Es geht was ab in Deutschland. Endlich gehen die Menschen auf die Straße! Ähem … Moment, noch mal überlegen. Endlich? Nun, auch hier im FR-Blog war immer wieder der Wunsch geäußert worden, dass die Deutschen endlich aufwachen sollten. Sie sollten die Augen öffnen, um zu erkennen, welche Last diesem Land durch die gegenwärtige Politik auferlegt werde. Seit bald 30 Jahren werde dieses Land gegen die (wirklichen) Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger regiert, so die These. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auf, es werde immer weiter nach oben umverteilt, zugleich passiere Sozialabbau, und Leistungen des Staates würden zurückgefahren, weil angeblich die „schwarze Null“ so wichtig ist. Das alles habe System, aber die Menschen merkten nicht, wie sie verarscht würden, und wählten wieder und wieder dieselben Politiker, wenn auch mit sinkender Wahlbeteiligung. Ja Herrgottzapperlot, wie viel wolle sich dieses Volk denn noch gefallen lassen? Wie viel müsse noch passieren, bis die Deutschen endlich auf die Straße gingen und für Chancengleichheit demonstrierten?

So weit das Szenario, das davon ausgeht, dass die Leute erkennen, was schiefläuft und wer dafür verantwortlich ist.

Die gute Nachricht ist: Die Leute gehen auf die Straße. Die schlechte Nachricht: Sie demonstrieren nicht für, sondern gegen etwas, und sie haben nicht erkannt, was wirklich schiefläuft. Dieses Etwas, gegen das sie demonstrieren, ist einigermaßen diffus: „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ nennt sich diese Bewegung, kurz „Pegida“, und sie hat ein klares Feindbild, das Züge einer Wahnvorstellung trägt: die Islamisierung des Abendlandes. Man könnte auch sagen: Die Schwachen, Abgehängten, die sich von der Politik nicht mehr repräsentiert fühlen, demonstrieren gegen die noch Schwächeren, Isolierten, die nach einem Anker in dieser Gesellschaft suchen.

In diesem Zusammenhang erreichten mich zahlreiche Mails. Das gesellschaftliche Klima ist aufgeheizt. Viele dieser Mails sind nicht zitierfähig. (Damit sind nicht die Leserbriefe gemeint, die ich gleich bringen werde.) Ich habe die meisten dieser Mails, die beispielsweise auf FR-Artikel wie „Wirr ist das Volk“ geschickt wurden, mit nachlassendem Interesse gelesen. Eine aber fand ich doch recht interessant, genauer gesagt: einen Satz daraus. Er lautet:

„Die islamischen Hassprediger sind nicht eine kleine, bösartige Gruppe, sie sind die Spitze des Eisberges.“

Hier wird das Problem offensichtlich, dass „Pegida“ — nicht Deutschland — hat: Wenn man daran glaubt, dass die etwa 6300 Salafisten, die es 2014 in Deutschland gab, „der Islam“ seien, dann muss man vielleicht wirklich Angst haben, denn die Aggressivität und Intoleranz dieser Brüder ist abstoßend und gehört nicht zu Deutschland, das ein friedliches und tolerantes Land ist. Wenn man aber in der Lage ist, einen Schritt zurückzutreten und sich 6300 Salafisten im Verhältnis zu vier Millionen Muslimen vorzustellen, die überwiegend friedlich in Deutschland leben, dann wird wohl doch klar: Die Salafisten sind eine kleine, bösartige Gruppe. Und damit wird klar: „Pegida“ ist Paranoia. Die Muslime stehen nicht vor Wien. Sie sind schon da, mitten unter uns, und wenn Du in einer Großstadt wohnst, so wie ich, dann wohnst Du vielleicht ganz friedlich Wand an Wand mit ihnen. Was in Dresden, wo „Pegida“ ganz groß auftrumpft, eher unwahrscheinlich ist.

Das heißt nicht, dass die Demonstrationen nicht ihre Berechtigung hätten, aber sie beziehen diese Berechtigung aus Quellen, derer sich die Demonstrierenden anscheinend selbst nicht bewusst sind. Dazu will ich als erstes Gudrun Hinz-Warnke aus Hamburg zu Wort kommen lassen, die sich zum Leitartikel „Montag ist Wutanfall“ von Bernhard Honnigfort äußert:

„Nachdem die FR das Thema Gerechtigkeit exzellent und ausführlich behandelt hat, enttäuscht der Leitartikel vom 9. Dezember. Es geht weniger darum, Politik zu erklären, sondern darum, gerecht zu gestalten. Diese Politik lässt Kommunen verarmen. Lebensqualität geht direkt erfahrbar verloren durch Schließung von Schwimmbädern, Jugendhäusern, Bücherhallen, kulturellen Einrichtungen etc. Diese Regierung züchtet genau solche wütenden, leicht verführbaren Bewegungen, indem sie sich weigert, gute Politik für ihre Bürger zu machen. Das hieße: eine verlässliche Daseinsvorsorge, ein vernünftiges solidarisches Rentensystem, anständige Arbeitsverhältnisse. All das lässt sich gestalten und ist originäre Aufgabe der Politik. Stattdessen wird nicht mehr gestaltet, sondern nur
noch verwaltet; und mit CETA und TTIP überlässt man den globalisierten Konzernen gänzlich das Feld.
Das Soziale geht vor! So war einmal die soziale Marktwirtschaft gedacht, für die Menschen und nicht gegen sie. Deutschland ist ein reiches Land. Nur, für wen? Die Menschen haben jeden Grund, enttäuscht, überfordert und ängstlich zu sein. Ohne sozialen Zusammenhalt, Solidarität, gerechte Verteilung und Teilhabe entgleist eine Gesellschaft. Ich fürchte, wir sind auf einem schlechten Weg.“

Konrad Mohrmann aus Frankfurt:

„Die politischen Parteien haben es wieder mal nicht begriffen, das sich der Protest allgemein auch gegen ihre Politik richtet. Sie hacken weiterhin auf dem überholten Rechts- Links Schema herum. Sie sind genau so blind wie 1933.
Der Protest richtet sich auch gegen die Globalisierung, gegen die EU, gegen die Bürokratie, für den Erhalt der Heimat, für den Erhalt der eigenen Kultur, gegen die US amerikanische Kulturübermacht und gegen die Vereinzelung der Menschen und ihre Loslösung von allen traditionellen Bindungen, wie Sprache, Familie, Heimat, Religion usw.
„ Der unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über seine Person verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gefesselt und einer andern Person leibeigen oder hörig zu sein. Um freier Verkäufer von Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall hinträgt, wo sie einen Markt findet, mußte er ferner der Herrschaft der Zünfte, ihren Lehrlings- und Gesellenordnungen und hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen sein.“ (Karl Marx, Das Kapital Erster Band MEW 23, Dietz Verlag Berlin 1975 S. 741ff)
Was anderes betreiben die EU und die politischen Parteien heute? Was sind die Aussichten der Menschen nach der Beendigung der Gloablisierung? Das macht Angst und Unsicherheit, das fördert den Zulauf zum rechten Spektrum.
Die Freihandelsabkommen der WTO sind ein Endziel des Kapitalismus. Die Vereinzelung des Menschen, um ihn besser ausbeuten zu können, hat allein in Frankfurt zu einem Anteil der Einpersonenhaushalte von über 50% geführt.
Wie lauteten damals die Begründungen der Konservativen und Liberalen bei ihrer Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz zur Behebung von Not und Reich am 24.3.1933? Hören wir sie nicht schon wieder bei der Diskussion zum Freihandelsabkommen CETA und TTIP? Wer war damals dagegen? Die KPD (immer noch in Deutschland verboten), ihre 81 Abgeordneten wurden inhaftiert, die SPD von ihren 120 Abgeordneten waren 26 ebenfalls verhaftet oder geflohen.
Das Format von Otto Wels (SPD) hat Siegmar Gabriel und die heutige SPD sicherlich nicht, das zeigt ihr Verhalten zum Freihandelsabkommen. Auch der Linken fehlt das Profil. Die Grünen haben die Positionen der FDP, der Liberalen, eingenommen, dessen Vertreter im Reichstag (Theodor Heuss z.B.) für das Ermächtigungsgesetz stimmten, ebenso wie Ernst Lemmer (später CDU) und Reinhold Maier (Ministerpräsident von Baden- Württemberg).Und was von der CDU zu erwarten ist
zeigt sich ebenfalls an ihrer Zustimmung zu CETA und TTIP, d.h. Abbau von Sozialstandards, Abbau des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes, Einführung von privaten Schiedsgerichten, Ausschaltung des Rechtsstaates, der nationalen Souveränität u.a.m.
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“ Und die politische Klasse fördert durch ihr Verhalten das Entstehen eines neuen Faschismus, wie schon einmal.“

Michael Rosin aus Schöneck:

„Der erste Satz im Koran ist „Lies im Namen Gottes des Erbarmers der dich erschaffen hat, Lies“
In der Bibel, sowohl im neuen als auch im alten Testament steht „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“.
Allerdings müsste dann dort auch noch stehen, Bilde Dich damit du Verstehst. Somit würde ich jedem einzelnen Frustriertem und „Wutbürger“ in Dresden und sonst wo in der Welt, den „großen Dschihad“ ans Herz legen.
„Der „größte oder große Dschihad“ [al-dschihad al-akbar oder al-dschihad al-athim] ist der Kampf gegen das Böse im Herzen des eigenen Ich, die Anstrengung gegen eine niedrige Stufe der Seele, die zum Bösen gebietet [al-nafs al-ammara]. Dabei wird die innere Läuterung zur moralischen Vervollkommnung angestrebt. Mittel bei diesem schweren Einsatz sind die zahlreichen Riten des Islam, wie auch z.B. das Bittgebet und vieles andere mehr. Allheilmittel gegen Krankheiten der Seele ist unter anderem die Dankbarkeit sowie die Buße.
Der „kleine“ oder „äußere Dschihad“ [al-dschihad al-asghar] besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslimen, sowie jede andere Form der gottgefälligen Anstrengung, wie z.B. das Stillen der eigenen Kinder gehören in diesen Bereich des Dschihad. Ein Angriffskrieg oder eine gewaltsame Verbreitung des Islam, welche oft fälschlicherweise mit dem Begriff Dschihad in Verbindung gebracht wird, ist im Islam absolut verboten.“ nachzuhören auch unter:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1420276/Der-kleine-und-der-grosse-Dschihad#/beitrag/video/1420276/Der-kleine-und-der-grosse-Dschihad
Leider ist der Mensch, der an einem kalten Herzen leidet, nicht unbedingt offen für Selbstreflexion und Selbstkritik. Er saugt viel lieber den vergifteten Nektar von den ihn umgebenden Profilneurotikern am Stammtisch, vorm Mikrofon oder den populistischen Parteien (mittlerweile sogar mit christlich sozialem Touch aus Bayern..), sowie der diversen Schmuddelpresse alla Bild.
Diese Menschen sind des Lesens und des Denkens anscheinend nicht mächtig. Sonst würde ihnen auffallen, dass sie sich instrumentalisieren lassen gegen eine Religion die mit ihren persönlichen Problemen nichts zu tun hat. Juden, Christen, Schwule, Hexen, etc. grüßen aus den Geschichtsbüchern. Ich glaube, wenn sich alle „Wutbürger“, die sich gegenseitig aber auch untereinander viel Leid angetan haben, im Jetzt und in der Vergangenheit ruhig und sachlich unterhalten würden, würde es viel weniger Kriege und viel weniger sinnlose Gewalt geben.
Solange Menschen aber aus wirtschaftlichen Gründen lieber dumm gehalten werden, wird sich an diesem System auch nicht viel ändern. Schaffe, Schaffe, Frust abbauen… Wem das „Brot-und-Spiele-Spiel“ Fußball zu langweilig und arrogant geworden ist, findet in der Montagsdemo ein neues Ventil seinen Frust rauszuschreien.
Man erfreut sich dann nicht mehr am Sieg der entfremdeten Fußballmillionäre sondern an der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
Zum Lesen kommt diese Spezies Mensch wahrscheinlich spätestens dann, wenn in ihrem Dunstkreis mal wieder ein Asylbewerberheim brennt und der Einzelne möglicherweise eine Anzeige wegen Volksverhetzung und/oder unterlassener Hilfeleistung vor die Nase gedrückt bekommt.“

Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:

„Politische Verschwörungstheorien sind vor allem dann gefährlich, wenn sie herbeigeredet werden. Sei es von Politikern, die um ihre Privilegien fürchten, sei es von Normalbürgern, die die Welt nicht mehr verstehen oder von Medien, die um ihrer selbst willen Schlagzeilen produzieren und dabei zu unzulässigen Vereinfachungen greifen. Die von Steven Geyer skizzierte politische Mengenlehre, von einer Grafik wirksam illustriert, zählt zu letzterem.
Linke Positionen (und diese sind nicht beschränkt auf die gleichnamige Partei) zeichnen sich traditionell durch antikapitalistische, demokratisch-emanzipatorische und pazifistische Inhalte aus. Deswegen warnen Linke aktuell vor den globalen Machtansprüchen des US-Finanzkapitalismus (z.B. vor dem TTIP-Abkommen) und vor einer Zuspitzung der Ukrainekrise durch die NATO (ohne dabei für Putin Partei zu ergreifen). Sie wehren sich gegen einen unverhohlenen Rassismus, der bei der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu Tage tritt. Und sie machen deutlich, dass das christliche Abendland eine Metapher des europäischen Mittelalters ist, die als längst überwunden gelten muss. Religiöser Fanatismus und Fundamentalismus stellen für Linke eine Bedrohung der demokratischen Errungenschaften dar. Insbesondere der Islamismus wird von ihnen wegen seines feudalistischen und antiemanzipatorischen Charakters verworfen. Auf all das weist z.B. der Publizist Albrecht Müller auf seinen NachDenkSeiten im Internet ununterbrochen hin.
Deswegen ist es ein gravierender Unterschied, ob ein Linker oder ein Rechter den reaktionären Islam kritisiert. Der erstere verspricht sich von Gott und seinen Helfern keine Unterstützung im Kampf gegen Unrecht und Ungerechtigkeit und plädiert für eine säkulare Gesellschaft, die gleichwohl das religiöse Bekenntnis als Privatsache schützt. Der letztere hingegen möchte lediglich die (religiösen und weltlichen) Autoritäten austauschen und im Kern an den gesellschaftlichen Hierarchien festhalten.
Gerade wenn die CSU in Bayern den Aufstand der Messdiener herbeiredet und in Sachsen sich ein höchst krankhaftes gesundes Volksempfinden breit macht, sollten sich die Medien an ihr Wächteramt erinnern und das Gute gut, das Böse böse und nicht zuletzt das Dumme dumm nennen, wobei der Böse zumeist auch dumm ist, der Gute eher weniger.
Selbst wenn Adolf Hitler die Biokost erfunden hätte, gäbe es keinen Grund, sich nicht gesund zu ernähren. Den Unterschied macht die faschistische Gesinnung aus.“

Robert Hartmann aus Mainz:

„Die Sorgen und Nöte von den meisten Teilnehmern werden doch gar nicht ernst genommen.Es findet doch in allen Medien und auch in Ihrer Zeitung eine Ausgrenzung und Diffamierung statt nach dem Motto „Alle Teilnehmer sind Dummköpfe, stumpfe Hohlköpfe, Neonazis, unverbesserliche Deutschtümler und natürlich keine eloquenten Weltbürger“.
Wie soll das denn weitergehen? Sollen wir denn jedes Jahr Hunderttausende neue Flüchtlinge aufnehmen? Tragen die Kommentatoren, Journalisten, Politiker und sonstigen geistigen, künstlerischen und wirtschaftlichen “Eliten“in ihren schönen Wohngebieten — die ihnen auch gegönnt sind — die, wenn man so sagen darf, Hauptlast? Zu meiner Jugendzeit in den Siebzigerjahren hieß es noch Gastarbeiter, die wieder nach Hause gehen, wenn sie hier viele Jahre, meistens hart, gearbeitet haben. Das war doch gelogen. Schauen Sie sich doch mal bewusst um, was sich in den Jahrzehnten bei uns nach und nach schleichend entwickelt hat. Zum Beispiel gibt es in jeder deutschen Großstadt mittlerweile einen oder mehrere große Stadtteile, die sich ausweiten, sogenannte Problemviertel, wo natürlich auch noch die meiste Integrationsarbeit — z.B. in Schulen,die eigentlich zum Lernen da sein sollen — geleistet werden soll. Ist das die schöne neue multikulturelle Welt? Wenn dann heute immer argumentiert wird, Deutschland sei ein Einwanderungsland, wer hat das beschlossen? Wo ist Maß und Ziel? Wenn, dann war es punktuelle Einwanderung z.b. von Polen zum Bergbau im Ruhrgebiet — zur Kaiserzeit — und vertriebene Hugenotten aus Frankreich, die sich allerdings schon in der nächsten Generation gut integriert haben. Wo auch sinnvoll mit Maß und Ziel zum Wohle des Landes gehandelt wurde. Aber es kamen nicht immer neue Wellen.
Ist das, was heute propagiert wird, in der deutschen Bevölkerung breit diskutiert worden, mit allem Für und Wider? Haben Parteien und sonstige Institutionen dazu beigetragen? Im Übrigen ist das kein rein deutsches Problem. In allen europäischen Ländern gibt es doch Gegenbewegungen, z.B.Schweiz, Italien, Schweden, Niederlande, Griechenland und Frankreich. Sind die auch alle dumm? Es gibt auch Länder auf dieser Welt, die keine massenweise unkontrollierte Einwanderung zulassen z.B. Japan. Vielleicht ist der Weg auch nicht so schlecht.“

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71 Kommentare zu “„Pegida“: Die Spitze des Eisbergs

  1. Seit Wochen demonstrieren in Dresden und anderen Städten Tausende unter dem Kürzel PEGIDA gegen die angebliche, drohende Islamisierung Europas. Unverzichtbar natürlich die Parolen gegen die „kriminellen“ Ausländer, und daß wir nicht den „halben afrikanischen Kontinent“ bei uns aufnehmen können. Und am Wochenende erklärte mal wieder die CSU daß es keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme geben dürfe.
    Soweit die Hetzparolen dieser Leute. Es ist erbärmlich, daß Menschen, die vor der Mörderbande IS aus ihrer Heimat fliehen müssen, hier nicht nur nicht willkommen geheißen werden, sondern als „kriminelle Wirtschaftsflüchtlinge und Betrüger bedroht und diffamiert werden. Über dreitausend Menschen sind alleine dieses Jahr auf der Flucht ums Leben gekommen, im Mittelmeer elend ertrunken. Das italienische Hilfsprogramm wurde eingestellt, stattdessen wird die auch militärische Aufrüstung durch Frontex weiter vorangetrieben.
    Zwar leben in Sachsen kaum Ausländer, aber die sind eine Gefahr für unsere Kultur. In einer ARD-Sendung schwadroniert eine Frau, daß ihr Haus nur noch die Hälfte wert sei, wenn in der Umgebung „Asylanten“ einziehen würden. Kein Schwachsinn ist groß genug, als das er nicht geäußert wird. Und der Herr Bundesinnenminister will die „Sorgen der Bürger“ ernstnehmen. Die Sorgen der Bürger, die in Köln randaliert haben, über fünfzig Polizisten verletzt und beträchtliche Sachschäden angerichtet haben.
    Nein, es wäre auch Aufgabe der Bundesregierung diesen Hetzern entschieden entgegen zu treten, es wäre Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht Vertretern dieser menschenverachteten Ideologie ein Forum zu verschaffen, so geschehen bei „Menschen bei Maischberger“ mit der AfD-Vertreterin Petry, oder bei „Jauch“ mit Lucke.
    Rund 145.000 Menschen haben in unserem Land Schutz vor Verfolgung gesucht. Noch nicht einmal 0,5 % sollen für „Überfremdung“ sorgen?
    Ich schlage vor, daß das Kürzel PEGIDA durch HILORAGEME ersetzt wird. Hirnlose Rassisten gegen Menschen

  2. Die selbsternannten Retter des Abendlandes, die jeden Montag nach Dresden strömen, sind weder Patrioten noch Europäer, als die sich selbst bezeichnen.
    Denn im heutigen Europa, das immer enger zusammen wächst, kann es aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts nur noch
    e i n e n akzeptablen Patriotismus geben. Und das ist der „Verfassungspatiotismus“, denn das Grundgesetz billigt der Würde des Menschen obersten Verfassungsrang zu. Und ein moderner Europäer stellt seine nationalen Befindlichkeiten nicht so in der Vordergrund, wie es viele PEGIDA- Anhänger allmontaglich tuen (“ nationale Sitten und Gebräuche“ – WAS IST DAS EIGENTLICH?). So ist das Kunstwort PEGIDA nur Camouflage für tieferliegende
    Ressentiments, die sich jede Woche in Hasstiraden gegen Andersgläubige- und -denkende Bahn brechen. Und wer über die angeblich gleichgeschaltete
    „Lügenpresse“ wettert, der müßte als ehemaliger DDR-Bürger, und dazu sind die Mehrheit der Demonstanten aufgrund Ihrer Herkunft und Alters zu rechnen, eigentlich wissen, was eine Gleichschaltung der Medien t a t s ä c h l i c h bedeutet hat. Bei solchen „Patrioten“ kann man nur abschließend feststellen: Armes Deutschland!

