Burka ist das Ergebnis gruppendynamischer Prozesse

Die Burka ist ein repressives Machtinstrument eines altvorderen Patriarchats. Sie maskiert eine Frau, die als solche nur noch durch die Burka erkennbar ist, die sie trägt, und markiert diese Frau damit als Besitztum eines Mannes. Die Burka ist damit Ausdruck einer Kultur, die mit dem westlichen Verständnis von Freiheit und Gleichheit (auch der Geschlechter) nicht vereinbar ist. Genau das ist letztlich die Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, der jüngst das Verbot des Ganzkörperschleiers in Frankreich bestätigte: Auf der Straße und an öffentlichen Orten darf in Frankreich keine Burka mehr getragen werden. Ist das gut so?

Der EGMR ist die höchste Instanz in dieser Sache. Er ist übrigens keine Institution der Europäischen Union, sondern des weit größeren Europarats, der 47 Mitgliedsstaaten umfasst. Damit gibt es kein Gericht mehr auf der Welt, dass der Klägerin gegen das Burkaverbot, einer französischen Muslima, recht geben könnte. Sie hatte behauptet, die Burka aus freien Stücken zu tragen; weder ihr Mann noch ihre Familie zwinge sie dazu. Der Vollschleier sei Ausdruck ihrer religiösen Überzeugungen. Nach diesem Gerichtsurteil können nun alle europäischen Staaten ein Burkaverbot erlassen.

Wir sind damit beim Thema „Islam in Europa“ – wobei ich hinzufügen möchte, dass die Frage, inwieweit die Frau sich laut Koran „bedecken“ muss, auch unter Muslimen kontrovers diskutiert wird. Die Wörter Burka, Nikab oder auch nur Kopftuch tauchen im Koran nämlich nicht auf. Wo manche Koranübersetzungen „Kopftuch“ setzen, darf man Absicht vermuten: Das Kopftuch soll begründet werden. Im Koran steht in Sure 24, Vers 31 – der Abschnitt, der am häufigsten zur Begründung des Kopftuchs und der Verschleierung angeführt wird – nichts von Kopftuch oder Burka oder dergleichen. Das dort benutzte Wort ist „himar“, und das ist am ehesten als „Schal“ zu übersetzen, mit dem Frauen die Stellen ihres Körpers bedecken können, an denen sie Schmuck tragen. Wie gesagt: können. Es handelt sich also nicht um ein Gebot. Der Vers zielt auf Schicklichkeit, nicht auf den religiösen oder rituellen Gehalt einer solchen Bedeckung (wobei Bedeckung keineswegs zwangsläufig mit Verschleierung gleichzusetzen ist).

Wir bewegen uns also auf dem Gebiet der Auslegung eines Textes, der vor knapp 1400 Jahren offenbart wurde. Es ist uns heutigen Normalsterblichen nicht möglich, diesen Text so zu verstehen, wie die Menschen ihn möglichweise damals verstanden haben. Der Text ist nicht eindeutig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihn zu übersetzen. Und damit viel Stoff für Streit.

Und damit zurück zum Stoff des Anstoßes. Man könnte nun einfach sagen: Die Sache ist höchstrichterlich entschieden, die berühmten westlichen Werte wurden in bemerkenswerter Weise konkretisiert, und nun möchten wir von den Muslimen, die in dem von diesen Werten geprägten Raum leben, auch bitte erleben, dass sie sich diesem Werteraum anpassen. Es ist klar, dass diese Menschen ihre eigenen Kulturen mitgebracht haben, aber manches, was in deren Werteraum, der mit unserem in Teilen also nicht kompatibel ist, selbstverständlich sein mag, ist dies bei uns eben nicht. Das gilt ja beispielsweise auch für die unseligen, ekelhaften „Ehrenmorde“. Also, liebe Muslime: Lebt den Islam – aber lebt ihn so, dass er mit dem Werteraum und dem Gesetzesrahmen zusammenpasst, in dem ihr mit uns ja schließlich ein weithin friedliches Leben führt. Lasst uns in die Augen sehen, wenn wir miteinander reden!

Könnte man sagen. Sollte man vielleicht sogar sagen. Ich persönlich würde aber sagen: Vorsicht! Die Burka hat viele Gesichter. Eines davon ist die Markierung ihrer Trägerin als Besitztum eines Mannes, wie eingangs schon beschrieben. Ein anderes ist, dass sie auf Betrachter (zumindest was westlich geprägte Menschen betrifft) abschreckend, ja, abstoßend wirkt. Man sollte in sich hineinhorchen, wenn man einer Burkaträgerin begegnet, und genau darauf achten, was man fühlt. Ist da nicht die Wahrnehmung einer Mauer? Einer Blockade? Macht die Burka nicht sogar Angst? Auf Kinder jedenfalls wirkt sie so. Sie ist also noch mehr als nur der Stempel „Mein Eigentum“. Sie will auch sagen: Keine Verständigung. Totalverweigerung. Wer ein solches Signal aussendet, hat Angst. Vor uns? Warum diese Abschottung?

Das französische Burkaverbot ist nun rechtens. Ich bin trotzdem dagegen, es auch in Deutschland einzuführen, weil es die Fronten verschärfen könnte. Wenn ein Aspekt der Burka Angst ist – Angst ihrer Trägerin vor uns, Angst des Besitzers ihrer Trägerin, dass seine Frau eine Augenweide für andere Männer sein könnte, aber auch Angst dieses Besitzers, sich auf mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmtheit einzulassen, auf mehr Gemeinsamkeit mit uns -, dann müssen wir dieser Angst begegnen und dieses sonderbare Ding in den Köpfen, das uns in den Grabenkrieg der Kulturen treibt, zu überwinden versuchen. Das geht nur mit Gesprächen, nicht mit Verboten. Das Burkaverbot ist kein Gesprächsangebot, sondern eher eine Kriegserklärung.

Die FR-Leser sehen das teilweise anders. Konrad Mohrmann aus Frankfurt:

„Herr Müller vom Deutschen Institut für Menschenrechte spricht in seinem Interview „Gesetze legitimieren Vorurteile“ und davor vom Tragen einer Burka, ist das Tragen einer Burka, eine Vermummung, ein Menschenrecht? Ist das Tragen von Krawatten oder Jeans auch ein Menschenrecht? Ist nicht das Tragen von Sonnenbrillen auf Demos demnach auch ein Menschenrecht, aber von der hiesigen Polizei als Vermummung verboten?
Mich würde schon die Koranstellen interessieren, die das Tragen von Kopftüchern von Vermummungen und dem Beschneiden von weiblichen Genitalien rechtfertigt.
Mohammed begann seine Predigen um 613, also vor rund 1400 Jahren. Wo war das Christentum im Jahre 1400? Inquisition und Hexenverbrennungen unter der katholischen Kirche brachten zigtausende von Unschuldigen um, danach der Dreißigjährige Krieg Millionen von Menschen. Also befinden sich Teile des Islams noch im Mittelalter? Und haben die Christen ein Recht, sich aufgrund ihrer eigenen Geschichte über den Islam zu erheben?
Als der Islam in El Andalus unter den Almovariden im 11. und 12. Jahrhundert die damals höchste Kulturstufe in ganz Europa hervorbrachte, mussten trotzdem der Moslem Ibn Ruschd (Averroes) und der Jude Maimonides vor den orthodoxen Islamisten (heute nennt man sie u.a. Taliban) fliehen. Es gab also Zeiten des Islams in Europa, der kulturell weiter war, als er heute in Europa ist. „Talibans“ gab es im Islam schon immer. Wie es auch heute orthodoxe, radikale Christen gibt, besonders in den USA.
Aber damals, in El Andalus, trugen die islamischen Frauen keine Burkas, auch danach trugen Muslimas niemals in Europa eine Burka oder ähnliches und nun, 600 Jahre später, brauchen wir das Mittelalter und die Burkas oder ähnliches auch nicht in Europa.
Gleiches Menschenecht für alle, würde auch bedeuten, dass christliche und jüdische Menschen in islamischen Ländern, die gleichen Rechte hätten, wie sie ihre Glaubensbrüder und -schwestern hier genießen.“

