Kernenergie: Ständige Kurswechsel sind kostspielig

Isar 2Es ist endlich geschehen: Das Kapitel Atomkraft ist beendet. Jedenfalls in Deutschland. In der Nacht zum 16. April 2023 ist der letzte Kraftwerksblock, der noch in Betrieb war, abgeschaltet worden. Zuvor hatte es noch einmal einen grandiosen Rummel um die Kernkraft in Deutschland gegeben. Drei Parteien, CDU, CSU und FDP, sprachen sich für längere Laufzeiten aus oder dafür, die verbliebenen Kraftwerke im Bereitschaftsmodus zu halten, um sie bei Bedarf – Stichwort Energiekrise – wieder hochfahren zu können. Wie das genau zu machen gewesen wäre, konnten diese Parteien zwar nicht beantworten; es hätte etliche Probleme gegeben, angefangen bei der Frage, woher man Brennstäbe bekäme, bis hin zu atomrechtlichen Problemen wegen Wartung und Sicherheitsüberprüfungen, die dann fällig geworden worden. Vom Personal, das weiter hätte beschäftigt werden müssen, ganz abgesehen. Übrigens handelt es sich um dieselben drei Parteien, die nach dem GAU in Fukushima am liebsten sofort ausgestiegen werden. Früher gab es für derlei den Begriff „Wendehals“.

Schluss mit der Debatte! Es ist alles gesagt. Harald Lesch hat es in der Talkshow von Anne Will am 16.4. noch einmal auf den Punkt gebracht: Allein die Tatsache, dass es keinen Rückversicherer gibt, der bereit wäre, die Risiken der Kernkraftwerke zu versichern, sollte als klarer Hinweis ausreichen: Nichts wie raus aus der Kernkraft! Die Anti-AKW-Bewegung, die rund um den geplanten Nuklear-Standorte Wyhl und Kalkar entstand und später unter anderem in Brunsbüttel kraftvoll auftrumpfte, hat den Sieg davongetragen, und das ist gut so. Die Kernenergie war nie wirtschaftlich, wenn man alle Kosten einbezieht, die sie verursacht. Den Katastrophenfall einbezogen, wird diese Technologie selbst zur Katastrophe.

Unser Nachbarland Frankreich ist besonders gut in Atomenergie – und liefert damit unfreiwillig Argumente gegen diese Form der Energiegewinnung. 56 Reaktoren gibt es im Land, größtenteils 30 und mehr Jahre alt. Was hohen Wartungsbedarf nach sich sieht. Im Sommer 2022 waren die Hälfte dieser Reaktoren außer Betrieb. Auch wegen des Klimawandels, der die Pegelstände der Flüsse sinken und damit das Kühlwasser für die Reaktoren knapp werden ließ. Frankreich musste Strom importieren, unter anderem aus Deutschland. Trotzdem baut Frankreich derzeit ein neues Kraftwerk: im normannischen Flamanville. Die Baukosten sind von ursprünglich projektierten 3,4 Milliarden Euro auf derzeit 20 Milliarden gestiegen, die Bauzeit von fünf auf 16 Jahre. Ähnlich im finnischen Olkiluoto, wo gerade ein neues AKW seinen Betrieb aufgenommen hat – dort sind die Kosten von den veranschlagten 4,5 Milliarden auf elf Milliarden Euro gestiegen. Bezogen auf die installierte Leistung hätte man von derselben Summe fünfmal so viel an erneuerbaren Energien bauen können. Risikofrei. Und im britischen Hinkley Point, wo zwei Reaktoren hinzugebaut werden, belaufen sich die Kosten derzeit auf mehr als 37 Milliarden Euro. Vom Rückbau, der ja ebenfalls irgendwann kommen wird, gar nicht zu reden, geschweige denn von der Endlagerung für den strahlenden Müll.

Die Atomenergie ist eine Sackgasse. Das war sie schon immer, doch aus ideologischen Gründen wurde sie trotzdem gepampert. Damit ist jetzt Schluss, und das ist eine gute Nachricht. Zur Ehrung dieses Abschlusses hat FR-Autor Joachim Wille noch einmal im FR-Leitartikel aufgedröselt, warum die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.