  3. So niederschmetternd der Anlass ist, so freue ich mich doch, dass es einige Nachdenker mit ihren Leserbriefen bzw. Kommentaren hierhergeschafft haben. Ergänzen möchte ich sie durch diesen (online entdeckten) Kommentar, der für sich spricht:
    „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht…“ so tönte es zu DDR-Zeiten in einem, das System bejubelnden Kampflied. Der Führungsanspruch der SED war unantastbar, ja geradezu historisch. Die Partei war der Staatsapparat und umgekehrt, der Staatsapparat war die Partei. Der Absolutheitsanspruch auf die Inbesitznahme der Wahrheit durfte nicht in Frage gestellt werden und zog unweigerlich Sanktionen nach sich. Doch 1989 löste sich das ganze „Gebilde“ in weiße Dampfwölkchen auf, und mit ihm auch der Absolutheitsanspruch. Ich bin geradezu dankbar dafür, in der DDR gelebt zu haben und dann auch noch Augenzeuge ihrer Auflösung gewesen zu sein. Ich habe meine Lehren daraus gezogen. Wenn heute eine Partei, oder politische Führung mit einem Absolutheitsanspruch auftritt, der Bevölkerung suggerieren möchte, da wo wir sind, da ist es gut und richtig, wenn alles andere als rechts – und linkspopulistisch disqualifiziert wird, wenn verlangt wird, macht euch keine Gedanken, das tun wir schon für euch, wenn vorgegeben wird, wer Freund und wer Feind zu sein hat – dann hat etwas Unheimliches aus DDR-Zeiten überlebt und seinen neuen Unterschlupf in den Kellergewölben bundesdeutscher Politik gefunden.

  4. Ich bin Demonstrantenversteher.
    Zunächst ist nicht wichtig, welche Demos rechtslastig oder illusionsbeladen sind. Zunächst gehen Menschen aus allen Schichten auf die Strasse, und es werden mehr. Zu den Protestlern müssen die Nichtwähler und die Jugendlichen hinzugerechnet werden, die in den NSU abtauchen oder zu den Salafisten stoßen.
    Alle fühlen sich nicht verstanden, fürchten, zu den Verlierern zu gehören, haben Angst vor Krieg, sind von der Regierung enttäuscht.
    Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Die Regierung ist den Aufgaben/Problemen nicht gewachsen. Sie hat z.B. in den letzten 10 Jahren der Flüchtlingskatastrophe keine LÖsung, nicht mal ein Konzept vorgelegt.
    Die Bevölkerung, durch drückende Sparmaßnahmen bereits belastet, ist die Leidtragende der Einwanderung, da die Regierung zu wenig organisiert und die erforderliche finanziellen Mittel woanders (Ukraine,Aufrüstung) ausgibt.
    Hinzu kommt, dass Regierungsvertreter Stimmung gegen Islamisten und Salafisten machen und nach Verschärfung von Gesetzen rufen. Die CSU brachte es fertig, den Begriff „Zuwanderung“ zu etablieren, der die Flüchtlinge abwehrt, während „Einwanderung“ Flüchtlinge willkommen heißt.
    Die Lage ist also so, dass die Regierenden Stimmung gegen mißliebige Personengruppen machen, die Leute aber, die dann aufgestachelt gegen diese Minderheiten demonstrieren, beschimpfen, bloßstellen.
    Die Mainstream-Journaille folgt Ihrem Herrn. Nur wenige Autoren erkennen, dass nicht die Wutbürger, sondern die augenblicklich Regierenden das Problem sind.
    Das trifft auch auf die militärischen Aktionen gegen Rußland zu.

  5. Die Hetze der Rassisten gegen Flüchtlinge zeigt doch deutlich, wie beschränkt und dumm diese Leute sind.
    Was hat denn der Flüchtling, der es zu uns geschafft hat, mit Hartz IV, Armut, sozialer Ausgrenzung zu tun? Unser Problem ist doch nicht, daß wir zu wenig Geld haben, sondern daß es einfach falsch verteilt ist. Milliardenschwere Konzerne haben unzählinge legale Tricks, damit sie keine Steuern zahlen. Die Senkung des Spitzensteuersatzes führte zu dramatisch gesunkenen Gemeindesteuern. Das ist das Problem. Aber es ist ja einfacher auf Schwache einzuprügeln, und das nicht nur verbal, als sich mit den wirklich Verantwortlichen für die eigene Misere anzulegen. Kein Flüchtling ist für Arbeitslosigkeit verantwortlich, im Gegenteil, vor einiger Zeit berichtete die FR, daß von Menschen ohne deutschen Paß in erheblichem Umfang Arbeitsplätze geschaffen wurden.

  6. Verehrter Herr Knuth,
    es ist ja nichts dagegen zu sagen, dass sich „Demonstrantenversteher“ hier melden. Fragt sich nur, mit welchen Argumenten.
    „Zunächst ist nicht wichtig, welche Demos rechtslastig oder illusionsbeladen sind.“ –
    So? Würden Sie das genauso unwichtig finden, wenn man so über Sie herziehen würde?
    „Alle fühlen sich nicht verstanden, fürchten, zu den Verlierern zu gehören.“ –
    Grund, sich an Menschen auszutoben, die damit nicht das Geringste zu tun haben, statt über das zu sprechen, was wirklich bedrückend ist? Sich „schweigend“ von kriminellen Organisatoren und deren Hetzparolen instrumentalisieren, sich von diesen gegenüber der Presse den Mund verbieten zu lassen, um weiter im Gefühl der armen Unverstandenen schwelgen zu können?
    Ich gehöre der Kriegskindergeneration an, weiß, wie es sich anfühlt, wenn man buchstäblich alles verloren hat außer dem Leben. Mir kommen die Tränen bei solchem Selbstmitleid. Und ich bekomme die Wut, wenn ich sehe, wie sich dieses mit unverblümtem Ressentiment paart.
    „Hinzu kommt, dass Regierungsvertreter Stimmung gegen Islamisten und Salafisten machen.“ „Die Mainstream-Journaille folgt Ihrem Herrn.“
    Ach so, die Regierung hetzt gegen die armen Islamisten und Salafisten, nicht diese hetzen die Bevölkerung auf?
    Immerhin lassen Sie hier die Katze aus dem Sack und offenbaren, wie es mit Ihrem „Verständnis“ tatsächlich bestellt ist.

  7. Die Spitze es Eisbergs oder der Eisberg auf der Spitze ? Ich hoffe doch letzteres. Man muß und kann sie auf eine Weise abfertigen, die es erlaubt, ihnen gerade NICHT die Aufmerksamkeit zu schnekne, auf die sie so gierig hoffen. Abfertigen oder Abbürsten wäre die bessere Strategie. Wer Kirchen verfallen läßt und niederreißt, soll sich nicht wundern, wenn er ein paar Minarette mehr sieht. Und machen die paar Minarette die Gesellschaft zu einer islamisierten ? Die Strickmuster sind zu simpel, als daß man kompliziert, aufgeregt und groß argumentativ antworten müßte. Hier geht es nicht um Diskurs, sondern um kaltes Abduschen. Das einzig probate Mittel gegen Pe(latt) und Gida(ankenlos).

  8. Der erste Satz im Koran ist „Lies im Namen Gottes des Erbarmers der dich erschaffen hat, lies“. In der Bibel, sowohl im neuen als auch im alten Testament steht „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“. Allerdings müsste dann dort auch noch stehen: Bilde Dich, damit Du Verstehst. Somit würde ich jedem einzelnen Frustriertem und „Wutbürger“ in Dresden und sonst wo in der Welt, den „großen Dschihad“ ans Herz legen.
    „Der „größte oder große Dschihad“ (al-dschihad al-akbar oder al-dschihad al-athim) ist der Kampf gegen das Böse im Herzen des eigenen Ich, die Anstrengung gegen eine niedrige Stufe der Seele, die zum Bösen gebietet (al-nafs al-ammara). Dabei wird die innere Läuterung zur moralischen Vervollkommnung angestrebt. Mittel bei diesem schweren Einsatz sind die zahlreichen Riten des Islam, wie auch z.B. das Bittgebet und vieles andere mehr. Allheilmittel gegen Krankheiten der Seele ist unter anderem die Dankbarkeit sowie die Buße.
    Der „kleine“ oder „äußere Dschihad“ (al-dschihad al-asghar) besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslimen, sowie jede andere Form der gottgefälligen Anstrengung, wie z.B. das Stillen der eigenen Kinder gehören in diesen Bereich des Dschihad. Ein Angriffskrieg oder eine gewaltsame Verbreitung des Islam, welche oft fälschlicherweise mit dem Begriff Dschihad in Verbindung gebracht wird, ist im Islam absolut verboten.
    Leider ist der Mensch, der an einem kalten Herzen leidet, nicht unbedingt offen für Selbstreflexion und Selbstkritik. Er saugt lieber den vergifteten Nektar von Profilneurotikern am Stammtisch, vorm Mikrofon oder den populistischen Parteien (mittlerweile sogar mit christlich sozialem Touch aus Bayern) sowie der diversen Schmuddelpresse.
    Diese Menschen sind des Lesens und des Denkens anscheinend nicht mächtig. Sonst würde ihnen auffallen, dass sie sich instrumentalisieren lassen gegen eine Religion, die mit ihren persönlichen Problemen nichts zu tun hat. Juden, Christen, Schwule, Hexen, etc. grüßen aus den Geschichtsbüchern. Wenn sich alle „Wutbürger“, die sich gegenseitig aber auch untereinander viel Leid angetan haben, im Jetzt und in der Vergangenheit ruhig und sachlich unterhalten würden, würde es viel weniger Kriege und viel weniger sinnlose Gewalt geben.
    Solange Menschen aber aus wirtschaftlichen Gründen lieber dumm gehalten werden, wird sich an diesem System auch nicht viel ändern. Schaffe, Schaffe, Frust abbauen… Wem das „Brot-und-Spiele-Spiel“ Fußball zu langweilig und arrogant geworden ist, findet in der Montagsdemo ein neues Ventil seinen Frust rauszuschreien.
    Man erfreut sich dann nicht mehr am Sieg der entfremdeten Fußballmillionäre sondern an der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
    Zum Lesen kommt diese Spezies Mensch wahrscheinlich spätestens dann, wenn in ihrem Dunstkreis mal wieder ein Asylbewerberheim brennt und der Einzelne möglicherweise eine Anzeige wegen Volksverhetzung und/oder unterlassener Hilfeleistung vor die Nase gedrückt bekommt.“

  9. Dem Leserbrief von Robert Hartmann stimme ich erst einmal zu. Bei diesen Demonstrationen ist das Kernproblem das die Demonstranten in einem gewissen Grad einfach Recht haben wie man dem Leserbrief von Robert Hartmann gut entnehmen kann. Seine Argumente wurden bisher nicht einmal annähernd widerlegt. Das Problem ist das es kein Konzept gibt wie man mit den derzeitigen Problemen umgehen soll. Die Zuwanderung ist mit Sicherheit keine Lösung und ich bedauere das auch ausdrücklich weil mir die Menschen leid tun. Was mir aber besonders negativ bei den bisherigen Kommentaren aufgefallen ist, ist das niemand schreibt was er konkret selbst bereit ist zu tun um Flüchtlinge zu versorgen. Da wird immer nur davon geschrieben was der Staat machen soll. Der Staat sind wir. Wenn D. mehrere 100000 Flüchtlinge im Jahr aufnehmen soll, ich halte das für falsch, dann ist jeder gefordert sich einzubringen Besonders die die das unterstützen. Meine Tochter ist vor ein paar Tagen zu einem Treffen gegangen in dem es darum gegangen ist wer sich bereit erklärt Zuwanderern Deutschunterricht kostenlos zu erteilen. Da sie üblicherweise erst ab 19 Uhr von der Arbeit kommt wird das wohl nichts werden, aber die Leute die an der Versammlung teil genommen haben konnte man leicht in wenigen Sekunden zählen. Sehr viel mehr muss man wohl dazu nicht schreiben das ist wohl selbst erklärend

  10. Bedauerlicherweise unterscheiden Sie in Ihrer Stellungnahme nicht zwischen Flüchtlingen und der Einwanderungspolitik dieser Republik, die nämlich keine ist. Was fehlt, sind Perspektiven, die den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, auf welchen Weg sich dieser Staat begeben will. Das gebetsmühlenartige Wiederholen des immer selben Arguments, wir benötigten der Demographie wegen die Zuwanderung, wird stets von Unternehmerseite kolportiert und von der Politik kritiklos übernommen. Größere Ressourcen und mehr Auswahl aus dem Reservoir des Arbeitskräftepotenzials kommt den Arbeitgebern bei der Lohngestaltung sehr entgegen. Dass sich da der eine oder die andere Gedanken macht, es könnte auf dem Wohnungsmarkt noch enger werden, oder dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern könnten, müsste doch nachvollziehbar sein.

  11. Hallo, Hans,
    danke für Ihre Hinweise.
    Bezogen auf Ihre Frage, was jeder einzelne „konkret selbst bereit ist zu tun, um Flüchtlinge zu versorgen“, kann ich Ihnen gerne eine persönliche Antwort geben. Ich bin dabei, unser frisch bezogenes Haus derart umzugestalten, dass eine Aufnahme von (vorerst) 4 Personen möglich ist.
    Ich verweise auf beispielhafte Berichte über Aufnahme von Flüchtlingen in WG’s oder über einen Hotelier, der sein Hotel ausschließlich mit Flüchtlingen betreibt.
    Wenn ich an die vielen leer stehenden Häuser denke, die ich gesehen habe, packt mich die Wut, wenn ich von Zeltbaracken oder Notunterkünften in ehemaligen Baumärkten höre.
    Zudem liegt das Problem, das Fremdenfeindlichkeit befördert, m.E. vor allem in der zentralen Massenunterbringung, statt nach Möglichkeiten dezentraler Unterbringung zu suchen, was die Integration erheblich erleichtern würde.
    Im Übrigen halte ich die von Ihnen angesprochene Initiative für kostenlosen Deutschunterricht (es dürfte nicht die einzige sein) für vorbildlch.

  12. Hallo Werner Engelmann
    wenn sie bereit sind wie beschrieben sich einzubringen dann habe ich davor großen Respekt, glaube aber nicht das dies für eine Mehrheit in D. so zutrifft. Ich bin nicht der Meinung das man so vorgehen sollte, obwohl es so geht und wenn es eine Mehrheit so will auch gemacht werden sollte, weil es zu viel Substanz kostet das durchzuziehen. D. sollte lieber mehr Geld und Aufwand in die Entwicklungshilfe stecken da dadurch viel mehr Menschen geholfen werden kann bei gleichem Einsatz. Zum Beispiel könnte man ein Programm auflegen das es älteren Menschen ermöglicht ,nicht zu letzt aus der Arbeitslosigkeit, in die Entwicklungshilfe zu gehen und Ausbildung zu betreiben bevor sie in Rente gehen. Ich war auch ein Jahr arbeitslos und hätte mir so etwas damals schon vorstellen können.

  13. Ich bin froh, dass hier und andernorts derzeit, wie ich finde, sehr produktive öffentliche Diskussionen angestoßen werden, auch wenn mich die rigorose Wortwahl manchmal verstört. Ich selbst lese momentan die FR hie und da mit einigem Befremden. Nur ein Beispiel: Auf der Titelseite vom 8. Dezember durfte ich erfahren, dass der Deutsch-Vorstoß der CSU (ja, zugegeben, die erste Formulierung war unpassend, aber es geht um den Kerngedanken) „diskriminierend“, „rassistisch“ und „verlogen“ sei. Ich selbst bin der festen Überzeugung, dass es der Integration von Einwanderern hilft, wenn sie in der Öffentlichkeit (mit Nicht-Einwanderern) Deutsch sprechen und zu Hause, falls Kinder oder Mütter nicht gut/kaum Deutsch sprechen können, andere Familienmitglieder dies aber besser können, die Sprache des Landes, in dem sie wohnen, üben. Allerdings fühle ich mich mit dieser Meinung von der Zeitung, der ich seit Jahrzehnten treu bin, fast schon in die Rassismus-Ecke gestellt (und grolle). Überhaupt: Derzeit boomt der Begriff „Rassismus“, oft unangemessen angewandt, als bedrohliche Art der politischen Beschimpfung. Auch hier fliegen ja die Fetzen. Trotzdem sollte keine Bevölkerungsgruppe in einem politischen Diskurs als „hirnlose Rassisten“ bezeichnet werden dürfen, meine ich.

    Ich bin auch sehr dagegen, alle Menschen, die bei Pegida (usw.) mitlaufen, pauschal als Dummköpfe zu betrachten und ihre Ängste und Sorgen, die sicher nicht nur mit dem Thema Einwanderung zu tun haben, als Hirngespinste abzutun. In der FR-Ausgabe von gestern (16.12.2014) wird die Leserschaft auf einer ganzen Seite darüber informiert, dass in der Türkei „alles islamisiert wird“ („… werden neuerdings Kinder gegen ihren Willen auf staatliche Koranschulen geschickt“). Wenn die Türkei in diese Richtung abdriftet und in den Nachbarstaaten der IS-Terror herrscht, fällt es vielleicht schon manchem Zeitungsleser schwer, keine Skepsis gegenüber dem Islam zu entwickeln. Daher ist es sicher sinnvoller, für Aufklärung und Diskussion zu sorgen, als Demonstranten zu verunglimpfen.

    Im Kern geht es wohl kaum primär um eine angebliche Islamisierung der Bundesrepublik, erst recht nicht um den Islam per se oder Kriegsflüchtlinge, sondern darum, dass derzeit als Folge der Globalisierung, des sozialökonomischen Wandels und der Einwanderungsbewegungen ein gewaltiger Umbau der Gesellschaft stattfindet, der beachtliche Teile dieser Gesellschaft – mit wie ohne den so genannten Migrationshintergrund – zu Verlierern macht und der noch größere soziale Gruppen schlicht verunsichert. Die FR selbst berichtet regelmäßig, eine große Minderheit der hier lebenden Bevölkerung sei „arm“. Dass Migranten Arbeitsplätze schaffen, ist ein wichtiger Hinweis, genauso richtig ist aber das Argument, dass „immer mehr“ Einwanderer den Arbeits- und Wohnungsmarkt unter Druck setzen könnten. Wer dies befürchtet und nicht so recht an den viel zitierten (Fach-)Kräftemangel allerorten glaubt, ist nicht automatisch jemand, der mit rassistischem Gedankengut „Ausländer ablehnt“!

    In der FR vom 13./14. Dezember erläutert die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan (mit Argumenten, die ich längst nicht alle teile) die „postmigrantische Unübersichtlichkeit“ Deutschlands. (Wieso eigentlich „postmigrantisch“ – der Migrationsprozess läuft doch immer noch?) Viele Menschen dächten im Gegensatz von „wir, die wir schon immer hier waren, und ihr, die ihr erst später gekommen seid“. Demokratien funktionierten aber nach dem Prinzip „Gleiches Recht für alle“. Zitat: „Wenn … in Städten wie Frankfurt knapp 70 Prozent der Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund haben – wer ist dann die deutsche Gesellschaft? Wer definiert ihre Identität? Die 30 Prozent ohne Migrationshintergrund, weil sie vorher da waren?“ … Folgerichtig schlägt Frau Foroutan eine „Kommission“ vor, die definieren soll, wie Deutschland aussehen solle.

    Man kann darüber diskutieren, ob eine nationale Identität und ein nationales Rechtssystem (Grundgesetz) von im Laufe der Zeit potenziell sich ändernden Bevölkerungsmehrheiten abgestimmt werden sollten. Und man sollte realistischer Weise nicht Frankfurter oder Offenbacher Verhältnisse als Abbild der Gesamtgesellschaft nehmen, denn die Bundesrepublik insgesamt wird ja bislang keineswegs von Einwanderern dominiert. Deren Bevölkerungsanteil lag 2011 gerade mal bei einem Fünftel (Zensus 2011). Nur sieht die Situation aus der Perspektive von jemandem, der in Frankfurt am Main sein Kind in bestimmten Gegenden in die Schule schicken will, erheblich anders aus – und das sollten wir ernst nehmen, statt gegen die dort aufkommenden Ängste zu polemisieren.

    Nebenbei gesagt: Würde ich persönlich in ein fremdes Land, etwa die Türkei oder nach Dänemark, auswandern, dann sicher nicht mit dem Ziel, dessen Identität in meinem Sinne zu verändern, denn das würde ich eher als Anmaßung empfinden.

    So oder so, die Definition der Mehrheitsgesellschaft als „immer neuer Beziehungszusammenhang aus multiplen Minderheiten“ und die blumige Umschreibung der „deutschen Einheit“ als „Einheit der Verschiedenen“ klingt für mich arg schwammig. Ist es da ein Wunder, wenn Teile der Bevölkerung mit Irritation auf diese Perspektive reagieren. „Das postmigrantische Deutschland ist nicht kuschelig …“, schreibt („droht“) Frau Foroutan. Vielleicht wünschen sich manche Menschen (beispielsweise die Teilnehmer der umstrittenen Demos) aber für das Land, das ihre Heimat ist, eine gewisse Stabilität und nicht nur moderne „Unübersichtlichkeit“ und ökonomische Verunsicherung.

  14. Die FR druckt heute eine dpa-Meldung ab, aus der hervorgeht, dass jeder fünfte Deutsche arm sei. Das sind 16,2 Millionen Menschen. Armutsgefährdet ist nach dieser Statistik, wer als Einzelperson über weniger als 979 Euro monatlich verfügt. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, die sich davor fürchten, nach unten zu rutschen. Zahlenmaterial darüber zu erstellen ist schwierig.

    Nun sollte man doch versuchen, für diese Millionen von Menschen, die nicht auf der Sonnenseite unserer Gesellschaft leben, ein wenig Verständnis aufzubringen. Sie fühlen sich nicht wohl, wenn die Politik ständig fordert, mehr Menschen ins Land zu holen, weil es „uns“ dann besser ginge. Sie sehen in den Zuwanderern eher ihre Konkurrenten als potenzielle Freunde. Wer mit „uns“ oder „wir“ argumentiert, versteckt seine Interessen. Das ist zumindest meine Erfahrung. Die Gesellschaft bildet keine Einheit. Es wird ständig um Einfluss gerungen. Die Schwachen dieser Republik können ihren Interessen kaum Geltung verschaffen. Und jetzt werden sie noch moralisch an den Pranger gestellt, indem man ihnen vorwirft, sie hätten Ressentiments. Oder, wie Sie fordern: „…ein moderner Europäer stellt seine nationalen Befindlichkeiten nicht so in der Vordergrund…“.

