich anderer Meinung sein muss als das Gros der anderen Diskussionsteilnehmer. Möglicherweise gehört das zu seiner Persönlichkeit, möglicherweise macht es ihm auch nur Freude, andere zu provoziern und sich dann an ihrer Empörung zu delektieren. Diesen Spaß sollten wir ihm nicht gönnen, indem wir uns dem aggressiven Ton anpassen, den er vorgibt.

    Sorry, hier spricht die alte Lehrerin: Déformation professionelle nennt man sowas 🙂

    Zu Herrn Geuer #114
    Auch ich würde mir ein Europa wünschen, das sich in seinem Zusammengehörigkeitsgefühl und seiner praktischen Kooperation dem Modell der USA annähert. Das ist aber wohl aufgrund der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte der beiden Staatenbünde schwierig:
    Die USA haben sich aus einer Gruppe von ehemaligen Kolonien gebildet, deren gemeinsames Bestreben es war, sich vom Mutterland abzulösen und politische Freiheit zu genießen. Bevor sich diese Teilstaaten zu dem von Ihnen zitierten „unum“ zusammengefügt oder sich ihm angeschlossen haben, besaßen sie – auch weil ihrerseits in der Bevölkerungszusammensetzung sehr heterogen – kaum eine nationale Identität. Die meisten Staaten Europas dagegen haben über Jahrhunderte hinweg ein Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit entwickelt, das zudem gerade durch Rivalitäten mit und Kriege gegen die Nachbarstaaten gestärkt wurde. Dieses über Jahrhunderte verfestigte, von offenen oder unterschwelligen Ressentiments gegen die nun plötzlich Verbündeten geprägte Gefühl der nationalen Zugehörigkeit in einem übergeordneten europäischen Einheitgefühl aufgehen zu lassen, ist ungleich schwerer und dieser Prozess wird in der Tat, wenn er überhaupt zu Ende zu führen ist, sehr lange dauern.
    Um so wichtiger wäre es, dass gerade Deutschland, das ja von vielen anderen EU-Staaten mit Recht aufgrund seiner Verfehlungen in der Vergangenheit mit besonderem Misstrauen beäugt wird, sich besonders um Vertrauensbildung und ein gleichberechtigtes, solidarisches Zusammenrücken der europäischen Staaten bemühen würde.
    Aber leider fehlt unserer derzeitigen Regierung, vor allen Wolfgang Schäuble, das Gespür dafür völlig.

  117. Sehr geehrte Frau Ernst (#121),

    den aggressiven Ton, den Sie mir unterstellen, habe ich hier vorgefunden. Ich repliziere nur, bin nur der Spiegel für die zahlreichen Gehässigkeiten und Schmähungen, die in breitester Front gegen politisch Andersdenkende vorgetragen wurden und werden. Wenn ich zuweilen mit kräftigen Strichen gegenhalte, dann hat das vor allem mit der bis ins Extrem gehenden Einseitigkeit vieler hier eingestellter Standpunkte zu tun. Dann mag übrigens durchaus auch ein wenig Spott mit dabei sein. Das hat jedoch nichts mit Beleidigen zu tun, was ich hiermit als Unterstellung klar zurückweise.

    Die Klammer hier ist übrigens das Lesen ein und derselben Zeitung. Von dem ehemaligen sozialliberalen Anstrich der FR aus den 70er bis 90er Jahren finde ich im Moment weniger vor, als „meiner“ Zeitung gut tut, wie ich finde. Und wenn „meine“ Zeitung sich noch dazu einer bestimmten Politik- bzw. Denkrichtung verschreibt und sich dabei zu viele Auslassungen bei der Würdigung von Fakten und Gesamtumständen erlaubt, die in das Resümee einzufließen haben, dann bin ich alarmiert.

    Daß man sich als 1-Mann-Minorität in einem solchen Forum wohlfühlen kann, ist das für Sie nicht nachvollziehbar ?

  118. Sehr geehrte Frau Ernst,

    vielleicht kann ich schnell noch eine zweite Frage nachschieben, die Sie mir bitte zusammen mit der in #122 gestellten zu beantworten die Güte hätten ?

    Warum ist es bislang den vielen Austeritäts-Gegnern nicht möglich gewesen, meine dahingehende Frage zu beantworten, wie denn das 3. Bail-out-Programm für Griechenland mit den über 3 Jahre verteilten 90 Milliarden Euro unter den Bedingungen von Anti-Austerität beschaffen sein würde ?

    Warum herrscht hier permanent Schweigen im Walde, wenn man eine solche Frage stellt ? Erwischt man die Dauerankläger auf dem falschen Bein ? Haben sie sonst nichts zu bieten ? Heißt das Schenken ohne Bedingungen, habe ich zurückgefragt. Und was kam ?

    Schweigen.

    Und wenn das Geld verbraucht ist, etwa wieder schenken ?

