Sie kennen die beiden Herren hier links und rechts, nehme ich an. Es gibt Vieles, was sie unterscheidet. Etwa beim Status als „lupenreiner Demokrat“. Kürzlich kam noch etwas hinzu: der internationale Haftbefehl. Der Herr rechts kommt in seinen Genuss. Der Herr links nicht.
Bilder: dpa (links), afp (rechts)
Das heißt, dass alle Staaten der Erde, die die Abkommen zum Internationalen Strafgerichtshof ratifiziert haben – es sind 123 Staaten -, den Herrn rechts verhaften müssen, sollte er deren Territorium betreten. Russland gehört nicht zu diesen Staaten. Ebenso wenig der Leuchtturm der westlichen Werte, wie der Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington („Kampf der Kulturen“) die USA nannte. Mehr noch: Die USA haben sogar ein Gesetz, dass sie dazu berechtigt, militärisch gegen die Niederlande vorzugehen, sollte dort am Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ein US-Mensch vorgeführt werden.
Warum aber muss wohl der Herr rechts, aber nicht der links verhaftet werden? Weil es gegen den im linken Bild keinen internationalen Haftbefehl gibt. Und warum gibt es den nicht? Tja, das ist eine gute Frage. Hängt womöglich mit westlicher Doppelmoral zusammen. Unstreitig dürfte sein, dass dieser Herr einen Angriffskrieg begonnen hat, und zwar gegen den Irak. Das Völkerrecht verbietet so was. Eigentlich haben die USA diesen völkerrechtlichen Grundsatz anerkannt, indem sie UN-Mitglied sind. Aber dass dies kein Hindernis sein muss, wenn man einen Angriffskrieg führen will, hat der Herr oben rechts mit seinem Angriff auf die Ukraine unlängst erneut vorgeführt. Sie geben sich in dieser Hinsicht also nichts, die beiden Herren. Wie ja auch die SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul es kürzlich in einem Gastbeitrag für die FR herausgestellt hat.
Bleiben wir noch ein wenig bei den Unterschieden zwischen den beiden Herren. Im Irak kam es unter US-Besatzung zu Kriegsverbrechen, etwa Folter (Abu Ghraib) und Massaker (Falludscha). Zum Thema Folter haben zuvor US-Advokaten eine Menge unternommen, um US-Recht so zurechtzubiegen, dass „erweiterte Verhörmethoden“ im Namen der „nationalen Sicherheit“ tragbar wurden. Jedenfalls aus Sicht derer, die dies unbedingt wollten. Folter ist natürlich völkerrechtswidrig. Für einen Internationalen Haftbefehl hätte der Strafgerichtshof – oder jede andere Institution, die den USA deswegen gern den Prozess machen würden – nachweisen müssen, dass es den Befehl zur Folter gab. Den gab es aber nie. Donald Rumsfeld, damaliger US-„Verteidigungsminister“ – er ruhe in Unfrieden! – hat einen solchen Befehl nie direkt erteilt, ebenso wenig der Herr links oben. Nicht nachweisbar. Es gab aber für die Soldatinnen und Soldaten in Abu Ghraib, die offenkundig weniger fit waren in juristischen Spitzfindigkeiten, so was wie einen „Ermessensspielraum“, in dessen Rahmen sie freie Hand hatten. Den haben sie genutzt.
Der Folter-Vorwurf reicht also nicht für einen Internationalen Haftbefehl gegen den Herrn oben links. Zum Stichpunkt „Angriffskrieg“ sähe das vielleicht anders aus, aber an dieser Stelle fehlt der politische Wille. Anders bei dem Herrn oben rechts. Dass der einen Angriffskrieg führen lässt, steht außer Zweifel. Darüber hinaus scheint der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag aber der Auffassung zu sein, dass er dem Herrn rechts auch Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Kriegsverbrechen nachweisen kann. Also wurde der Internationale Haftbefehl ausgestellt, während der feine Herr links diesbezüglich in die Röhre guckt. Man mag das als Doppelmoral des Westens werten, wie das unten folgende Zuschriften tatsächlich tun – mit einem gewissen Recht. In der Juristerei, das wissen alle Freund:innen von Spitzfindigkeiten, kommt es indes aufs Detail an. Man mag überzeugt davon sein, dass der Herr sich diesbezüglich schuldig gemacht hat, doch dies muss dann auch beweisen können.