    Was sollen die Griechen von diesem Appell halten, die unter Führung der deutschen Regierung in die wirtschaftliche Zwangsjacke gesteckt worden sind? Und sich nun Drohungen ausgesetzt sehen, wenn sie links wählten, also gegen das europäische Diktat unter deutscher Führung, seien die wirtschaftlichen Folgen für sie und Europa unabsehbar. Die Griechen haben mit den „modernen Europäern“ wirklich keine guten Erfahrungen machen können.

  15. Der Artikel von Lutz Büge spricht mich sehr an. Ich sehe es auch so, dass die Politik versagt hat und das schon lange! Hinter dieser verfehlten Politik stehen die Interessen des Industrie- und Finanzkapitals, die das Diktat ausüben. Immer wieder nehme ich mit Besorgnis und auch mit Mitgefühl diesen massiven und schrecklichen Sozialabbau wahr, die vielen Menschen, die ins Abseits geraten sind, die Jugendlichen, von denn nicht wenige keine echte Perspektive haben, diese Konsumgesellschaft, die so viele menschliche Werte platt gemacht hat usw.. Und diese Einwanderungspolitik ist eigentlich auch ein Jammertal! Es fehlt an Geld und Visionen, wie man mit den Ausländern, die in unser Land kommen, verfahren kann, so dass etwas Gutes dabei rauskommt. Sie werden oft nicht integriert sondern verwaltet.
    Ich habe mich immer wieder gefragt, wie lange die Menschen in Deutschland die Zuspitzung so vieler Probleme hinnehmen und sich den Sozialabbau gefallen lassen. So manches Mal habe ich gewünscht, dass sie in den Großstädten aktiv werden und auch auf die Straße gehen, um ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.
    Und nun ist es soweit – viele Menschen gehen in Dresden auf die Straße. Dennoch bin ich jetzt unzufrieden, unglücklich und sehr besorgt. Was mich beunruhigt ist die Frage, wer an der Spitze dieser Bewegung steht. Immer deutlicher wird, dass die Rechte diese Bewegung angeschoben hat und bis heute anschiebt. Und auch die AfD zeigt starke Sympathie und großes Interesse an diesem Geschehen. Erkennbar ist jetzt auch, dass ebenfalls in anderen Städten zunehmend Anstrengungen unternommen werden, die Menschen unter Führung rechter Kreise auf die Straßen zu holen.
    All das will ich auf gar keinem Fall! Es marschierten schon mal Menschen mit einer gefährlichen Ideologie auf den Straßen Deutschlands, und Mitläufer waren auch schnell gefunden, die zunächst oft gar nicht erkannten, dass sie instrumentalisiert wurden. Eine Neuauflage dieser Geschehnisse von 1933 bis 1945 darf es nicht noch einmal geben! Was damals klein und zunächst auch harmlos erscheinend begann, endete wie bekannt in einer schrecklichen Katastrophe mit über 50 Millionen Toten!
    Cicero hat gesagt „Wehret den Anfängen“ – ich denke, dass dies das Gebot der Stunde ist!
    Es sammeln sich derzeit zunehmend Menschen, die wachsam und aufgerüttelt sind, zum Beispiel in Köln mit 15 000 Demonstranten gegen Rechts, in der NO Bergida in Berlin oder der NO Bogida in Bonn. Das gibt mir Hoffnung, dass die zugespitzten Konflikte in Deutschland auf eine andere Weise als in Dresden angegangen werden können.

  16. Es ist tatsächlich die Frage, wie sich als links verstehende Politik zu dem Phänomen der Einwanderung stellt. Empörungsgesten denjenigen gegenüber, die sich von Rechtspopulisten vor den Karren spannen lassen, verschlimmern die derzeitige Situation. Ich erinnere an die über Jahre andauernde Propagierung der Multi-Kulti-Gesellschaft. Insbesondere geprägt von den Grünen, die sich heute im Parteienspektrum direkt in der Mitte positionieren und nach allen Seiten offen sind. Wie die Argumentation am unteren Ende der Gesellschaft ankommt, kann man sich inzwischen vorstellen. Es ist ein Unterschied, ob ich von einer gut situierten und wirtschaftlich abgesicherten Position innerhalb dieser Gesellschaft für Toleranz plädiere oder ob ich – als Jobber – mir einen Wohnungs- oder Arbeitsplatzkonkurrenten vorstelle, der ganz real in meine Nachbarschaft zieht.

    Es klingt fast wie Hohn: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten feiert den neu abgeschlossenen Tariflohn, der für rund 100.000 Beschäftigte in der Systemgastronomie einen Stundenlohn von 8,51 Euro bringen wird. Als Folge werden die Arbeitgeber das Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen. Der Vorsitzende dieser Gewerkschaft spricht von einem ausgewogenen Ergebnis. Die reale Rechnung sieht für einen 30-Jährigen Ledigen so aus: 8,51 € mal 39 Stunden mal 4 Wochen ergeben im Monat 1327,56 €. Davon bleiben netto 995,66 €. Die Armutsgrenze liegt bei 979 €. Aus dieser wirtschaftlichen Perspektive heraus können die Menschen der Zuwanderung wohl nur sehr begrenzt positive Seiten abgewinnen.

  17. @ Rudi

    „… oder ob ich – als Jobber – mir einen Wohnungs- oder Arbeitsplatzkonkurrenten vorstelle, der ganz real in meine Nachbarschaft zieht.“

    Das ist also die Situation in Dresden, wo Pegida begann? Ich dachte, da gäbe es gar keine Ausländer …

  18. Herr Gruber,
    man kann/darf auch vor Dingen Angst haben und eine dezidierte Meinung zu Themen haben, die nicht im unmittelbaren eigenen Umfeld bzw. im eigenen Bundesland stattfinden. Durch die Berichterstattung der Massenmedien ist heute jedermann über viele Entwicklungen im Bilde, nicht nur das, was am eigenen Wohnort passiert. Und ich denke auch, dass Rudi Recht hat mit dem Hinweis, dass Toleranz leichter ist, wenn ich ökonomisch gut abgesichert bin und selbst in einem bürgerlichen Wohngebiet außerhalb bestimmter großstädtischer Zentren lebe.

  19. Es ist richtig, dass der Ausländeranteil in Dresden vergleichsweise klein ist. Deshalb habe ich auch das psychologische Moment ins Spiel gebracht als ich formulierte: „… mir einen Wohnungs- oder Arbeitsplatzkonkurrenten vorstelle…“. Vorstellen bedeutet ja nicht, dass dem real so ist. Hier kommt das subjektive Befinden zum Tragen. Rationale Argumente kommen gegen psychische Bedürfnisse kaum an. Das können wir auch in diversen Threads verfolgen.

    Es geht mir darum, sich in die Lage dieser Menschen zu versetzen, aus der heraus sie argumentieren und derzeit auf die Straße gehen. Die elektronischen Medien spielten teilweise ein fieses Spiel, indem sie Versuche zeigten, einzelne (Erst-)Demonstranten vor das Mikrofon zu bringen. Einige verweigerten sich, andere redeten außerhalb dessen, was als pc gilt. Diese gezeigten Interviews bzw. Verweigerungen wurden als Belege für die abstruse Seite politischen Denkens und Argumentierens vorgeführt. Dieser Journalismus hat keinen analytischen Charakter. Das ist Stimmungsmache. Dasselbe Spiel könnte man auf jedem Parteitag einer etablierten Partei bieten.

  20. Man kann/darf eine ganze Menge. Man kann/darf auch die eigene Weltsicht gegen alle Impulse abschotten, die da vielleicht frischen Wind reinbringen würden. Man kann/darf sich sogar von PI-News und Konsorten aufpeitschen lassen. Aber man muss dann auch die Kritik zur Kenntnis nehmen, dass es sich um eine Stellvertreterdebatte handelt. Pegida geht es doch in Wiorklichkeit gar nicht um die Ausländerfrage.
    Aber selbst wenn es darum ginge, ist die Angst irrational. Bronski hat es Paranoia genannt, und das ist völlig richtig. Da sind die Flüchtlinge, die in Heimen untergebracht werden und der Residenzpflicht unterliegen. Ihr Leben ist stark reguliert. Sie kommen überhaupt nicht auf den Arbeitsmarkt und machen keinem Deutschen Konkurrenz. Dann gibt es die gut ausgebildeten Mediziner und Ingeniuere aus den osteuropäischen Ländern, die bei uns einsteigen, und zwar sicher nicht im Niedriglohnsektor. Dann gibt es eine große Gruppe von türkischstämmigen Deutschen, die schon in der dritten Generation hier leben und die man gar nicht mehr als Ausländer bezeichnen kann. Viele von ihnen gründen eigene Geschäfte und betätigen sich als Unternehmer und machen den Deutsch keine Konkurrenz. Jedenfalls nicht auf dem Arbeitsmarkt. Dann gibt es die Saison- und Billigarbeiter wie die Bulgaren, die in den Schlachthöfen ausgebeutet wurden. Die machen Jobs, die kein Deutscher machen will. Also, was soll’s? Paranoia, ich sag’s ja
    Der Punkt ist doch, dass die Deutschen träge geworden sind. Da kommen Mesnschen in Notsituationen in ihr Land, und sie fühlen sich sofort bedrängt. Erster Reflex: Konkurrenz. Dabei hat jeder Deutsche, der deutschsprachig aufgewachsen und hier sozialisiert ist, gegenüber diesen Leuten einen „natürlichen“ Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt. Man muss natürlich auch ein bisschen fleißig sein und sich ins Zeug legen. Aber nein, lieber wird gejammert. Ach, die bösen Ausländer!
    Ich nenne das erbärmlich.

  21. Hallo, eh,
    auch, wenn Sie es nur am Rande erwähnen, möchte ich kurz auf die Sprachenfrage eingehen.
    Ich gebe Ihnen Recht, dass man diesen CSU-Vorstoß nicht „rassistisch“ nennen kann (ein Wort, das sowieso nichts mehr aussagt, wenn man es bei jeder Gelegenheit verwendet). Er war aber populistisch und schrecklich dumm, zeugt von völliger Ignoranz in der Sache. Man hätte wenigstens einen Fachmann fragen können. Daher war der Spott absolut berechtigt.
    Ich bin selbst Sprachlehrer in Deutsch und Französisch, habe u.a. Menschen aus ziemlich allen EU-Ländern unterrichtet, und wir haben unsere Kinder zweisprachig erzogen. Da könnte ich natürlich zahllose Beispiele bringen.
    Der Hauptirrtum: Eine Sprache ist nicht etwas, was man wechselt wie eine Hose. Sie ist mit komplizierten kognitiven und auch psychischen Prozessen verbunden, besonders die Muttersprache.
    Es kann zu Überforderung führen. So hat mein Sohn zeitweise stark gestottert, die Tochter eines Schweizer Freunds weigerte sich nach der Geburt ihrer Schwester plötzlich, ihrem Vater auf Französisch zu antworten und blieb hartnäckig beim Deutschen.
    Zudem lernt man eine Fremdsprache völlig anders als die Muttersprache. In der Schule ist völlig klar, dass ich im Deutsch-Unterricht keine andere Sprache dulde, und das wird auch akzeptiert. Familiäre Beziehungen sind etwas ganz anderes, da kann man einem andern nicht sein Sprachverhalten vorschreiben.
    Bei uns ergibt sich das völlig zwanglos je nach Situation und anwesenden Personen. Mit mir sprechen die Kinder in der Regel Deutsch, mit meiner Frau Französisch und bei Tisch manchmal auch wechselnd. Das ist überhaupt kein Problem, wenn man beide Sprachen spricht. Ich habe aber schon persönlich interveniert, als es jemanden aus meiner französischen Familie störte, dass meine Kinder untereinander Deutsch sprachen. Das ist schlicht eine Frage der Toleranz.
    Insofern hat das, was Ignoranten in der CSU sich da ausgedacht haben, auch etwas mit Intoleranz zu tun.

  22. Man spielt mit Leben aus eigennützigem politischem Interesse.
    Wenn man den „Islam“ als religiös-politisches Konstrukt begreift, verwirft man jede säkulare Erkenntnis, genauso, wie wenn man den Katholizismus und andere Richtungen als religiös-politisches Konstrukt begreift.
    Da haben alle Religionen versagt, und deshalb sind sie politisch ungültig: Mit Leben spielt man nicht.
    Blasphemie allenthalben: Es steht dem Menschen nicht zu, über Leben zu entscheiden.

  23. Nichts gegen frischen Wind, aber wenn Teile der Bevölkerung für die Zukunft einen Sturm aufkommen sehen …?

    Ich habe sehr viel Sympathie für Ihre Einstellung („Da kommen Menschen in Notsituationen in ihr Land, …“), bin, wie gesagt, jedoch der festen Überzeugung, dass es bei den derzeitigen Demos im Kern nicht um Flüchtlinge in Not geht und man nicht wegen einzelner sicherlich problematischer und nach außen zweifellos tonangebender Teilnehmergruppen alle Teilnehmer als ausländerfeindlich und verdummt einordnen darf. Ich teile eben auch nicht die Ansicht, dass alle Ängste komplette „Paranoia“ darstellen und wir, wenn wir „ein bisschen fleißig“ sind und uns „ins Zeug legen“ (viele Geringverdiener machen das durchaus schon, und nicht nur die nicht-migrantischen), sämtliche im Raumen stehenden Probleme wegblasen können.

    Ich selbst bin auch nicht so sicher wie Sie offenkundig, dass langfristig für alle Zuwanderer genügend vernünftige Arbeitsplätze da sein werden, schon jetzt gibt es ja bei uns sehr wohl Arbeitslosigkeit und Armut. Das Problem, dass viele Großstädte zu wenig bezahlbaren Wohnraum, zu wenige Kita-Plätze vorweisen, lassen wir jetzt mal außen vor. Für Flüchtlinge, die kommen, wünsche ich, dass sie, wenn sie hoffentlich hier bleiben, Arbeit finden. Bei allen anderen Zuwanderern hoffe ich das auch. Ich bin nur nicht sicher, ob es da nicht doch Konkurrenz mit den bereits hier lebenden Menschen geben könnte.

    Dass Mediziner und Ingenieure aus anderen Ländern, die übrigens in ihren Heimatländern oft eine schmerzliche Lücke hinterlassen, was hier zu Lande nicht diskutiert wird (!!!), keinerlei Konkurrenz für hiesige gleich qualifizierte Kräfte sind/nicht evtl. das Lohnniveau nach unten bringen, bezweifele ich und würde dies nur annehmen, wenn es unter den betroffenen Berufsgruppen kaum Arbeitslosigkeit gäbe. Ich glaube halt nicht so an den Fachkräftemangel und weiß aus beruflicher Erfahrung, wie trotz gleicher Fragestellung differierende Statistiken zustande kommen können … Googlen Sie doch mal „Arbeitslosigkeit Ingenieure“. Dann lesen Sie in einer renommierten süddeutschen Tageszeitung unter der Überschrift „Mär vom Ingenieurmangel“: „Doch immer mehr Absolventen landen bei Leiharbeitsfirmen. Experten warnen den Nachwuchs vor einer Kampagne der Arbeitgeber.“ Wohingegen laut VDI Nachrichten „Zwei offene Stellen auf einen arbeitslosen Ingenieur“ kommen. Beide Beiträge sind übrigens von 2014. Ja, was denn nun?

    Der Hinweis, dass Beschäftigte aus anderen Ländern sowieso nur Arbeiten machen, die „kein Deutscher machen will“ (davon gibt es einige), verursacht mir wie immer Bauchschmerzen. Hat man da wirklich alle hiesigen Langzeitarbeitslosen befragt? Hat es vielleicht mit der völlig unzureichenden Entlohnung, mit der selbst in kleineren Städten keine Mietwohnung zu halten ist, zu tun? Wollen wir eine Gesellschaft, in der Saison- und vor allem „Billigarbeit“ grundsätzlich „von Ausländern erledigt wird“? Ist das ein ausländerfreundliches Modell?

    Fragen über Fragen, die klar machen, wie komplex das ganze Thema ist.

  24. Was da derzeit passiert, hat ja einen gewissen Vorlauf, nicht nur mit der AfD und Teilen der CSU bei uns in Deutschland. Wir haben die Chrysi Avgi in Griechenland, Le Pen in Frankreich, UKIP in GB, Wilders in den Niederlanden und andere rechtsnationale und rechtspopulistische Parteien in Europa. Der Grund könnte sein, daß die Gemengelage in den letzten Jahren immer unübersichtlicher geworden ist, was den sich auflösenden gesellschaftlichen Zusammenhalt anbetrifft, und die Menschen zunehmend das Gefühl haben, daß sie betrogen und beschissen werden von den amtierenden und regierenden Parteien. Die restriktive Wirtschaftspolitik, dominiert von uns Deutschen bzw. Merkel & Co. tut da ein Übriges, weil Menschen ihren Arbeitsplatz, somit ihr Einkommen und ihre Zukunftsperspektive verlieren. Dazu kommt natürlich, daß sich Vorurteile schneller und einfacher bilden lassen als Urteile, weil dazu das Sammeln von Informationen, das darüber Nachdenken, ein „sich einmischen“ und andere Dinge gehören – Sachen, zu denen viele weder Zeit, Lust, noch Engagement aufbringen wollen – oder können.

    Wenn ich den Meinungsumfragen Glauben schenken kann, dann finden 2/3 aller bundesdeutschen BürgerInnen Merkel & Gabriel gut, und ich begreife es nicht. Eigentlich müßten sich anti-kapitalistische und anti-neoliberale Gegenbewegungen bilden, so wie gegen CETA und TTIP, aber da hapert es gewaltig. Für mich sind diese PEGIDA-Demos ein Zeichen für Instrumentalisierung, es werden Sündenböcke gesucht, und ausgemacht, und natürlich auch, zumindest indirekt, von den Parteien der „Mitte“ mehr oder weniger versteckt und verquast vorgegeben. Verständlich für mich, daß sich Menschen, die sich benützt und getreten fühlen, dies weitergeben. Nur leider an die Falschen und in die falsche Richtung. Aber so sind wir nun mal, siehe 1930 – 1933. Im Zweifel setzen wir halt dem Sozialismus das Prädikat „National“ vor, ohne an all die Folgen und Nebenwirkungen zu denken. Da werden wir noch unser blaues Wunder erleben. Und jetzt schenke ich mir einen Ouzo ein, und trinke auf die Syriza, als Griechenland-Freund.

  25. Betr. FR von heute (18.12.2014): „Der Dresdner Schlichter“. Ich teile das Bedauern von Herrn Honnigfort (Redakteur) darüber, dass Pegida nicht mit dem Theologen Frank Richter reden will. Es gäbe sicher Gesprächsbedarf.

    „Aber Pegida kneift. Pegida will brüllen, nicht reden.“ (Zitat )

    Dazu fallen mir zwei Dinge ein:

    1. Pegida kann nicht reden. Es handelt sich offenkundig um eine extrem heterogene Gruppe, nicht um einen Menschen. Und es gibt meines Wissens keinen offiziell ernannten und allseits akzeptierten Pressesprecher (soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann).

    2. Es ist doch merkwürdig, dass diese Bewegung plötzlich in den Rang eines ernsthaften Gesprächspartners gehoben werden soll. Wenn ich eine Presseschau erstellen wollte mit allen vernichtenden, kategorischen Zitaten von Journalisten und Politikern, die ich in letzter Zeit gelesen habe, komme ich nicht um die Erkenntnis herum, dass die sich zur intellektuellen und politischen Elite des Landes zählende Gegenseite zum Großteil überhaupt kein Interesse hat, sich mit den betreffenden Leuten auseinander zu setzen.(Dass dies nicht einfach ist, weiß ich wohl.)

    Jüngstes Beispiel Jakob Augstein/SPIEGEL. Zitat: „Der frühere Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse, hat gesagt, die Politik müsse besser erklären, ‚warum wir Einwanderung brauchen‘. Sigmar Gabriel … sagt, die Politik müsse zugehen auf all jene, ‚die verunsichert sind und mitlaufen‘. Thierse und Gabriel sind aufrechte Demokraten. Aber sie irren. Die Politik sollte den Teufel tun und die Debatte mit Idioten und Rassisten suchen. Denn ein Idiot oder ein Rassist ist jeder, der an einer Demonstration gegen die ‚Islamisierung des Abendlandes‘ teilnimmt.“

    So einfach ist das, man schreibt in einer Demokratie einfach einen Teil der Bevölkerung ab. Dass die „Zeit“ auch noch versucht, die Vorbehalte der Demonstranten zu erklären, findet Augstein erst recht unpassend. Immerhin weiß er: “ … geht es weder um die Zuwanderer noch um den Islam. Es geht um den schwindenden Konsens und die zunehmende soziale Kälte in einem ungerechten Land“ und „in einem zunehmend ungerechten Wirtschaftssystem“. Na, das ist doch schon mal ein interessanter Ansatzpunkt, meine ich. Dass auch Demonstranten dies denken oder zumindest aus dem Bauch heraus fühlen könnten, schließen wir der Einfachheit halber mal aus …?

    Mit solchen Herangehensweisen, davon bin ich zutiefst überzeugt, lösen wir unsere gesellschaftlichen Probleme nicht. P.S. Dies ist meine letzte Meinungsäußerung zum Thema.

  26. Einige bescheidene Fragen an alle (nicht nur hier im Blog), die sich redlich Mühe geben, in der sich hinter aggressiven Parolen versammelnden „Mitte der Gesellschaft“ (?) die wahren „Opfer“ zu entdecken.
    (1) Wer hindert sie eigentlich daran, ihre eigene Situation zu thematisieren, auf nachweislich berechtigte „Ängste“ auch auf der Straße aufmerksam zu machen, adressiert an die ihrer Meinung nach Verantwortlichen?
    Warum verzichten sie auf dieses altehrwürdige demokratische Recht, um stattdessen verbockt hinter notorischen Provokateuren herzudackeln?
    Ist es etwa, weil sie dann für die Berechtigung ihrer Forderungen beweispflichtig wären? Weil sie dann auf den Balsam verzichten müssten, dass es immer noch Schwächere gibt, auf die man eintreten kann?