    Schweigen.

    Da rauft man sich entweder die Haare, sehr geehrte Frau Ernst, oder man konstatiert die unfreiwillige Satire, die hier permanent abläuft.

    Mein Haare sind zu kurz, als daß ich sie raufen könnte.

  119. # 123, V. Grebe: ganz einfach, schauen Sie sich doch endlich die wiederholt zitierten Ergebnisse des Londoner Schuldenabkommens von 1953 an, insbesondere die Aussagen des Bankiers Abs, der bestimmt nicht als Linker verdächtigt werden kann, zu den fatalen Folgen der Austerität.

    Des Weiteren gibt es etliche Vorschläge von der griechischen Regierung, bevor Schäuble & Co. Alexis Tsipras die Pistole an die Schläfe gesetzt und sich nach dessen Zustimmung halb tot gelacht haben (s.Foto im Stern vom 30.07.2015).

    Das dümmste Beispiel der Austerität stellt die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen wie Strom-, Wasserversorgung oder Flughäfen dar. Die praktizierten Beispiele in Deutschland zeigen, dass die betroffenen Städte nur Verluste eingefahren haben, während die Bürger verstärkt zur Kasse gebeten wurden. So werden in Griechenland durch private Betreiber von Strom- oder Wasserversorgern nicht nur die ohnehin schon z.T. arbeitslosen Bürger mit höheren Gebühren belastet, sondern auch die öffentlichen Einrichtungen, während der Verkaufspreis durch Bieterabsprachen nur ein Nasenwasser darstellt, mit dem sich keine Schulden abzahlen lassen.

    Ein Paradestück der Dummheit der Austerität liefert der – erzwungene – Verkauf der 14 einnahmestärksten Flughäfen im Land an Fraport, während Griechenland die 30 armen Flugäfen selbst verhalten muss. Also suchen sich die Beutejäger der Privatisierungen immer nur die Einrichtungen heraus, die Gewinne erwirtschaften; diese Gewinne könnte der griechische Staat auch selbst gebrauchen. Aber der Erlös für den Verkauf ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Sollten Ihnen diese Argumente immer noch nicht ausreichen, empfehle ich Ihnen einen Kurs in der Volkshochschule in Volkswirtschaft sowie auch in Geschichte der Weimarer Republik.

    Aber dazu sollten Sie auch Argumenten zugänglich sein, nicht wie ihr Freund Schäuble, verbissen, verbohrt und arrogant auf deutscher Hegemonialmacht verharren sowie endlich das Feindbild, das Sie gegenüber den Mitmenschen in Griechenland haben, ablegen!

  120. @ V. Grebe

    Antwort zu Frage 1:
    Nein, ich kann es nicht nachvollziehen, dass jemand es nie über sich bringt, seinen Diskussionspartnern auch einmal in einzelnen Punkten zuzustimmen. Ich persönlich versuche immer, offen für die Argumente anderer zu bleiben, sie zu reflektieren und mich nicht auf eine grundsätzliche Pro- oder Contra-Haltung zu versteifen. Deshalb habe ich mich bisher noch nicht über einen längeren Zeitraum in einer 1-Frau-Minorität befunden.

    Zu Ihrer zweiten Frage, die Peter Boettel in #124 ja zum Teil schon beantwortet hat:

    Neben einigen Strukturreformen, die ich in Griechenland für dringend nötig halte (effektives Eintreiben angemessener Steuern, Bekämpfung der Korruption, Verschlankung der Administration, aber nur auf lange Sicht), halte ich ein durchdachtes Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft, also Investitionen und Investitionshilfen, für das Wichtigste, z.B. auf dem Gebiet der nachhaltigen Energieerzeugung (Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft), wie es in diesem Thread ja schon angeregt wurde. Leider kenne ich die Vorschläge, die Tsirpas der EU in dieser Richtung gemacht hat, nicht, und ich bin auch keine Volkswirtin, aber auch Paul Krugman hat sicher konkrete Vorstellungen, wie man der griechischen Wirtschaft besser auf die Beine helfen kann, als das durch die bisherige Austeritätspolitik möglich war.

  121. @ Herr Grebe

    Fragen, nichts als Fragen…

    Das „dritte Bail-out-Programm“ für Griechenland? Herr Grebe, wovon reden sie eigentlich? Ein „Bail- out Programm“ für Griechenland gab es zu keinem Zeitpunkt. Alle bisherigen Programme sind nach der vorliegenden Beschlusslage der beteiligten Partner Hilfsprogramme, die auf der Basis einer Verknüpfung von Krediten mit Sparprogrammen den insolventen Partner „retten“ sollten. Ein Bail-out-Verfahren ist im Übrigen aufgrund der „Nicht-Beistands-Klausel“ der EU-Mitglieder ausgeschlossen. Allerdings könnte man den ausgehandelten Schuldenschnitt für Griechenland im Jahr 2012 als einen „Teil-Bail-Out“ verstehen. Er kam allerdings zu spät und zu halbherzig, um die verfahrene Situation Griechenlands zu verbessern.

