Man möchte nicht in der Haut von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stecken. Kaum neun Wochen ist er mit seiner Regierung im Amt und wird doch schon von anderen Regierungschefs, aber auch von den deutschen Medien angefasst, als wäre er Kanzler seit Jahren. Früher galt die unausgesprochene Regel: Hundert Tage Schonfrist zur Einarbeitung. Doch früher galt so manches, was heute anders ist. Zudem, es lässt sich nicht leugnen: Die Krisen unserer Zeit fordern Entscheidungen. Momentan vor allem die Ukraine-Russland-Krise.
Russland war nie Partner, sondern stets Hegemonialmacht. Auch gegenüber den Satellitenstaaten der Sowjetunion, die alle Erfahrungen mit dem Herrschaftsanspruch der Russen haben. Diese Haltung, dieser Herrschaftsanspruch ist schon lange ein Problem im Umgang der früheren Sowjetrepubliken und ihrer früheren Satelliten untereinander. Es herrscht Misstrauen gegenüber Russland, und Russland seinerseits tut wenig, um diesem Misstrauen entgegenzuwirken. An partnerschaftlichem Miteinander scheint dem Land und seiner Führung jedenfalls wenig zu liegen. Wie Russland sich selbst sieht, das hat es der ganzen Welt beispielsweise während der Olympischen Winterspiele in Sotchi vorgeführt. Dass es wenig auf die Souveränität anderer Länder gibt, zeigte sich nicht nur an der Annexion der Krim, sondern auch an der Kaltschnäuzigkeit, mit der Menschen, die in anderen Ländern leben und die es als Gegner einstuft, angegriffen und sogar ermordet werden. Die Beispiele Skripal und Changoschwili (Tiergarten-Mord Berlin), die mutmaßlich auf das Konto Russlands gehen, mögen an dieser Stelle genügen. Von den zahlreichen Hackerangriffen auf deutsche Institutionen ganz abgesehen, die nach Überzeugung der ermittelnden Behörden von Russland ausgingen. Nicht zu vergessen die früheren Auseinandersetzungen mit der Ukraine um die Durchleitung von Erdgas, in denen Russland seine Ressourcen als politisches Druckmittel eingesetzt hat. Dasselbe ist auch für die Zukunft zu befürchten. Der russische Konzern Gazprom ist mächtig. Die Liste der Missetaten und Verbrechen, die Russland zugeschrieben werden, ist ziemlich lang.
Russland ist also ein schwieriger Nachbar, der sich nicht auf Augenhöhe mit den europäischen Ländern sieht, auch nicht als „primus inter pares“, sondern als Großmacht, korrespondierend zu den Träumen des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin von der Restaurierung des imperialen „Glanzes“ der Sowjetunion, auf die Putin sich in den vergangenen Jahren immer häufiger bezogen hat. Die Frage ist nun: Wie geht man mit einem solchen „Partner“ um, während der unverhohlen alle Vorbereitungen für eine militärische Invasion der Ukraine trifft? Das ist mindestens schwierig. Die Antwort des Westens besteht in einer hybriden Mischung aus Abschreckung – manche nennen es Säbelrasseln oder auch Kriegsgeschrei – und Gesprächsangeboten. Es handelt sich dabei ganz offensichtlich um so etwas wie eine Neuauflage des Nato-Doppelbeschlusses. Der war zwar verhasst, hat aber funktioniert, wie sich unschwer an der historisch unübertroffen langen Friedensphase in Europa ablesen lässt. Doch ob das Aufwärmen dieser alten Strategie ausreicht, um den ersten großen Krieg auf europäischem Boden seit bald 80 Jahren zu verhindern? Vorausgesetzt, Putin meint es ernst und lässt seinen Taten Taten folgen (mit Worten kommuniziert er was anderes, nämlich dass er keinen Krieg will), wird der Westen, wird die Nato nicht umhin kommen, darauf zu reagieren. Immerhin haben die USA, Frankreich und Großbritannien im Budapester Memorandum von 1994 und in der Nato-Russland-Grundakte von 1997 die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine garantiert. Russland hat beides übrigens ebenfalls unterschrieben, was Putin aber nicht daran gehindert hat, sich 2014 trotzdem die Krim zu holen. Ein klarer Bruch des Völkerrechts!