    Jeder, der in den 80er und 90er Jahren in Berlin die altehrwürdige gewerkschaftliche Tradition der Maidemonstration mit aufrechterhalten hat, weiß, wie selbsternannte „Revolutionäre“, als „autonome Gruppen“ deklariert, die Gewerkschaftsbewegung zu pervertieren suchten. Jeder kannte das Sprichwort „mit gefangen – mit gehangen“. Er wusste, dass er sich nicht in deren Sichtweite aufzuhalten hatte, wollte er nicht für darauf folgendes Wüten in türkischen Läden mit verantwortlich sein.
    Für die tieferen Gründe solchen Wütens dürfte folgende Auskunft aufschlussreich sein: Eine daran beteiligte Schülerin, von mir befragt, warum sie das eigentlich tue, gab mir zur Antwort: „Jetzt fühle ich mich wieder wohler.“
    (2) Welche einschlägigen neue Erkenntnisse gibt es eigentlich, die es nahelegen, historische Erfahrungen wie diese einfach über Bord zu werfen?

    Auf Phoenix lief neulich die Dokumentation „Neue Heimat“. Darin Hinweise, dass das Phänomen der Fremdenfeindlichkeit so neu nicht ist. Erinnerungen, die jeder, der (zumindest aus Flüchtlingsperspektive) die Zeit erlebt hat, bestätigen kann. So etwa in erzkatholischen Gegenden das Verbot an Kinder, mit Protestanten zu spielen. Oder die Ängste Einheimischer, dass die Neuankömmlinge (die noch dazu so komisch sprachen) „uns alles wegessen“. Ängste, die dennoch um ein Vielfaches berechtigter erscheinen als das, was aus dem Dunstkreis von „Pegida“ jetzt zu hören ist: Es waren über 14 Millionen Menschen zu integrieren, in einem zerstörten und von Hunger geprägten Land. In einem hessischen Dorf – so die Dokumentation – 600 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner. Und für Erzkatholiken die unerträgliche „Zumutung“, von nun an mit Protestanten (nicht weit entfernt von „Ungläubigen“) zusammen leben zu müssen.
    Und dennoch ist das „Abendland“ nicht untergegangen, und sogar die katholische Welt hat es überlebt. – Eine gewaltige Integrationsleistung eines Konrad Adenauer. Und Verdienst von vielen, die sich nicht von Selbstmitleid und Vorurteilen leiten ließen, sondern sich neuen Aufgaben stellten. So eine Gastwirtsfrau (die Erfahrung meiner Mutter), die einer völlig mittellosen Flüchtlingswitwe und ihren 7 Kindern Unterkunft bot und eine neue Heimat ermöglichte.
    Erinnerungen, die mir die Schamröte ins Gesicht treiben angesichts dessen, was sich da an dumpfem Ressentiment wieder breit macht.

    Ich gehöre nicht mehr zu denen, die, bayrische Fluren segnend, hinter einer Monstranz herlaufen. Täte ich es, ich wüsste zumindest ein Bittgebet, das mir von den Lippen fließen würde: „Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!“

  27. Es ist evident, dass Pegida in erster Linie ein sächsisches (= ostdeutsches) Phänomen ist.

    Ich denke, zur Erklärung muss man bis ins Jahr 1989 zurückgehen. In den späten achtziger Jahren war die alte Bundesrepublik faktisch bereits eine multi-kulturelle Gesellschaft. Die alte Bundesrepublik war aber – im Gegensatz zum heutigen Deutschland – kein Nationalstaat, sie konnte und wollte dies auch nicht sein. Schon der Begriff „deutsch“ wurde nach Möglichkeit vermieden – statt Deutschland hieß es Bundesrepublik, statt Deutsche Bahn Bundesbahn etc. Der Status des deutschen Nationalstaates sollte ja dem wiedervereingten Deutschland vorbehalten sein – womit aber niemand mehr rechnete. Wenn man ehrlich ist, waren die Westdeutschen nach dem Fall der Mauer über die sich anbahnende Wiedrevreinigung nicht unbedingt begeistert. Es herrschte ein reserviertes Desinteresse vor. Ich kann mich noch erinnern, dass westdeutsche Jugendliche, die damals im Fernsehen interviewt wurden, kundgaben, mit gleichaltrigen Jugendlichen in Italien oder Frankreich unendlich viel mehr gemeinsam zu haben als mit ostdeutschen Jugendlichen in der DDR. Ohne die Wiedervereinigung hätte die alte Bundesrepublik beste Aussichten gehabt, sich auf evolutionäre Weise ohne innere Verwerfungen zu einer Gesellschaft zu entwickeln, in der die Multikulturalität als gemeinsame Geschäftsgrundlage anerkannt worden wäre.

    Was die DDR für westdeutsche Politiker interessant machte, war die Aussicht auf einen Macht- und Bedeutungszuwachs im Rahmen der EU; für die „Wirtschaft“ kam die Aussicht auf die Belieferung ungesättigter Märkte hinzu; „Alteigentümer“ aus Westdeutschland konnten wieder ererbte Grundstücke und Betriebe in Ostdeutschland restituieren oder in Besitz nehmen, die sie schon längst abgeschrieben hatten; gescheiterten Existenzen aus Westdeutschland bot sich in der Ex-DDR eine zweite Chance. Das war es dann aber auch. Ein „Nationalgefühl“ spielte für die Westdeutschen keine Rolle.

    Ganz anders in der DDR – hier machte der baldige Wechsel vom Slogan „Wir sind das Volk!“ zu „Wir sind ein Volk!“ frühzeitig klar, dass sich die Ostdeutschen einen deutschen Nationalstaat wünschten, dessen Merkmal die ethnische Zusammengehörigkeit und Solidarität aller Deutschen war.

    In dieser Situation wurde dann díe Idee geboten, anstelle einer Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten auf Grund einer gemeinsamen Verfassungsgebung – wie es Art. 146 GG an sich vorgesehen hatte – durch den „Beitritt“ der DDR nach dem damaligen Art. 23 GG, der an sich für den Beitritt des Saarlandes zur BRD konzipiert worden war, zu vollziehen. Also durch eine Ostverschiebung der Grenzen der BRD, die ansonsten aber alles in der BRD beim Alten lassen sollte.

    Dabei wurde aber außer Acht gelassen, dass West- und Ostdeutsche ganz verschiedene, ja konträre Vorstellungen über die innere Verfasstheit eines wiedervereinigten Deutschlands hatten – für die Westdeutschen sollte eunfach die alte Bundesrepublik mit lediglich nach Osten vorgeschobenen Grenzen weiter existieren. Demgegenüber gingen die Ostdeutschen von der Restauration eines deutschen Nationalstaates aus. An das Zusammenleben mit Immigranten war man in der DDR nicht gewöhnt. (Ich kann mich erinnern, dass in den neunziger Jahren im „Beitrittsgebiet“ in Gaststätten häufig mit der Aussage „Hier wird nur deutsche Musik gespielt!“ geworben wurde; es war unübersehbar, dass Nationalismus und Deutschtümelei das Feld beherrschten.)

    Jetzt rächt sich, dass es im Rahmen der Wiedervereinigung nie eine gemeinsame Verfassungsdiskussion und Verfassungsgebung gegeben hat, in der die Bewohner der beiden Teilstaaten verhandelt hätten, welches Selbstverständnis ein wiedervereinigter Staat haben soll: multikulturelle Gesellschaft oder ethnisch homogener Nationalstaat klassischer Prägung. Eine multikulturelle Gesellschaft haben viele Oastdeutsche von Anfang an nie gewollt. Umgekehrt haben sich viele Westdeutsche von der Vorstellung eines klassischen Nationalstaats spätestens seit 1968 verabschiedet.

    Ich denke, es ist höchste Zeit, dass Ost- und Westdeutsche (unter Einschluss der hier lebenden Immigranten und deren Abkömmlinge) miteinander einen Verfassungskonsens aushandeln, in dem das Selbst3verständnis des Staates und seiner Bewohner unter Beantwortung der Frage, wie wir es mit Immigranten halten, beantwortet wird.

  28. Es reicht! Zu viel Respekt und Achtung hatten wir der Bundesrepublik aufgrund ihrer erfolgreichen Geschichte im Kampfe gegen die damalige Nazifizierung sowie der steigenden Migration eingeheimst. Durch die Errichtung von Moscheen und der Beibehaltung unseres Glaubens bemühten wir uns nicht um eine Entfremdung, sondern eine Integration zwischen den unterschiedlichen Kulturen jener Gesellschaft durch Religionsfreiheit, Verständnis und Toleranz… Aber scheinbar wurde hierbei vergessen, dass wir uns bei unserer Lebensweise „lediglich“ auf die deutsche Verfassung, das Grundgesetz gestützt haben! Eine absolute Unverschämtheit daher, eine Heilige Schrift, welche eine breite Masse der Erdbevölkerung von Geburt an geprägt hat, an den Pranger zu stellen und zu verurteilen, als würden wir Muslime einen Angriff auf deutsche Kirchen verüben oder die Bibel mitsamt Jesus Christus beschmutzen. Ja, wir fühlen uns missverstanden und offiziell nicht mehr wohl in einem derart industriell wirtschaftlichen Staat, welcher dem Menschen keine Sicherheit mehr in seiner persönlichen Entfaltung gewährleisten kann – und dabei handelt es sich um eines der begehrtesten weltweit. Scheinbar habt ihr vergessen, dass wir seit Generationen für euch arbeiten, dass wir nur staatliche Hilfen empfangen, weil sich unsereins abgeschafft hat, unsere Hausfrauen über die Jahre der Erziehung ihrer Kinder krank und alt geworden und unsere Jugend benachteiligt wird, weil ein deutscher Realschüler einem türkischen Gymnasiasten in den meisten Fällen schlicht und einfach vorgezogen wird. Mädchen islamischen Ursprungs schrubben Toiletten oder pflegen Senioren in Altersheimen, verkaufen Textilien oder Brötchen – das typische Klischee einer unterdrückten Muslimin in der Bundesrepublik, während derer Fokus zur Ablenkung auf den Iran oder Saudi Arabien gelegt wird! Ist sie, wie in den seltensten Fällen, höheren Ranges, wird sie innerhalb des Betriebes schikaniert. Unsere Frauen sprechen kein Deutsch? Quelle farce… Wenn wir uns die PEGIDA-Proteste anschauen, offenbart sich mir die Frage: Warum sollten wir? In der Realität werden wir diskriminiert – nein, vielleicht merken es die Wenigsten, und wir sprechen unseren Schmerz aus Höflichkeit kaum aus, doch uns geht es schlecht. Seit Eintritt der Regierung CDU/CSU können wir Bürger mit Migrationshintergrund die Integration öffentlich für gescheitert erklären. Man sieht es tagtäglich auf den Straßen, denn es beginnt schon in jungen Jahren: Getrimmt von ihren Elternhäusern oder dem Bekanntenkreis werden unsere Ausländer von den deutschen Kollegen bewusst aus Gemeinschaften ausgeschlossen; ein deutscher Student gesellt sich zu einer deutschen Bande, ein türkisches oder kurdisches Mädchen trifft einen Türken oder Kurden. Und die Asylanten, die gerade nach Deutschland geflüchtet sind? Ach, mit denen wird nur geschlafen, sie leben wie Tiere – nein, in Deutschland werden sogar Hund und Katze fürsorglicher behandelt! Die kritischen Blicke der älteren Menschen – man bemerke, es handelt sich um Opfer des Zweiten Weltkrieges bzw. der Nachkriegszeit – sprechen Bände: Betritt unsereins eine Bäckerei, wird er von oben bis unten gemustert, als handele es sich um einen Außerirdischen, keinen Weltenbewohner. Der Zusammenhalt der deutschen Nation ist erst nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 aufs Erbärmlichste abgestumpft, warum? Weil die deutschen Intellektuellen ihre Nasen zu „hoch“ nehmen. Wir werden regelrecht „überflogen“, wahrgenommen werden wir nicht – höchstens als Verlierer der Gesellschaft. Statt einen Dialog mit uns zu wagen – denn wir haben oft genug versucht, auf euch zuzugehen – wurden wir isoliert, während die deutschen Medien die Bundesrepublik als migrationsfreundliches Land des Fortschritts propagieren. Und jetzt? Bei all den Begebenheiten wundern sich die deutschen Auflehner, dass sich ein Teil unserer Gemeinschaft radikalen Gemeinschaften anschließt. Ganz ehrlich, mich wundert nichts mehr. Denn eine sinnvolle und gewinnbringende Assimilation bedeutet die Anpassung nicht einer, sondern beider Protagonisten aufeinander.
    PS.: Gewalt kommt in allen Religionen vor. Diese umzusetzen obliegt keiner Pflicht, auch nicht vonseiten Gottes. Der Mensch kann nicht eine Schandtat durch eine bereits begangene Sünde rechtfertigen; als einziges Lebewesen wurde er mit Moral und Verstand gesegnet. Das Aufgeben von Wohltaten durch faule Ausreden wird bestraft! Ferner sehe ich keinen Türken oder Araber hierorts mit einer Rakete rumrennen. Nein, nicht weil wir moderne oder liberale Deutsche sind, sondern weil wir von Natur aus friedliebende Muslime sind, wie von Mohammed und allen Propheten abrahamitischen Glaubens – Friede sei mit ihnen – gepredigt. Amen.

  29. zu Herrn Mohrmann
    “Die politischen Parteien haben es wieder mal nicht begriffen, das sich der Protest allgemein auch gegen ihre Politik richtet. Sie hacken weiterhin auf dem überholten Rechts- Links Schema herum. Sie sind genau so blind wie 1933.
    Der Protest richtet sich auch gegen die Globalisierung, gegen die EU, gegen die Bürokratie, für den Erhalt der Heimat, für den Erhalt der eigenen Kultur, gegen die US amerikanische Kulturübermacht und gegen die Vereinzelung der Menschen und ihre Loslösung von allen traditionellen Bindungen, wie Sprache, Familie, Heimat, Religion usw.“

    Hier wurden die wesentlichen Quellen des zunehmenden politischen Unbehagens sehr zutreffend zusammengefasst.

    Es ist doch schon seit vielen , wenn nicht gar Jahrzehnten, erkennbar, dass die politischen Parteien den Wählern die Gesinnung, also schlicht ausgedrückt: Was als gut und was böse zu bewerten ist,vorschreiben. Und die Medien beteiligen sich an dieser Entmündigung der Bürger eifrig.
    Abweichler trauen sich gar nicht zu Wort zu melden oder werden sofort mit den üblichen Keulen, die da sind: Populismus, Rassismus, Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und schließlich mit der absolut tödlichen Keule namens Nazitum mundtot gemacht.

    Wie weit das bereits geht, sei an folgendem Beispiel festgemacht:
    „BKA-Chef Jörg Ziercke (63) hat seine Kriminalbeamten angewiesen, in Protokollen und bei Fahndungen künftig im Fall der Fälle auf die Täter-Beschreibung >Roma oder Sinti< zu verzichten. Grund: Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma findet die Bezeichnung rassistisch. Bild meint: Und wann benennt sich der Verband um?" Ich (gemeint der Autor) hatte die Nachricht für eine halbernste Stichelei gehalten, vorsichtshalber jedoch beim Landeskriminalamt Düsseldorf nachgefragt, von wo aus mir ein hoher Kriminaler zurückschrieb: "Die Bildzeitung hat recht." Der beharrlichen Lobbyarbeit des Zentralrats war damit ein bedeutsamer Sieg im Kampf um die Begriffe beschieden. Offensichtlich ist die Bezeichnung "Sinti und Roma" im kriminologischen Umfeld dann einwandfrei, wenn Sinti und Roma die Opfer sind. Sind sie aber Täter, wird die Bezeichnung diskriminierend." Dies im Zusammenhang mit einem tödlichen Vorfall im April 2011 in Duisburg, als ein stromführendes Kabel mit einer Säge gekappt wurde. Das Kabel sollte entwendet werden. Obiges Zitat aus: R. Bauerndick, Zigeuner Begegnungen mit einem ungeliebten Volk, DVA 2013, Seiten 214 und 215 Es sei die Frage gestattet: Wer legt in unserem Staat eigentlich fest, was rassistisch, nationalistisch, antieuropäisch etc. ist? Was wird passieren, wenn die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge auf den Tisch gelegt werden müssten (was die Politik mit allen Mitteln vermeiden möchte), wenn sich herausstellt, wie groß bzw. besser wie gering die europäische Solidarität der EU Staaten ist, ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen, und zugleich die Arbeitslosigkeit im Zuge einer sich jetzt schon abzuzeichnenden Konjunkturabschwächung deutlich anzusteigen beginnt? Warscheinlich trifft mich jetzt das Verdikt, ein Nationalist, Rassist, Antieuropäer etc. zu sein.

  30. „Sich heute als ein Angehöriger irgendeiner Nationalität hinstellen und so über andere Nationalitäten urteilen, wie man nur über einen einzelnen Menschen urteilen dürfte, das zeigt nichts anderes als ein Zurückgebliebensein in der Urteilsfähigkeit.“
    (Rudolf Steiner, 7.Januar 1917)

  31. Carsten Neumann 21.Dez.2014 22:26

    „Ich denke, es ist höchste Zeit, dass Ost- und Westdeutsche (unter Einschluss der hier lebenden Immigranten und deren Abkömmlinge) miteinander einen Verfassungskonsens aushandeln, in dem das Selbstverständnis des Staates und seiner Bewohner unter Beantwortung der Frage, wie wir es mit Immigranten halten, beantwortet wird.“

    Auch mit Pegida wird es nicht gelingen, solchen Träumen eine neue Chance zu eröffnen. Zumal Pegida überhaupt nicht weiß, was es eigentlich will. Bis auf ein dumpfes und kaum beschreibliches Etwas ist da nichts in den Köpfen. Wie soll man auf ein derartiges „Nichts“ mit einer Politik reagieren können ? Eine neue Variante es „Kaisers mit den neuen Kleidern“ ist geboren, und die gesamte Politikelite zermartert sich den Kopf über etwas, das praktisch nicht existiert. Nicht von ungefähr sucht die sog. Pegida-Führung zu verhindern, daß sich Demonstrationsteilnehmer den Fragen der Journalisten stellen. Die Leere würde sich buchstäblich „materialisieren“. Die Initiatoren sind die Hintermänner, um die es sich zu kümmern gilt. Ansonsten wird sich Pegida schneller totlaufen, als sich die „Interpretatoren“ nur vorstellen können.

  32. Wir haben zur Zeit eine Asyl- und Migrationspolitik, die von weiten Teilen der Bevölkerung nicht verstanden und nicht unterstützt wird. Hier geht es um die Frage, wer zum Staatsvolk gehören soll. Die Aushandlung einer gemeinsamen Verfassung, die Sie verächtlich als „Träume“ abtun, ist ein Postulat des Prinzips der Volkssouveränität, das auch dem geltenden Grundgesetz zugrunde liegt (Art. 146 GG). Wer dies ablehbt, will weder Volkssouveränität noch Demokratie.

    Das Grundgesetz geht vom „Deutschen Volk“ als Träger der Souveränität und der Staatsgewalt aus (vgl. Präambel, Eingangssatz, Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 146 GG). Diesem Träger der Staatsgewalt steht nicht nur das Recht zu, sondern er muss auch sein eigenes Selbstvertsändnis definieren.

    Wenn es nicht das Volk ist, wer sollte es in einer Demokratie sonst sein? Ohne die Aushandlung einer gemeinsamen Verfassung, die ja im Grunde nichts anderes ist als der Gesellschaftsvertrag im Rousseau’schen Sinne bzw. im Sinne der Naturrechtslehre, wird sich die Frage der Zugehörigkeit („Wer sind wir? Wer gehört dazu? Was wollen wir sein?“) nicht lösen lassen.

    Deutschland krankt daran, dass es – etwa im Gegensatz zu den USA und ihrer „Declaration of Independence“, England und der „Bill of Rights“ oder Frankreich und seiner „Déclaration des droits de l’homme“ – unter seinen Einwohnern und im allgemeinen Bewusstsein keine grundlegende Übereinkunft über das Selbstverständnis und den Zweck des Staates gibt. (Man komme jetzt nicht mit dem Grundgesetz: Dieses ist nie vom Volk beschlossen worden. Die „neuen Bundesländer“ sind zwar dem Geltungsbereich des Grundgesetzes formell „beigetreten“, aber tatsächlich war dies kein bürgerschaftlicher Beitritt, sondern eher ein „Beitritt“ zur Wohlstandszone der alten Bundesrepublik, mit der sich ein großer Teil der im Gebiet der früheren DDR wohnenden Menschen immer noch nicht identifizieren können. Deswegen richten sie sich auch gegen das Konzept einer Einwanderungsgesellschaft, die die alte Bundesrepublik im Jahr 1989 bereits war.). Eine solche Übereinkunft kann nicht von oben aufokroyiert werden, sondern nur durch eine kollektive Willensbildung im Zuge einer Verfassungsgebung durch das Volk entstehen.

    Pegida ist nur ein Symptom der bestehenden Problematik, an deren Existenz sich durch ein Verschwinden von Pegida nichts ändern würde.