    Ihre Frage, Herr Grebe ist also falsch gestellt und wie bei einem Hemd, dass man falsch zuzuknöpfen beginnt, verhält es sich mit einer falschen Frage – man kann sie nicht richtig beantworten, bestenfalls im Falschen. Um im Bild zu bleiben, das Hemd wäre dann am Ende immer noch falsch geknöpft, nur vielleicht jetzt vollständig, was jedoch die Sache an sich nicht besser macht. Darum habe ich geschwiegen.

    Die Frage wird außerdem nicht besser, wenn sie einen Begriff einführen, der ebenso falsch ist, wie ihre Frage selbst: „Anti-Austerität“! Was bitte soll das sein? Ich kenne den Begriff nicht, und je mehr ich darüber nachdenke, desto unklarer wird er für mich. Bedeutet es, gezielt Geld zum Fenster hinauszuwerfen? Das wäre ein Fall für die Psychiatrie, meine ich. Bedeutet es, Kosten in Kauf zu nehmen, um langfristige, wichtige Ziele zu erreichen? Von Letzterem möchte ich reden, wenn in einer wirtschaftlichen Krise, in der Unternehmen und private Konsumenten nicht mehr investieren und der Kollaps der Wirtschaft droht, der Staat an deren Stelle durch Investitionen die Wirtschaft am Laufen hält und zugleich durch Beschäftigung und entsprechendes Lohnaufkommen Arbeitsmarkt und Nachfrage stabilisiert. Zugleich entstehen staatliche Einnahmen durch Steuern. Denn das Gemeinwesen ist letztlich immer „lender of last resort“, um in großen Krisen das Schlimmste (Kollaps der Wirtschaft, grassierende Armut, politische Instabilität, usw.) zu verhindern. Und genau wäre ein sinnvolles Programm, um innerhalb der EWU die Krisenländer auf Wachstumspfad zu bringen. Das hieße für die Gläubiger nichts anderes, als die Rückzahlung zu garantieren. Der jetzige Weg wird dagegen die EWU destabilisieren (einer der größten Spekulanten weltweit, Soros, ist diesbezüglich schon länger dieser Meinung).
    Eine Anmerkung zum Begriff „verbrauchtes Geld“, offenbar eine Lieblingspanik von ihnen. Geld „verbraucht“ sich nicht einfach, das kann es nicht. Denn dem Geldwert stehen natürlich Waren, Produkte, Dienstleistungen usw. gegenüber, und nur die können verbraucht werden. Geld verschwindet nicht durch die kalte Küche. Das Geld hat am Ende, wie es so schön heißt, „ein anderer“. Wenn sie das mit „verbraucht“ meinen, hat das nichts mit den Kreditgeschäften der Rettungspakte zu tun, die intentional auf Rückzahlung ausgerichtet waren und sind. Dass die Rückzahlungen vielleicht ins Stocken kommen, will ich nicht ausschließen, dann liegt es jedoch an dem von Beginn an falschen Programm der Gläubiger, die trotz zahlreicher Hinweise u. a. des IWF den Schuldenschnitt – die einzig richtige Lösung – kategorisch ablehnten. Im Übrigen bestätigt der IWF eins ums andere Mal auch, dass die Griechen wie noch kein Land der Erde nach dem zweiten Weltkrieg in den letzten fünf Jahren gespart haben. Aber genau darin liegt das Problem.

    Ein weiterer Punkt: Sie sprechen von „wieder schenken“ und meinen Kredite der Gläubiger. Bisher haben die Griechen für die Kredite bezahlt, Deutschland hat z. B. 360 Mio. Euro an Zinsen bekommen, die anderen Gläubiger ebenfalls, wenn auch nicht in gleicher Höhe, weil sie weniger geliehen haben. Selbst beim Schuldenschnitt konnten gewisse Gläubiger (Hedgefonds und private Anleger, die griechische Anleihen massenhaft gekauft hatten – üblich waren damals etwa 40% des Nominalwertes) Gewinne einfahren. Sie bekamen nämlich beim Schuldenschnitt von 53% genau 47% des Nominalwertes erstattet. Das waren zwar keine 900%, die sich mancher Hedgefonds bei einem kurzfristigen Einstieg wenige Wochen vor dem Haircut erhofft hatte, aber immer noch, auf das Jahr gerechnet, deutlich über 25%. Man konnte also auch am Schuldenschnitt verdienen. Und sagen sie mir, wo bekommen sie heute 25% Rendite? Bezahlt haben dafür die Griechen…

    Letzte Bemerkung. Ihre Fragen sagen sicher mehr über ihre ungenaue Wahrnehmung und Beschreibung der Probleme als über die Griechenlandproblematik aus. Und manchmal ist es sinnvoll, selbst nach Antworten auf die eigenen Fragen zu suchen. Im besten Fall stellt man dann sogar fest, dass man seine Fragen ändern muss, weil sie das Problem nicht korrekt beschreiben.