Eine schmerzhafte Analyse – vor allem wenn man davon ausgeht, dass ohne Russland auf Dauer keine politische Stabilität in Europa aufrecht zu erhalten ist. Es muss also Verständigung her. Und da kommt die Bundesrepublik ins Spiel, aber auch Frankreich. Der französische Staatspräsident Emanuel Macron hat jüngst bei seinem Staatsbesuch klargemacht, dass er das russische Sicherheitsbedürfnis ernst nimmt – denn Russland fühlt sich zunehmend von der Nato umzingelt. Und der deutsche Kanzler Olaf Scholz wahrt seine Möglichkeiten, in der Auseinandersetzung um die Ukraine als Vermittler aufzutreten. Zusammen mit Frankreich, Russland und der Ukraine ist es immerhin schon mal gelungen, das „Normandie-Format“ wiederzubeleben. Bei Gesprächen auf dieser Ebene ist es der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gelungen, den Konflikt in der Ostukraine einzufrieren. Eine echte Verständigung zwischen der Ukraine und Russland kam allerdings nicht zustande. Im Gegenteil, die beiden Staaten haben sich weiter voneinander entfernt: Die Ukraine sucht – wohl auch aus Angst vor Russland – offenkundig Nähe zum Westen. Putin erreicht mit seiner Strategie also das Gegenteil von dem, was er eigentlich will: Die Ukraine entwickelt eine eigene Identität, unabhängig von Russland. Auch Finnland und Schweden treibt er durch sein Großmachtgehabe in die Arme der Nato.
Olaf Scholz fährt eine Strategie, die ihm innenpolitisch, aber auch in den USA vorgeworfen wird: eine Strategie der Zurückhaltung. In der Hauptstadt unseres wichtigsten Bündnispartners scheint man das nicht ganz zu verstehen; das machte die Reise des Kanzlers nach Washington ein wenig komplizierter. Doch es ist richtig, dass die Bundesrepublik keine Waffen in die Ukraine liefert: Scholz will seine Rolle als potenzieller Vermittler nicht verspielen. Darum auch bezieht er keine glasklare Position in puncto Nord Stream 2, während US-Präsident Joe Biden bereits vollmundig das Ende der Pipeline für den Fall ankündigt, dass Russland in die Ukraine einmarschiert. Und darum beteiligen sich Scholz und seine Regierung nicht am Säbelrasseln der Nato. Diese Zurückhaltung ist keine Feigheit, sondern wohlkalkuliert. Die Forderungen nach mehr Kontinuität gehen daher ins Leere: Es gibt diese Kontinuität durchaus, aber vor allem im Hintergrund, wo die deutsche Regierung sehr aktiv zu sein scheint in Sachen Diplomatie. Olaf Scholz hat während der großen Koalition lange genug mit am Kabinettstisch gesessen, um mitbekommen zu haben, wie solche politischen Spiele verlaufen. Als Vizekanzler dürfte er bei so manchem Hintergrundgespräch dabei gewesen sein, wenn es im Kanzleramt um Geostrategie und um Geheimdienstberichte ging. Er ist, politisch gesehen, ein alter Hase. Man darf unterstellen, dass er genau weiß, was er tut. Unterschätze niemand Olaf Scholz!