  33. an V. Grebe:
    was Pegida will, haben sie in 19 Punkten formuliert:
    1. „Pegida ist für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!“
    2. „Pegida ist für die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert)!“
    3. „Pegida ist für dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen.“
    4. „Pegida ist für einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten! (Zentrale Erfassungsbehörde für Flüchtlinge, welche dann ähnlich dem innerdeutschen, Königsteiner Schlüssel die Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt)“
    5. „Pegida ist für eine Senkung des Betreuungsschlüssels für Asylsuchende (Anzahl Flüchtlinge je Sozialarbeiter/Betreuer – derzeit ca. 200:1, faktisch keine Betreuung der teils traumatisierten Menschen)“
    6. „Pegida ist für ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell und bis zur Einführung dessen, für eine Aufstockung der Mittel für das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) um die Verfahrensdauer der Antragstellung und Bearbeitung massiv zu kürzen und eine schnellere Integration zu ermöglichen!“
    7. „Pegida ist für die Aufstockung der Mittel für die Polizei und gegen den Stellenabbau bei selbiger!“
    8. „Pegida ist für die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung!“
    9. „Pegida ist für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!“
    10. „Pegida ist für den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!“
    11. „Pegida ist für eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas!“
    12. „Pegida ist für sexuelle Selbstbestimmung!“
    13. „Pegida ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!“
    14. „Pegida ist für die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!“
    15. „Pegida ist gegen Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z. B. PKK“
    16. „Pegida ist gegen das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter uns.“
    17. „Pegida ist gegen dieses wahnwitzige „Gender Mainstreaming“, auch oft „Genderisierung“ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!“
    18. „Pegida ist gegen Radikalismus egal ob religiös oder politisch motiviert!“
    19. „Pegida ist gegen Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!“

  34. Katja Wolf 27.Dez. 17:26egida sind

    Ich denke, 99 % der Demonstrationsteilnehmer von Pegida sind Ihre 19 Forderungen unbekannt. Und sie sind sicher auch nicht Grund dafür, warum sich derart große Demonstrationen überhaupt bilden. Zumal die meisten dieser Forderungen Bestandteil deutscher Politik bereits sind, seien sie vollzogen oder nur inauguriert. Selbst die Forderung Nr. 9 nach Null Toleranz ist bereits verwirklicht, denn das Strafrecht greift auch für Flüchtlinge. Sie und ich wissen übrigens, daß eine solche Forderung nur das Verlangen der Stammtische befriedigt, die sowieso nicht genau hinschauen, sondern nur eigenen Vorurteilen hinterherlaufen.

    Die Nummern 13 bis 19 sind doch wohl nicht ernst gemeint. Die Islamisierung ist eine Fata morgana, eine reine Einbildung. Das Problem ist eher die Abwendung der Menschen von den ererbten christlichen Traditionen. Pegida sollte besser die Kirchen besuchen als sinnlos und stumm auf den Straßen herumzustampfen. Haßprediger dulden wir von keiner Glaubensgemeinschaft, auch nicht von Pegida.

    Pegida ist für mich vor allem Abendlandfeindlichkeit, die sich mit Anti-Islamparolen tarnt.

  35. „Es waren über 14 Millionen Menschen zu integrieren, in einem zerstörten und von Hunger geprägten Land.“

    Sehr geehrter Herr Engelmann, Ihre absolut noble Einstellumng ehrt Sie. Aber sie ist unrealistisch. Sie vergleichen nämlich Äpfel mit Birnen. Die Flüchtlinge waren damals nicht willkomen, obwohl sie der gleichen Kultur entstammten und – was wichtig ist – die gleiche Sprache beherrschten. Und das Elend war allgegenwärtig, das machte jedocheiniges einfacher als heute. Es ging allen dreckig. Das machte vieles e,facher.
    Heute soll eine ungenannte Zahl von Unbekannten nach Deutschland kommen und willkomen geheißen werden, samt Kindergartenplatz, Schulplatz, psychologischer Betreuung, gesundheitlicher kostenloser Versorgung etc. Selbstverständlich gehört eine menschenwürdige Unterbringung auch dazu, doch wo ist passender Wohnraum vorhanden?
    Von kulturellen Unterschieden darf nicht die Rede sein, weil rassistisch. Seien Sie mir nicht böse, aber Ihr Gebet möchte ich ihnen nicht entgegenhalten.

    „Ich gehöre nicht mehr zu denen, die, bayrische Fluren segnend, hinter einer Monstranz herlaufen. Täte ich es, ich wüsste zumindest ein Bittgebet, das mir von den Lippen fließen würde: „Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!“

    Ich gehöre auch nicht zu den Monstranzaposteln, aber auch nicht zu denen, denen Sie „Hirn vom Himmel“ wünschen.

    Ich denke, Sie machen es sich mit moralischer Verurteilung Andersdenkender etwas zu einfach.

  36. @V. Grebe:
    Woher Sie die Weisheit nehmen, 99% der Demonstrationsteilnehmer von Pegida seien die 19 Forderungen nicht bekannt, weiß ich nicht. Ich gehe meinerseits eher davon aus, dass die Mehrheit der Pegida-Gegner sich nicht mit deren Forderungen vertraut gemacht hat.
    Den Nummern 13 bis 19 kann ich übrigens mehrheitlich zustimmen.
    Punkt 13 bedürfte einer genaueren Definition – er ist in dieser Form nicht beonders aussagekräftig.
    Punkt 15 ist schwierig.
    Ansonsten: Zustimmung.

  37. runeB 29. Dezember 2014 1:24

    Danke für Ihre Reaktion. Nur eine kurze Antwort, da ich sofort unterwegs bin.
    „Heute soll eine ungenannte Zahl von Unbekannten nach Deutschland kommen und willkommen geheißen werden, samt Kindergartenplatz, Schulplatz, psychologischer Betreuung, gesundheitlicher kostenloser Versorgung etc. Selbstverständlich gehört eine menschenwürdige Unterbringung auch dazu, doch wo ist passender Wohnraum vorhanden?“
    Gut, auch die Unterschiede eines Vergleichs herauszustellen, denn die gibt es da immer. Die oben gemachte Anmerkung als Entschuldigung und Verschärfung gegenüber der Situation von 45 geltend zu machen ist aber doch wohl ein Witz?
    Fragen:
    Wie kommt es, dass Sie von „moralischer Verurteilung Andersdenkender“ sprechen, wo auf deren Umgang mit „Andersdenkenden“ (und weitgehend schlechter Gestellten) verwiesen wird, ohne dass Ihnen bei solchem Umgang eben dieser Gedanke kommt?
    Wie kommt es, dass Sie die Aussage eines – bewusst polemisch formuliertes – „Bittgebets“ meinen bewerten zu können, ohne auch nur mit einem Wort auf die vorangestellten – sehr ernsthaft gemeinten! – Fragen und Ausführungen einzugehen, in deren Kontext dieses überhaupt erst verständlich ist?
    Wie kommt es, dass Sie mit „Moral“ kommen statt eine Antwort darauf geben? Wissen Sie keine?

    Ich wünsche einen frohen Silvesterabend und ein gutes, gesundes – und hoffentlich friedlicheres neues Jahr!

  38. Sorry, ich werde meinem Vorsatz, das Thema ruhen zu lassen, noch einmal untreu.

    Zum Leitartikel in FR Silvesterausgabe 2014, Stephan Hebel: Was gesagt werden darf

    Sehr geehrter Herr Hebel,
    ich weiß nicht, was Christiane Menge in ihrem Leserbrief im Einzelnen geschrieben hat, ich würde ihr jedenfalls zustimmen in ihrer Befürchtung, dass „vor lauter politischer Korrektheit“ die Wahrheit über Probleme nicht mehr ausgesprochen werden dürfe – und damit Ihnen widersprechen. Ja, es darf über einzelne Tabu-Themen nicht mehr kontrovers diskutiert werden, meine ich. Natürlich kann man hierzulande (wir haben ja Meinungsfreiheit) fast alles aussprechen, sogar sagen, dass Ausländer doch gerne Deutsch sprechen sollten, doch wenn dann die Wir-sind-die Guten-und-Anständigen-Mainstream-Dampfwalze über einen hinwegrollt, ist man buchstäblich platt. „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ geht gar nicht, das habe ich inzwischen aus der öffentlichen Debatte gelernt. (Warum eigentlich nicht? Wenn ich sage „Ich habe nichts gegen IKEA, finde es aber blöd, dass die mich in der Werbung duzen“, wird doch auch niemand annehmen, ich verabscheute das schwedische Möbelhaus in Wirklichkeit). Entweder du bist FÜR Flüchtlinge/Ausländer oder GEGEN sie. Das Leben kann so einfach sein (und wenn es das nicht ist, wird es dazu gemacht).

    Jeder Schüler lernt hierzulande – Stichwort „Besinnungsaufsatz“ –: Es gibt Pro- und Contra-Argumente zu Themen, Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewogen werden und dann zu einer begründeten Schlussfolgerung führen. Im Moment ist unser bundesdeutscher politischer Diskurs aber dadurch geprägt, dass es polarisierte feste Meinungen gibt, zwischen denen auf den ersten Blick ein breiter Graben liegt. Und in diesen Graben sind zahlreiche politische, ökonomische, juristische, gesellschaftliche und psychologische Fragestellungen und Probleme rund um das Thema Einwanderung und Zukunftsentwicklung hineingeschmissen, die Teile der Meinungselite gerne über-gehen würden. Mutmaßlich weil Lösungen und Antworten oft schwer zu finden, Win-Win-Situationen für alle Betroffenen meistens sogar unmöglich sind.

    Da gibt es Sorgen und Probleme, die evtl. bei genauer Betrachtung unbegründet und leicht lösbar sind, und andere, die durchaus realistisch schwierige gesellschaftliche Entwicklungen nachzeichnen oder vorwegnehmen. Das Themenspektrum, um das es hier geht, reicht von der Angst vor radikalen Islamisten im Lande, wie sie Frau Menge angesprochen hat (der manche Leute wahrscheinlich in der Tat eine Islamo- oder andere Phobie unterstellen werden!), über mögliche Folgen einer stärkeren Einwanderung für den Arbeitsmarkt (Jobs, Lohnniveau), den Wohnungsmarkt, das Bildungswesen, die deutsche Sprache, mögliche Probleme der hiesigen Bevölkerung mit religiöser Kleidung und neuen religiösen Bauwerken im Stadtbild bis hin zur Frage, inwieweit die Rollenbilder von Einwanderern mit den hiesigen Rollenbildern kompatibel sind, oder der Frage, inwieweit künftig Parallelgesellschaften entstehen könnten (ein Thema, das die Contra-Pegida-Bewegung meines Erachtens eher ausklammert).

    Ich behaupte wohl bemerkt nicht, dass die jetzige gesellschaftliche Situation dramatisch ist, es muss aber möglich sein, sie aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und zu überlegen, wie sie in 30 Jahren aussehen könnte. Migranten erwarten zu Recht, nicht ausgegrenzt zu werden, sie (und alle ihre Unterstützer) müssen andererseits nachempfinden können, dass das „moderne Einwanderungsland“ Deutschland Veränderungen unterworfen ist, die für Teile der „Ur-Bevölkerung“ erst mal gewöhnungsbedürftig sind. Sie haben Probleme mit dem Thema Burka, weil wir es in unseren Breitengraden gewöhnt sind, die Menschen, mit denen wir direkt kommunizieren, als Person wahrzunehmen, nicht, weil sie die Frau unter der Burka wegen ihrer Religion ablehnen. Sie haben womöglich Probleme mit Kopftüchern, weil sie sich fragen, ob diese Symbole für ein konservatives Frauenbild sind, und es nicht gewöhnt sind, Angehörige von Religionsgruppen bzw. Atheisten im Einkaufszentrum schon auf 30 Meter Entfernung identifizieren zu können. Da werden Dinge im Alltag „anders“, und es muss nicht über aller Befremdung der Vorwurf der Intoleranz und des Rassismus schweben.

    Mich entsetzt derzeit die Art und Weise, wie Medien, Politiker und es mit Flüchtlingen gut meinende Internet-Blogger seit Wochen mit feindseligen Begriffen und Verallgemeinerungen undifferenziert gegen alle Pegida-Demonstranten und die, die vielleicht sachliche Gründe für Sorgen von Teilen der Bevölkerung zu erkennen meinen, schießen: Alles Rassisten, Idioten oder Unanständige?

    Jeder darf sich, bitteschön, mit Pegida und deren Forderungen kritisch auseinandersetzen, man kann auch Teile der Demonstranten unsympathisch/gefährlich finden, keine Frage. Das entbindet aber Kritiker nicht, genau hinzuschauen und differenziert zu argumentieren. Die Gegenbewegung ist hier nach meiner Meinung (und ich sehe mich eher als außenstehender, um Analyse bemühter Beobachter) speziell in einem Punkt höchst unehrlich. Die ganze Bewegung wird leicht darauf reduziert, dass sie angeblich Flüchtlinge aus dem Land jagen möchte und braun gefärbt ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt in ihrer Neujahrsansprache zu Recht klar: „Es ist selbstverständlich, dass wir Menschen aufnehmen, die bei uns Zuflucht suchen.“ Nur: Hat das jemand im Grundsatz offiziell bestritten? Pegida spricht sich im eigenen Programm für die Aufnahme politisch und religiös verfolgter Menschen aus. Nun kann man als skeptischer Zeitgenosse natürlich sagen: „Glaube ich denen nicht, dass die das wirklich wollen.“ Ist aber schwarz auf weiß nachzulesen. Man kann als skeptischer Zeitgenosse und Vertreter der Politik auch ernsthaft fürchten, dass weniger reflektionsfähige, emotionalisierte Bürger hinter den falschen Organisatoren herlaufen oder die falschen Parteien (AfD) wählen. Dann muss einem aber bewusst sein, dass solche Bürger auch auf anderen Parteiveranstaltungen sitzen und Briefchen zum Wohle größerer Parteien in Wahlurnen werfen: Und dabei werden sie vom Rest der Welt durchaus ernst genommen.

    Pegida-Gegner haben jetzt eine bequeme Möglichkeit, sich zu positionieren: die von den Medien gefeierte Online-Petition „Für ein buntes Deutschland/No Pegida“, die ja massenhaft und schnell Zulauf erhält. Aktuell zählt die Petition schon über 279.000 Unterschriften. (Entschuldigung trotzdem, ich hege bei mit Online-Petitionen erreichten Unterstützer-Zahlen immer eine gewisse Skepsis, da sie leicht zu manipulieren sind …). Mir persönlich erscheint das Plädoyer für fröhliche Buntheit, so gut gemeint es sicherlich ist, ein bisschen zu einfach, um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme, die mit Einwanderung in Zusammenhang stehen und auf uns in den kommenden Jahren zukommen könnten, zu lösen.

    Ich habe jedoch, das betone ich, sehr großen Respekt vor den meisten sicherlich moralisch integeren und um das friedliche Zusammenleben besorgten Unterschreibern, die Anliegen wie „Es ist unsere Christenpflicht, Menschen in Not aufzunehmen und menschenwürdig zu behandeln“ zur Teilnahme an der Aktion motivieren, auch wenn ich diese Anliegen nicht ganz als passgenaue Erwiderung auf Pegida einordne. Vor allem vermisse ich den kritischen Blick darauf, wie wir hierzulande mit den willkommen geheißenen Flüchtlingen und Asylbewerbern umgehen, Erstaufnahmeeinrichtungen sind laut PRO ASLY „oft eingezäunt“ … Ich bin zugleich einigermaßen entsetzt, wenn ich lese, wie viel negative Gefühle einzelne Kommentare der Wir-sind-die-Guten-und-Intelligenten-und-Anständigen-Fraktion ausstrahlen. Ein paar Zitate, Anfang Januar auf der Petitions-Webseite abgerufen: „PEGIDA = Peinliche Entgleisung Gefühlskalter Ignoranten Dümmster Ausprägung“ … „Weg mit der braunen Schmiere von unseren Strassen! Dieser Pöbel beleidigt meinen Sinn für Anstand und Demokratie!“ … „Ich unterschreibe, weil ich nicht zu den ‚Blödbürgern‘ gehören will, die wie dumme Schafe hinter gefährlichen Rassisten her rennen!“ … „Weil ich fassungslos bin über so viel Heuchelei, Dummheit und Ignoranz …“

    Ich frage mich: Haben Medien und vor allem Politiker die – pauschale – Beschimpfung von Tausenden von Mitmenschen als „Blödbürger“ erst so richtig salonfähig gemacht, oder können diese (Politiker und Medien) nur so starke Worte finden, weil sich im Internet längst eine Kultur des (un)gepflegten Aufeinandereinschlagens breit gemacht hat? Ich fürchte jedenfalls um die politische Diskussionskultur in diesem Land, hoffe jedoch, 2015 wird sich herausstellen, dass ich mich fundamental geirrt habe.

    In diesem Sinne ein friedliches Neues Jahr.

  39. @ eh
    In Ihrem Widerspruch zum Kommentar von Stephan Hebel stimmen Sie der Befürchtung zu, in Deutschland dürfe „‘vor lauter politischer Korrektheit‘ die Wahrheit über Probleme nicht mehr ausgesprochen werden“. Dies begründen Sie beispielhaft mit der „Wir-sind-die Guten-und-Anständigen-Mainstream-Dampfwalze“, die „über einen hinwegrollt“, der sagt, „dass Ausländer doch gerne Deutsch sprechen sollten“. Es gehört doch inzwischen zum unbestrittenen Konsens in der Politik und der Gesellschaft, dass Deutschkenntnisse einer der wesentlichen Voraussetzungen für erfolgreiche Integration von Migranten sind. Ich kenne eine Reihe von Menschen aus dem von Ihnen verächtlich genannten „Wir-sind-die Guten-und-Anständigen-Mainstream“, die seit Jahren ehrenamtlich Deutschunterricht für Flüchtlinge leisten (denen bis vor kurzem der Zugang zu den staatllichen Deutsch- und Integrationskursen verwehrt war). Die Empörung richtete sich, wie ich meine zu recht, gegen die CSU-Forderung, Migrantenfamilien sollte angehalten werden, zu Hause Deutsch zu sprechen – mit anderen Worten, sie sollen auf ihre Ursprungssprache verzichten. Genau aus dieser verschobenen Wahrnehmung der Realität speist sich der Pegida-Protest.

    Salafisten, Dschihadisten, Scharia-Polizei oder Parallelgesellschaften sind Probleme der deutschen Gesellschaft – völlig unabhängig von den Flüchtlingen, die heute zu uns kommen. Auch der soziale Druck, der angeblich die Pegida-Demonstranten auf die Straße treibt, geht kaum von den nicht ganz 200.000 Flüchtlingen aus, die im vergangenen Jahr in Deutschland Zuflucht gesucht haben (von dieser Zahl müsste noch die – leider nicht publizierte – Anzahl der Flüchtlinge abgezogen werden, die freiwillig oder unfreiwillig Deutschland wieder verlassen haben). Im gleichen Zeitraum sind nach Deutschland über 1 Million Ausländer (überwiegend aus der EU) zugewandert. Hinzu kommt eine innerdeutsche Migration aus den wirtschaftlich schwachen in wirtschaftlich erfolgreiche Regionen – gerade auch nach Dresden. Durch eine weitere Einschränkung des Asylrechts wird keines der Probleme der Migration, die jede moderne Gesellschaft kennzeichnet, gelöst werden.

    Wenn sich soziale Ängste aus der angeblichen „Mitte der Gesellschaft“ in dumpfen Vorurteilen artikulieren, die sich gegen Sündenböcke wie „die Asylanten“, „die Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „den Islam“ wenden, kommt nichts Gutes heraus. Soviel sollten wir aus der deutschen Geschichte gelernt haben.

  40. Nachtrag zum Thema politische Korrektheit (der Medien), damit ich verstanden werde: Ich finde es ohne Wenn und Aber gut, dass die FR in ihrer heutigen Ausgabe (03./04.01.) auf ihren ersten Seiten über das Schicksal der Flüchtlinge auf dem Meer berichtet, sich überhaupt für die Menschen in Not stark macht.

    Allerdings bin ich beim Beitrag „Geisterschiffe auf See“ (S. 2) über zwei Dinge gestolpert.

    1. Überschrift über dem Haupttitel: “ ‚Blue Sky M‘ und ‚Ezadeen‘ zeigen erneut die Todesgefahr, in die Verfolgte geraten, wollen sie nach Europa. Aber die Union kümmert das so wenig wie die Pegida. Die Rechten treiben Merkel & Co. vor sich her“.

    2. Foto von einer Pegida-Demonstration auf der rechten Seite, offenbar irgendwie zum Artikel gehörend, dazu Bildunterschrift: „Den Rechten von Pegida sind Schicksale wie die der ‚Ezadeen‘ und der ‚Blue Sky M‘ egal.“
    (Ziemlich starke Worte.)

    Im gesamten betreffenden (informativen, sachlichen) Beitrag „Geisterschiffe auf See“ ist allerdings, falls ich nichts überlesen habe, kein Wort über die Union oder Pegida enthalten, es werden auch keine Pressemitteilungen beider Organisationen zitiert, in denen diese bekennen, dass es sie doch überhaupt nichts angehe, ob die Menschen auf hoher See vielleicht ertrinken oder verdursten oder die Schiffe an Felsen zerschellen.

    Bin ich konservativ, wenn ich annehme, dass Überschriften sich konkret auf den Inhalt des folgenden Artikels beziehen sollten? Irre ich mich, wenn ich annehme, dass Bildunterschriften zu Fotos, die eindeutig mit einem Artikel verknüpft sein sollen, keine Behauptungen aufstellen sollten, auf die der Artikel nicht Bezug nimmt?

    Der Leser R.H. aus Mainz hat in der heutigen Ausgabe moniert, dass die FR sich „in manchen Artikeln zu ‚Pegida‘ zu einem Propagandablatt hinbewegt“. So weit würde ich nicht gehen, ich denke aber auch, dass einer überregionalen seriösen Zeitung das Herz nicht überlaufen sollte und es wichtig ist, sachlich zu bleiben.