  122. @ Frau Ernst # 121

    Liebe Frau Ernst,
    die Historie ist zweifellos ein bedeutender Faktor, der es Europa erschwert „eins zu werden“. Ihre Beschreibung der Umstände, die das Zusammenwachsen der Vereinigten Staaten begünstigt haben, bestätige ich gerne. Und Kriege, Vertreibung, „Erbfeindschaften“, nationalistische Ressentiments, Sprache, Gewohnheiten und vieles mehr sind in Europa Barrieren, die nur schwer aus dem Weg zu einem Vereinigten Europa geräumt werden können. Also haben wir alle ein schweres Gepäckstück auf der Strecke zu tragen, um den Weg doch zu schaffen.

    Mir ist beim Vergleich der Vereinigten Staaten mit der EWU allerdings klar geworden, dass Transferleistungen zwischen den Nationen ähnlich dem Länderfinanzausgleich bei uns angesichts der verschiedenen Ökonomien, die wir zusammenbringen wollen, unumgänglich sind. Ein Gedanke, der insbesondere in Deutschland kategorisch abgelehnt wird. Mit anderen Worten, der Hauptprofiteur des Euro aufgrund seiner Exportüberschüsse, die zu über 60% aus den Exporten innerhalb der EWU entstehen, baut auf ein Modell der nationalen Konkurrenz. So, als wären Nationen und Betriebe gleichzusetzen und der Konkurrenzkampf zwischen ihnen ebenfalls vergleichbar. Genau das ist jedoch nicht so.

    Betriebe beginnen als Start Up, wachsen, werden vielleicht sogar transnationale Unternehmen, wenn sie sehr erfolgreich sind und können, bei Misserfolg, jedoch auch „untergehen“. Der Sinn der Konkurrenz, an die wir heute alle glauben, liegt darin, dass Produkte durch Konkurrenz besser, neue Ideen generiert und optimierte Organisationsformen zur besseren Versorgung entwickelt werden. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer. Die Verlierer verschwinden vom Markt, ohne dass dies zum Schaden aller wird. Übertragen auf Nationen und zu Ende gedacht, wenn Nationen verlieren, bleibt die Frage, was wird aus ihnen? Die verschwinden nicht einfach? Sie sind noch da, werden aber zu zerfallenden Gemeinwesen mit politischer Instabilität und sozialen Notlagen. Herrschaftsformen, die wir uns besser nicht vorstellen sollten, entstehen unter den sich entwickelnden anomischen Verhältnissen. Die Menschen versuchen verzweifelt, ihr Gemeinwesen in Gang zu halten, während sich nach und nach Verhältnisse wie in Somalia, Irak oder Syrien etablieren.

    Während die Belegschaft eines Betriebes nach einer Pleite in einem anderen Betrieb arbeiten kann und in der Übergangszeit von der Arbeitsagentur oder einer Sozialeinrichtung unterstützt wird, erzeugt der Wettbewerb zwischen Nationen verlorene Völker, weil kein anderes Land sie auffangen wird. Das von der Geld- und Politelite konzipierte Wettbewerbsmodell für Europa nimmt langfristig das Scheitern von Nationen billigend in Kauf, ich fürchte sogar, es rechnet damit und ignoriert dieses. Die Blaupause können wir heute schon in Griechenland betrachten. Europa steht derzeit gleichgültig dabei, wenn Menschen ohne Krankenversicherung keine lebensnotwendige OP bekommen. Wir sollten das Wettbewerbsmodell der Nationen daher so schnell wie möglich als Sondermüll entsorgen und durchdachte Wege in ein vereinigtes Europa gehen.

  123. Die Ganze Diskussion blendet aus das man letztlich Geld da holen muss wo es ist und wie es um die Verteilung des Geldes aussieht ist denke ich bekannt. In G. ist das nicht anders als in D.. G. ist nur 10 , 15 Jahre weiter wenn wir so weiter machen mit der Umverteilung von unten nach oben

  124. #127
    Ich kann Ihnen nur zustimmen, Herr Geuer. Leider lehnt die Mehrheit der EU-Bürger (nicht nur Deutschlands. Man betrachte z. B. Großbritannien) einen solchen Finanzausgleich ab, und unser politisches System basiert auf Mehrheitsentscheidungen. Ich weiß nicht, vielleicht kapiert es unsere Bevölkerung dann, wenn klar wird, dass das Wegbrechen der Absatzmärkte in den Verlierenländern auf Kosten unserer eigenen Exportmöglichkeiten geht.