Walter Unger aus Maintal:

„‚Gehört sie nicht zu Europa?‘, titelt die FR auf der ersten Seite plakativ mit einer Burkaträgerin. Die Antwort ist meiner Meinung nach einfach, aber nicht wie das Titelbild suggeriert. Sie lautet „Ja und Nein“.
Die junge Muslimin gehört sicherlich ebenso zu Europa wie alle anderen Menschen die hier leben, ob als Einwanderer oder seit langem. Die Burka gehört ebenso eindeutig nicht zu Europa. Sie ist Teil eines nicht europäischen  Kulturkreises. Das allein rechtfertigt selbstverständlich nicht das Verbot dieses Kleidungsstücks. Auch wer als Indianerhäuptling mit Federschmuck durch Frankfurt oder als buddhistischer Mönch im orangefarbenen Gewand durch Altötting laufen will, hat in Deutschland und Europa das Recht dazu.
Das Problem muslimischer Kleidung von Frauen – vom Kopftuch bis zur Burka – liegt woanders und wird leider zu selten thematisiert. Wenn diese Kleidungsstücke freiwillig als Zeichen von Religiosität getragen werden, ist dagegen eigentlich wenig zu sagen. Es ist allerdings in vielen Fällen keine Freiwilligkeit, sonders das Ergebnis von gruppendynamischen Prozessen. Wo viele Moslems zusammenwohnen, entsteht häufig der Druck auf Frauen, sich entsprechend zu kleiden. Wer dies nicht tut, wird im besten Fall schief angesehen, öfter aber als unreligiös oder gar als Hure beschimpft.
Der Schutz der Frauen, die sich nicht den – in der Regel männlichen – Erwartungen nach religiöser Bekleidung unterwerfen wollen, ist notwendig und  wichtiger als das Bedürfnis anderer Frauen, die diese Kleidung wirklich freiwillig tragen wollen. Dieser Schutz kann nur durch das generelle Verbot von Verschleierungen im öffentlichen Raum sichergestellt werden.“

Jürgen Seifert aus Hamburg:

„Selbstverständlich gehört die Muslimin in der Burka nicht zu Europa! Ich störe mich sehr an einem Stadtbild, in dem Frauen aus religiösen Gründen mit Burka, Nikab oder Tschador herumlaufen. Wir sind ein säkularer Staat. Jeder ist frei, zu glauben, was er will. Was allerdings ein Teil der Muslime macht, ist agressive Zurschaustellung einer religiös-extremen Weltanschauung mit stark eingeschränkten Freiheitsrechten. Dies empfinde ich auch als eine Belästigung. Der Humanismus scheint in dieser Welt nur noch im Verborgenen zu existieren. Möglicherweise auch deshalb, weil Ungläubigen von Islamisten der Tod gewünscht wird. Religiöse Bekenntnisse und Ansichten machen sich immer breiter.
Ich finde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte absolut richtig und angemessen. Alle europäischen Staaten sollten hieraus die Konsequenz ziehen und entsprechende Gesetze erlassen.“

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32 Kommentare zu “Burka ist das Ergebnis gruppendynamischer Prozesse

  1. als erste weibliche teilnehmerin äussere ich mich einfach mal „aus dem bauch raus“.
    seltsamerweise gibt es bisher nur beiträge von männlichen menschen.
    mir geht’s wie mit dem fahrradhelmzwang-blog: könnte man das thema nicht unabhängig von der frage nach gesetz diskutieren? ich seh’s ähnlich kritisch mit dem zwang wie bronski… aber mir geht es eher um die fragwürdigkeit des burkazwangs als um das gesetz. und es geht ja nicht nur um die burka, sondern um sämtliche formen der sogenannten religiösen kleidervorschriften für frauen… kopftuch hin, nikab her.

    zur gegenwart: ich habe hier relativ viel mit einer pakistanischen familie kontakt (die ihre heimat verlassen mussten, weil sie zur sogenannten reformsekte „alhamadyia“ gehört). sie leben seit über 12 jahren hier. innerhalb der fünf jahre, seit wir uns kennen, stelle ich fest, dass „äusserliche zwänge“ auch da zunehmen. plötzlich werden bei mutter und tochter die haare völlig versteckt; die kleidung wird „sittsamer“, die söhne sollen nicht mehr theater spielen, sondern die wochenenden in der moschee verbringen… alles nur kleine veränderungen. aber der wind hat sich gedreht. es geht nicht um burka, aber für mich sind kleidungszwänge – auch wenn sie sanft daher kommen – ein kleines alarmzeichen… ich möchte mit den frauen (locker) darüber diskutieren. impossible. es gibt immer nur die antwort „mein vater/ mann will das so“…nach aussen verteidige ich die frauen tapfer aber überzeugt bin ich längst nicht mehr von diesem (schal benutzten) begriff „toleranz“. wenn praktikaplätze für die tochter oder arbeitsmöglichkeiten am kopftuch scheitern, bin ich – doch – etwas hilflos…

    ich habe ( es ist länger her) etliche jahre in afrikanischen ländern gelebt, in denen über 90 % der bevölkerung muslims sind. (ver- oder -be-)kleidungszwänge gab es in meiner umgebung nicht, auch keine versuche religiöser indoktrination. während ich in „britisch-christlich kolonialisierten“ ländern immer wieder rede und antwort stehen musste, warum ich nicht sonntags in die kirche gehe, hat mich in all den jahren davor niemand versucht, zum islam zu bekehren. nicht einmal „ungläubig“ wurde ich genannt. mit diesem begriff wurde ich zum ersten mal hier (in einer kleinstadt) von unseren pakistanischen freunden behaftet…

    ach ja, klamotten… ist es nicht absurd, dass MAN im christlichen amerika nur knielange badehosen tragen darf und die altmodischen kurzen dinger verpönt sind? hingegen sind die teils fetten, unestethischen frauen weiterhin in kurzen shorts „angezogen“ , wie es sich gehört. Das hat zwar nichts mit religion zu tun, aber dennoch mit indoktrination… und keiner muckst auf.

  2. Nachdem auch hier schon wiederholt die Grenzen der positiven und negativen Religionsfreiheit ausdiskutiert wurden muss doch festgestellt werden das ich mit diesem Urteil sowohl sehr zufrieden, wie auch unzufrieden bin.

    Letzlich handelt es sich bei einem solchen Kleidungsstück um eine Insignie einer zutiefst reaktionären Macht und eines Machtanspruchs über Menschen. Dem Wesensgehalt der FDGO steht ein solche Kleidungsstück genau so entgegen, wie die zu Recht verbotenen Abzeichen und Symbole des 3. Reichs, wobei jeder Bürger ja auch erwartet das gegen Träger solcher Abzeichen etc. entsprechend entschlossene polizeiliche Maßnahmen zu erfolgen haben. „Mit Nazis reden“ wird so ganz flott zu Dienstvergehen!

    Es kann auch so formuliert werden, die für das Tragen eines solchen Kleidungstücks angeführten Rechtfertigunggründe sind auch eine Beleidigung aller Männer, da diesen ausschließlich triebhaftes Handeln unterstellt wird.

    Davon abgesehen unterstütze ich ein solches Verbot aus Sicht der Gefahrenabwehr, eben weil auch in religiösen Spielarten des Extremismus ein verfasungsfeindlich gesinntes Umfeld gezüchtet und kultiviert wird. Aber nur wenn entsprechende Rechtsfolgen dann auch konsequent durchgezogen werden, wie im Extremismusbereich sonst auch.