Daher gilt: Üben wir uns in Geduld! Gewähren wir unserem Kanzler einen Vertrauensvorschuss. Natürlich muss er sich als würdig erweisen. Im Nachhinein muss sich zeigen, dass er dieses Vertrauen verdient hat. Dieses Verdienst muss darin bestehen, dass er das politische Gewicht der Bundesrepublik nutzt, um wesentlich dabei mitzuhelfen, einen Krieg um die Ukraine zu verhindern. Und am besten auch gleich noch eine Neujustierung der europäischen Sicherheitsarchitektur auf der Basis der Schlussakte von Helsinki vorzunehmen, welche ein paar Jahrzehnte Bestand hat und zur Befriedung jedweder Expansionsgelüste sorgt. Dafür wird man die Bedenken Russlands wegen der Expansion der Nato ebenso ernst nehmen müssen wie die Ängste der osteuropäischen EU-Staaten und der Ukraine vor Russland.
Was ist unklar an der Haltung des Kanzlers?
Bundeskanzler Scholz soll also Basta-Worte sprechen. Nur weil 2 ehemalige, pensionierte SPD Größen eine andere, mit Verlaub eine egozentrische Position in die Welt hinausposaunen, mit großzügiger Unterstützung zahlreicher Medien. Lars Klingbeil hat die Position der aktuellen SPD als Partei und in Regierungsverantwortung wirklich klar und verständlich immer wieder vorgetragen. Viele verantwortliche SPD Poltiker:innen haben in den letzten Tagen diese Position unterstrichen, die übrigens vom BK Scholz schon vor Tagen öffentlich gemacht wurde. E s gibt offensichtlich zahlreiche Meinungsführer:innen in der Öffentlichkeit, die nur und immer wieder nach Zerwürfnissen innerhalb der SPD suchen und bereit sind, welche anzustiften. Weil es mit der Co-Vorsitzenden Saskia Eskens, dem Generalsekretär Kevin Kühnert, den Jusos etc. aktuell immer noch nicht zu gelingen scheint, welch ein Ärgernis, müssen die Pensionäre her, die ihre Meinungen nicht mehr zu verantworten haben und leider häufig aus puren Eigennutz agieren.
Zur Sache: Wollen wir wirklich Waffen in die Ukraine liefern? Noch vor wenigen Jahren haben sich Unternehmen und öffentliche Versorger aus der Ukraine zurückgezogen, weil Oligarchien die Wirtschaft und die Politik? fest im Griff hatten. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo gelieferte Waffen später gegen die Unterstützer eingesetzt wurden, die USA, Frankreich, GB, aber auch Russland können ein Lied davon singen.
Nur auf Diplomatie und Appeasement-politik gegenüber Aggressoren zu setzen, ist genauso gefährlich wie wir aus der Vergangenheit wissen. Deshalb halte ich es auch für richtig, dem Aggressor deutlich zu machen, dass seine Aggression ihm wehtun wird; das heißt nicht, dass ich ihm schon alle Instrumente zeige, die ich bereit bin anzuwenden. Dies muss die Bunderegierung auch gar nicht, darüber wird in den Medien ja schon fleißig spekuliert und das ist gut so. Es ist viel wirkungsvoller, wenn Putin in Unwissenheit gehalten wird, was im Falle eines Angriffs auf die Ukraine auf Russland zukommen wird.
Kristina Dunz fordert mehr Kontinuität. Nach Lesen des Leitartikels frage ich mich, aus welcher Deckung soll der Bundeskanzler kommen. Die von ihr geforderte Klarheit ist längst da. Nur weil Scholz das Säbelrasseln der USA, GB etc. nicht mitmachen will, ist nichts unklar. Der Bundeskanzler steht in der Kontinuität auch der Vorgängerregierung, keine Waffenlieferungen in Krisengebiete. Was ist daran unklar?
Jörg Kramer, Uelzen
Die Häme gegen Scholz ist beschämend
Der Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Washington stehe „unter Druck“. „Wo ist Olaf Scholz?“ sei zu einem Running Gag geworden. Die Häme, die sich hinter dieser Frage verbirgt, ist beschämend. Ist eine Bundesregierung, die sich weigert Waffen an die Ukraine zu liefern, ein „unsicherer Kantonist“? Das Gegenteil sei der Fall, meint die pax-christi-Kommission Rüstungsexport in einem Brief an Außenministerin Baerbock, Verteidigungsministerin Lambrecht und Bundeskanzler Scholz.