  41. Wie ich nachträglich lese, bin ich nicht ganz allein mit dem Urteil, dass dort Demos stattfinden, wo die Politik versagt. Bevor also die Unzufriedenen, Ängstlichen, Wütenden als dumm hingestellt und als das Übel behandelt werden, sollte die Politik etwas mehr anbieten, als das „Folgen Sie diesen Leuten nicht“. Was implizit ja heißt „Folgen Sie uns“ und „Wir machen es richtig.“
    Dem Letzten können viele Demonstranten aber gerade nicht folgen. Sehr eindrücklich der Kommentar eines prekär Beschäftigten hierzu, der – und auch andere – sehr wohl Angst vor einwandernden Konkurrenten haben muß. Wer kann diesem Mann am ehesten helfen?
    Es müßte schon die Regierung sein, die ihn in dieser Situation allein läßt.
    Ebenso sehe ich in der Demo die Islamisierungsfürchter, die einige Innenminister, zuletzt Herr de Maisiere, bestätigt bzw. erst herangezüchtet haben. Ich wiederhole, dass mit der regierungsseitigen Dramatisierung von Bombenlegern, Islamisten und Salafisten sowie dem Ruf nach schärferen Gesetzen bei braven Bürgern eine enorme Verunsicherung erzeugt wurde. Wer wundert sich, wenn wir Verunsicherte in der Demo wiederfinden?.
    Nur Frau Merkel lenkt neben einigen Bloggern von ihrer Verantwortung ab. Aber immer, wenn gut regiert wurde, ging der Einfluß der Extremisten signifikant zurück.

  42. @ Volker Knuth 5. Januar 2015 0:02

    „Bevor also die Unzufriedenen, Ängstlichen, Wütenden als dumm hingestellt und als das Übel behandelt werden, sollte die Politik etwas mehr anbieten, als das ‚Folgen Sie diesen Leuten nicht‘. Was implizit ja heißt ‚Folgen Sie uns‘ und ‚Wir machen es richtig.‘“ –

    Leider ein Trugschluss, ein recht gefährlicher noch dazu.
    Wenn ich dem Herrn Ober zu verstehen gebe, was aus seinem Speiseangebot mir so gar nicht zusagt, wird er mich nur ratlos anschauen, hat er damit doch nicht den geringsten Hinweis darauf, was er mir denn nun auftischen soll.
    Ein gefährlicher Trugschluss deshalb, weil er die Welt nach einem dichotomischen Muster auf ein Freund-Feind-Schema reduziert.
    Verständlich auch, dass solcher Art „Beweis“führung sich u.a. bei selbst ernannten Abendlandrettern hoher Beliebtheit erfreut.
    Berichterstattern „Halt die, Fresse, Lügenpresse!“ entgegen zu schleudern ist nun mal um so vieles einfacher als darüber zu grübeln, woher meine Bauchschmerzen nun wirklich kommen. Es erspart mir auch die Verlegenheit, mich in meiner Beweisnot kräftig zu blamieren, lässt mich in meiner Opferrolle schwelgen und vermittelt zudem das erhabene Gefühl, sowieso „im Recht“ zu sein. – Mögen sich doch die anderen – allen voran „die Politiker“ – den Kopf darüber zermartern, was mich nun wirklich umtreibt! Und mögen sie sich gefälligst um die Differenziertheit bemühen, die ich ja – da sowieso „im Recht“ – nicht nötig habe!

    Ich meinerseits beginne das neue Jahr lieber mit der Hoffnung, dass – statt in billige Schuldzuweisungsmethoden zu verfallen – die Empathie mit Menschen, die wirklich in Not sind, weiter um sich greife, so wie die Erkenntnis, was dies für mich selbst und meine Umgebung bedeutet.
    In diesem Sinne für alle ein gutes und hoffentlich friedliches neues Jahr!

  43. @ Volker Knuth
    „Sehr eindrücklich der Kommentar eines prekär Beschäftigten hierzu, der – und auch andere – sehr wohl Angst vor einwandernden Konkurrenten haben muß. Wer kann diesem Mann am ehesten helfen? Es müßte schon die Regierung sein, die ihn in dieser Situation allein läßt.“

    Vielleicht können Sie uns verraten, was die Regierung tun könnte, um dem prekär Beschäftigten wirksam die reale Angst um seinen Arbeitsplatz zu nehmen? Es ist relativ einfach, „der Politik“ pauschal ein „Versagen“ vorzuhalten, aber deutlich schwieriger, Lösungen anzubieten. Das heißt natürlich nicht, dass die Regierungen nicht mehr machen könnten und müssten. Einige sinnvolle Maßnahmen – Mindestlohn, Begrenzung von Zeitverträgen oder der Leiharbeit – werden auch ergriffen oder diskutiert. Andere, bessere Bildung und Qualifizierung, werden nur unzureichend in Angriff genommen und wirken erst langfristig. Diese Maßnahmen können die Probleme einer globalisierten Wirtschaft aber nur flankieren, nicht aber beseitigen. Der Wettbewerb um Arbeitsplätze lässt sich auch nicht zugunsten der einheimischen Bevölkerung damit entscheiden, indem die Zuwanderung begrenzt wird – dann wandert die Industrie und mit ihr die Arbeitsplätze aus. Einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt es nicht, nur die Populisten behaupten es. Sie vermeiden aber, konkrete Konzepte zu formulieren, die man an der Realität messen lassen könnte. Das gilt weitgehend auch für die AfD und noch mehr für Pegida.

    Noch schwieriger dürfte es sein, durch bessere Politik die von Vorurteilen gelenkte falsche Projektion der Ängste auf die schwächsten der Gesellschaft, hier die Flüchtlinge, zu vermeiden. Selbst wenn die Zahl der in Deutschland angekommenen Flüchtlinge in diesem Jahr auf 200.000 Personen (bei einer Gesamtbevölkerung von 80,8 Millionen und einer Gesamtzuwanderung von 1,2 bis 1,4 Millionen) steigt, dürfte die reale Gefährdung für den Dresdner prekär Beschäftigten, seinen Arbeitsplatz an einen Flüchtling zu verlieren, äußerst gering sein. Die Gefahr, dass sein Arbeitsplatz durch abnehmende Kaufkraft einer ohne Zuwanderung schrumpfenden Bevölkerung gefährdet wird, ist mindestens genauso groß (aber auch das hat kaum etwas mit der Flüchtlingszahl zu tun). Doch mit Fakten lassen sich Vorurteile leider nicht beseitigen.

    Damit will ich nicht behaupten, dass wir in Deutschland nicht bessere Politik bräuchten, auch bessere Flüchtlingspolitik. Zur letzteren gehört auch eine Beschleunigung des Asylverfahrens, aber eine, die nicht nur das Ziel schneller Ausweisung oder Abschiebung hat. Viel wäre erreicht, wenn vorrangig nicht nur die Asylgründe, sondern auch die außerhalb des engen Asylrechts liegende Gründe, die eine Abweisung des Flüchtlings (z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention) verbieten. Auch dieser Personenkreis sollte in wenigen Wochen einen sicheren Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis erhalten. Dies würde den Staat finanziell entlasten und den Flüchtlingen helfen. Eine beschleunigte Integration in den Arbeitsmarkt ließe sich auch dadurch erreichen, wenn bereits in den Aufnahmeeinrichtungen die Anerkennung der beruflichen Bildungsabschlüsse der oft gut qualifizierten Flüchtlinge durch entsprechende Außenstellen der zuständigen Behörden eingeleitet und darüber hinaus den Flüchtlingen geeignete Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden würden. So könnte aus „Wirtschaftsflüchtlingen“, die als eine Belastung für die Aufnahmegesellschaft gefürchtet werden, gesuchte Fachkräfte für unsere Wirtschaft und Gesellschaft werden.

    Die Forderung nach einer gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge in der EU klingt zwar vernünftig, doch ist sie nicht zu Ende gedacht. Die EU-Länder, die in einer Wirtschaftskrise stecken, sind mit der Integration von Flüchtlingen jetzt schon überfordert. Dies führt z.B. in Griechenland und in Italien zu einer katastrophalen Lage der Flüchtlinge, sodass das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung von Flüchtlingen in diese Länder untersagt oder stark eingeschränkt hat. Außerdem würde eine verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen den Druck auf den Arbeitsmarkt der ost- und mitteleuropäischen Länder verstärken und so die (durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU abgesicherte) Zuwanderung nach Deutschland forcieren. Ob das dem prekär Beschäftigten in Dresden helfen würde?

  44. Mit der vielfarbigen, auch braunen, Pegida tun sich viele schwer, weil sie in überkommenen Denkmustern verharren wie z.B. die FR. Traurig finde ich, dass die Zeitung, die ich seit Jahrzehnten wegen ihrer offenen und kritischen Einstellung abonniere, sich nicht entblödet, 10 000 Demonstranten in Dresden pauschal als Islamhasser zu beschimpfen wie vor einigen Wochen zu lesen war. Kein Wunder, dass die Leute nicht mit der Presse reden wollen, wenn selbst die FR zum Mittel der Verunglimpfung greift.
    Warum diese Entgleisung? Warum macht sich die FR nicht auf den Weg ins Zentrum dieser unglaublich mörderischen Energie, die der Islam entfaltet, wenn man ihn entsprechend interpretiert? Was ich vermisse ist eine vorurteilslose Annäherung an den religiösen Kern, der nicht erst seit 9/11 fromme Muslime dazu bringt, sich und andere zu töten. Die entsetzliche Verrohung des jihadistischen Islam sollte dazu führen, sich diese Religion genauer anzusehen und ihre theologischen Grundlagen nach den Quellen dieser Menschenverachtung zu durchforsten statt jede Islamkritik als politisch inkorrekt zu verteufeln, wie es in der FR geschieht. Und dies gilt auch, wenn es in Dresden nur ganz wenige Muslime geben mag. Wie war das damals bei den Vietnamdemonstrationen, an denen sich hoffentlich auch FR – Redakteure beteiligt haben – obwohl die Bomben auf Hanoi gefallen sind und nicht auf Frankfurt? Es ging und geht um Menschenrechte, Solidarität mit den Opfern, um den Kampf gegen eine totalitäre Ideologie und da spielt die Geographie keine Rolle. Aber leider scheint es in der FR inzwischen so zu sein, dass das, was nicht ins Weltbild passt, journalistisch niedergemacht werden muss.
    Ein Trauerspiel auch die Kirchen. Jesus sei ein Flüchtling gewesen, sagt Herr Bedford–Strohm und verfehlt das Thema, denn es geht bei der Islamkritik nicht um Flüchtlingsfragen. Mohammed war übrigens auch ein Flüchtling. An seinem Fluchtort Medina kam es zum ersten Diskurs des Islam mit dem Judentum. Er endete politische leider sehr inkorrekt mit der Ermordung und Versklavung der Juden Medinas. Heute werden fast täglich Christen von Muslimen getötet oder vertrieben eben deswegen weil sie Christen sind. Und die Kirchen? Setzen sie sich irgendwie mit dem Islam kritisch auseinander? Mit der Gewaltlegitimierung gegenüber Andersgläubigen wie im Koran zu lesen? Verkünden sie in diesem Zusammenhang das Evangelium und die positive Energie, die darin steckt? Kommt mir nicht so vor. Ich habe das Gefühl, die Glaubensstärke reicht über die Verkündigung von Altkleidersammlungen nicht hinaus. Positiv setzen sich die Kirchen nicht vom Islam ab. Sie zeigen sich wie ein soziales Hilfswerk mit religiöser Vergangenheit. Nichts gegen soziale Hilfe, aber ich spüre da keinen Glauben mehr sondern nur so etwas wie ein profilloses Betonen von Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen, das sich nicht traut, Grenzen zu ziehen und den eigenen Standpunkt offensiv zu vertreten. Und das ist sehr traurig.
    Auch die Politik – traurig, traurig. Da werden Islamkritiker zu Rechtsradikalen umgedeutet, damit man auf sie eindreschen kann und sich einem schwierigen Thema nicht stellen muss. Pikant, wenn man sich vor Augen hält, dass die Muslime des Nahen Ostens zu den besonders begeisterten Anhängern Hitlers und der damaligen Rechtsradikalen zählten. Amin al-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, lebte von 1942 bis April (!) 1945 als Gast der Nazis in Berlin, war SS-Mitglied, warb bosnische Muslime für die Mitgliedschaft in der SS an und war persönlich verantwortlich für den Tod von 6000 Juden, die meisten Kinder, die die Nazis gegen Geld nach Palästina ziehen lassen wollten. Der Mufti intervenierte bei seinem Spezi Himmler, und die Juden wurden vergast. Der Mufti wusste auch Interessantes über die Gemeinsamkeit von Islam und Nationalsozialismus zu berichten – aber darüber denken wir lieber nicht nach und stellen auch keine unangenehmen Fragen. Wir wollen auch nichts davon hören, dass die Muslimbrüder dem Mufti einen begeisterten Empfang bereiteten, als er nach dem Krieg in Ägypten eintraf. Fragen wir lieber wie es eigentlich kommt, dass wir im christlichen Abendland frei von Furcht vor Religionen leben können, dass dem Christentum sein Reißzahn gezogen wurde, dass es keine Hexenverbrennungen mehr gibt und keine Inquisition, dass im Namen des christlichen Gottes keine Menschen mehr getötet werden. Sollte es vielleicht damit zu tun haben, dass Menschen sich trauten, das Christentum zu kritisieren, dass sie aufklärten? Wie soll sich denn der Islam zu mehr Vernunft entwickeln, wie soll er seinen Platz in der Moderne finden wenn er nicht kritisiert wird?
    Bei so viel Trauer kann ich nur hoffen, dass die Menschen in Dresden und anderswo nicht nachgeben und keinen rechten Parolen nachlaufen sondern ihre Kritik reflektiert vortragen. Denn dies tut Not. Weil es sonst niemand macht.

  45. olker Knuth 5. Jan. 00:02

    „Immer, wenn gut regiert wurde, ging der Einfluß der Extremisten signifikant zurück.“

    Was aber heißt „gut regiert“ ? Eine Antwort wäre, daß reale Probleme reale Antworten erfordern, die frei von Ausflüchten sind, aber auch frei von unerfüllbaren Versprechungen. Reale Probleme erfordern realpolitisches Agieren, selbst wenn die Aussichten auf Erfolg gering sind.

    Volkes Vorwurf an die Politik ist, Scheinanalyse mit Scheinpolitik zu beantworten. Es bleibt das dumpfe Gefühl zurück, daß die Lösung realer Probleme vertagt wird. Volkes Verständnis gewinnt die Politik dagegen selbst dann, wenn ihre Mittel und Möglichkeiten zur Lösung eines Problems sich als unzureichend erweisen. Entscheidend ist, sich real und damit ehrlich bemüht zu haben. Volk würde so gesehen die Politik alleine schon für den unternommenen Versuch realer Problemabhilfe honorieren, selbst wenn der Erfolg am Ende ausbleibt.

    Pegida suggeriert Unerfüllbares und repräsentiert somit genau die Politik, gegen die sie sich angeblich zur Wehr setzt. Die Flüchtlingsströme aus dem nahen Osten kommen wie eine Naturgewalt über uns. Sie sind ebenso real, wie rückwärtsgewandtes Lamentieren oder Pegida-gemäßes Demonstrieren keine Abhilfe schaffen kann. Die Flüchtlingsströme könnten sogar als Vorbote genommen werden für den Fall, daß der Meeresspiegel um 1 m steigt, wie es für das Ende des Jahrhunderts prognostiziert wird, bleibt der Klimakampf erfolglos. Die dann zu erwartenden Völkerwanderungen werden alles Vorstellbare übersteigen.

    Pegida ergänzt das Unerfüllbare mit einer emotional aufgeladenen Erfindung, nämlich einer angeblichen Islamisierung des Abendlandes. Insoweit ist es sehr einfach, das Begehren von Pediga rational zu erfassen und zurückzuweisen. Schwierig wird es, wenn man allerdings nach dem Hintergrund fragt, der für das Entstehen von Pegida eine Rolle spielen könnte. Denn Hintergründe existieren mehr als genug, aber welche wären denn mitverantwortlich zu machen für das Entstehen von Pegida ? Dies ist die Frage, die Herr Knuth berechtigterweise hier stellt.

    Pegida ist für mich lediglich eine neuartige Antwort auf ein allgemeines und sattsam bekanntes Unbehagen, wie wir als Gesellschaft mit realen Problemen umgehen. Nämlich unzureichend, und das erstens seit langem, und zweitens auch noch zunehmend unzureichend. Die Flüchtlingswelle trifft auf ein infrastrukturell marode gewordenes, schlecht vorbereitetes Land. Marode gemacht von einer Politik, die lieber wegschaut, marode gemacht von Leuten, die sich eher als handoffene Klienten der Politik denn als Staatsbürger sehen. Das Land krankt eben auch an einem Wählerklientel, das zu sehr nach Geschenken giert und dadurch dem politischen Opportunismus zu seinem zweischneidigen Sieg verhilft.

    Reale Flüchtlinge treffen auf die Resultate einer bundesdeutsche Innenpolitik des grundlegenden Wegschauens. Eine rationale wie der Realität verpflichtete Politik würde aus den gegebenen Schwierigkeiten, die Flüchtlinge angemessen und würdig zu versorgen, einen Selbstauftrag ableiten, in einer nationalen Kraftanstrengung die Mängel im Lande abzustellen. Dieses Ziel müßte kommuniziert werden als Signal an den Bürger gleich welcher politischen Orientierung, daß nämlich die Politik verstanden hat und das Verstehen der Bürger konsequenterweise mit einschließt. Und schon dürfte sich Pegida verflüchtigen, als wäre es nichts als ein Spuk gewesen.

    So richtig es auch ist, an Humanität zu appellieren, an das christlich geprägte Grundverständnis der weltlichen-abendländischen Kultur, so sehr kann man mit dem Appell an idealisierende Nächstenliebe dort für Verstörung sorgen, wo der Mangel an realer Problembeseitigung im Volk am Handgreiflichsten ist. Der humanitäre Appell wird umso eher gehört, je mehr die Poitik bereit ist, sich auch dem “Appell” des Volkes zun öffnen.

  46. Vielleicht ist es einfacher, als man denkt:
    Menschen, die eine Überzeugung erzwingen wollen, sollen und müssen verlieren. Sowohl der Freiheit, als auch der Überzeugung zuliebe.

  47. @ Klaus Röder 5. Januar 2015 13:26

    Ihnen scheint bei Ihrer – reichlich pauschalen – Kritik an FR und „überkommenen Denkmustern“ entgangen zu sein, dass es PEGIDA ist, die sich selbst diskreditiert, indem sie eine höchst pauschale und emotionalisierende „Islamkritik“ mit konkreten Forderungen in der Flüchtlingsfrage vermengt. Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt sieht daher, besonders in einer Rede am 22. Dezember „an mehreren Stellen den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt“. (welt.de, 23. Dez. 2014, vgl. auch die sehr aktualisierte und sehr ausführliche Dokumentation bei Wikipedia).
    V.Grebe benennt dies durchaus richtig: „Pegida ergänzt das Unerfüllbare mit einer emotional aufgeladenen Erfindung, nämlich einer angeblichen Islamisierung des Abendlandes.“ Der Opferstatus, den Sie ihr zubilligen wollen, steht ihr demnach äußerst schlecht an.
    Glauben Sie im Ernst, die von Ihnen angesprochenen Probleme seien durch eine Neuauflage einer allgemeinen Islam-Debatte (zum wievielten Mal?) zu beseitigen? Und die zudem erfahrungsgemäß immer fundamentalistischere Züge annimmt und Gefahr läuft, in Kreuzzugsrhetorik zu enden?
    Zweifellos vorhandene menschenrechtliche Defizite und Auswüchse des Islamismus sind nicht auf diese Weise zu verhindern, sondern nur, indem konkreten Verstößen durch klare gesetzliche und rechtliche Vorgaben Grenzen gesetzt werden.

  48. @ ergänzend zu Klaus Röder

    Merkwürdigerweise erinnert niemand mehr an die Studie, die der damalige Innenminister Schily in Auftrag gegeben hat und 2007 von seinem Nachfolger Schäuble vorgestellt worden ist. Dazu schreibt das Handelsblatt im Dezember des selben Jahres die FR erwähnend:

    „Laut einer Studie des Bundesinnenministeriums sind 40 Prozent aller in Deutschland lebenden Muslime fundamental orientiert. Das treffe auf jeden vierten jungen Islam-Gläubigen hierzulande zu, schreibt die ‚Frankfurter Rundschau‘ unter Berufung auf die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Auftrag gegebene Erhebung. Zudem habe sich gezeigt, dass die Religion innerhalb der muslimischen Bevölkerung eine enorme, bei jungen Leuten noch wachsende, Bedeutung habe.

    Eine kleine Gruppe von sechs Prozent werde als ‚gewaltaffin‘ eingestuft. Immerhin 14 Prozent der Befragten, von denen knapp 40 Prozent einen deutschen Pass hatten, stünden mit der Rechtsstaatlichkeit auf Kriegsfuß und zeigten eine problematische Distanz zur Demokratie, schreibt die Zeitung.“

    Ich bin immer noch beim Grübeln, weshalb sich in einer Phalanx stehend die wichtigsten deutschen Medien diese Problematik ausblenden. Bei ihrem Werben für den Islam gehen sie auf dessen demokratiefeindliche Grundhaltung, die keine Gewaltenteilung akzeptiert, nicht ein.

  49. @ JaM 5. Januar 2015 12:10

    Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, den Blick weg von PEGIDA-Agitation auf die wirkliche Arbeitsplatz- und Flüchtlingsproblematik zu lenken. Nicht die angebotenen Behauptungen und Scheinlösungen bedürfen der Diskussion, sondern die Hintergründe des Symptoms PEGIDA – d.h. hier vor allem die aktuelle Flüchtlingsproblematik und entsprechende Versäumnisse der Politik.
    Nur, indem man diese klar benennt, kann man verhindern, durch Eintreten in eine Scheindiskussion deren erkennbare Absicht (vor allem von Profiteuren à la AfD und Gauland), die Lufthoheit über die Stammtische zu erobern, auch noch ungewollt zu fördern.
    Dabei ist sicher angesichts der Komplexität der Problemlagen, entgegen rechtspopulistischen Vorstellungen, nicht zu erwarten, dass schnelle Lösungen aus dem Ärmel zu schütteln sind.