    Um „Gespräche mit Extremisten“ geht es schon lange nicht mehr. Es geht auch nicht darum Gesinnung wieder justiziabel werden zu lassen, sondern um auch sicherheits- und ordnungspolitisch deutlicher „klare Kante“ zeigen zu können!

    Beruflich habe ich schon zu lange auch mit -glücklicherweise meist noch eher unfähigen- „Bombenbauern“ und deren Handlungen zu tun, um noch naiv an Gespräche zu glauben. Die Seite der religiösen Extremisten hat dieser halbwegs offenen Gesellschaft schon lange den Krieg erklärt, das Urteil ist rein reaktiv.
    Es gibt m.E. keine einzigen Grund mehr hier noch mit der weichen Welle zu reagieren, denn die Burka ist bereits Teil einer Kriegserklärung!

    KM

  3. Ich wiederhole mich ganz gern:
    Kleidungsstücke, Frisuren, Schuhe, Tücher oder Klunkerkettchen zu einer politischen, moralischen, chauvinistischen oder religiösen Aussage hochzustilisieren ist im aufgeklärten Sinne ärmlich und nur überzogen.
    Jeder Mensch hat das Recht, sich selbst zu gestalten. Wer, aus welchem Grund auch immer und mit welchen Methoden auch immer, was dagegen hat, ist im Unrecht. Wer aus solchen Symbolen Selbstbewußtsein oder Überlegenheit ableitet, ist auch im Unrecht. Da wäre eher Mitleid mit so einem unentwickelten Selbst- und Fremdbild angesagt.
    Mir sind die Verschleierten ebenso suspekt, wie die Beschlipsten, suspekt sind auch jene, die aus solchen Äusserlichkeiten Wertigkeiten ableiten.

    Konventionen, Symbole und gruppenbezogene Uniformen einzufordern ist im Wortsinne primitiv und, Karl Müller folgend, eine Kommunikationsverweigerung.

  4. Korrekterweise wäre auch zu fordern, daß sich fundamentalistische Männer gleichfalls verhüllen, damit Frauen nicht durch deren ggf aufreizendes Aüsseres zur Sünde verleitet werden.
    Männerburka, das wärs, mit einer Blindbrille, wegen ihrer lüsternen Blicke, oder, ganz perfekt, Hausarrest! Machos an den Herd!

  5. Mein Hauptproblem mit der Burka ist, dass sie eine religiöse Einstellung repräsentiert, von der die Burkaträgerinnen und deren Männern auch hier einen Staat zum Ziel haben, in der solches für Frauen zur Pflicht wird.
    Eine Einladung dazu hat die deutsche Gesellschaft spätestens ausgesprochen, als sie über Friedrich Merz herfiel, der einst die Leitkultur-Debatte auslöste.

    Ein Grund, der zur Radikalisierung von hier lebenden, einstmals „weltoffenen“ Muslimen führen könnte, liegt vermutlich auch an unserer Gesellschaft:
    Die Negierung der biologischen Geschlechter (ich meine hier nicht sexuelle Neigungen)und die Vergötterung des Verschwimmens derselben.
    Ich selbst finde es ziemlich verstörend, dass kleine Jungs in manchen Kindergärten aktiv (!) dazu angehalten werden, sich z. B. die Fingernägel zu lackieren. Wenn ein Bub oder später ein ausgewachsener Mann von sich aus dazu Lust hat, ist das ganz was anderes.

  6. @ Katja Wolf,

    ob es wirklich zielführend sein kann, ganz allgemein gesehen beliebige Anhänger irrational vereinfachter Sichtweise einfach ein ebenao autoritäres Rahmenwerk anzubieten?

    Und mich interessieren die Rechtfertigungsgründe irgendwelcher Extremisten für deren verfassungsfeindliche Bestrebungen nur soweit sich daraus für die Gefahrenabwehr präventive und reaktive Maßnahmen ableiten lassen.

    Es ist auch nicht zweckmäßig hierzu über theologische Befindlichkeiten zu diskutieren, wer so anfängt hat schon fast verloren!

    Gerichtsfeste Maßnahmen lassen sich nur nach geltender Rechtslage treffen, und dabei muss streng auf erfüllte Tatbesandsmerkmale geachtet werden, nicht auf eine (kaum prüfbare) „Gesinnung“.

    Und solange die kleine Kinder sich die Nägel bemahlen und beide Geschlechter sich auch mit Wandfarbe und Tarnschminke vollsauen dürfen, ist mir das recht.

    Selbst zu lernen wie man die unterschiedlichen Farben benutzt und wie jeder den Dreck wieder abkriegt kannn m. E. nicht schaden.

    KM

  7. @ Katja Wolf #7

    Sie waren nicht die einzige, vielleicht aber eine der ersten, die sich des Themas per Petition angenommen hat. Wesentlich ausführlicher hat sich z.B. Gabi Schmidt, Sozialpädagogin aus Mönchengladbach mit ihrer

    Petition Nr. 1704-09 vom 22.11.2009 an das Europäische Parlament – Europaweite Kopftuchverbote an staatlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, europäisches Verbot von Burka und Niqab

    mit der Thematik auseinandergesetzt. Sie bezieht folgende Gesichtspunkte ein:

    – Islamische Frauenbekleidung diskriminiert
    – Öffentlicher Dienst: Gericht, Regierung
    – Bildung und Erziehung
    – Negative Religionsfreiheit von Schülern und Eltern
    – Auswirkungen des Hidschab auf Familienalltag und Schulleben
    – Europaweites Verbot der Burka und des Niqab
    – Die Bedeutung des Gesichts in der sozialen Interaktion
    – Das Prinzip Hidschab

    Die Petition wurde kurz und knapp mit folgender Begründung abgelehnt:

    „Ihnen wurde mitgeteilt, dass der Inhalt Ihrer Petition zwar in den Tätigkeitsbereich der EU fällt, dass eine Stellungsnahme des Parlamentes zu dieser Frage aber bereits vorliegt, nämlich im Rahmen der Europäischen Charta für Grundrechte. Im zitierten Artikel steht klar:

    „…..seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.“

    Das Parlament sieht keinen Anlass, diese Stellungnahme zu revidieren.

    Ein weiteres Tätigwerden ist deswegen leider im vorliegenden Fall nicht möglich. Gestützt auf Artikel 14, Abs. 3, des Kodex für gute Verwaltungspraxis darf ich Ihnen gleichzeitig mitteilen, dass keine weitere Korrespondenz in dieser Angelegenheit geführt wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    Carolyn Leffler-Roth, Sekretariat Petitionsausschuss“

    Die von derselben Petentin eingereichte, in Teilen wortgleiche,
    Online-Petition an den Deutschen Bundestag vom 30.04.2010 – Verbot der Burka und des Niqab

    wurde von der Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, Frau Kersten Steinke, mit folgender Begründung abgelehnt:

    Die Grundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit gelten in Deutschland uneingeschränkt (Artikel 3 Abs. 3 und Artikel 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes – GG).

    Das Tragen einer Burka ist aus staatlicher Sicht grundsätzlich als Religionsausübung im Sinne des Artikels 14 GG zu respektieren.

    Die Petentin hat daraufhin eine ausführliche Antwort verfasst, die sich naturgemäß zunächst auf die Aussage bezieht, die Grundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit gälten in Deutschland uneingeschränkt.