In dem Schreiben heißt es: „Angesichts des enormen Drucks, der in dieser Frage sowohl außenpolitisch als auch innenpolitisch auf Ihnen lastet, möchten wir Sie bestärkend darauf hinweisen, dass Ihre Haltung – wie etwa die in der vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage des Instituts Yougov zeigt – von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland geteilt wird.
Gregor Böckermann, Neu-Isenburg
Wo bleiben die mutigen Entscheidungen?
Es mag ungewöhnlich erscheinen, wenn ich behaupte, Donald Trump und Olaf Scholz haben Wesentliches gemeinsam. Ich meine nicht die Tatsache, dass der eine Regierungschef eines Staates war und der andere noch ist. Donald Trump wurde mehrheitlich im Jahre 2017 nicht aus Überzeugung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, sondern viele wollten schlicht verhindern, dass die Kandidatin der Demokraten Hillary Clinton Präsidentin wird.
Als 2021 die Bundestagswahl anstand, wählten viele aus Abneigung gegen Laschet CDU und Baerbock Grüne die SPD mit ihrem Kandidaten Olaf Scholz. Laschet und Baerbock hatten schwere Fehler gemacht. Scholz eben nicht und das reichte, dass die SPD zur stärksten Partei wurde.
Jetzt, da er im Amt ist, wird zu recht Aufbruch und Führung verlangt. Gesagt hat er ja „Wer Führung verlangt – wird sie bekommen.“ Aber jetzt zeigen sich die Defizite von Olaf Scholz. Die Umstellung auf eine Carbon frei produzierende Wirtschaft, Corona und die Ukraine/Russland-Krise verlangen mutige, richtige Entscheidungen. Wo sind sie?
Zugegeben, es ist sicherlich nicht leicht eine Koalition zu führen, wenn deren sie tragenden Parteien eigentlich widersprüchliche politische Ziele verfolgen. Den Politikstil seiner Vorgängerin zu übernehmen reicht eben ist. Ich jedenfalls bin froh, dass Frau Merkel als Regierungschefin aufgehört hat. Sie hat zu viele Probleme nicht angefasst, die wir jetzt lösen müssen.
Jörg Harraschain, Frankfurt
In kürzester Zeit viel Vertrauen verspielt
Wer hätte das gedacht, einen SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz doch mit seinen klaren Aussagen und Versprechen in seinen Wahlauftritten bei der Bundestagswahl im September 21 an die Bevölkerung gerichtet zu wählen und letztlich zum Wahlerfolg mit zu verhelfen, der dann nach acht Wochen Amtszeit als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland mit diesem dann sicher nicht „glücklichen Ampel-Regierungskonstrukt“ im Schatten seiner Regierung als Bundeskanzler steht.
Von ihm hätte erwartet werden müssen, dass es Richtungsweisend die Politik auf allen Ebenen vorgibt, steuert überzeugend vorgibt mit dieser Ampelkoalition. Der überwiegende Teil von Familien, Bürgerinnen u. Bürger haben die SPD und somit den SPD-Kanzlerkandidaten gewählt und damit gestützt um seine in den Wahlauftritten zelebrierten Zusagen, wenn er Bundeskanzler wird, er für eine soziale Gerechtigkeit und einer Entlastung der Bürgerinnen u. Bürger mit ihren kleinen und mittleren Einkommen eintritt.
Das sind nach allen Erkenntnissen bisher widersprüchlicher, uneinheitlicher und unklarer Arbeit in diesem Ampelregierungskonstrukt und der bisherigen Entwicklungen leere Versprechungen gewesen, die ihm als Bundeskanzler der Bundesrepulik Deutschland doch große Teile von Familien, Bürgerinnen u. Bürger die Glaubwürdigkeit absprechen und erkennbar nach den insgesamten aktuellen Umfragewerten auch Vertrauensverlust einbringt.