fr-debatteDie Debatte war von Angst getrieben

Das ewige Hin- und Her um die Atomkraft in Deutschland ist nicht von Argumenten sondern fast immer von Angst und Meinungsumfragen geprägt: Vor 12 Jahren war es nach Fukushima die Angst vor Atom-Unfällen, heute ist es die Angst vor dem Strom Blackout.
Nicht nur auf dem Segelboot, auch in der Politik ist ein dauernder Kurswechsel nicht nur nicht zielführend, sondern auch sehr kostspielig.
Für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Deutschland müsste zusammen mit der Industrie ein neues Betriebskonzept erstellt werden: Neue Brennstäbe: Aus welchem Land werden die Brennstäbe besorgt und wie lange dauert das? Lassen sich mit zeitlich befristeten Verträgen die für den Weiterbetrieb notwendigen Mitarbeiter gewinnen? Sind bei den abgeschalteten Reaktoren vor erneuter Inbetriebnahme Sicherheitsüberprüfungen notwendig und wie hoch wird das Kostenrisiko für notwendige Nachbesserungen eingeschätzt.
Die Betreiber werden sich auf einen Weiterbetrieb nur einlassen, wenn die Kosten einer Wiederaufnahme langfristig gesichert sind und die Risiken von Entsorgung und Versicherung gegen Unfälle endgültig vom Staat übernommen werden.
Nicht Angst getrieben, sondern gestützt auf Argumente wäre die ehrliche Frage an die Gesellschaft: Seid ihr bereit, für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke die genannten Garantien abzugeben und dafür auch die Kosten zu tragen? Diese Frage stellt sich insbesondere auch an den Finanzminister, der die Schuldenbremse einhalten will und angeblich ja auch sonst nichts von staatlichen Subventionen hält.

Michael Parys, Stuttgart

fr-debatteWo bleibt der gesunde Menschenverstand?

Weltweit arbeiten heute rund 450 Kernkraftwerke und weitere 100 sind im Bau oder in Planung. Wir schalten unsere Atomkraftwerke ab und kaufen Atomstrom von unseren Nachbarn. Wo ist der gesunde Menschenverstand?

Karl-Albert Hahn, Bad Salzungen

fr-debatteKernkraft ist nicht CO2-frei

Vielen Dank an Jan Sternberg für die Argumente gegen eine verlängerte Nutzung von Kernkraft. Eines möchte ich noch hinzufügen: ganz so grün wie oft behauptet ist sie nämlich nicht. Beim Bau von Kernkraftwerken werden Unmengen CO2 freigesetzt, weil dafür nun mal sehr viel Beton benötigt wird.

Annegret Benz, Hamburg

fr-debatteBayern als Endlager für den deutschen Atommüll

Auf Söders populistischen Vorschlag, Atomkraftwerke wie den abgeschalteten Meiler Isar 2 in Landesverantwortung weiter zu betreiben, gibt es eigentlich nur eine einzige ausgeklügelte Antwort: Eine Mehrheit wird dafür organisiert, den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in die Verantwortung der Länder zu übertragen, und Söder garantiert bindend und verpflichtend, dass als Endlager für allen deutschen Atommüll nur Bayern in Frage kommt.

Siegfried Kowallek, Neuwied

fr-debatteEin bleibender Sieg für die Anti-AKW-Bewegung

Freilich war der 15.April 2023 ein schwarzer Tag. Ein schwarzer Tag für die deutsche Atomkraftwerkslobby und ihrer politischen Interessenvertreter in CDU/CSU und FDP, weswegen diese nun düster warnend durch die hiesige Medienlandschaft posaunen. Dabei dürfte es Merz, Söder und Co erfahrungsgemäß weniger um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit bezahlbarem Strom gehen sondern vornehmich um entgangene Profite ihrer Sponsoren. Schlußendlich ist das definitive AKW-Aus ein bleibender Sieg der kritischen Antiatomkraft-Bewegung, den auch Rot-Grün angesichts der pöbelnden Reaktion der Konservativen und Neoliberalen als ihren politschen Erfolg verbuchen kann.

Joachim Bohndorf, Bensheim

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9 Kommentare zu “Kernenergie: Ständige Kurswechsel sind kostspielig

  1. Werter Bronski- ich habe einen Vorschlag um diesen 2 Irrlichtern etwas mehr Spaß für die Debatte an die Hand zu geben. Es gibt bestimmt noch irgendwo vom Dicki Hoppenstedts Weihnachtsgeschenk AKW Exemplare eins als Geschenk an Söder und Merz, dann können die schon Mal ihre Fantasie spielen lassen.