  8. Das Problem liegt eigentlich nicht darin, daß in Deutschland besondere Riten und Bräuche nicht respektiert werden, da bewundere ich eher die gewachsene Toleranz der Mehrheit, von einzelnen Quertreibern mal abgesehen.
    Das Problem ist eher, daß manche, Inländer und Ausländer und unterschiedliche „Religiöse“, versuchen, ihre Auffassung zum Standard zu machen.
    Ich habe Situationen erlebt, in denen Freundinnen angepöbelt wurden, weil sie den „moralischen“ Kleidervorschriften von Bürgern nicht entsprachen und in übler Weise beschimpft, bedroht, gleichzeitig aber sexuell belästigt wurden, gleichermaßen erlebt mit deutschen, ausländischen, christlichen und muslimischen Bürgern.
    Ich muß sagen, daß meine Toleranz gegenüber „fremden“ Ansichten nach diesen Erlebnissen sehr nachgelassen hat.
    Bei allem Verständnis für Traditionen: Wer nicht den Anstand hat, die eigene Auffassung gewaltfrei zu artikulieren, der kann keine Maßstäbe für Anstand setzen. Gewalt steht erheblich unter den Moralforderungen, Gewalttätige haben keinen Anspruch darauf, Maßstäbe zu setzen!
    Gewalt(androhung) ist das Unanständigste was es gibt, jede Form von Nacktheit oder Freizügigkeit ist demgegenüber um ein Vielfaches überlegen.
    Ich gönne jedem seine Burka, seinen Schlips und Anzug und seinen Blaumann. Aber die Lästerzunge gönne ich keinem. Wer die Welt nicht sehen mag, der mag sich verhüllen, Gehorsam schulde ich niemandem.

  9. Burka oder nicht Burka? Islam oder nicht Islam? Reliogion oder nicht Religion? Da stellt sich die Grundsätzliche Frage nach der Bekenntnis- und Glaubenfreiheit. Symbole von Bekenntnissen sind nur soweit zulässig, wie Autonomie und Selbstbestimmung nicht eingeschränkt werden und so lange die Rechte anderer davon nicht betroffen sind. Und hiermit ist auch bereits die ganze Problematik umrissen: Und zwar der Abwägung der Gewissens-, Glaubens,- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) mit der Religionsfreiheit (Art. 140 GG). Die BEKENNTNISFREIHEIT ist ein induviduelles Grundrecht. Es ist unverwirkbar, unverletzlich, unveräußerlich und steht nicht unter Staatsvorbehalt. Es besagt, daß jeder Mensch sein Bekenntnis haben darf, was es möchte (oder auch keines haben kann!). Niemand kann ihm dieses Bekenntnis streitig machen oder ihn dazu zwingen es aufzugeben oder gegen ein anderes einzutauschen. Und zwar egal ob es sich um ein religiöses, politisches oder was auch immer für ein Bekenntnis handelt. Dieses Grundrecht wirk nach innen in den Menschen. Nach außen hin berechtigt es zu nichts. Dem Gegenüber steht die RELIGIONSFREIHEIT. Sie kennt sehr wohl klare Grenzen, ist ein verwirkbares Grundrecht und steht daher unter Staatsvorbehalt. Und ab hier wird es dann spannend: Eine Bekenntnisgemeinschaft, das heißt eine Partei, Kirche, Organisation, MUSS mit ihren Werten mit der säkularen, republikanischen Ordnung dieses Staates konform sein. Daß dies ein, mitunter sehr schwieige Fragestellung ist, kann man beispielsweise am NPD-Verbots-Verfahren sehen. Bei den Glaubensgemeinschaften ist dies nicht viel anders. Würden, beispielsweise die Christen, Juden, Buddhisten und sonst wer, ihren Schriften (Bibel, Tanach usw…) politischen Status verleihen und damit einem Staat nach diesen Vorstellungen anstreben, wären sie grundgesetzwidrig und damit verboten! Würde z.B. die röm.-kath. Kirche hinter das zweite vatikanische Konzil zurückfallen und damit die Monarchie als allein legitime Staatsform sowie die Schaffung eines katholischen Staats fordern, wäre sie verfassungswidrig. Bei den Protestanten würde z.B. die Aufgabe der Luther’schen Zwei-Reiche-Lehre zu diesem Zustand führen. Und nun kommts: Wie kann man dann einer Religion, wie der des Islam, öffentlichen Raum und rechtlichen Status zubilligen? Ganz offen wird von dieser Glaubensgemeinschaft Ihren Schriften politischer Status zugebilligt. Die Schaffung eines Gottesstaates, der allumfassend in ausnahmlos jeden Bereich des Lebens eines jeden Menschen hineinwirkt und damit alle Errungenschaft der Aufklärung und Säkularisation hinwegfegt. Der Meschen in wert und unwert einteilt. In einer solchen Gesellschaft gäbe es keinen Platz mehr für idnividuelles und selbstbestimmtes Leben. DER ISLAM IN SEINER JETZIGEN VERFASSTHEIT BEDEUDET DAS ENDE DER SÄKULAREN REPUBLIK. Wie schon oben Erwähnt, betrifft diese Tatsache ausschließlich die Religionsfreiheit, also die Ausübung dieser Religion nach außen, in die Gesellschaft hinein, also institutionell. KEINESWEGS IST HIERVON DER EINZELNE MENSCH MIT SEINEM BEKENNTNIS ZUM ISLAM BETROFFEN!!! Ganz im Gegenteil. Es ist in dieser Republik jeder Mensch wilkommen, der den Wertekanon des Grundgesetztes und damit der Aufklärung und der Säkularisation anerkennt, achtet und respektiert. Und zwar völlig gleichgültig, welchen Bekenntnisses er ist!

  10. @ Simon Klein

    Das Bundesverfassungsgericht versteht Bekenntnis- und Religionsfreiheit deutlich anders, als Sie es darstellen. Den Zeugen Jehovas hat das BVerfG sogar den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt, weil zwar diese Religionsgemeinschaft die staatliche Ordnung und demokratische Verfassung ablehnt, nicht aber aktiv die freiheitliche Grundordnung bekämpft oder auf deren gewaltsame Abschaffung hinwirkt. Selbst ein Verbot einer salafistischen Gruppe würde vor dem BVerfG nicht bestehen, solange sie ihre fundamentalistische Auslegung des Islams nicht mit Gewalt durchzusetzen versucht.

    Auch Ihre Ausführungen zum Islam gehen an der Realität vorbei. Viele Länder, in denen Muslime die Mehrheit stellen, sind im gleichen Sinne „islamisch“, wie z.B. Irland, Spanien oder Polen „katholisch“ sind (oder noch vor kurzem waren). Sie haben eine grundsätzlich demokratische Verfassungsordnung, richten sich aber in der Gesetzgebung (z.B. Ehescheidung, Abtreibungsverbot, Empfängnisverhütung) nach religiösen Grundsätzen. Die große Mehrheit der Muslime in Europa, auch die konservativen unter ihnen, praktiziert ihre Religion ohnehin in Übereinstimmung mit den Grundrechten.

    Gegen Burka oder Niqab gibt es viele gute Argumente, sowohl aus der Sicht einer säkularen Gesellschaft als auch aus innerislamischen Sicht. Sie sind zweifelsohne ein Ausdruck einer möglicherweise aufgezwungener, aber auch freiwilliger fundamentalistischen Haltung, gegen die eine freie Gesellschaft Position beziehen soll – im Sinne der Aufklärung mit Mitteln des politischen Diskurses und der Bildung, nicht mit gesetzlichen Verboten. Die Art, wie manche säkulare Fundamentalisten auch hier im Blog gegen jegliche religiöse Lebensführung polemisieren, ist alles andere als aufklärerisch. Im öffentlichen Raum einer selbstbewussten freiheitlichen Gesellschaft muss Platz auch für Haltungen, Symbole und Kleidung sein, die mancher als Zumutung empfindet. Es ist die Zumutung einer demokratischen Gesellschaft.