Nach den aktuellen Umfragen hat durch diese „schwammige“ unklare Politik auch in seiner unklaren Haltung in der Ukraine-Russlandkrise und Positionierung in der Europapolitik was die zukünftige innerhalb der EU-Staaten weitere Energiepolitik betrifft seine Persönlichkeitswerte als Bundeskanzler der BRD mächtig abschmieren lassen.
Mit dieser erkennbaren Führungsschwäche als Bundeskanzler in dieser Ampelregierung hat die Mehrheit der Bevölkerung auch bereits nach acht Wochen Amtszeit in den Umfragen das Vertrauen verloren, auch in die Bundesministerien der Grünen von Habeck, Özdemir, Lemke & CO., sowie in den ohnehin nur als Besserwisser und Ankündigungspolitiker bekannten der FDP Lindner verloren.
Mit dieser Entwicklung hat sich die Politik-Spirale nach acht Wochen Ampelregierung gedreht und die Union im Zuspruch der Bevölkerung wieder bei den Umfragen vier Punkte vor der SPD liegt.
Ich frage mich was eigentlich die Instrumente sind die zur Wirkung kommen wenn Russland in die Ukraine einmarschiert. Nord Stream 2 sicher nicht. Russland nutzt bei hohen Gaspreisen die derzeit vorhandenen Pipeline Kapazitäten nicht annähernd aus und droht damit dem Westen Versorgungsprobleme an. Das ist wohl eher das Gegenteil von einem Druckmittel. Das man nicht aufhört der Öffentlichkeit was anderes einzureden ist für mich ein Indiz das es nicht viel anderes gibt. Besonders wenn auch noch China auf Putins Seite steht. Es wird nicht viel mehr sein als das was man im Fall der Krim schon gemacht hat. Also weitgehend nichts.
Ich empfehle allen, die jetzt Olaf Scholz wegen seiner Haltung kritisieren, das Interview von Bascha Mika mit Martina Fischer „Am Ende geht es gemeinsam in den Abgrund“ in der FR vom 09.02.2022 zu lesen.
In deutlichem Unterschied zu zahlreichen Leserzuschriften nerven mich die FR- Artikel, in denen gebetsmühlenartig folgende Kritik an der Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz geäußert wird: Scholz trete nicht in Erscheinung, übernehme keine Führung, stelle sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Was mit „Führung“ konkret gemeint ist, sagen die Kritiker nicht: vermutlich das Bekenntnis zu Waffenlieferungen oder dem Aus zu Nord Stream 2. Gestern hörte ich zum ersten Mal in den Nachrichten, dass Macron Waffenlieferungen ebenfalls ablehnt.
Jeden Tag in allen Medien wiederholt und verstärkt: Deutschland soll liefern, so wie all die Jahre zuvor, 2021 mit einem Rekordvolumen.
Ich bin froh, dass deutsche Außenpolitik bislang überlegten diplomatischen Anstrengungen den Vorrang gibt vor dem Säbelrasseln.
Die Befürworter von Waffenlieferungen und auch von Truppenverstärkungen in den an Russland angrenzenden NATO-Staaten, angeblich mit dem Ziel, die Ukraine in die Lage zu versetzen, sich selbst zu verteidigen, treiben ein falsches, unehrliches Spiel, das sie “ Abschreckung“ nennen, an die sie selbst nicht glauben: Sie wissen: Die Ukraine kann sich nicht selbst verteidigen . Warum ziehen die Scharfmacher und Bellizisten aller Sorten eigentlich nicht daraus ihre klare Schlussfolgerung: Echte Angriffswaffen müssten geliefert werden und an den Grenzen zu Russland installiert werden, Raketen, die Moskau erreichen, Flugzeuge, die Bomben, am besten atomare, nach Osten transportieren könnten.