  2. 2022 haben wir 13 Milliarden Kilowattstunden Strom exportiert, im ersten Quartal 2023 auch schon wieder 9 Milliarden. Nachbar Frankreich wurde von uns mitversosrgt, weil die Hlfte seiner AKW still lag, aufgrund von Schäden oder von Kühlwassermangel (letzterer kann uns in Zukunft auch immer häufiger drohen).
    Laut IAEA (International Atomic Energy Agency) sind ganz aktuell 422 AKW (nicht 450) in Betrieb. Im Jahr 2000 waren es noch 435. Im vergangenen Quartal wurden 2 in Betrieb genommen und 2 abgeschaltet. Ein Baubeginn war zu verzeichnen. Dass 100 neu „geplant“ würden, ist Wunschdenken interessierter Kreise. Vage Absichtserklärunen zum Bau von Typen, die es noch gar nicht gibt, sollte man nicht sehr ernst nehmen. Die Zahl dürfte angesichts horrender Kosten für Neubauten (siehe z.B. Olkiluoto in Finnland) überschaubar bleiben.
    Weltweit leistet die Atomkraft nur einen geringen Beitrag zur Stromversorgung, der tendenziell noch abnimmt. Am energischen Ausbau der erneuerbaren Energien, die keine Brenn- oder Spaltstoffe brauchen, keine gesundheitsschädlichen Stoffe ausstoßen und ungefährlich sind, führt kein Weg vorbei. Die meisten Länder sind auch auf diesem Weg.

  3. Ich habe einen Vorschlag um diesen zwei Irrlichtern (Söder und Merz, Anm. d. Red.) etwas mehr Spaß für die Debatte an die Hand zu geben. Es gibt bestimmt noch irgendwo vom Dicki Hoppenstedts Weihnachtsgeschenk AKW-Exemplare eins als Geschenk, dann können die schon mal ihre Fantasie spielen lassen.

  4. 2022 haben wir 13 Milliarden Kilowattstunden Strom exportiert, im ersten Quartal 2023 auch schon wieder neun Milliarden. Nachbar Frankreich wurde von uns mitversorgt, weil die Hälfte seiner AKW stilllag, aufgrund von Schäden oder von Kühlwassermangel (letzterer kann uns in Zukunft auch immer häufiger drohen).
    Laut IAEA (International Atomic Energy Agency) sind ganz aktuell 422 AKW in Betrieb. Im Jahr 2000 waren es noch 435. Im vergangenen Quartal wurden zwei in Betrieb genommen und zwei abgeschaltet. Ein Baubeginn war zu verzeichnen. Dass 100 neu „geplant“ würden, ist Wunschdenken interessierter Kreise. Vage Absichtserklärunen zum Bau von Typen, die es noch gar nicht gibt, sollte man nicht sehr ernst nehmen. Die Zahl dürfte angesichts horrender Kosten für Neubauten (siehe z.B. Olkiluoto in Finnland) überschaubar bleiben.
    Weltweit leistet die Atomkraft nur einen geringen Beitrag zur Stromversorgung, der tendenziell noch abnimmt. Am energischen Ausbau der erneuerbaren Energien, die keine Brenn- oder Spaltstoffe brauchen, keine gesundheitsschädlichen Stoffe ausstoßen und ungefährlich sind, führt kein Weg vorbei. Die meisten Länder sind auch auf diesem Weg.

  5. Die drei verbliebenen AKW wurden endlich abgeschaltet. Laut DIW spielen sie ohnehin für die Stromerzeugung keine Rolle mehr. Was macht die FDP in ihrem offensichtlichen „Profilierungswahn“? Sie fordert, die AKW als Ersatzreserve vorzuhalten. Welch ein energiepolitischer Unsinn, der keinem Fakten-Check standhält. Es wird höchste Zeit, dass Olaf Scholz endlich Position bezieht und Christian Lindner erklärt, wer eigentlich „Koch“ und wer „Kellner“ in der Ampelkoalition ist.

  6. Die FDP lehnt ein Tempolimit ab und steht damit allein in Europa. Dies würde kein Geld kosten, im Gegenteil spart es Kosten von knapp einer Milliarde EUR im Jahr, die gesparten gesundheitlichen Kosten durch eine geringere Lärmbelastung nicht eingerechnet.
    Die FDP versteht offensichtlich nicht, was eine Verkehrswende bedeutet: nicht nur weniger CO2-Ausstoß, sondern auch weniger und leiserer Verkehr auf Deutschlands Straßen. Statt dessen fordert sie mehr Straßen, statt nur Sanierungen. Die umweltfreundlichere Bahn ist ihr Stiefkind.
    Gegen Sondervermögen genannte Schulden in Höhe von 100 Milliarden EUR und einen erhöhten Rüstungsetat hat sie keine Einwände. Für eine Kindergrundsicherung hat sie kein Geld.
    Die im Grundgesetz verankerte Vermögenssteuer hat sie in der schwarz-gelben Regierung 1997 ausgesetzt, obwohl sie das Verfassungsgericht nur wegen ihrer unsozialen Ausgestaltung kritisiert hatte. Damals betrug der höchste Einkommenssteuersatz 53%. Trotz der bisherigen Steuersenkung auf 42% tritt die FDP für eine weitere Senkung ein, die die Spaltung Deutschlands nur vertieft. Nicht einmal die Subvention für Dienstwagen (nicht die kleinsten PKW) in Höhe von 3,6 Mrd. will sie abschaffen. Für Atomkraft tritt sie ein, obwohl der Atomstrom der teuerste ist … Wer nach Motiven für ihr Programm sucht, sollte wie die Kriminalisten der Spur des Geldes folgen.
    Das gilt nicht nur für die Parteispenden. Finanzminister und FDP-Vorsitzender Lindner hatte als Abgeordneter in der 19. Legislaturperiode bis 8/2020 mindestens 424 500 EUR Einkommen aus Nebentätigkeiten.