  11. Aufgrund der Besetzungspraxis ist das BVG oft genug Teil das Problems, und weniger Teil der Lösung. Insbesondere was die mehr als zweifelhafte Zueigung der ÖR-Status angeht!

    Religionsgemeinschaften einen solchen Status zuzugestehen ist absurd.

    Was die Zumutungen der demokratischen Gesellschaft angeht, so wird auch hier versucht an Tatbeständen, nicht an „Gesinnung“ orientiert Verbote zu begründen.Bei Nazis, „Motoradclubs“ etc, wird das ja auch akzeptiert.

    Das grundsätzliche Problem liegt in den Abgrenzungskriterien worin noch Tatbestandsmerkmale zu sehen sind. Wobei die Nachrangigkeit „religiöser Argumente“ für die Rechtswirklichkeit absolut nachrangig sind, und sei ein daa diese nicht objektiv überprüfbar sind.

    Abschließend sei daran erinnert: „Wir“ haben hier nur eine parlamentarische Demokratie…, eine Umdeutung in „demokratische Gesellschaft“ ist reine Selbstverleungung.

    KM

  12. @ Karl Müller

    Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass bei einer anderen Besetzung das Bundesverfassungsgerichtes die aus der Weimarer Verfassung übernommenen Grundgesetzartikel, die den Status der Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts festschreiben, als verfassungswidrig aufheben würde? Mir ist keine Äußerung der Richter, auch in keinem Minderheitsvotum, bekannt, die in diese Richtung deuten würde. Diese Artikel könnte allerdings der Gesetzgeber jederzeit ändern oder aufheben. Aber auch das würde am Wesensgehalt der – nicht aufhebbaren – Bekenntnis- und Religionsgrundrechte nichts ändern. Ein Verbot der Zeugen Jehovas, der Pius-Brüder oder mancher evangelikaler Gruppe, die aus religiösen Gründen unsere demokratische Grundordnung negieren, sie aber nicht aktiv und agressiv bekämpfen, würde auch dann unzulässig bleiben.

    Interessieren würde mich auch, welche von der Gesinnung unabhängige Tatbestandsmerkmale Sie zum Verbot von Burka etc. im öffentlichen Raum heranziehen möchten.

    Für Ihre Belehrung, dass wir in einer parlamentarischen Demokratie leben, bedanke ich mich. Allerdings kann ich nicht erkennen, wo ich dies verleugnet hätte.

  13. @ JaM,

    bitte gern geschehen. es kann offenkundig nicht schaden auf den Unterschied zwischen demokratischer Gesellschaft und parlamentarischer Demokratie hinzuweisen.
    Hier zwei so unterschiedliche Dinge synonym zu benutzen legt einen allzu großzügigen Umgang damit nahe.

    Das Bekenntnis ist, wie von Herrn Klein festgestellt, überhaupt kein Diskussionsgegenstand.

    Es ist ja auch unzuläsig Gruppen wegen irgendwelcher kruden Vorstellungen zu verbieten.

    Für die „Burka“ gilt die gleiche Begründung wie für das Verbot von NS-Symbolen oder Abzeichen.

    Oder sind Sie im Interesse des Gleichbehandlungsgrundsatzes für eine Aufhebung der Verbote bei NS- und MC/OK Insignien?

    KM

  14. @ Karl Müller

    Deutschland ist sowohl eine parlamentarische Demokratie als auch eine demokratische Gesellschaft, oder sehen Sie es anders? Ein Verbot der Burka könnte nur das Parlament beschließen, die Auseinadersetzung mit der fundamentalistisch-islamistischen Ideologie ist die Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Ich sehe nicht, was ich da verwechselt habe.

    Wenn Sie das Verbot der Burka auf der gleichen Ebene wie der NS-Abzeichen oder –Symbole sehen, dann müssten Sie erklären, für welche klar abgegrenzte verbrecherische Organisation oder Gruppierung die Burka als eindeutiges Symbol steht. So weit ich die Rechtslage kenne, bezieht sich das deutsche Verbot der NS-Symbole nicht auf nazitypische Kleidung ohne Abzeichen. Böhnert und Mundlos sind in nachgemachten SA-Uniformen in eine KZ-Gedenkstätte hereinmarschiert, ohne strafrechtlich belangt zu werden.

    Die von Ihnen aufgezeigte Parallelität sehe ich eher bei Fahnen der Hisbollah, Hamas oder ISIS, die man aber in Deutschland ungestraft öffentlich zeigen darf.

    Was MC/OK-Insignien sind, weiß ich nicht.

  15. Sehr geehrter Herr Karl Müller,
    wenn ich Ihre Beiträge in diesem Forum lese, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Ihre Beiträge sind kaltherzig und intolerant. Bevor ich über einen Menschen urteile, stelle ich mir immer vor, wie es mir an seiner Stelle wohl gehen würde. Aber Sie scheint so etwas nicht einen Moment zu interessieren, nicht wahr? Sie sind im Besitz der Deutungshoheit. Sie maßen sich Urteile über Menschen an, die Sie nicht kennen und die sich am Rand der Gesellschaft befinden. Wollen Sie vielleicht auch noch den letzten Schubs geben, damit sie über den Rand stürzen? Ich denke, das können Sie nicht wollen. Das dürfen Sie nicht wollen.
    An der Schule meines Enkels tauchten zwei Burka-Trägerinnen auf. Mitten in Hessen. Das war in Karben. Die Schule ist eine Grundschule, und die Kinder hatte alle Angst vor den beiden vermummten Frauen. Die Schulleiterin hat sie sich dann zur Brust genommen und ihnen verboten, voll vermummt das Schulgrundstück zu betreten. Sie sollten den Gesichtsschleier abnehmen. Es gab Diskussionen über Religionsfreiheit, und es gab Vorwürfe, dass die Mehrheitsgesellschaft angeblich Vorschriften austeilt, die nicht mit dem Islam zusammenpassen. Die Schulleiterin blieb hart. Seitdem nehmen die beiden Frauen die Gesichtsschleier ab, wenn sie ihre Kinder abholen. Es geht also. Dazu muss man aber miteinander reden, so wie die Schulleiterin mit den beiden Frauen.
    Freundliche Grüße
    Hans Herold

  16. Sehr geehrter Herr Herold,
    mein Interesse an allen Varianten von Extremismus ist primär kriminalpräventiver und kriminologischer Natur.

    Um Deutungshoheit geht es mir nicht, vielmehr bin ich an einer klaren Rechtslage interessiert soweit sich aus dem Tragen oder Zeigen von Abzeichen oder Insignien verbotener Organisationen (NS, MC -Motorad Clubs-, o.ä.) ja auch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr incl. Ermittlungsverfahren ergeben.

    Mit einem Aspekt haben Sie natürlich Recht, die „Gefährderansprache“ mit der sicher noch „Wackelkandidaten“ zum Nachdenken gebracht werden können.

    Aber das ist beruflich nicht „mein Bier“, eher für Schulen oder gar LfV; die Schulleiterin hat sehr vorbildlich reagiert!

    Für meinen Teil bewerte und untersuche ich die „Reste“ extremistisch motivierter Delikte. Diese Ergebnisse reichen völlig aus, um hier sehr kaltherzig zu reagieren, denn solche religiös motivierten Rechtfertigungsgründe erträgt man nur eiskalt; mit Mühe.

    KM

  17. @ maiillimi am 8. Juli 2014:

    Ein Dialog zwischen den Religionen ist nur sinnvoll, wenn die Beteiligten dazu bereit und in der Lage sind, eine gewisse Distanz zur je eigenen Überzeugung herzustellen. Das ist nach meiner persönlichen Erfahrung mit Muslimen der strengeren und strengen Observanz nicht möglich. Aber auch nicht mit katholischen und protestantischen Fundamentalisten.