    Ich möchte im Rahmen der Möglichkeiten eigener Erfahrungen hierauf im Folgenden eingehen (meine Frau war viele Jahre ehrenamtlich beim Flüchtlingsrat in Luxemburg tätig).
    Kern der Probleme scheint das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zu sein: unzureichende Lösungen und Gegeneinander auf EU-Ebene, unterschiedliche Arbeitsmarktsituation bzw. nationale Regelungen sowie mangelhafte Lösungen auf kommunaler Ebene in der Frage der Unterbringung und Integration (zentral bzw. dezentral).

    1. Mangelhafte EU-Lösungen auf EU-Ebene:
    Schon die regelmäßigen Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer offenbaren das Fehlen einer stringenten Lösungsstrategie und schreien nach grundsätzlichen Neuüberlegungen.
    Als völlig ungeeignet haben sich offenbar die EU-Vereinbarungen erwiesen, nach denen Asylantrag in dem Land zu stellen ist, dessen Boden zuerst betreten wurde. Im Gegensatz zu Behauptungen aus dem Dunstkreis von PEGIDA und AfD liegen diese – zumindest theoretisch – vor allem in deutschem Interesse, müssten doch die Asylsuchenden schon vom Himmel fallen, um zuerst auf deutschem Gebiet zu landen.
    Dass es in der Praxis anders aussieht, liegt zuerst an einer Art „Notwehr“ vor allem der Mittelmeeranrainer, die sich alleine gelassen fühlen und die Regelung durch Unterlassen von Kontrollen unterlaufen. Ein m.E. angesichts der Problemsituation (vor allem in Italien) zumindest verständliches Verhalten.
    Dennoch ist seitens der Bundesregierung keinerlei Initiative für eine Neuregelung zu erkennen. Offenbar nimmt sie, um dies zu verhindern, lieber den Kleinkrieg unter Partnerländern in Kauf. Denn diese müsste, über die Asylfrage hinausgehend, auch Kriterien für legale Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern festlegen. Und bei der Festlegung eines Verteilungsschlüssels würden andere EU-Länder mit Sicherheit als entscheidendes Kriterium auf vorhandene Kapazitäten, insbesondere hinsichtlich des Arbeitsmarkts, verweisen. Man scheint also in Berlin zu fürchten, so vom Regen in die Traufe zu gelangen, und lässt sich daher von rechtspopulistischen Bewegungen vor sich her treiben. Dass dieser Konflikt vor allem auf dem Rücken neuer Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem nahen Osten ausgetragen wird, bedarf keiner näheren Erörterung.

    2. Arbeitsmarktsituation und unterschiedliche nationale Regelungen:
    Die prekäre Arbeitsmarktsituation insbesondere in Mittelmeerländern ist der zweite Grund für das „Weiterreichen“ von Flüchtlingen vor allem an Deutschland. Hinzu kommen unterschiedliche nationale Regelungen hinsichtlich der Arbeitserlaubnis, welche die Flüchtlingsfrage erheblich verschärfen. Dadurch ist vor allem Großbritannien betroffen, wo es, im Unterschied zu den meisten EU-Ländern, kein Arbeitsverbot für Asylbewerber gibt.
    Konsequenz: Vor allem um die Stadt Calais herum stauen sich Tausende von Flüchtlingen unter katastrophalen Bedingungen, in der Hoffnung, illegal irgendwie den Sprung über den Kanal in das Nicht-Schengen-Land England zu schaffen. Diese seien (so hört man) an keinerlei Integration in Frankreich interessiert.

    3. Es liegt auf der Hand, dass Symptome wie PEGIDA auch in Zusammenhang mit problematischen Konzepten der zentralen Unterbringung von Flüchtlingen stehen. Umso unverständlicher ist es, dass keine Konzepte dezentraler Unterbringung erkennbar sind oder zumindest diskutiert werden.
    Dazu unsere Erfahrungen aus Luxemburg:
    Zentrale Unterbringung (so im Don-Bosco-Heim) hat sich auch hier als sehr problematisch erwiesen. So etwa während des Jugoslawien-Kriegs, als unterschiedliche nationale Ethnien, die gegeneinander Krieg geführt hatten, hier evt. gar auf dem gleichen Flur aufeinander trafen.
    Dank der Aktivitäten etwa des Flüchtlingsrats wird z.T. auch dezentrale Unterbringung praktiziert – mit unterschiedlichem Erfolg. Problematisch sind die Verträge mit Hotel- und Restaurantbesitzern, oft auf dem flachen Land, die von manchen Hoteliers lediglich als Absicherung bei ungenügender Auslastung betrachtet werden. Dazu kommen verkehrstechnische Schwierigkeiten beim Besuch der obligatorischen Sprachkurse (ich habe mehrere davon geleitet).
    Besser sind die Erfahrungen bei privater Betreuung. Freilich schließt auch das Belastungen der Betreuenden, etwa durch Kriegstraumata der Betreuten, nicht aus. Bei den von uns Aufgenommenen bzw. Betreuten (Bosnier, Kroaten, Albaner, Russen, Iraner) haben wir das nicht in größerem Maßstab erfahren. Wohl aber haben wir deren psychische Belastung und ihr Gefühl der Demütigung in einem über Jahre andauernden Asylverfahren oft sehr nah miterlebt. Oft sehr gut ausgebildet, geht die größte Belastung für sie vom Arbeitsverbot aus.
    Es ist keine Frage, dass die Aufrechterhaltung dieser m.E. unsinnigen Regelung ein Haupthindernis für Integration darstellt und diese Forderung zur bloßen Makulatur verkommen lässt. Ebenso ist unverkennbar, dass allein das von Flüchtlingsorganisationen angebotene soziale Engagement zur Linderung der Problematik – angesichts der gesetzlichen Vorgaben allerdings in unzureichendem Maße – beiträgt. Es liegt demnach auf der Hand, dass produktive Lösungen nur durch deren Einbindung in den Diskussionsprozess erreichbar sind.

    Ebenso klar lässt sich m.E. abschließend sagen, dass die PEGIDA-Diskussion, weit entfernt davon, zu Problemlösungen anzuregen, ganz im Gegenteil die Sicht darauf gerade versperrt. Neue Überlegungen und Strategien in der Flüchtlingsfrage sind zweifellos notwendig, aber nur denkbar in entschiedener Absage an nationalistisch verengende und verzerrende, Vorurteile und Hass schürende Sichtweisen.

  50. Ich stimme Werner Engelmann (6. Januar 10:27) zu, wenn er die Frage stellt: „Glauben Sie im Ernst, die von Ihnen angesprochenen Probleme seien durch eine Neuauflage einer allgemeinen Islam-Debatte (zum wievielten Mal?) zu beseitigen? Und die zudem erfahrungsgemäß immer fundamentalistischere Züge annimmt und Gefahr läuft, in Kreuzzugsrhetorik zu enden?“

    Trotz der wiederholten Debatten fangen wir immer wieder am Nullpunkt an: „Den Islam“ kann man nicht nur mit Hilfe der Koran-Zitate bewerten, ohne die Lebenswirklichkeit der praktizierten Religion zu berücksichtigen. Diese sieht deutlich differenzierter aus, als die von Rudi zitierte Schily-Studie von 2007 suggeriert. Wie bereits mehrfach verweise ich auf die BAMF-Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ von 2009, die belegt, dass die überwiegende Mehrzahl der nichtdeutschen und der deutschen Muslime ihre Religiosität in Übereinstimmung mit der deutschen Grundordnung praktiziert. Die Radikalisierungstendenzen einer Minderheit, die zum Beispiel die vom Bundesministerium beauftragte Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ von 2012 benennt, lassen sich nicht gegen die Muslime, sondern nur mit ihnen bekämpfen. Die innerislamische Abwehr dieser Tendenzen (z.B. durch den eingeleiteten Dialog des Zentralrats der Juden mit den Islamverbenden über konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus in der muslimischen Jugend) hat längst begonnen, auch wenn sie sicherlich noch verstärkt werden muss. Die Debatte um den Islam ist in der Politik und in den Medien längst im Gange, wobei auch radikale Religionskritiker wie Necla Kelek uneingeschränkt zu Wort kommen.

    Das alles müssen die „Islamkritiker“ von Pegida ignorieren, um ihre Feindbilder Islam und „Lügenpresse“ weiter pflegen zu können.

  51. Sehr geehrter Herr Engelmann,

    Ihre Antwort bestätigt letztlich eine moralische Verurteilung. Denn ich habe nur Ihre eigenen Worte zitiert. Ist das etwa verboten? Richtet sich etwa Ihre eigene Polemik des „Gebets“ gegen Ihre Positionen?

    Meine Bedenken richten sich ausschließloch gegen die eingeforderte Machbarkeit wie anständiges Wohnen, Kindergartenplätze, psychologische Betreuung, Schulen, Sprachunterricht etc. Das erfordert einen enormen Aufwand, der nur in begrenztem Umfang gewährleistet werden kann.
    Die Möglichkeiten hierzu sind begrenzt, weil noch nicht vorhanden.
    “ Es waren über 14 Millionen Menschen zu integrieren, in einem zerstörten und von Hunger geprägten Land.“ Hier krankt der Vergleich, wie vielen Flüchtlingen können wir heute – hier und jetzt – das bieten, was für einen Übergang in unsere hochkomplexe Gesellschaft erforderlich ist, ohne dass es zu ernsthaften Verwerfungen kommt?

    Nach dem Krieg mussten die Flüchtlinge irgendwie zurechtkommen, waren mehr oder weniger auf sich alleingestellt.
    Ich fürchte, hierüber hat man in der Politik noch nicht ausreichend nachgedacht.

    Jetzt stellen Sie mir eine Frage:
    „Wie kommt es, dass Sie mit „Moral“ kommen statt eine Antwort darauf geben? Wissen Sie keine?“
    Worauf soll ich eigentlich Ihnen antworten?

    Ich zolle Ihnen absolut großen Respekt, weil Sie geradezu ein Vorbild von fast beängstigender Größe sind (das ist nicht polemisch gemeint), allerdings können Sie das nicht zur Norm erheben (so schön das auch wäre).
    Lesen Sie bitte meinen letzten Satz zitieren: „Seien Sie mir nicht böse, aber Ihr Gebet möchte ich Ihnen nicht entgegenhalten.“

    Was werfen Sie mir denn vor? Letztlich die eigenen Worte.

    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein friedliches Jahr 2015.

  52. Mal wieder zu viele Verallgemeinerungen und zu viele Differenzierungen.

    Ob eine „Islamisierung“ oder „Katholizierung“ oder eine „Satanisierung“ des öffentlichen Lebens von irgendeiner Gruppe angestrebt wird, ist vollkommen egal, es ist gleichermaßen unzulässig. Religion hat im politischen Bekenntnisraum nichts zu suchen. Die freie Religionsausübung ist garantiert, die politische Missionierung nicht. Es gilt die Freiheit des Bekenntnisses.
    Wenn irgendwelche Gläubigen ihre „Lehre“ anderen aufzwingen wollen, sind sie Verfassungsfeinde.
    Es ist enttäuschend, daß „Religionsfragen“ noch immer das politische Leben beherrschen. Offensichtlich mangelt es den Religionsvertretern an Einsicht und Bescheidenheit, den politischen Kräften an gedanklicher Wehrhaftigkeit.
    Ich, ganz persönlich, habe das Recht, von Andersdenkenden unbehelligt zu bleiben und darf von diesen verlangen, daß sie über meine andere „Artigkeit“ ebenso hinwegsehen, wie ich über die ihre. In Grenzfällen hat jeder das Recht, den staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
    Jeder, der diesen rechtsstaatlichen Weg übergeht, muß damit rechnen, daß auch er von unrechtlichen Aktionen betroffen sein kann. Jede Religionsgemeinschaft, die glaubt, rechtsstaatliche Regelungen umgehen zu dürfen, bereitet demnach den Boden für Radikalismus und Willkür.

    Daraus resultiert, daß jede religiöse Gruppe eine friedliche, demokratische und gesprächsbereite zu sein hat.

  53. BVG 7.Jan.2015 1:02

    „Ich, ganz persönlich, habe das Recht, von Andersdenkenden unbehelligt zu bleiben…“

    Warum behelligen Sie dann mich mit Ihrem Andersdenken ?

  54. Ich möchte runeB zustimmen (auch was Ihr Engagement angeht!). Genau, es geht um die schnöde aktuelle „M a c h b a r k e i t wie anständiges Wohnen, Kindergartenplätze, psychologische Betreuung, Schulen, Sprachunterricht etc.“. Wenn Bürger Angst haben, dass wir vielleicht in zehn, 20 Jahren eine stark erhöhte Arbeitslosigkeit haben oder Menschen in Containern wohnen müssen, weil die Mieten in den Großstädten für einige nicht mehr zu bezahlen sind, ist das keine erfreuliche Vision und hat mit einer grundsätzlichen Abneigung gegen Zuwanderer wenig zu tun, denke ich. Ich hatte in meiner Kindheit Klassenkameraden, die in Baracken außerhalb der City wohnten (keine Zuwanderer, übrigens). Wohnraum kann knapp werden, und nicht nur der.

  55. Kompliment, Herr Röder. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Danke für Ihren Beitrag!

  56. @ runeB 7. Januar 2015 0:52

    Danke für Ihre guten Wünsche, die ich gerne erwidere.

    Zur Sache „Moral“:
    Ich halte mich nicht gerne mit „moralischen“ Prinzipien auf. Ich meine, es reicht im Alltag aus, das, was man an hehren Worten von sich gibt, in Bezug zu setzen zum eigenen Tun. Oder, mit Lessing zu sprechen, dessen „Nathan“ es gegenüber der schwärmerischen Recha treffend formuliert:
    „Begreifst du aber, wie gern der schlaffste Mensch andächtig schwärmt, (…) um nur gut handeln nicht zu dürfen?“
    Wobei die (zunächst positive) Engels-Schwärmerei einer Recha ziemlich harmlos erscheint gegenüber der negativen, ausgrenzenden Anti-Schwärmerei einer PEGIDA-Bewegung. Wenn – was bisher nur reine Spekulation ist – reale soziale Missstände tatsächlich der entscheidende Beweggrund sein sollten, dann ist es zumindest heuchlerisch (um auf dieser „moralischen“ Ebene zu bleiben – die politische Einordnung wäre entsprechend schärfer), nicht eben diese auf die Fahnen der Protestbewegung zu schreiben. Sich stattdessen in ein Bedrohungsszenario hineinzusteigern (negative „Schwärmerei“), um seine eigenen negativen Befindlichkeiten auf andere zu projizieren, sich auf dem Rücken Andersdenkender oder Andersgläubiger auszutoben. Ein Verfahren, das der Definition von „Demagogie“ (vgl. Wikipedia) entspricht und in einer Demokratie unter keinen Umständen hinnehmbar ist, unabhängig davon, ob bestimmte Forderungen akzeptabel sind oder nicht. Von den – mir geradezu kindisch erscheinenden – Verhaltensweisen gegenüber der „Lügenpresse“ ganz zu schweigen.
    Mein „Bittgebet“ verweist (sicher auch ironisch, aber m.E. durchaus berechtigterweise) auf eben diese Ebene. Mit etwas „Erleuchtung“ – im Sinne eines Anstoßes durch nüchterne Analyse – könnte man nämlich darauf kommen, dass es sich hier (wie meist bei Projektionen) vorwiegend um ein Problem der eigenen Wahrnehmung resp. Wahrnehmungsfähigkeit handelt.
    Einer dieser Anstöße sollte mein Hinweis auf „korrektes“ Verhalten in einer vergleichbaren Situation (dem Missbrauch gewerkschaftlicher Traditionen durch „autonome“ Gruppen) sein.
    (A propos „korrekt“: Mir kommt der Verdacht, dass es sich bei dem permanenten pejorativen Gebrauch von „political correctness“ – anders ausgedrückt: der Legitimation von eigenem Verlangen nach Unkorrektheit – im Kern um ein gespaltenes Verhältnis zu notwendigen demokratischen „Tugenden“ – im Sinne eines Verfassungspatriotismus – handelt.)

    Betr. „Machbarkeit“ Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen:
    Wenn ich hier in Ostfrankreich durch die Gegend fahre, bin ich immer wieder erschrocken über die vielen Schilder „zu verkaufen“. Nicht anders neulich bei unserer Spanienreise. Vermutlich ist es in Deutschland, vor allem auf dem Land, kaum anders, nur weniger sichtbar. Wenn ich da höre, es stände kein Wohnraum zur Verfügung, kann ich nur müde lachen.
    Natürlich verkenne ich nicht das Problem, dass es auch um die vorhandene oder nicht vorhandene Infrastruktur geht. Das aber bedarf der Analyse im Einzelfall, ist jedenfalls nicht mit allgemeinen Hinweisen, es sei „nicht machbar“ beiseite zu schieben.
    Und „Bedarf“ ist keine objektive, sondern eine subjektive Kategorie, gebunden an jeweilige Erwartungs- und Anspruchshaltung. Der tatsächliche Wohnraum – so eine neuere Untersuchung – ist, bei fallender Einwohnerzahl (etwa Berlin), auch in den letzten 20 Jahren erheblich gestiegen. Noch mehr gestiegen ist allerdings die Anspruchshaltung, die sich nun als vermeintlich unveränderliche Größe präsentiert und Sprüche suggeriert im Sinne von „Das Boot ist voll“.

    Resümee: Flüchtlinge und Vorurteile.
    Die Integration von Fremden, insbesondere Flüchtlingen, stellt keine größere gesellschaftliche Herausforderung, sondern für nicht wenige Menschen ein psychologisches Problem dar: Ihre bloße Präsenz – selbst in geringer Anzahl (siehe Dresden!) –, die Konfrontation mit dem Elend, das durch sie spricht, stellt eigene Anspruchshaltungen und Denkweisen in Frage. Sie ruft Abwehrhaltungen hervor, die verhindern sollen, dass der instinktiv als notwendig erahnte, aber als unangenehm empfundene Umdenkungsprozess zum Bewusstsein gelangt.
    Abwehrhaltungen in Form von Schuldzuweisungen an die Personengruppen, welche das eigene Unwohlsein auslösen, als vermeintliche Ursache gesellschaftlicher Missstände. Abwehrhaltungen, die als Projektion eigener Befindlichkeiten auf das Schicksal „des Abendlands“ durchaus die Qualität von Wahnvorstellungen annehmen können. Abwehrhaltungen schließlich, welche die bedrohten eigenen Vorurteile zu „patriotischen“ Gefühlen umdefinieren, sie in nationalistischen Aufwallungen zu schützen suchen.
    Denn nichts erweist sich als so hartnäckig wie Vorurteile.

  57. @ BvG
    „Religion hat im politischen Bekenntnisraum nichts zu suchen. Die freie Religionsausübung ist garantiert, die politische Missionierung nicht.“
    Einen Ausschluss der Religionen vom demokratischen Meinungsbildungsprozess sieht unser Grundgesetz wirklich nicht vor. Wie anderen gesellschaftlichen Gruppierungen steht es der Religionsgemeinschaft frei, ihre Überzeugungen öffentlich zu vertreten und für sie mit friedlichen Mitteln zu werben, auch wenn es mancher als lästige „Missionierung“ empfindet.

  58. @ runeB
    „Meine Bedenken richten sich ausschließlich gegen die eingeforderte Machbarkeit wie anständiges Wohnen, Kindergartenplätze, psychologische Betreuung, Schulen, Sprachunterricht etc. Das erfordert einen enormen Aufwand, der nur in begrenztem Umfang gewährleistet werden kann.“

    Was für eine pessimistische, rückwärtsgewandte Weltsicht! All die von Ihnen genannten Herausforderungen bestanden und bestehen in allen von innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Migrationsbewegungen betroffenen Gesellschaften (auch durch die Ost-West-Wanderung vor und nach der DDR-Wende). Die Zuwanderer (unter denen die Flüchtlinge die kleinste Gruppe bilden) sind aber nicht nur ein Teil des Problems, sondern auch ein entscheidender Faktor zur dessen Lösung: Sie sind die Bauarbeiter, Ingenieure und Architekten, die Kindergärtner, Pfleger, Psychologen und Lehrer, die uns bei einer schrumpfenden „ansässigen“ Bevölkerung sonst fehlen würden. Sie sind die künftigen Steuer-, Renten- und Krankenversicherungszahler, die wir zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus, des Bildungssystems und der Gesundheitsversorgung dringend brauchen.

    Entscheidend ist, ob wir das menschliche, fachliche und gesellschaftliche Potenzial der Zuwanderer aktiv nutzen oder, wie bei der bisherigen Behandlung der Flüchtlinge, über Jahre verschwenden. Es ist nicht die Frage der „Moral“, sondern der (auch ökonomischen) Vernunft, entsprechende politische Entscheidung zu treffen. Empathie für Flüchtlinge ist gut und wichtig, doch sie brauchen nicht unsere großzügige Mildtätigkeit, sondern die Möglichkeiten zur freien Entfaltung und gesellschaftlichen Teilhabe.

    Die Erfahrung zeigt, dass Gesellschaften, die einen positiven Umgang mit Migration pflegten, davon ökonomisch und kulturell profitiert haben, ohne ihre „nationale“ oder religiöse Identität zu verlieren. Die Venezianische Republik oder Florenz als Stadtstaat sind solche Beispiele. Hingegen gehören Gesellschaften, die sich abgeschottet haben, zu den Verlieren der Geschichte. Die atavistische Angst vom Fremden ist ein schlechter Ratgeber.

  59. @ JaM

    „Die Zuwanderer (unter denen die Flüchtlinge die kleinste Gruppe bilden) sind aber nicht nur ein Teil des Problems, sondern auch ein entscheidender Faktor zur dessen Lösung: Sie sind die Bauarbeiter, Ingenieure und Architekten, die Kindergärtner, Pfleger, Psychologen und Lehrer, die uns bei einer schrumpfenden „ansässigen“ Bevölkerung sonst fehlen würden. Sie sind die künftigen Steuer-, Renten- und Krankenversicherungszahler, die wir zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus, des Bildungssystems und der Gesundheitsversorgung dringend brauchen.“

    Diese Aussage ist nicht sehr am humanistischen Weltbild angelehnt, weil diese Zuwanderer ja auch irgendwoher zu uns kommen. Werden diese dort etwa nicht gebraucht als „Bauarbeiter, Ingenieure, Architekten, Kindergärtner, Pfleger, Psychologen und Lehrer“? Wären diese Menschen nicht auch in ihren Heimatländern künftige „Steuer-, Renten- und Krankenversicherungszahler“?