Mich persönlich beschäftigt in diesem Zusammenhang eine andere Frage: Warum brauchte es erst den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine für den Haftbefehl gegen Wladimir Putin? Was die Russen in Syrien gemacht haben, war wohl nicht justiziabel genug? Auch dort sind sie „nicht zimperlich“ vorgegangen, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit mal so zu umschreiben. Nicht nur wegen ihrer Unterstützung für den Schlächter Assad. Analoges leisten die USA in Gestalt ihrer Unterstützung für das Unrechtsregime in Saudi-Arabien. Und auch sonst waren die USA in der Vergangenheit nicht „zimperlich“, wenn es um ihre Interessen ging – oder das, was sie dafür hielten. Die Liste der US-Sünden fängt nicht erst in Chile an, mit dem Pinochet-Putsch.
Russland war übrigens ebenfalls nicht „zimperlich“, auch nicht nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Wladimir Putin hat da mal eine schöne Rede vor dem Deutschen Bundestag gehalten, um deutsch-russische Gemeinsamkeiten zu beschwören. Zugleich folgte sein Russland aber der Doktrin vom „Nahen Ausland“, die eine Interessenssphäre beschreibt, in der russische Hegemonie zu herrschen hat. Ansätze davon waren bereits in den 1990er Jahren in Moldau zu besichtigen, dann 2008 in Georgien, 2014 auf der Krim und jetzt gegen die Ukraine, die ebenso zu diser Sphäre gehört wie die drei baltischen Nato-Staaten Estland, Lettland und Litauen. In der „Außenpolitik“ Russlands herrscht eine gewisse Kontinuität. Zur Not mit militärischen Mitteln. Auch dafür gibt es eine Tradition: Katyn, Prag, Budapest – schon die Sowjets haben aufs Völkerrecht gepfiffen. Nur wenn es ihnen nützlich war, haben sie sich auf seine Seite geschlagen.
Ein Internationaler Haftbefehl gegen George W. Bush wäre das Beste, was dem Völkerrecht derzeit passieren könnte. Um dann all die anderen Verbrechen gegen das Völkerrecht verfolgen und die Glaubwürdigkeit des Westens und die Strahlkraft der Demokratie und der westlichen Werte zu erneuern bzw. zu wahren. Denn diese Werte haben in den vergangenen 30 Jahren erheblich gelitten. Dabei steht unsere Zivilisation derzeit vor einer neuen Konfrontation der Systeme. Die zwischen Sozialismus und Kapitalismus ist fürs erste Vergangenheit. Jetzt befinden wir uns auf dem Weg in einen Konflikt zwischen demokratisch versus autoritär regierter Welt. Da wäre es gut, wenn mit gleichem Maß gemessen würde. Sonst wird das Völkerrecht dem Verdacht preisgegeben, vom Westen immer dann als wohlfeile Waffe missbraucht zu werden, wenn ihm das in den Sinn kommt. Und das würde die Idee vom Völkerrecht schwächen, wenn nicht auf Dauer sogar zerstören.
Hier wird mal wieder mit zweierlei Maß gemessen
Die Verantwortlichen für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak sind nicht vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt. Wie am 17./18.3. wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn unsere Verbündeten das Völkerrecht brechen? (Wolfgang Kaleck).
Wie viele Probleme sind durch die US-Kriege entstanden? In Irak der IS; den es vorher dort nicht gab, Bürgerkrieg in Libyen; Herrschaft der Taliban, die in Afghanistan durch die USA gestärkt wurden in der kriegerischen Auseinandersetzung mit der UdSSR, nur um der UdSSR ihren Einfluss in Afghanistan zu nehmen. In all diesen Ländern wurde keine Demokratie „geschaffen“, wie das die USA als Rechtfertigung für ihre Kriege angab.
Auch mit dieser Lüge führte der Westen 1999 den Krieg gegen Jugoslawien und bombte das Land um mehr als 30 Jahre Entwicklung zurück, spaltete Kosovo – eine serbische Provinz – ab, um dort den Vasallenstaat Kosovo zu begünden und die größte Militärbasis in Europa für die USA zu errichten, von der 2001 der Krieg gegen Afghanistan geführt werden konnte, ohne andere Staaten um Überflugrechte zu bitten. Wie rechtfertigt die USA die völkerrechtswidrige Gründung des Kosovo als „Staat“, die Albaner wanderten dort als Gastarbeiter aus dem armen Albanien ein, Kosovo hat historisch keinen Bezug zu Albanern. Auch der den völkerrechtswidrigen Krieg führenden Präsidenten Bill Clinton wurde nicht angeklagt. Wie neutral ist der Internationale Gerichtshof?