    Denn Religionen können den Wahrheitsbeweis für die Offenbarungen, auf denen sie gründen, nicht führen. In Diskussionen wird dann immer wieder auf Textstellen in den jeweiligen heiligen Schriften verwiesen, die dieses und jenes verbindlich vorschrieben, so als ob es sich um Naturgesetze handeln würde.

    Man kann das Anliegen von Religionen verstehen, wenn man sie in ihrem jeweiligen geschichtlichen Kontext würdigt. Aber es wäre verhängnisvoll, wenn man diese Zeitaufnahmen für alle Ewigkeit festschriebe. Die Verfasser der Hebräischen Bibel haben von der Relativität von Glaubenszeugnissen gewusst und deswegen findet man dort manche Aussagen und Darstellungen mehrfach und mit jeweils unterschiedlicher, sogar gegenteiliger Akzentuierung: Zum Beispiel in den zwei Schöpfungsberichten oder in der sich allmählich ändernden Gottesvorstellung (vom Gott der Väter Israels zum Synonym für das Sein).

    Mit dem Hinweis auf die vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit findet man sich hierzulande zu schnell damit ab, dass muslimische Frauen mehr oder weniger verhüllt durch die Städte gehen. So als hätte es in Europa keine Aufklärung, keine Französische Revolution, keinen Maimonides (der die jüdischen Gesetze in rationales Handeln auflösen wollte) und keine historisch-kritische Erforschung der Bibel in der christlichen Theologie (z.B. Rudolf Bultmann) gegeben.

    Religion war nach Auffassung von Rousseau Privatsache (nachzulesen in seiner Abhandlung „Der Gesellschaftsvertrag“, erschienen 1762). Er unterschied zwischen Mensch und Bürger, also zwischen der Privatheit eines Menschen (= religiöses Bekenntnis) und seiner Rolle als Bürger eines Staats, der zwar um den besten Weg des Gemeinwesens streiten, sich im öffentlichen Raum aber religiös neutral verhalten sollte.

    Für ihn, aber auch für Leibnitz („cultus civilis“) und Kant („Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“) bestand die Rolle der Religion darin, weisheitliche Erfahrungen (die auch im Kontext religiöser Überzeugungen gewonnen werden können) weiterzugeben und diese in einen gesamtgesellschaftlichen Dialog einzubringen. Letzter würde im Idealfall in eine Zivilreligion einmünden, einer spirituellen Metaebene, in der die Errungenschaften vieler Religionen und Weltanschauungen zusammenflössen und trotzdem säkular blieben.

    Der muslimischen Theologie sei empfohlen, sich ähnlich wie die christliche (z.B. vor vier Jahrzehnten Hans-Joachim Kraus) auch mit der marxistischen Religionskritik auseinanderzusetzen und dadurch den politischen/sozialen Standort religiöser Ethik der Welt anzupassen, um dadurch diese Welt besser machen zu können. Denn Marx‘ Bemerkungen in der „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ sind nach meiner Einschätzung nach wie vor aktuell:

    „Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewusstsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat…Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängen Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.“

  18. @ Klaus Philipp Mertens

    So weit unterscheiden sich religiöse und nichtreligiöse Menschen nicht. Aus den hier geführten Diskussionen kann man ebenso den Schluss ziehen, dass es manchem säkularen Religionsgegner ebenfalls kaum in der Lage sind, eine gewisse Distanz zur je eigenen Überzeugung herzustellen. Und auch nichtreligiöse Weltanschauungen fußen im erheblichen Masse auf Voraussetzungen, für die es keinen Wahrheitsbeweis gibt.

    Auch das von Ihnen hervorgehobene Konzept der Religion als Privatsache, in dem dem Bürger im Privaten ein religiöses Bekenntnis zugestanden, im aber im öffentlichen Raum ein religiös neutrales Verhalten abverlangt wird, ist in seinem historischen Kontext eingebettet. Es ist in der Aufklärung entstanden, um dem Bürger Freiräume in einem von der katholischen oder protestantischen Religion dominierten Staat zu erkämpfen. Doch seit Rousseau, Leibnitz, Kant und Marx haben sich die Welt und die Gesellschaften verändert. Inzwischen gibt es andere Konzepte (z.B. der Kommunitarismus), die Religionsgemeinschaften als einen wichtigen Teil der Zivilgesellschaft verstehen, die entsprechend ihrer Werte und mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft teilnehmen.

    Die Vorstellung einer Religion als „privates Bekenntnis“ ist ohnehin vom protestantischen Selbstverständnis der vergangenen Jahrhunderte geprägt. Auch die heutigen evangelischen Kirchen und die meisten Katholiken sehen in ihrer Religion auch eine Verpflichtung zum öffentlichen Handeln, zu einer ganzheitlichen religiösen Lebensführung. Juden und Muslime trennen ohnehin nicht zwischen „Glauben“ und der täglichen Lebensführung.

    Zurück zum eigentlichen Thema: Warum „muslimische Frauen mehr oder weniger verhüllt durch die Städte gehen“, hat sicher unterschiedliche Ursachen. Manche werden dazu gezwungen – dann muss man gegen den Zwang, nicht gegen dessen sichtbares Zeichen, vorgehen. Manche demonstrieren damit aus eigener „fundamentalistischer“ Überzeugung ihre Abkehr von unserer Gesellschaft. Für andere durchaus emanzipierte Frauen, die alles andere als fundamentalistisch sind, ist das Kopftuch der Ausdruck für eine Lebenshaltung, die sich bewusst von materiellen Äußerlichkeiten und einer Konsumorientierung abgrenzt – ähnlich wie es andere Menschen durch Kleidung aus dem Dritte-Welt-Laden oder Jute-Tasche tun.

  19. @18 und 19: danke für die überzeugenden und „gründlichen“ beiträge. meine fragezeichen konnten leider noch nicht so richtig entfernt werden…
    dennoch – wie ich ja eingangs schon schrieb – gings mir direkt aus dem bauch heraus…ich gehöre zu der spezie , die meist und spontan aus dem bauch heraus reagieren, aber ich lasse mich auch gerne (!) und immer wieder von freunden, die gründlicher und „wissenschaftlich-kritischer“ an gleiche themen rangehen, aufklären. manchmal ist ’s mir einfach zu gestelzt. ich bewundere menschen (egasl welcher „angehörigkeit“, die es schaffen mittels einer klaren, einfachen sprache wichtige inhalte zu vermitteln… sie sind rar….

    das ist ja schon eine vorwegnahme zu dem verlockenden blog-talk über leserbriefe am 21.7. (an dem ich leiderleider – vermutlich – nicht verfügbar bin).

  20. @ JaM am 17. Juli 2014

    Ich bin hinsichtlich der Fähigkeit religiöser Menschen, sich in die Gesellschaft einzubringen ohne bewusst oder unbewusst missionieren zu wollen, sehr skeptisch. Hierfür ein bekanntes Beispiel, gewissermaßen eines aus der christlichen „Scharia“:

    „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut…“ (Exodus 21, Verse 23 – 25) wird auch noch im säkularen 21. Jahrhundert immer wieder mal in evangelischen und katholischen Predigten als alttestamentarischer Rachegedanke bezeichnet, der durch Jesus überwunden worden sei (Matthäus 5, Verse 38 ff im Kontext der Bergpredigt).
    Hierbei handelt es sich jedoch um ein gravierendes theologisches, kulturhistorisches und rechtsgeschichtliches Missverständnis. Denn dieses jüdische Gebot regelt nicht die maßlose Rache, sondern eine Vergeltung im Sinne von Genugtuung und Wiedergutmachung. In die Rechtsgeschichte ist diese beispielhafte und zukunftweisende Regelung als Jus talionis eingegangen.