    Noch schlimmer ist’s, wenn fertig Ausgebildete, etwa Ärzte und Krankenschwestern, angeworben werden, die dann ihren Heimatländern den Rücken kehren, obwohl sie dort mindestens genau so gebraucht werden.

    Wir können uns doch nicht als Nabel der Welt sehen und Deutschland zum Maß aller Dinge machen, nur weil der Lebensstil mit Afterworkparty der hier Wohnenden nicht auf Familie und Kinder ausgerichtete ist. Wie viele Single-Haushalte gibt’s in Frankfurt?

  60. Leider komme ich zu selten vorbei, um mich mehr einzubringen bzw. zu verteidigen.
    Deshalb vorweg mein Einwurf zum Pegidageschehen am letzten Montag:
    Ich frage, ob Demokraten (Christen)nicht anständig bleiben können.
    Da schalten kommunale Politiker und kathol. Kirchenmänner Andersdenkenden das Licht ab. Und vorher normale Bürger reinigen demonstrativ die Strasse, die andere Menschen vorher benutzt haben.
    Welch eine Niedertracht, was für eine Streitkultur!
    Die Mainstream-Medien gehen nicht gegen diese falsche Form der Auseinandersetzung vor. Es sind UNSERE Demonstranten.
    In Moskau wurde der Rote Platz nach dem Durchzug der deutschen Gefangenen gereinigt.

  61. Nun zu meinem Kommentar vom 5.1. und den Reaktionen!
    Es ist immer zu beachten, auf welcher Ebene ein Diskutant spricht. Man kann ihm vorwerfen, sich auf der falschen zu befinden oder auf seiner Ebene antworten.
    Wenn ich Forderungen an die Regierung habe, dürfen sie, wenn ich Verständnis bei den Adressaten voraussetze, undifferenziert ausfallen. Das erspart Zeit und ist üblich.
    „Die Deutschen“ reichen im Ländervergleich oder beim Fußball. Man versteht sich.
    Aus verschiedenen Gründen können „Die Deutschen“ eine Präzisierung erfordern und damit mehr Zeit. Es gibt ja Westdeutsche, Ostdeutsche,Süddeutsche, Norddeutsche, eingebürgerte,alte, junge, Stadtbewohner, Nichtschwimmer…..
    Bis wir die Deutschen für jeden zufriedenstellend umschrieben haben, ist das Gesprächsthema nicht zum Zuge gekommen.
    Meine nicht konkrete Forderung an die Regierung in Sachen Pegida tätig zu werden, betrifft natürlich Maßnahmen zur Flüchtlingsproblematik oder zur Islamfeindlichkeit. Das heißt genauer, zunächst einmal Planung zu ermöglichen, welche und wieviele Flüchtlinge immigrieren dürfen sollen, welche Standorte mit wieviel Hilfskräften und -mitteln ausgestattet und welche Gelder bereitgestellt werden sollen.
    Allein die Bekanntgabe einer ordentlichen Planung zeigt gegenüber dem planlosen Herumwursteln das Bemühen der Regierung, das dann allerdings weitergehen muß.
    Diese etwas mühsame Arbeit ist ein besseres Angebot als „Laufen Sie denen nicht hinterher.“

    Ich bin etwas ausschweifender geworden, koste Sie mehr Zeit, habe aber einen Teil meiner Forderung präzisiert. Natürlich geht das.
    Was ich nicht schätze, ist das Abblocken,das Niedermachen von Beiträgen mit Sprechblasen, die Diskussion kaputtmachen, zumindest stoppen.
    „Es gibt keine einfache Lösung für komplizierte Probleme“.( Wie war das mit dem komplizierten Knoten?)
    „Zu pauschal,alles komplizierter“, ..“Läßt sich nicht aus dem Ärmel schütteln“, als wenn der Vorredner das propagiert hätte.
    weiterhin überzeugt mich nicht, wenn jemand die eigene Erfahrung und die seiner Frau benutzt, um seinen Aussagen mehr Gewicht zu verleihen, die allein offenbar als zu leicht befunden werden. Ich kann mir vorstellen, dass andere Teilnehmer genau so alt oder älter, auch Deutschlehrer sind, die nun aber Kinder haben, die entgegen den Erfahrungen Eines unter Vielen erfolgreich mit zwei gleichberechtigten Sprachen, also 2 Muttersprachen aufwachsen.
    Auch Beispiele wie der Ober zu Merkel/Pegida sind für die Katz.
    Am 6.1. um 11.30 geht Herr Engelmann auf meinen Beitrag ein. Er führt Maßnahmen auf. Damit bin ich einverstanden.

  62. zur Machbarkeit: a) Ja, nicht nur in Ostfrankreich und Spanien gibt es leere Häuser, auch in Frankfurt existieren Presseberichten zufolge große Mengen leer stehender Büros. Aber wie groß muss die Kraftanstrengung sein, bitte, um daraus bezahlbare Mietwohnungen für arme Bevölkerungsschichten zu machen, welche privaten Investoren haben eine ausgeprägte soziale Ader, von juristischen Hürden einmal abgesehen? Wohnraum, der in praxi nicht verfügbar ist, ist für mich wie nicht vorhandener Wohnraum. Und die Mieten steigen derzeit in Ballungsräumen.

    b) Sie haben wirklich Recht, das man in puncto Infrastruktur eine Analyse im Einzelfall durchführen sollte. Das heißt aber nicht nur, dass man allgemeine Hinweise, etwas sei nicht machbar, hinterfragen muss – man muss auch umgekehrt verallgemeinernde positive Annahmen, mit etwas gutem Willen sei das alles kein Problem, hinterfragen dürfen. Es kann nicht sein, dass Pessimismus per se fehlgeleitet ist, Optimismus aber fraglos angebracht. Letztendlich geht es immer um mit Unsicherheiten behaftete Einschätzungen und Prognosen, die jeweils anders ausfallen, je nachdem wer urteilt und prognostiziert.

    c) Dass man die allgemeine Erwartungs- und Anspruchshaltung unter die Lupe nehmen muss, stimmt. Solange aber gerade die finanziell überdurchschnittlich gut gepolsterte, ungefährdete Schicht es (nach meinem Eindruck) bei „Wir-haben-doch-mit Einwanderern-kein-Problem“-Statements belässt, darf man nicht von der Unter- und Mittelschicht erwarten, dass diese die verbale Großzügigkeit der Oberschicht umsetzen.

  63. @runeB,JaM, Rudi:
    Die Probleme, die Sie hier wälzen, müßten längst zu Runden Tischen, Parlamentsdebatten, Kommissionen, Gesetzen geführt haben.
    Aber es ist noch nicht zu spät.
    Mit dem immer drängender werdenden Flüchtlingsproblem muß parallel das der deutschen underdogs gelöst werden.
    Es ist mit der Hilfe zur Selbsthilfe nicht getan. Es gibt Leute, die sich nicht selbst helfen können. Diese muß man ständig an die Hand nehmen. Oder sagen, dass man sie aufgibt.
    Letztendlich entscheidet wieder das Geld. Aber um nicht herumzuwursteln, müssen „wir“ entscheiden, ob wir Inländer bevorzugen oder Flüchtlinge, oder ob allen gleichermaßen geholfen werden soll. Das erfordert Maßnahmen, die mehrheitlich getragen werden können.
    Der moralische Auftrag,Flüchtlingen zu helfen, steht der gleiche, sozial Schwachen zu helfen gegenüber.
    Es fehlt ein Konsens darüber, was wir machen, wenn unsere Volkswirtschaft (mit der jetzigen Steuerkraft) an ihre Leistungsgrenze stößt.

  64. Sehr geehrter Herr Engelmann,

    Betrachtet man die Flüchtlingsfrage im EU-Zusammenhang – Stichwort Dublin, so fällt auf – so wie Sie zutreffend formulieren:
    „Dass es in der Praxis anders aussieht, liegt zuerst an einer Art „Notwehr“ vor allem der Mittelmeeranrainer, die sich alleine gelassen fühlen und die Regelung durch Unterlassen von Kontrollen unterlaufen. Ein m.E. angesichts der Problemsituation (vor allem in Italien) zumindest verständliches Verhalten.“

    Ich empfinde dieses Verhalten nicht als verständlich und auch nicht als akzeptabel. Es werden nicht einmal die geringsten Anstalten getroffen, wenigstens die Ankömmlinge zu registrieren. Man winkt ebenso wie auch in Griechenland einfach durch. Mit der Folge, dass Schweden und Deutschland die allermeisten Flüchtlinge zu übernehmen haben. Diese „europäische Solidarität“ wird irgendwann auch von den Bürgern wahrgenommen und sicherlich nicht die Begeisterung für dieses Europa, in dem Verträge in zunehmendem Maße ignoriert werden, erhöhen.
    Die EU-Kommission unternimmt wiederum nichts, um die Einhaltung der Dublin-Vereinbarung durch Sanktionieren einzufordern. So entsteht wieder durch Vertragsbruch ein Freiraum, den einige Staaten zu ihrem Vorteil ausnützen. So setzt sich die Missachtung von europäischen Verträgen auch hier fort.
    Erinnert sei an den fatalen Bruch der Maastricht-Vereinbarung durch die Regierung Schröder/Fischer. Wenn schon die Großen sich nicht an Verträge halten, wie kann man das von den Kleinen verlangen.
    Meine Bedenken richten sich daher insbesondere auch gegen die unterlassene europäische Solidarität. Wenn den Deutschen bewusst wird, dass man sie (und die Schweden) mit der Flüchtlingsfrage allein im Regen stehen lässt, wird es Verwerfungen geben. Kommt dann noch eine Rezession mit steigenden Arbeitslosenzahlen hinzu, entsteht eine brisante Mischung.
    Ich möchte nicht in einem Staat leben müssen, wo der gesellschaftliche Zusammenhalt, der zurzeit schon fragil erscheint, sich langsam, aber sicher auflöst.

    Zu JaM:
    „Die Venezianische Republik oder Florenz als Stadtstaat sind solche Beispiele. Hingegen gehören Gesellschaften, die sich abgeschottet haben, zu den Verlieren der Geschichte.“

    Ich weiß nicht, woher Sie diese Erkenntnisse ableiten, aber Sie vergleichen winzige „Staaten“ (Mikroben) mit einem neuzeitlichem Europa, das etwa 700 Millionen Einwohner und zudem höchst unterschiedliche Staaten (die diesen Namen aufgrund der Bevölkerungszahl auch wirklich verdienen)umfasst. Weder Venedig noch Florenz haben als Stadtstaaten überlebt, trotz der – wie von Ihnen postuliert – Einwanderung als angewandtes Grundprinzip. Oder habe ich Sie falsch verstanden?

    Nennen Sie mir bitte die „Verlierer“ der Geschichte. Damit ich dazulernen kann.

  65. @ Rudi
    Die Reise- und Niederlassungsfreiheit sind eine der wesentlichen Errungenschaften unserer freiheitlichen Gesellschaft in Europa. Der Wunsch, an diesen Freiheiten partizipieren zu können, war einer der Hauptmotive für die DDR-Bürger, gegen das SED-Regime aufzustehen. Die Folge dieser Freiheiten ist, dass Menschen dort ihr Glück suchen, wo sie es eher zu finden meinen. Wenn ihnen ihr Heimatsstaat nicht genügend gute Entfaltungsmöglichkeiten bietet (oder bieten kann), nutzen sie die besseren Chancen anderswo. Ein Beispiel dafür sind deutsche Ärzte, die in die Schweiz, nach Österreich oder nach Skandinavien auswandern, oder deutsche Wissenschaftler, die Spitzenuniversitäten in den USA oder Großbritannien den Vorzug vom deutschen Uni-Mittelmaß geben.

    Die Zunahme der weltweiten Migration ist eine Tatsache und sie kann, wie Sie richtig feststellen, auch negative Folgen für die Länder haben, aus denen qualifiziert oder junge, aktive Menschen auswandern. Diese Folgen lassen sich aber nur dadurch vermeiden, wenn die Lebensbedingungen in den Heimatländern verbessert werden, wozu sowohl eigene Anstrengungen als auch internationale Hilfe notwendig sind, die außerdem nicht kurzfristig wirken. Letzteres leisten zumindest innerhalb der EU die reicheren Länder durch Finanztransfers im erheblichen Maße. Eine administrative Beschränkung der Zuwanderung nach Deutschland hilft hingegen den Auswanderungsländern nicht. Ich habe außerdem nicht den Eindruck, dass Deutschland eine aktive Anwerbung von Migranten betreibt.

    Für die Pegida-Diskussion ist entscheiden, dass die Angst vor gesamtwirtschaftlichen Folgen der Zuwanderung ökonomisch unbegründet ist. Und auch die individuelle Befürchtung, die ansässige Bevölkerung könnte im Wettbewerb um Arbeitsplätze oder Wohnungen gegenüber Migranten oder Flüchtlingen den Kürzeren ziehen, besteht den Faktencheck nicht. Im Arbeits- und Wohnungsmarkt haben Menschen mit „fremder“ Herkunft deutlich geringere Chancen als Deutsche.

    @ RuneB
    Die Venezianische Republik ist nicht wegen Zuwanderung untergegangen, sondern als Folge der Bildung eines italienischen Staates. Andere erfolgreiche Einwanderungsgesellschaften, wie die Niederlanden, Großbritannien, USA, Kanada oder Australien, bestehen bis heute. Die Zuwanderung und der Umgang mit ihr sind außerdem keine statischen, sondern dynamischen Prozesse. Auch in den genannten Ländern gab und gibt es Phasen der Offenheit und Phasen der Abschottung.

    Zu den Verlierern durch die Abschottung gehören z.B. China nach dem Bau der „Großen Mauer“ sowie das Osmanische Reich ab dem 16. Jahrhundert. Die gesamte „islamische Welt“ hat durch Abschottung ihre einst in Wissenschaft, Technik und Kultur führende Stellung eingebüßt, was bis heute Folgen für die meisten Länder des Nahen Ostens hat.

  66. @ all

    Die schrecklichen Attentate von Paris – die schlimmsten seit dem Algerienkrieg – machen es mir unmöglich, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wiewohl einige Beiträge, besonders der von Rudi, 7. Januar 2015 17:12, eine genauere Erörterung verdienen, wozu ich aber im Augenblick nicht in der Lage bin. Ich bitte daher um Geduld.

    Stattdessen hier der Link zu einem Aufruf, der über Avaaz verbreitet wird:
    https://secure.avaaz.org/fr/avec_charlie_4/?fpla

    Er hat folgenden Wortlaut:
    „Je suis Charlie – Nous n’avons pas peur, restons unis pour nos libertés
    À tous nos concitoyens:
    Nous, citoyennes et citoyens en France, exhortons nos responsables politiques à protéger la liberté d’expression et à mettre un terme à la flambée de violences et de peur. L’attaque atroce qui a eu lieu aujourd’hui ne doit pas nous diviser, rassemblons-nous contre les peurs et les préjugés. C’est notre meilleure arme contre les extrémismes et la meilleure voie pour le vivre ensemble auquel nous aspirons toutes et tous.“

    Übersetzung:
    „Ich bin Charlie – Wir haben keine Angst, bleiben wir vereint für unsere Freiheit
    An alle Mitbürger:
    Wir, Bürger und Bürgerinnen Frankreichs, fordern unsere politisch Verantwortlichen auf, die Meinungsfreiheit zu verteidigen und dem Auflodern von Gewalt und Einschüchterung ein Ende zu setzen. Die schreckliche Attacke, die heute stattgefunden hat, darf uns nicht auseinanderdividieren. Schließen wir uns zusammen gegen Ängste und Vorurteile. Das ist unsere beste Waffe gegen Extremisten und der beste Weg für unser gedeihliches Zusammenleben, das wir alle anstreben.“

    Kurz einige wichtige Hinweise aus französischen Medien:
    Die Zeitung „Le Monde“ veröffentlicht u.a. eine Karte der weltweiten Solidaritätsbekundungen aus aller Welt, darunter auch aus Tunesien, Ägypten und aus Moskau.
    Die muslimischen Verbände Frankreichs bereiten für heute eine gemeinsame Erklärung der französischen muslimischen Gemeinde vor – mit 5 Millionen der größten in der EU. Der Imam der Moschee von Lille hat alle französischen Muslime zu Solidaritätsbekundungen aufgerufen. Wörtlich sagte er: „Terroristen haben keine Religion.“ Einigkeit herrschte unter allen Kommentatoren, dass die Attentate nicht nur einen Anschlag auf Meinungsfreiheit und Demokratie darstellen, sondern auch auf die religiösen Überzeugungen von Muslimen.
    Sehr einheitlich auch die Solidaritätsbekundungen von Politikern aller Richtungen, Marine Le Pen eingeschlossen, die – für sie sehr ungewöhnlich – jeden falschen Zungenschlag vermied.
    Es blieb allein dem AfD-Vizevorsitzenden Alexander Gauland vorbehalten, die schrecklichen Ereignisse propagandistisch für PEGIDA-Positionen und zum Anheizen von Islamophobie zu missbrauchen.

    P.S.: Dank an Bronski für den Link des Tages!

  67. Nachtrag zum Beitrag vom 8.1.,12.05
    Wie zu erwarten, hat die Betroffenheit und politische Mäßigung einer Marine Le Pen nur wenige Stunden angehalten. In einem erneuten Beitrag hat sie die Wiedereinführung der Todesstrafe in Frankreich gefordert.
    Die alten Verhältnisse, was Vorbilder und Nachahmer betrifft, scheinen wieder hergestellt.

  68. Nun werden sie wieder genau verortet in der deutschen Presse -die Guten und die Bösen. Pegida: intolerante Rassisten und bäh bäh bäh, Anti-Pagida: alle ganz liebe tolerante Menschen.
    Zunächst freue ich mich über jede gelungene Integration in Deutschland. Mit den angeblich hochzuhaltenden Werten des “christlich-jüdischen Abendlands” kann ich nicht viel anfangen, da ich immer wieder erleben muss dass die, die diese angeblichen Werte am meisten einfordern, am ehesten mit Parolen wie “das Boot ist voll” u.ä. sich selbst ad absurdum führen. Vertreter der C-Parteien machen uns vor, “wir sind alle Christen, aber nehmt uns um Gottes Willen (!) nicht beim Wort….
    In den westeuropäischen Gesellschaften hat sich ein Großteil der Menschen von den Kirchen und deren Lebensvorschriften emanzipiert und das ist gut so. Nun sehen wir uns aber mit einer neuen Religion mitten unter uns konfrontiert, die eine Menge Toleranz und Akzeptanz einfordert. Es hat bei mir den Anschein dass, wenn sich eine Konsensgesellschaft kompromissbereit zeigt, ihr dies als Schwäche ausgelegt wird und diese vermeintlich “Schwächeren” kann man mit immer neuen Forderungen konfrontieren. Ich selbst habe vor ca. 20 Jahren in Dänemark eine haarsträubende Geschichte erlebt und mir wurde klar, warum auch in traditionell liberalen Gesellschaften wie den skandinavischen heute soviel Menschen zur Einwanderung in ihre Länder eine ambivalente Einstellung haben.
    Ich beherrsche die dänische Sprache in Wort und Schrift und konnte die Story sowie die dann gelieferten Leserbriefe in 2 Zeitungen verfolgen. Es ging um’s Mittagessen für die Schulkinder, wobei in einer Kopenhagener Vorortschule der Kompromiss gefunden wurde, für muslimische Teilnehmer als Essen ein ihrer Religion entsprechendes Gericht zu servieren. So weit so gut, bis muslimische Eltern die Forderung einbrachten, überhaupt kein Essen mehr mit z.B. Schweinefleisch anzubieten, da es Achmed nicht zuzumuten sei, dass Pernille nebenan ihre Gulaschsuppe müffelt…
    Wer “pegida” in seine Suchmaschine eingibt, dem wird auch die Seite von Wikipedia dazu angeboten. Dort ruhig mal reinschauen und sich ansehen, wie u.a. Alice Schwarzer -bestimmt nicht des Rassismus’ zu verdächtigen- sich dort äußert.
    Was viele Menschen -ebenso wie ich- vermissen ist, dass es den Muslimen nicht gelingt, ihre Extremisten “einzufangen”, eindeutige Distanz zu ihnen herzustellen und auch mit Gegenaktionen aktiv zu werden. Wer beruft und bezahlt eigentlich den Imam an dieser Moschee in Leipzig, einst in einer Talkshow zu sehen, sowie auch den von Al-Nusra in Hamburg. Beide sind Zumutungen für eine europäische Gesellschaft. Nun ja, an diesem Wochenende soll ja wohl Flagge gezeigt werden….
    Zum Ende noch ein Zitat von dem türkisch/kurdischen Rapper Haftbefehl -richtiger Name Aykut Anham-, zu lesen im Spiegel Nr 50, Seite 131 vom 08.12.2014:
    “Alle die ihr Scheitern den Deutschen in die Schuhe schieben, machen sich was vor . Deutschland ist ein gastfreundliches Land. Man muss hier nicht kriminell werden, weil man keine Chance hat. Die Gastfreundlichkeit, die du hier erfährst bekommst du nirgendwo auf der Welt. Was ist denn, wenn Sie als Deutscher in die Türkei gehen? (…..) Wenn sich ein Deutscher in der Türkei benehmen würde, wie die Türken sich hier in Kreuzberg benehmen – die würden den wahrscheinlich niederstechen”.
    So viel Lobhudelei ist fast nicht auszuhalten 🙂 , aber sie kommt nicht vom Generalsekretär der CSU, sondern, wie gesagt von einem MimiMi (Wortschöpfung von Herrn Omnipur und meint Mitbürger mit Migrationshintergrund).
    Manfred Schmidt, Carvoeiro Pt.

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