Zum aktuellen Krieg: die Krim war mehrheitlich bewohnt von Russen, war bis 1954 Autonome Republik innerhalb der UdSSR, dann vom ukrainisch stämmigen Chruschtschow der Ukraine geschenkt. In der „Welt“ v. 9.3.2014 („Wie die Krim zur Ukraine kam“) wird die Rechtmäßigkeit der Übergabe an die Ukrainische Sowjetrepublik übrigens bezweifelt, da nicht die Obersten Sowjets der Russischen Sowjetrepublik sowie der Ukrainischen Sowjetrepublik abgestimmt hatten.
Edeltraud Schnegelsberg, Darmstadt
Friedlicher Lebensabend in Texas
Die Weltpresse berichtete – in großer Aufregung – dass Putin als Kriegsverbrecher per Haftbefehl gesucht wird. Das ist gut und richtig, aber nur so lange wie Herr G.W.Bush nicht auch als Kriegsverbrecher gesucht wird. Immerhin hat Bush nur einige Iraker in seinem Foltergefängnis Abu Ghraib (manche aus Versehen, kann schon mal passieren) zu Tode foltern lassen. Im Gegensatz zu Putin, hat er keine Kinder per Bus verschleppt.
Glücklicherweise – und darüber redet fast niemand – gibt es ein Recht für einen Mann, der ein Land überfallen hat und – neben Bucha-Folterungen, etc. – Kinder per Bus abtransportiert und eine anderes Recht für einen anderen Mann, der vor 20 Jahren auch ein Land überfallen hat und keine Kinder per Bus abtransportiert hat. Nur gut, dass Putin und Bush nicht mit dem gleichen Maßstab gemessen werden. Dazu kommt noch, dass beide Länder nicht Mitglied im „Internationalen Strafgerichtshof“ sind. Wikipedia schreibt, „die Unterschrift beider Staaten wurde zurückgezogen“.
Wie sagte George Orwell einmal in 1984, „manche sind gleicher als andere“. Und damit auf zur Menschenjagd nach Putin, während der andere friedlich in Texas seinen Lebensabend genießt.
Thomas Klikauer, Sydney (AUS)
xx
Der Autor nimmt die Kriegsverbrechen russischer Soldaten, begangen an Ukrainern, vornehmlich an der ukrainischen Zivilbevölkerung zum Anlass, die Frage zu stellen, welche Mitschuld die russische Bevölkerung an diesen Verbrechen hat und verweist in diesem Zusammenhang auf die heutigen Informationsmöglichkeiten, die selbst Gräuel Videos in die Wohnstuben bringen. Der Hinweis, dass selbst Deutsche nach Krieg und Holocaust wieder in die Weltgemeinschaft aufgenommenwurden hält er unter Bezug zur russischen Bevölkerung für verfrüht und verweist auf den langen Weg von der „militärischen Niederlage über die Verurteilung von Kriegsverbrechern und die Aufarbeitung der kollektiven Schuld bis zur Demokratisierung und Übernahme historischer Verantwortung“ durch Deutschland.
Abschließend merkt der Autor noch an, so wünschenswert auch eine diplomatische Lösung sei; eine Lösung des Konflikts „steht und fällt mit Putins Bereitschaft zum Rückzug.“
Der letzte Satz des Autors ist gleichbedeutend mit der Zielvorgabe der ukrainischen Regierung, dass nur ein Sieg auf dem Schlachtfeld das Ziel der Ukraine sein kann; ob man dies als Putins Rückzug bezeichnet oder als Vertreibung der russischen Angreifer, ist unerheblich und nur eine Frage der Semantik.
Die Frage, die der Autor hinsichtlich der Mitschuld der russischen Bevölkerung aufwirft, scheint mir besonders in Bezug zum deutschen Angriffskrieg in der damaligen Sowjetunion
mit geschätzten ca. 30 Millionen Sowjetbürgern von Bedeutung. Es handelte sich damals (zur Erinnerung) um einen Vernichtungsfeldzug, der auch durch die deutsche Wehrmacht als ebensolcher durchgeführt wurde. Welche Bürger Russlands will der Autor in die Schuld einbeziehen, die der großen Städte mit Zugang zu vielerlei Informationsmöglichkeiten oder auch jene im Grenzgebiet der Mongolei, die in der sibirischen Bergregion etc. Sind sie alle nach Kriegsende in die Verantwortung zu nehmen und wie, mit Entzug westlicher Produkte, einer kulturellen Auszeit, einer Kriegssteuer zum Wiederaufbau der Ukraine, einem Reiseverbot und wer wird ausgenommen von den zu tragenden Lasten?