  125. Wie groß die Freude, eines Mitarbeiters der bei einem deutschen Schlachthof mit einem Werksvertrag für 2 Euro/Std arbeitet, ist? Immerhin ist er bei einem Gewinnerland nicht wie die armen giechischen Reeder.

  126. Sehr geehrte Frau Ernst (#125),

    Sie werden sicherlich verstehen, daß ich mich keinem Proporz im Zustimmen oder Ablehnen hier eingestellter Meinungen unterwerfen kann. Ich muß es nehmen, wie es kommt, und das hat selbstverständlich auch umgekehrt zu gelten.

    Ich sagte schon einmal, daß ich in der sozialliberalen Ära Abonnent der FR geworden bin. Die FR ist damals als sozialliberal eingeordnet worden nicht zuletzt deswegen, weil sie sich selbst so definiert und publizistisch artikuliert hat. Interessanterweise lese ich nun auf der Titelseite der Jubiläumsausgabe zum 70. das Wort „linksliberal“. Von „sozialliberal“ nach „linksliberal“ also hat sich die Marschrichtung der FR verändert, und die Begriffsverschiebung ist keineswegs nur dem Zufall, sondern ganz offenkundig einer substantiellen Änderung in der Grundausrichtung der FR zuzuschreiben, wie sie übrigens auch Chefredakteurin Bascha Mika vor einigen Wochen im Presseclub der ARD vorgetragen hatte (meine Kritik daran ist im Faden „Schicksalstage …“ nachzulesen). Die FR hat damit auch eine neue Leserschaft an sich gebunden und eine ältere vice versa verloren. Kein Wunder also, daß ich hier wie ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit wirke. Umso schöner ist es, die hier anzutreffenden „linksliberalen“ Ansichten mit ihrer, wie sagte ich doch, bis ins Extrem gehenden Einseitigkeit zu konfrontieren. Was ist auf der Titelseite der FR noch zu lesen ? Richtig, von „standhaft“ ist noch die Rede. Im Falschen jedenfalls sollte man nie zu standhaft sein. Sonst handelt man sich das Adjektiv „unbelehrbar“ ein.

    Auch ich bin kein Wirtschaftler. Dennoch fließt einem aufmerksamen Zeitgenossen durchaus einiges Wissen über Wirtschaft und die Zusammenhänge von Wirtschaft und Politik zu. Aus einer solchen Perspektive heraus argumentiere ich hier. Dem 2. Absatz Ihres Beitrags kann ich deshalb ohne weiteres zustimmen. Was Sie vortragen, dürfte im übrigen auch den Ansichten der Troika bzw. der Institutionen weitgehend entsprechen, also auch der Kommission und der Eurogruppe. Schön finde ich, daß Sie die Reformen, die die Griechen selbst zu leisten haben, als erstes nennen. Die Antwort auf die Frage danach, was nämlich die Griechen selber zur Wirtschaftsgesundung ihres Landes beitragen können, ist hier im Faden ebenso permanent im Sande versickert, wie sich Herr Geuer im Beitrag (#126) ein x-tes Mal um eine Beantwortung meiner Fragen gedrückt hat.

    Meine eigentliche Frage danach, wie die finanzielle Hilfe für Griechenland unter Vermeidung von austeritären Effekten beschaffen sein würde, haben indes weder Sie noch Herr Boettel (#124) beantwortet.

    Herr Boettig (#124),

    Privatisierungen erscheinen zur Gesundung der griechischen Wirtschaft (bzw. was davon noch übrig geblieben ist) als überlebensnotwendig. Ein Staat, der es kaum über einen „Rohentwurf“ hinaus geschafft hat, wäre der letzte, dem ein Aufbau der griechischen Wirtschaft zuzutrauen wäre (eine solche treuherzige Hoffnung hat Herr Geuer in einem Beitrag neulich zum Besten gegeben !). Daß der griechische Staat sich über die Erlöse auch an einer Finanzierung der eigenen Schulden beteiligt und nicht ausschließlich das Volksvermögen der Geberländer zum Stopfen der griechischen Haushaltslöcher herangezogen werden kann, ist nur recht und billig. Einen Schonparagraphen für griechisches Staatsvermögen kann und darf es nicht länger geben, wenn nicht Volksaufstände in den Geberländern provoziert werden sollen.

  127. Lieber Herr Geuer (#126),

    die Deutsche Bundesbank definiert auf ihrer Webseite den Begriff „Bail-out“ wie folgt, Zitat.

    „Ein Bail-out ist eine Maßnahme zur Rettung einer Institution im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit auf dem Weg einer Entschuldung oder der Bereitstellung neuer Kredite durch Dritte. Ziel des Bail-out können Unternehmen oder staatliche Institutionen sein.“

    Diese Definition trifft exakt auf das zu, was mit der Griechenland in der Vergangenheit geschehen ist und – mit Hilfe des 3. Hilfspakets – für die Zukunft anvisiert wird. Es wird rückblickend auch von einem „mulitalteralen Bail-out“ Griechenland´s gesprochen.