    Ein solcher weisheitlicher Gedanke könnte in einen gesellschaftlichen Dialog einfließen, beispielsweise über den Sinn von Strafe. Aber man muss von ihm Kenntnis haben. Und dabei stößt man auf das nächste Problem, nämlich das Verhältnis von Glaube und Verstand.

    Der Schweizer Schriftsteller und Regisseur Tobias Grimbacher hat zu diesem Thema ein kurzes Theaterstück geschrieben („Über dem Wasser“, es erscheint im September als Buch). In einer Szene fragt ein Mann einen Bischof: „Können Sie mir Gott beweisen?“ Und der Bischof antwortet: „Leider gibt es heute in unserer Kirche zweierlei Theologien: eine für die Eingeweihten und eine für die Dummen. Die für die Eingeweihten wird an den Universitäten doziert, die für die Dummen wird auf den Kanzeln gepredigt.“

    Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Außer der (erneuten) Erkenntnis, dass unreflektierter Glaube, also der jüdische, christliche und muslimische Fundamentalismus, nicht in den öffentlichen Raum gehört.

  21. @ JaM,

    für Menschen die weder Kopftuch noch Burka auseinander halten können und die gerne faschistoiden Subkulturen Raum geben wollen, sei die recht gute Berichterstattung der FR zum Thema „neuer Antisemitismus“ empfohlen.

    Schon der hier traditionelle Antisemitismus macht genug Ärger, wird imemrhin nicht mit Samthandschuhen angefasst.

    Was fordern denn die unreflektierten Kulturversteher gegenüber den neusten antisemitischen Exzessen hierzulande? Vom Landfriedensbruch bis zum Mordaufruf ist da alles dabei, auch gerichtssicher dokumentiert.

    Schönen Gruß aus der Gefahrenabwehr!

    KM

  22. @ Klaus Philipp Mertens

    „Ich bin hinsichtlich der Fähigkeit religiöser Menschen, sich in die Gesellschaft einzubringen ohne bewusst oder unbewusst missionieren zu wollen, sehr skeptisch.“

    Meine Erfahrungen aus zahllosen interreligiösen und interkulturellen Begegnungen, an denen ich in den letzten 20 Jahren von jüdischer Seite teilgenommen haben, widersprechen diametral Ihrer Behauptung. Weit mehr missionarischen Eifer verbreiten gläubige Säkularisten wie Sie.

    @ Karl Müller

    Auch unter denen, die Israel kritisieren oder Knabenbeschneidung bekämpfen, gibt es Antisemiten. Trotzdem wird niemand auf die Idee kommen, Israelkritik oder die Kritik der Beschneidung vebieten zu wollen. Auch unter Muslimen gibt es Antisemiten (leider mit zunehmender Tendenz), was für mich nicht ein Anlass sein kann, den Islam als ganzes zu verdammen. Vielmehr ist es ein Ansporn, gemeinsam mit aufgeklärten Muslimen den Antisemitismus auch in den islamischen Gemeinschaften zu bekämpfen – auch mit Mitteln des Strafrechts.

  23. @ 23,

    die Religion an sich ist mir reichlich gleichgültig, außer ich will private theologische Diskussionen führen.

    AlsRechtfertigungsgrund für Gewalt wird so manches Delikt dann aber ganz schnell zum Staatsschutzdelikt und spätestens das interessiert mich dann.
    Und gerade strafrechtlich kann man nur agieren, wenn keine weichgespülten Befindlichkeiten sondern klare, umsetzbare Regel existieren. Wie z.B. zur „Burka“ zu treffen sind, die müssen dann natürlich auch durchgesetzt werden und nicht auf Weisung von politischen Opportunisten wie in Berlin von der Polizei bis zur Rechtsbeugung ausgesessen werden.

    „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, geht einfach nicht.

    Einmal wollen Sie erklärtermaßen die Bildung extremistischer Milieus begünstigen und dann kommen Sie wieder mit dem Strafrecht? Wie passt das zusammen?

    Verbotsnormen müssen hinreichend klar bestimmt sein, also was soll verboten werden und wie wird dass dann durchgesetzt?

    KM

  24. @ Karl Müller

    Es scheint mir, dass Sie durch die Brille eines Forensikers die Welt nur Schwarz-Weis sehen. Die Realität ist etwas komplexer, auch die der Religionen. Wenn einige Anhänger einer Religionsgemeinschaft kriminell sind, so ist es nicht automatisch auch die gesamte Religionsgemeinschaft. Für die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen uns unterschiedliche Mittel zur Verfügung, nicht nur das Strafrecht.

    Wenn ich gegen das Verbot religiöser Symbole bin oder für das Recht der Religionen eintrete, sich im öffentlichen Raum zu betätigen, heißt das keineswegs, die Bildung extremistischer Milieus zu begünstigen. Eine solche Begünstigung betreiben eher die, die den Islam generell ausgrenzen wollen. Dies liefert den Extremisten nur zusätzliche Argumente gegen den „Westen“.

  25. @ 25,

    es kann nur nochmal betont werden: Irgendein Glaubensgebäude interessiert mit nicht! Mich interessiert nur, wenn eine solches Konstrukt als Rechtfertigungsgrund für Straftaten herhalten muss!

    Und Sie reden immer noch, ohne Nachweis der von Ihnen behaupteten Zweckmäßigkeit der Ignoranz extremistischer Religionsvarianten zu führen, um den heißen Brei herum. Selbsverständlich fördert diese „Wohlwollende Ignoranz“ die Bildung kriminogner Subkulturen und somit begünstigen Sie einen Extremismus den (fast) keiner will; eine entsprechnede Naziveranstaltung fände doch auch kaum Ihre Billigung?
    Rechtsstaat heiß auch Rechtssicherheit für die Bürger und die Polizei, das gelingt aber nur bei hinreichender Normenklarheit und der Durchsetzung derselben!

    Es ist auch irrelevant ob einzelen Personen eine Religion „ausgrenzen“ wollen, was auch immer Sie damit verbinden mögen.
    Es geht darum wieder einmal als Gesellschaft klarzustellen das „Religion“ kein Rechtfertigungsgrund für Straftaten sein kann und das z.B. Volksverhetzung und antisemitische Hasstiraden – die bei NPD-Veranstaltungen ein verzugfreies pol. Eingreifen rechtfertigen- auch für alle Teile der Gesellschaft ein sanktionswürdiges Verhalten darstellen.

    [ In Berlin wird eine solche klare Reaktion bisher durch die Politik unterlaufen!]

    Ansonsten verweise ich auf die hiesige Reisefreiheit, wems mit der FDGO nicht passt, darf gerne gehen wohin es beliebt. Wer bleiben will, hat sich wie überall an Mindeststandards (das z.B. Hautfarbe, Geschlecht oder sexuelle Orientierung keine Augrenzungskriterien sind) zu halten die dem gesellschaftlichen Frieden dienen.

    CM

  26. Herr Müller,

    danke für Ihre Antwort im Kommentar Nr. 17. Dort haben Sie relativ sachlich geklungen, während Sie in Ihrem Kommentar Nr. 26 fast durchdrehen und in sehr ideologischem Ton schreiben. Dabei müsste Ihnen doch eigentlich klar sein, dass es bei uns in Deutschland aus Gründen, die ich nicht zu benennen brauche, eine klare Rechtsprechung zu Nazis gibt. Das ist ein juristischer Sonderfall, der sich aus unserer Geschichte ableitet. Dasselbe Recht lässt sich nicht einfach auf Moslems anwenden. Dass wir eine recht liberale Verfassung haben, ist ebenfalls eine Konsequenz aus dieser Geschichte. Dieses Liberale an unserer Verfassung ist heute in Gefahr, weil immer wieder versucht wird, es mit dem Argument „Mehr Sicherheit“ einzuschränken.
    Sie müssten mir bitte noch mal erklären, wo JaM geschrieben hat, dass er die Bildung kriminogener Strukturen begrüßt und somit einen Extremismus begünstigt. Bisher überzeugt mich seine Haltung, dass er die harte und ausgrenzende Haltung vieler Deutscher mitverantwortlich für den Extremismus macht, mehr als Ihre.