  7. auf den Leserbrief von Frau Annegret Benz, die meinte, dass beim Bau von Atomkraftanlagen „Unmengen CO2 freigesetzt“ würden, „weil man dafür sehr viel Beton benötigt“, möchte ich antworten, dass auch Windkrafträder nicht ohne Beton auskommen. Pro Windrad werden ca. 1.300 Kubikmeter Beton und 180 Tonnen Stahl verbaut. Bei ca. 30.000 (vorhandenen) Windrädern sind das aufgerundet 40 Millionen Kubikmeter Beton. Bei einem mittleren Atomkraftwerk werden ca. 60.000 Kubikmeter Beton verbaut. Das entspricht ungefähr 46 Windrädern. Um ein Atomkraftwerk zu ersetzen geht man (je nach Größe des Kraftwerkes) von 1.300 bis 3.200 Windrädern aus. Noch Fragen?

  8. zu @ Walter Marhenke
    Na klar habe ich dazu noch Fragen. Da werden in Europa derzeit 3 AKW gerade gebaut. Sie sind alle in Verzug zum Teil weit über 10 Jahre und kosten ein vielfaches des angebotenen Preises. Sie schreiben sie wissen wieviel CO 2 bei dem Bau angefallen ist. Woher wissen sie das? Würden sie so freundlich sein es auch zu belegen?
    Letzte Woche war Stephan Weil bei Markus Lanz. Natürlich wurde er auf den AKW ausstieg als erstes angesprochen. Er sagte sinngemäß das er nur Aussagen zu dem AKW Emsland machen wird weil es das AKW aus seinem Bundesland ist. Er sagte das dieses AKW in den 3 Monaten die es länger gelaufen ist Entschädigungszahlungen für deshalb abgeschaltete Windräder von 1 Milliarde Euro ausgelöst hat. AKW werden halt nicht reguliert und fahren deshalb 24 Stunden mit der gleichen Leistung durch, wenn sie laufen. Das passt halt überhaupt nicht zu Wind und Solar. Das ist bei Kohlekraftwerken halt anders. Deshalb ist die Aussage das AKW Kohlekraftwerke ersetzen können auch einfach nur falsch. Ich setzte einen Link der die Nettostromerzeugung der KW 10/23 aufzeigt. In der Grafik kann man unten eine rote gleichmäßige Linie sehen. Das ist die Leistung der 3 gleichmäßig durchlaufenden 3 AKW. Hinweisen möchte ich auch noch auf den schwarzen Balken und wie unterschiedlich dick dieser ist. Es handelt sich um die Steinkohlekraftwerke die nach Bedarf eingesetzt werden. Bei der Braunkohle kann man auch sehen das sie nicht fix ist. Ich denke das es ein großes Problem ist wenn Politiker einfach mit Unwahrheiten in die Öffentlichkeit gehen und die Menschen einfach falsch informieren. Was denken sich die Politiker von FDP und den Unionsparteien dabei eigentlich.
    https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&week=10

  9. Beim Vergleich von AKW und Windenergieanlage beschränkt sich Walter Marhenke auf den Beton. Da Beton alleine nicht genügt, plädiere ich dafür, die Angaben des Umweltbundesamtes als Grundlage für die Diskussion zu verwenden.
    Für die Kernenergie hat das Umweltbundesamt einen durchschnittlichen Wert von 55 g CO² je Kilowattstunde Stromerzeugung ermittelt.
    Bei den in Deutschland installierten Windenergieanlagen liegen laut Umweltbundesamt die CO²-Äquivalente inklusive Vorketten für Offshore-Anlagen bei 9,7 und für Onshore-Anlagen bei 17,8 g CO². Bei den neueren Anlagengenerationen liegen die Werte für Offshore bei 7,3 g CO² und für Onshore zwischen 7,9 und 10,6 g CO², abhängig vom Standort und weiteren Parametern.

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