Das Gaddafi-Regime in Libyen wankt, die Tage des Despoten scheinen gezählt. Er herrscht mittlerweile offenbar nur noch über die Hauptstadt Tripolis, in der rund zwei der sechseinhalb Millionen Libyer leben. Und auch Tripolis hat er nicht mehr sicher: Die Stadt erhebt sich, Demonstranten haben nach Berichten von Al-Dschasira bereits einige Vororte übernommen. Niemand kennt die genaue Zahl der Toten, es dürften Hunderte sein. Gaddafis Milizen haben dort noch längst nicht aufgegeben: Nachts dringen sie in Wohnhäuser ein und richten Oppositionelle hin. Gaddafi, der in mehreren skurilen Auftritten deutlich zu erkennen gab, dass er unter schwerem Realitätsverlust leidet, will noch lange nicht aufgeben. Menschenleben sind ihm gleichgültig.
In Ost-Libyen dagegen etablierten sich wie in Bengasi Übergangsräte, die das öffentliche Leben ordnen. in der zweitgrößten Stadt des Landes befindet sich auch die Katiba, ein Militär-, Geheimdienst- und Gefängnisareal, das der Inbegriff von Terror, Angst und Schrecken war. Hier offenbart sich allmählich das Ausmaß der Verbrechen des Regimes: Menschen werden aus unterirdischen Verliesen befreit, in denen sie lebendig eingemauert waren.
Derweil reagiert die internationale Politik. Libysche Konten werden eingefroren, Einreiseverbote ausgesprochen, ein Waffenembargo verhängt. Der UN-Sicherheitsrat beschloss darüber hinaus, sich wegen der offenkundigen Menschenrechtsverletzungen in Libyen an den Internationalen Staatsgerichtshof in Den Haag zu wenden. Die USA scheinen auch militärische Optionen zu erwägen, beispielsweise eine „No flight“-Area über Libyen einzurichten, so dass Gaddafi-Gegner nicht mehr aus der Luft beschossen werden können.
Martin Hauschildt aus Frankfurt meint:
„Wir Europäer sollten die mutigen Libyer bei ihrem Freiheitskampf gegen den verhassten und offensichtlich geisteskranken Diktator unterstützen. Jetzt müssten mindestens logistische Hilfen für die nach Freiheit ringenden Libyer ins Land geschafft werden. Wir dürfen nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen die Menschen im Stich lassen. Europa hat als ehemalige Kolonialmächte Verantwortung zu übernehmen. Man darf diesen Verrückten nicht mehr gewähren lassen. Sonst wird er sein eigenes Volk abschlachten.“
Alan Mitcham aus Köln:
„Mit Interesse habe ich den Leitartikel von Thomas Schmid gelesen. Bei einem Punkt aber muss man sich fragen, was genau das Ziel des Westens ist: Unterstützen wir totalitäre Regime wirklich, um „Islamisten besser im Zaume zu halten“ (wie Thomas Schmid meint)? Oder ist es, um die Ölfelder der Region (und deren Transportwege, z.B. den Suez-Kanal) zu kontrollieren?
Ja, wir alle wollen Auto fahren, billig fliegen und uns an eingeflogenen Erdbeeren im Supermarkt bedienen! Um das alles zu sichern, müssen unsere Politiker (und die Großkonzerne und deren Lieferanten) perfide Methoden einsetzen. Diese Methoden möchte ich auf keinen Fall entschuldigen, aber wir dürfen nicht übersehen, dass wir (als Konsumenten) doch auch keine sauberen Hände haben.
Ich hoffe sehr, dass diese Veränderungen ohne größeres Blutvergießen verlaufen und wünsche mir, dass wir Konsumenten nachher bereit sind, erheblich mehr für Öl und für andere Produkte aus der Region zu bezahlen. Gelder, die nicht in den Händen von korrupten Politikern oder übermächtigen Großkonzernen landen dürfen. Nur auf diese Weise können wir endlich Armut und Hoffnungslosigkeit im Nahen Osten überwinden.“
Helmut Freudenthal aus Kiel:
„Die weitsichtige Formulierung des großen Philosophen und Aufklärers Diderot, dass Macht, die durch Gewalt erworben wird, nichts als Raub ist und nur so lange dauert, wie der Befehlende stärker ist als die Gehorchenden, liefert eine treffende, präzise Beschreibung der Geschehnisse in der arabischen Welt. Mögen die restlichen Mordbuben und Kleptokraten, die auf dieser Welt noch immer, getarnt als Regierungsoberhäupter, ihr Unwesen treiben, dies auch als Diderots Warnung verstehen.“
Friedrich Meinl aus Münster:
„Ohne Überlebenschance wird Gaddafi das Blutvergießen so lange fortsetzen wie er kann. Um es zu beenden, wäre es vermutlich besser, ihm und seiner Familie einen Ausweg zu eröffnen, als ihm alle Auswege zu versperren. Das heißt, man müsste ihm freies Geleit und ein sicheres Asyl anbieten.“
Wolfgang Lambrecht aus Graz:
„In dem gerade in Libyen tobenden Volksaufstand gegen Gaddafi und seine Clique mit schon Hunderten, vielleicht Tausenden Toten und Verletzten hat als bisher einziger (?) Staat die Türkei schon etlichen libyschen Familien und Einzelpersonen geholfen, ihr vom Bürgerkrieg gebeuteltes Land zu verlassen, indem sie sofort (wer schnell hilft, der hilft doppelt) Flugzeuge und Schiffe nach Libyen schickte, um Flüchtlinge abzuholen und in die Türkei zu bringen, wo diese fürs erste Zuflucht finden. Wir Europäer, speziell in der EU mit der „Machtzentrale“ Brüssel, haben im Gegensatz zum raschen, effektiven und vor allem von vorbildhaftem humanitärem Geist getragenen Beistand der Türkei für ihre muslimischen Schwestern und Brüder in Libyen bisher nur zahn- und wirkungslose Appelle an die schon abgehalfterte libysche Staats-„Führung“ unter (Ex-)Oberst und „Revolutionsführer“ Gaddafi zuwege gebracht.“
Hätte man den Irak nach dem Einmarsch der Amerikaner geteilt in das nördliche Kurdistan, in der Mitte das Herrschaftsgebiet der Sunniten und im Süden in das der besonders frommen Schiiten,dann wäre das Land schon längst zur Ruhe gekommen und die Bombenanschläge sowie auch der Widerstand gegen die Amerikaner wären längst vorbei.
Würde man Libyen in die drei unterschiedlichen und teils traditionell verfeindeten Stammesgebiete Tripolitania, Cyrenaika und Fessan (wo die Militärs, welche die Revolution zur Zeit mit Gewalt unterdrücken, herkommen) aufteilen, wäre sehr schnell Frieden im Lande erreicht und die Menschen könnten sich ungestört wieder ihrer Arbeit zuwenden und müssten nicht zu Hunderttausenden fliehen.