    Ihre kritischen Bemerkungen zur Verwendung der Begriffs „Bail-out“ sind schlicht und einfach falsch. Um dann noch am Ende kleinlaut zuzugeben, es sei vielleicht doch ein „Teil-Bail-Out“ gewesen. (…)

    Dies war ein schlechter Einstand für einen Beitrag, der mit vielen Worten und abermalig die einfache Tatsache zu verschleiern sucht, daß Sie zwar ein Kritiker der Austerität sind sind, aber nicht antworten wollen und/oder können, man man sie nach ihren Rezepten „anti-austeritärer“ Hilfe für Griechenland fragt.

    Richtig hilflos werden Sie, wenn Sie sagen, daß Ihnen immer weniger klar sei, was ich mit „anti-austeritär“ meinte. Natürlich könnte ich ja auch formulieren, wie denn Ihre Griechenlandhilfe finanzieller Art aussähe, die frei von „Austeritätseffekten“ wäre. Oder soll ich von Ihrer Politik sprechen, die „der Austerität unverdächtig“ sei, ist Ihnen das lieber ? Soll ich ein Kürzel einführen, etwa „dAu“, also „(d)er 8A)usterität (u)nverdächtig, um es Ihnen zu erleichtern ?

    Sie wollen nicht antworten, Sie können nicht antworten. Denn Sie ahnen, ich würde kaum zögern, Ihre Vorschläge einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Es mag auch sein, daß Ihre „dAu“ Vorschläge nicht soweit entfernt sind von dem, was die Gläubigerstaaten wollen. Denn auch Sie haben ja einmal hier zugegeben, daß es ohne Sparen, ohne Austerität, wohl nicht gingen. War das nun ein Versehen, ein Ausrutscher, ein Black out ?

    Wie lange wollen Sie noch kneifen ?

    (…) Passage gelöscht, Anm. Bronski

  128. # 128 u. 130, hans: Es wird, wie Sie schreiben, auch bei uns so kommen: Schäuble wollte ein Steuerhinterziehungsabkommen mit der Schweiz abschließen, wurde damals glücklicherweise vom Bundesrat gestoppt, er verhindert die Finanztransaktionssteuer, er schont bei der Erbschaftssteuer die Reichen.

    In Griechenland hat er die von Tsipras geplante Sondersteuer für hohe Einkommen abgelehnt; während er in Deutschland die Mehrwertsteuer für Hoteliers gesenkt hat (ohne dass die vorhergesagten Auswirkungen wie Investitionen, Einstellungen bzw. bessere Entlohnung des Personals oder günstigere Preise eingetreten wären) hat er sie in Griechenland erhöhen lassen, so dass die dortigen Einkommen des Personals geschwächt werden, die Touristen wegbleiben etc.

    Ich frage mich, was daran „Reform“ oder gar christlich demokratisch sein soll, und Gabriel macht munter mit, was wiederum nichts mit sozial, gleich oder solidarisch zu tun hat.

  129. Brigitte Ernst @ 129

    Wir sind heute in Europa – da haben sie vollkommen Recht – weit von einem Bundesstaat amerikanischer Provinienz entfernt. Die EU-Bürger werden in der Mehrheit der Ereignisse und gesetzlichen Regelungen überhaupt nicht gefragt. So hat man sie in der Vergangenheit die bei der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages überwiegend und natürlich gezielt nicht beteiligt. In den wenigen Fällen, wo Befragungen durchgeführt wurden, haben die Bürger durchaus eigene Positionen reklamiert.

    Allein der Parlamentsvorbehalt bei Gesetztesänderungen der EU macht deutlich, dass eine demokratische Legitimation der EU bis heute nicht existiert. Das haben die Richter des BVG festgestellt. Somit bleiben die nationalen Interessen die wichtigste Determinante innerhalb Europas. Und damit haben die wirtschaftlich stärksten Länder, allen voran Deutschland, das Sagen.

    Das ist den wirtschaftsliberalen Kräften vor allem in Deutschland sehr sympatisch, weil sie heikle Themen – z.B. die Dienstleistungsrichtlinie, mit der Arbeitnehmerrechte ausgehebelt werden, gerne über die nicht demokratisch legitimierte Kommission abwickeln. Motto: „Da kann man eben nichts machen…“. In Verbindung mit dem Pressemainstream von Bild bis zu den öffentlichen Sendern rauscht dazu ein Bild vom faulen und betrügerischen Olivengürtel ins Hirn, das jede ökonomisch abwägend-rationale Haltung im Keim erstickt.