Nur das wäre echte Abschreckung! Dann stünde der neue Eiserne Vorhang weit im Osten. Gut für Deutschland, dass das battle field dann dort und nicht fulda gap in Mittelhessen wäre. Von den USA lernen, die stets außerhalb ihres Kontinents Kriege führen!
Und dann warten wir alle auf einen Politiker wie Willy Brandt aus den baltischen Ländern, aus Polen oder der Ukraine, der eine neue Verständigungspolitik einzuleitet.
Können wir doch auch schon jetzt haben!
Die Schlussakte von Helsinki der KSZE hielt bereits 1975 im Einklang mit UN-Völkerrecht fest: Achtung der Souveränität der Staaten (natürlich auch ihre Bündnispolitik betreffend), Gleichwertigkeit der Staaten, Unverletzbarkeit ihrer Grenzen, Enthaltung der Androhung oder Anwendung von Gewalt, Demokratie. Dieses alles wurde bestärkt in der KSZE-Charta von Paris 1990, der NATO-Russland-Grundakte von 1997 und für die Ukraine explizit im Budapester Memorandum von 1994. Diese Verträge und Absichtserklärungen hatten die SU/Russland, alle anderen europäischen Staaten und die USA gemeinsam geschlossen. Das ist bzw. wäre die Europäische Friedensordnung. Diese steht im Einklang mit der Weltfriedensordnung, die basiert auf der von fast allen Staaten der Welt unterzeichneten, das Völkerrecht kodiffizierenden UN-Charta und den UN-Konventionen zu den Menschenrechten.
Herr Hebel, was meinen Sie mit der „selbst ernannten Wertegemeinschafft des Westens“? Die Subjekte der Politik sind die Menschen, nicht Potentaten. Die Zeiten des Auffteilens von Einflusszonen durch imperiale Herrscher sollten Geschichte sein (Wiener Kongress, Teilungen Polens usw.). Stabiler Frieden in (Ost-) Europa als Ziel – dafür gibt es eine Bedingung: Versöhnung Russlands und der souveränen osteuropäischen Staaten jeweils in bilateralen Verhandlungen, dabei Aufarbeitung der langen Geschichte der Russiffizierung bzw. Sowjetisierung der Völker Osteuropas, der Niederschlagung von Volksauffständen und der Breschnew-Doktrin der begrenzten Souveränität der Staaten des „sozialistischen Lagers“, Annexion der Krim usw.. In einem solchen Prozess sollten Wahrheits- und Versöhnungskommissionen nach südafrikanischem Vorbild am besten mit eingeschlossen sein. Russlands und Europas Stärke und Sicherheit wäre Ergebnis dieses Prozesses.
Den osteuropäischen Staaten war nach der Aufflösung der UdSSR nicht zu verdenken, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen den Warschauer Pakt bei erster Gelegenheit verlassen haben und, nach einer Dekade Erfahrung mit russischer Innen- und Außenpolitik, sich nach und nach ffür den Schutz durch die Nato entschieden haben. Insbesondere Russland hat lange Brücken zu bauen und auf den Brücken weit zu gehen.
Das setzt erst einmal eine Abkehr von imperialen Fantasien und entsprechenden Drohungen voraus. So wie Putin es zur Zeit anstellt, verliert er aber in Osteuropa immer weiter an positivem Einffluss. Von wegen Einfflusszone.
zu @ Klaus Philipp
Ich denke das sie reines Wunschdenken, das ich zwar gerne teilen würde, beschrieben haben. Letzte Woche stand in der FR sinngemäß das die Regierungschefin von Finnland gesagt hat Finnland könnte über Nacht Mitglied der Nato sein . Dann kam die Antwort aus China einen Tag später dass das nicht passieren wird. Nur soviel zu nicht mehr vorhandenen Einflusszonen.