Die Ausführungen des Autors zu Deutschland und der Mitschuld ihrer Bürger an den Verbrechen im 2. Weltkrieg als Vergleichsmodell haben ein offensichtlich sehr kurzes Haltbarkeitsdatum. Der Autor spricht hier von einem „langen Weg“, der doch eigentlich ein sehr kurzer war, nämlich der vom Kriegsende zum Wiederaufbau und zum deutschen Wirtschaftswunder. Ein Weg der Verdrängung der eigenen Schuld, gestützt von einem umfangreichen Warenangebot und einer neu gewonnenen Reiselust in die westlichen Länder der ehemaligen Besatzungsgebiete.
Welche Kriegsverbrecher wurden denn verurteilt, sieht man von den Nürnberger Prozessen ab, die von den Alliierten abgehalten wurden. Alleine die nunmehr fast 100 jährigen, die vor Gericht geladen werden, meist weisungsgebundene Sekretärinnen, Wachpersonal, ohne deren Mitschuld in Frage zu stellen, müßte dem Autor doch die Frage aufwerfen, was mit den tatsächlich Verantwortlichen geschah. Ist dem Autor bewusst, dass selbst ein hohes NSDAP Mitglied Kanzler werden konnte als auch Präsident eines nunmehr demokratischen Staates, dass kein Richter des Reichsgerichts Hofes belangt wurde, in den Landtagen wie auch im Bundestag der ersten Perioden viele ehemalige NSDAP Mitglieder die Demokratie gestalteten, ganz abgesehen von Bundes- und Landesämtern, Verbänden, Institutionen aller Art. Dies wurde damit begründet, dass man diese erfahrenen Leute zum Wiederaufbau brauche mit Wissen der Alliierten.
Die historische Verantwortung, die der Autor postuliert, hat es doch von Seiten Deutschlands, insbesondere in Bezug zur ehemaligen Sowjetunion, nie gegeben.
Die Sowjetunion wurde sofort nach Kriegsende zum neuen Feind Objekt auf der Basis unterschiedlicher Gesellschaftsmodelle, was die Kriegsschuld in den Hintergrund rücken ließ, bis zur Nichtwahrnehmung.
Ich finde, gerade von deutscher Seite, angesichts der scheinbar immer mehr sich verdunkelnder und sogar verzerrend wahrgenommenen Vergangenheit, müsse alles getan werden, um auf einen Frieden in der Ukraine hinzuwirken. Jetzt auch noch der russischen Bevölkerung eine Mitschuld am Krieg und am Kriegsverlauf zu geben, ist besonders aus deutscher Sicht nur mit großem Unverständnis wahrzunehmen.
Edwin Witsch, Frankurt
Diskussion: frblog.de/
Von einem Friedensnobelpreis kann man sich nichts kaufen, siehe Gorbatschow oder Aung San Suu Kyi, außer einer Erwähnung im Geschichtsbuch: nett, aber leider gescheitert. Das weiß Xi Jinping, denn er könnte den Preis kriegen, wenn er Putin an die Kandarre nehmen und den Krieg (erstmal) beenden würde. Lieber taktiert und laviert er wie die Weide im Wind (chinesische Übung), denn er lauert auf die Einnahme von Taiwan. Das aber gerne mit einem Lächeln und besten Wirtschaftsbeziehungen. Mit Hongkong hat die schleichende Übernahme schon geklappt.
Weltpublikumswirksam ist die Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien, dass sie wieder Botschaften eröffnen. Kommt aber der Jemen damit zur Ruhe? China hat sich ja auch schon in Afrika eingewürmelt und positioniert sich als Weltmacht Nr. 1. Geht mit viel mehr Raffinesse vor als Russland. Beides viel ältere Reiche als der „Westen“, dem auf dem geopolitischen Schachbrett das Matt droht. Die Ukraine ist der Dreh-und- Angelpunkt, leider.
Und was ist Demokratie, wenn sich die Massen medial inzwischen so leicht manipulieren lassen? Hatte nicht schon F.J. Strauss die China-Ahnung gehabt? Schwarz, ja, sehe ich auch.