    Am Ende können Schäuble und Merkel ungestört die EWU in ihrem Sinne vorantreiben. Als da wären u. a. Wettbewerbsverträge, durch die Einzelstaaten wie Prifitcenter agieren müssen. Den Takt gibt die Kommission vor: Kosten runter (niedrige Renten, niedrige staatliche Ausgaben für Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung) und die Lohnentwicklung überlässt man nicht mehr den Tarifpartnern, sondern „neutralen“ Kräften, die in Brüssel Festlegungen treffen. Gleichzeitig darf sich der Finanzmarkt weiter im Schattenreich der außerbilanziellen Zweckgesellschaften, Währungs- und anderer Wetten (auch auf Nahrung) austoben.

    Die Spitzen der EWU sind schon gezielt dabei, unsere kleine Welt in diesem Sinne „weiterzuentwickeln“. Man redet nur ganz leise darüber und auch die Presse übt sich in Schweigepflicht.

    Aber was wäre zu tun? Aus meiner icht kommt es darauf an, das Legitimationsdefizit und die damit verbundenen Gefahren einer allein wirtschaftlich aufgestellten Union mit ihrer Kurzatmigkeit – es werden ja nur kurzfristig wirkende Bilanzinteressen bedient – aufzuzeigen und die Interessen der EU-Bürger insgesamt dagegen zu stellen.

  130. In Griechenland herrscht tiefe Rezession, die frisch eröffnete Börse crasht konsekutiv, und ein ganzes Land zeigt, daß es keinerlei Vertrauen in sich selber hat. Die Ärzte wollen streiken, die Bahner wollen streiken oder haben schon damit begonnen, Links-Syriza streikt offen, „syrizische“ Realos einschließlich Tsipras streiken innerlich, und die griechischen Bürger mit Vermögen werden nach allen Voraussagen von Experten streiken, sollten sie per „Bail-in“ zur Kasse gebeten werden. Stattdessen sollen ausschließlich die ausländischen Gläubiger zum Bail-in gebeten werden.

    Ein Bail-in, lieber Herr Geuer, ist laut deutscher Bundesbank übrigens wie folgt zu definieren, Zitat.

    „Bei einem Bail-in tragen die Geldgeber einer Institution deren Verluste mit. Die Zahlungsunfähigkeit eines Staates beispielsweise führt dann dazu, dass dessen Gläubiger nach einem festzulegenden Verteilungsschlüssel Teile ihrer Ansprüche verlieren oder aufgeben.“

    Ein Bail-in für ausländische Gläubiger Griechenland´s, Ausschluß eines Bail-in für griechische Gläubiger (jeder griechische Staatsbürger ist für die Schulden anteilig haftbar).

    Welche Schlitzohren haben sich das alles nur ausgedacht ? Nüchtern überlegt erscheint es vollkommen sinnlos, einem Staat Geld hinterher zu werfen, der nicht selber an sich glaubt.

    Der Verstand sagt mir, daß Griechenland die Last der Selbsterkenntnis über die eigenen Lage selber durchleben muß, um wieder nach oben zu kommen. Im Zustand der Selbstentmündigung ist eine glaubhaft positive Perspektive nicht vermittelbar.

  131. # 131 V. Grebe, zunächst, mein Name lautet Boettel, nicht Boettig,

    Dann ist festzustellen, dass Sie sich, wie von mir vermutet, in keinster Weise mit den Argumenten der Kolleginnen und Kollegen beschäftigen, sondern nur Ihre Meinung als die einzig wahre als Dogma herausstellen.

    Und Volksvermögen der Geberländer für Griechenland? Wie ich bereits an anderer Stelle hingewiesen habe, wurde noch kein Cent aus Steuermitteln an Griechenland zur Entschuldung gezahlt.

    Und noch einmal: Beschäftigen Sie sich bitte mit den Auswirkungen der Sparpolitik von Brüning, aber solche Folgen scheinen Sie wohl gern in Kauf zu nehmen?

  132. Ich bin inzwischen felstenfest davon überzeugt, das Griechenland als Blaupause dient bzw. dienen muß, um zu sehen, wie weit man es im Neoliberalismus treiben kann, ohne dass die Menschen revoltieren.

    Aber vielleicht gibt es keine Revulutionäre mehr – es geht ja auch bei uns nur noch eine Minderheit „uff die Gass'“. Die meisten resignieren, oder nehmen Drogen, legale und/oder illegale. Da es bei uns keine ernsthafte Opposition mehr gibt, wird der kapitalistisch-neoliberale Virus auch hier in D. bald sein Unheil stiften. Neusprech-Fans werden dann sicherlich dazu „Heil“ sagen.