Willy Wimmer hat in einer heutigen Erklärung Stellung zur aktuellen Situation genommen. Wimmer, Jahrgang 1943, seit 1959 Mitglied der CDU, 1976 bis 2009 MdB, 1985 bis 1988 verteidigungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, 1988 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, 1994 bis 2000 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE.
„Seit 2014 zeichnet sich die westliche Politik und damit auch das Verhalten der deutschen Bundesregierung in Sachen Ukraine durch ein unglaubliches Verhalten aus. Alles, was der Westen veranlasst hatte, wird aus der eigenen Wahrnehmung ausgeblendet. Die gesamte Aufmerksamkeit richtet sich auf die Schritte, die Russland als Reaktion auf Dauer-Provokationen der westlichen Seite unternimmt oder unternommen hatte … Es geht nur darum, das eigene Regiebuch umzusetzen …
Das betrifft derzeit das internationale Getöse, was die hochgezogenen Mutmaßungen über angebliche Invasionsabsichten mittels russischer Streitkräfte auf Weisung aus dem Kreml gegen die Ukraine anbelangt. Seit Monaten wird darüber Europa und die Welt in Angst und Schrecken versetzt …
In Kiew selbst, das der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz vor seinem Aufenthalt in Moskau besucht, sollte der Bundeskanzler jede weitere deutsche Finanzhilfe für dieses ‚Korruptions-Paradies‘ an zwei Forderungen knüpfen: Sofortiges Verbot der faschistischen Formationen des Modells ‚Asow‘ und Auflösung der nicht der ukrainischen Armee unterstellten militärischen Freiwilligen-Verbände. Es kann nicht angehen, dass mit deutschem Steuergeld in der Ukraine Formationen finanziell am Leben gehalten werden, die in der Folge für die Verbrechen der Nazis stehen …
Der deutsche Bundeskanzler tut gut daran, vor seiner Reise nach Kiew und Moskau mit zahlreichen europäischen Partnern zusammenzutreffen. Dennoch muss man sich fragen, welchen Sinn das vor dem Hintergrund einer Erfahrung macht, die Frankreich und Deutschland vor nicht allzu langer Zeit mit ihrem Vorschlag machen mussten, ein Gipfeltreffen zwischen der EU und Putin anzustreben. Dabei sollten alle die Fragen behandelt werden, die vor wenigen Tagen der französische Präsident Macron bei seinem Treffen in Moskau mit Präsident Putin angesprochen hatte. In Erinnerung ist jedenfalls geblieben, dass vor allem osteuropäische Staaten in der EU dafür gesorgt hatten, dass aus dem französisch-deutschen Vorschlag, es mit einem Gipfeltreffen zu versuchen, nichts werden konnte. Das ist zwar verschüttete Milch von gestern. Die Einstellung östlicher Partner wirft aber die Frage danach auf, ob diese ihre Zukunft nur in der bedingungslosen Gefolgschaft amerikanischer Falken sehen?“
Das ist zwar ein etwas längeres Zitat, aber ich bin schon der Meinung, dass auch Einschätzungen, die nicht der gängigen Schreibweise entsprechen, ihren Platz finden sollten.
Der gleiche Psychoquark – „Putins Träume“ – der aus dem deutschen Blätterwald fast überall herausquillt, hier im Blog nun als Start für die Anmoderation. Die Projektionsfläche gibt offenbar einiges her. Sie taugt jedoch nicht zur Bearbeitung der aktuellen Probleme; im Gegenteil, sie sorgt nur dafür, dass sich noch mehr Publikum an ihr abarbeitet und im schlimmsten Fall „zu den Waffen schreit“. Wenn dann noch Karin Miosga gestern im Tagesthemen-Interview einen früheren General und heutigen Politiker Estlands, Riho Terras, die faustdicke Lüge durchgehen lässt, Russland hätte Georgien angegriffen, ist es ziemlich weit gekommen. Der Tagliavini-Report von 2009 macht unmissverständlich klar, dass Georgien 2008 den Krieg begonnen hatte.