Keine Frage, es ist ein Skandal, und diesen Begriff möchte ich nicht leichtfertig benutzen, dass gegen die beiden Herren Wladimir Putin und George W. Bush nicht in gleichem Maße vorgegangen wird und sowohl die Russische Föderation als auch die USA durch ihre Präsidenten verantworten müssen, was sie in den von ihnen beiden angezettelten völkerrechtswidrigen mit schrecklichem Leid, Mord und Folter einhergehenden Kriegen der Menschheit angetan haben. Doch einen Unterschied, sehr zentral, gibt es. In dem Staat, aus dem George W. Bush kommt, kann nach wie vor auf Basis einer demokratischen Verfassung über die Untaten und Schandtaten eines ehemaligen Präsidenten gesprochen werden, ohne dass deshalb jeder, der diese Diskussion führt, sich im Gefängnis oder Straflager wiederfindet, während in der Russischen Föderation jeder sich artikulierende kritische Mitbürger Wladimir Putins damit rechnen muss, dass er entweder vergiftet wird oder sein Leben im Gulag fristen muss. Demokratinnen und Demokraten in beiden Ländern müssen trotzdem mit Repressalien rechnen und vor allem vor wild gewordenen Faschisten wie in den USA Donald Trumps und im Russland Wladimir Putins Angst haben müssen. Wir brauchen ein Völkerrecht, das ohne Ansehen der Person und ohne Straflosigkeit der Täter dafür sorgt, dass die Zivilisation auf der ganzen Erde bewahrt wird. Um es im Konkreten zu benennen: Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, und angesichts von Guantanamo, Abu Graibh auf der einen Seite und sibirischen Straflagern auf der anderen Seite ist ein Aufschrei des Entsetzens und der Proteste aller Demokratinnen und Demokraten in Ost und West dringend erforderlich. Denn es darf niemals hingenommen werden, dass sowohl Dissidenten im Osten als auch Journalisten wie Julian Assange im Westen wegen ihrer tiefen Überzeugungen und ihres Engagements für die Demokratie mit Repressalien, Gefängnis oder Folter gequält werden. Die gewissenlosen Herren George W. Bush und Wladimir Putin dürfen auf keinen Fall für immer straflos bleiben.
@ Manfred Kirsch
Dankenswerterweise hat die Frankfurter Rundschau in entsprechenden Artikeln auf folgenschwere Unterschiede zu Buschs Irak-Krieg aufmerksam gemacht:
Französische Intellektuelle veröffentlichten in der französischen Zeitung „Le Monde“ eine Zuschrift unter dem Titel: „Ukrainische Kinder zu deportieren und zu ‚russifizieren‘ bedeutet, die Ukraine ihrer Zukunft zu berauben“. Der Schriftsteller Jonathan Littell erklärte dazu, ihn erinnere das an das Vorgehen der Nazis gegenüber Polen. Damals seien 50.000 bis 200.000 Kinder mit blonden Haaren und blauen Augen nach Deutschland entführt und dort assimiliert worden. Nur das Motiv sei heute anders: Putin folge dem Konzept der „Russifizierung“, wie seine Adoptions-Dekrete belegten. Mit seiner „Spezialoperation“ wolle Putin die Ukraine ausmerzen. Er negiere ihre Vergangenheit, die kulturellen Traditionen und ihre staatliche Legitimität. Die „Russifizierung“ ukrainischer Kinder sei Teil dieser Politik. Die Pariser Intellektuellen fordern die europäischen Instanzen deshalb auf, mit Nachdruck die Freigabe der Kinder zu verlangen. Auch auf politischer Ebene müsse die Deportation von Kindern Folgen haben: Da Putin nur auf Druck reagiere, müsse die Ukraine schwere Waffen erhalten. Jede Verhandlung mit dem Kreml-Chef sei zu unterlassen.
Völlig zutreffend stellte der sich mit Osteuropa sehr gut auskennende Schriftsteller Martin Pollack heraus, gelänge die Okkupation der Ukraine, würden die Russen nach altem stalinistischen Vorbild ganz sicher als erstes die ukrainische Intelligenz liquidieren. Der Zweite Weltkrieg begann ja nicht mit Hitlers Angriff auf die Sowjetunion. Zuvor hatten die Sowjetunion und Nazideutschland gegen mehrere osteuropäische Staaten und Finnland gerichtet eine gemeinsame Aggression vereinbart und auch umgesetzt. Dazu gehörte dann auch die von Stalin 1940 veranlasste Ermordung von etwa 4400 gefangenen Polen, größtenteils Offizieren, in einem Wald bei Katyn. An weiteren Orten wurden bis zu 25000 Berufs- oder Reserveoffiziere, Polizisten und Intellektuelle, also überwiegend Angehörige der Vorkriegseliten der unabhängigen Zweiten Polnischen Republik, ermordet. „Katyn“ steht in Polen für diese Mordreihe. Dass der Lenin-Hasser und Stalin-Verehrer Wladimir Putin im Falle eines Sieges im Rahmen eines Katyn II dieses Mal die ukrainische Intelligenzia auslöschen würde, ist so sicher wie früher das Amen in der Kirche. Putin hat inzwischen den Rubikon überschritten, kann somit kein Gesicht mehr verlieren, deshalb bleibt den Ukrainern tatsächlich nur die Option, sich erfolgreich zu wehren.