  133. zu @ V. Grebe
    Nach ihrer Denke hätte es doch eine gewisse Logik wenn die 3,5 Millionen in D, die Hartz 4 beziehen, in Umschulung sind u.s.w., ihre deutsche Staatsbürgerschaft zurückgeben würden und die griechische Staatsbürgerschaft beantragen. Dann hätte man Gewinnervölker und Verlierer sauber getrennt. Merken sie wirklich nicht das es nicht darum geht welches Land für ein anderes bezahlt sondern darum das eine europäische Oberschicht in allen Ländern in der Finanzkrise immer reicher geworden ist und die Steuerzahler das bezahlen sollen. Die Finanzkrise ist von teilen der Oberschicht angezettelt worden und wird immer noch zum umverteilen genutzt. Man hat den USA bei einer Immobilienblase mitverdient und dann das Risiko zum Steuerzahler rübergeschoben. Jetzt dürfen sich die Steuerzahler in D. und in G. darüber streiten wer das bezahlt. Die Oberschicht in G. zahlt genau so viel Steuern wie in D. Das große Unternehmen keine Steuern bezahlen weiß man doch nur weil sie ihre Bilanzen veröffentlichen. Glauben sie das Leute die das nicht müssen die Steuerschlupflöcher deshalb nicht nutzen.

  134. Sehr geehrter @Hans (#138),

    ich glaube nicht, daß Ihr Erklärungsmuster irgendwie weiter hilft. Das Griechenlandproblem wäre, folgte ich Ihrer Theorie, dann eben so zu sehen, daß die Unterschichten in den Partnerländern die Unterschichten in Griechenland finanzieren. Auch das wäre höchst ungerecht. Ich denke, Sie sollten die Unterscheidung zwischen einer quasi allmächtigen Oberschicht und einer hoffnungslos unterlegenen Unterschicht einfach über Bord werfen. Zu einfach, zu falsch.

  135. Sehr geehrter Herr Boettel (#136),

    ich möchte Sie herzlich bitte, sich mit Argumenten zu beschäftigen und nicht mit der Frage, von wem sie kommen.

    Ich darf Sie ferner höflichst darauf aufmerksam machen, daß Sie und Ihre Bundesgenossen im Geiste es doch sind, die sich den Vermögensverlust für die Gebernationen mit dem Mittel des Schuldenschnitts so sehnlichst herbeiwünschen.

    Mit anderen Worten: Sie propagieren den Schuldenschnitt, nicht ich.

    Schon die Streckung der Zins- und Tilgungslasten ist ja bekanntermaßen ein indirekter Schuldenschnitt. Der Vermögensverlust für die Gebernationen hat also längst Fahrt aufgenommen.

    Ich fände es besser, wenn wir Maßnahmen zur Überwindung der Griechenlandkrise diskutierten und nicht Prinzipien. Nur dann kommen wir zu der Frage, ob eine Maßnahme für Griechenland tauglich ist oder nicht.

    Ein direkter Schuldenschnitt ist für mich untrennbar verbunden mit dem Austritt Griechenland´s aus der Eurozone.

    Und wenn die Griechen den Euro behalten wollen, dann müssen sie sich reformieren, reformieren, reformieren. Erst müssen sie Reform liefern, dann kann es Geld geben. Die Gebernationen sind lange genug hinter´s Licht geführt worden.

  136. # 137, ja, Wolfgang Fladung, es soll halt eine Schocktherapie werden, wie 1973 in Chile.

    Das Kapital möchte – im Verbund mit den ihm hörigen neoliberalen Politikern – ein Volk mit niedrigen Löhnen, aber hoher Steuerbelastung für die unteren Einkommensgruppen, schlechter medizinischer Versorgung, schlechter Bildung (Zugang zu den Bildungseinrichtungen nur für die sogenannte Elite), natürlich alle Privilegien einschließlich Steuerbefreiungen für die Oberschicht, völlige Deregulierung und Liberalisierung der sogenannten Märkte, insbesondere der Finanzmärkte, Privatisierung der öffentlichen Versorgung etc. etc.; TTIP, Ceta und Tisa werden es möglich machen, und das Volk schaut dumm aus der Wäsche und jubelt seinen Metzgern zu bis die Welt in Scherben fällt.

    Sollte es hinterher noch eine Menschheit geben, will keiner etwas gewusst haben, jemals die Bildzeitung gelesen oder die großen neoliberalen Führer, ob Merkel, Cameron, Obama, Rajoi,Poroschenko etc., bejubelt haben, wie nach dem 2. Weltkrieg.

  137. # 140, V. Grebe,
    ein sinnloser Kampf gegen Windmühlen, um welchen Vermögensverlust von wem (etwa der Banken?) geht es Ihnen?

    In der katholischen Eifel sagte man: „Manchen ist mit einer gesegneten Kerze nicht mehr zu helfen.“

    Auf den Fildern bei Stuttgart heißt es: „Dagegen (das Wort erspare ich mir) ist kein Kraut gewachsen.“

    Und Napoleon I., trotz mancher Fehler ein kluger Mensch meinte: „Dagegen kämpfen selbst Götter vergebens“

    Und somit beende ich die weitere Diskussion mit Ihnen.

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