  27. Sehr geehrter Herr Herold,

    in Deutschland gilt ein „Tatbestandsrecht“, das dem Gleichbeanhandlungsgebot nach ohne Ansehen der Person anzuwenden ist. Dabei spielt der Glaube eines Taverdächtigen keine Rolle, außer der TV begründet sein rechtswidriges Tun mit „Religion“.

    Wie die Haltung von Kommentator JaM wirkt, hatte ich erwähnt: Er befördert durch ein zu hinterfrangendes Toleranzverständnis eine kriminogene Subkultur aus der sich verstärkt gewalttätige Extremisten rekrutieren lassen. Ganz ähnlich wie die SA in den 30ern alle möglichen kriminellen, gewalttätigen Elemente angezogen hat.

    Und ich drehe dabei nicht durch, sondern beklage das mir geradezu idiotisch erscheinende Jammern über die nun gewalttätigen, antisemitsichen Veranstaltungen! Die sind nämlich weitgehend durch politische Blockaden der Polizei bewußt, entgegen langjähriger Warnungen, befördert worden, aus den gleiche Gründen:
    Zweckmäßiges pol. Vorgehen in Berlin gegen hausgemachte Rechtsextremisten (ist ok, wenn auch teilweise mit grotesker Mobilisierungssträrke aus dem ganzen Bundesgebiet) und dann die Behinderung von „Oben“, wie bei den aktuell vom israelischen Botschafter kritisierten „Demos“.
    Jam wirkt mit seiner Sicht der Dinge genau so fatal wie die Teile unserer politischen Klasse, die zu der schon rechtsbeugenden Situation in Berlin geführt hat!

    Die „Schuld“ an einem Delikt liegt immer beim Täter, ein Umfeld mag begünstigend wirken, für eine Entschuldigung von Straftaten taugt das nicht; es bleibt eine gefährliche Relativierung gewürzt mit Willkür.

    KM

  28. @JaM am 21.Juli und 18:24 Uhr:

    Meine persönlichen Erfahrungen im interreligiösen Dialog, die ich nicht verallgemeinere, die aber doch Teil einer gesamten Tatsachenlage sind, sehen (wie von mir dargestellt) völlig anders aus.

    Gespräche mit Vertretern des Islam gingen über ein freundliches Teetrinken nicht hinaus, da ich die Gültigkeit des Korans für das öffentliche Leben in diesem Land nicht akzeptieren konnte (u.a. zitierte ich Elsa Sophie von Kamphoeveners durchaus wohlwollende Mohammed-Biografie: „So ist der Islam Arabien und Arabien der Islam…“).

    Gespräche mit konservativen und orthodoxen Juden beschränkten sich weitgehend auf die Verurteilung des Nazi-Terrors. Wenn ich hingegen die Rede brachte auf Hermann Cohen („Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“), Leo Baeck („Das Wesen des Judentums“) oder Erich Fromm („Ihr werdet sein wie Gott“) wurde die Stimmung zurückhaltend bis eisig. Ein Meinungsaustausch über die Politik des Staates Israel war so gut wie unmöglich. Eine positive Ausnahme war Prof. Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem, mit dem zu sprechen ich aber nur einmal die Gelegenheit hatte.

    Unbefriedigend verliefen auch sämtliche Diskussionen mit Evangelikalen. Der von dieser Gruppe artikulierte unhistorische christliche Biblizismus war durchaus mit dem dogmatischen Islam vergleichbar.

    Im Zusammenhang mit den Kontroversen über verschleierte Musliminnen in Deutschland fiel mir auf, dass sich die Aufforderungen zur Toleranz häufig so anhören, als ob nicht Toleranz, sondern Gleichgültigkeit gemeint ist. Toleranz bedeutet das Verstehen von begründeten Standpunkten, ohne diese für sich akzeptieren zu müssen. Aber seriös begründete Standpunkte sind nach meiner Wahrnehmung in dieser Diskussion sehr rar. Und eine rein juristische (verfassungsrechtliche) Behandlung der Sache führt nicht weiter, weil die Rechtsentwicklung in der Regel der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherläuft.

  29. Sehr geehrter Herr Mertens,

    verhält es sich nicht genau umgekehrt?

    Sind theologische Belange hier wirklich primus inter pares?

    Gilt es nicht vielmehr erstmal die, natürlich immer mit retadierdenden Momenten versehene, Rechtsordnung aufrecht zu erhalten und das auch für jedermann durchzusetzen?

    Und natürlich ist Gleichgültigkeit auf Seiten beliebiger Frömmler gefordert, unter dem Deckmantel der Bitte um Toleranz.

    Mit freundlichem Gruß

    KM

  30. @Karl Müller am 23. Juli 2014 um 12:33

    Sehr geehrter Herr Müller,

    theologische Belange sollten nicht primus inter pares sein. Ein jeder müsste lediglich nach seiner eigenen Façon selig werden können und dürfen, jedoch ohne dabei die Anschauungen und die Lebensrechte anderer zu verletzten. Und exakt dies muss sich in einer Rechtsordnung spiegeln, die sowohl den privaten als auch den öffentlichen Raum zu schützen hat.

    Da im religiösen Bereich aber naturgemäß sehr unterschiedliche und sogar dem Allgemeinwohl gegenüber abweichende Interessen berücksichtigt werden müssen, sind folglich der private und der öffentliche Raum voneinander abzugrenzen.

    So dürfen die Vorbehalte bestimmter christlicher Sekten gegen den Sexualkundeunterricht an öffentlichen Schulen nicht dazu führen, dass diesen Gruppen Sonderbehandlungen zugestanden werden (was in der Regel auch verhindert wird). Und wenn nach dem Selbstverständnis islamischer Richtungen der weibliche Körper mehr oder weniger zu verhüllen ist, um ihn den lüsternen Blicken der Männer zu entziehen und den Frauen dadurch ein nichtfremdbestimmtes Leben zu ermöglichen, so kann die Antwort des aufgeklärten Europas nur darin bestehen, solche Männer zu therapieren. Der menschliche Körper ist nicht unzüchtig, gar pornografisch, er ist es allenfalls in den Gedanken anderer.

    Die Toleranz gegenüber solchen Vorurteilen, die in einer unzureichenden Aufarbeitung allgemein-historischer und speziell religionsgeschichtlicher Fakten, aber auch in der Zementierung sozialer Abhängigkeiten begründet sind, würde einem Grundrecht auf Dummheit (andere dumm machen und selbst dumm bleiben dürfen) und Despotismus (selbst unterdrücken und von anderen unterdrückt werden dürfen) gleichkommen.

    Eine solche Abgrenzung ist faktisch seit über 200 Jahren in weiten Teilen Europas, wenn auch in unterschiedlichen Akzentuierungen, vorhanden. Denn ohne eine solche wäre die Säkularisierung der christlichen Kirchen und in deren Folge die allmähliche Liberalisierung ihres Weltverständnisses gar nicht möglich gewesen. Auch das deutsche Reformjudentum konnte eine ähnliche Entwicklung nachweisen, bis die Nazis diese jäh abgebrochen hatten.

    Freundlichst,
    Ihr Klaus Philipp Mertens

  31. Leider wurde der Aspekt der Gruppendynamik in diesem blog beinahe völlig unter den Tisch fallen gelassen. Das ist meines Erachtens ein typisches Vogel-Strauß-Verhalten.
    Möglicherweise liege ich mit meiner Einschätzung ja falsch, jedoch warte ich bis jetzt vergeblich auf andere Interpretationen.

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