Wer in Leitartikeln, Interviews und Kommentaren ständig über die russischen Truppenbewegungen räsoniert, sollte sich an die Wiener Dokumente erinnern und die damals verabredeten und immer noch gültigen, vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Ost und West einfordern. Die besagen nämlich, bevor wilde Spekulationen ins Kraut schießen, Truppeninspektion der „anderen Seite“ des Aufmarsches mit Fachleuten vorzunehmen. Das wäre möglich, aber man bevorzugt die Spekulationen, mit der kann man Stimmung machen.
Es hilft auch nicht das Budapester Memorandum zu erwähnen, wenn überhaupt, sollte man etwas weiter zurückgehen und an die UN-Charta erinnern. Die „Androhung und Anwendung“ zwischenstaatlicher Gewalt ist nach Artikel 2 Absatz 4 dieser Charta verboten. Dass Nato-Staaten seit 1953 insgesamt 13 Angriffskriege ohne UNO-Mandat gegen andere Länder führten und teilweise immer noch führen, wird bei der Anmoderation verschwiegen, lässt aber angesichts der Selbstbeschreibung der Nato als „Verteidigungsbündnis“ erhebliche Zweifel aufkommen.
Dass sich Russland nicht „umzingelt fühlt“, sondern in einer Art Zange bereits tief in den Flanken von Norden bis Süden von Nato-Staaten umgeben ist und in Polen sowie Rumänien dazu strategische Abwehrsysteme eingerichtet wurden, kann jeder auf der Landkarte sehen. Ging es nach dem Willen der Nato-Führung, wäre ein Ende der Osterweiterung nicht abzusehen. Mich irritiert vor allem, dass die Sicherheitsbedenken Russlands, obwohl sie schon vor Jahren angesprochen wurden, zu keinem Zeitpunkt beachtet wurden. Immerhin hat man französische und deutsche Bedenken bei dem Angebot der Nato an Georgien und die Ukraine gehört, so dass bis heute für beide nur ein „Membership Action Plan“ existiert.
Wenn die Nato mit ihren Verbündeten auch mit strategischen Waffen einem Nicht-Nato-Land, dass immer als Konkurrent galt und gilt, so nah kommt, heißt das keineswegs, dass dadurch mehr Sicherheit entsteht, wie wir in schrecklicher Weise im Krieg mit über 13000 Toten in den umkämpften Provinzen sehen. Die Annahme, mit dem „Vorposten“ Ukraine würde wenigstens für Deutschland mehr Sicherheit entstehen (Hans Wedel), ist dazu so egoistisch wie leichtfertig, weil ein geschwächtes Russland zu ganz anderen Regierungen als der jetzigen in der Lage sein könnte – mit vielen Tausend Atomsprengköpfen.
Die russische Regierung hat ihre berechtigten Sicherheitsinteressen formuliert. Die Nato-Grundakte liefert für diese Interessen eigentlich die nötige Unterstützung: Wenn ein Land Mitglied der Nato werden möchte, so ist das nur möglich, wenn alle Mitglieder (nicht nur die USA) zustimmen und wenn sich – genauso wichtig – dadurch die Sicherheitslage aller anderen verbessert. Davon kann aber weder im Fall Georgiens noch der Ukraine die Rede sein. Hinzu kommt, dass Länder, die in Konflikte mit Nachbarstaaten involviert sind, nicht aufgenommen werden (können).
Hier sollten die europäische und deutsche Diplomatie ansetzen. Dafür wünsche ich dem Bundeskanzler eine glückliche Hand, Geduld und Weitsicht. Mir scheint, dass auch die USA den Holzweg erkannt haben, auf dem die Nato-Strategie seit mehr als 20 Jahren herumstolpert. Russland als Folge der aktuellen Entwicklung fest an der Seite Chinas zu sehen, behagt sicher niemanden in der US-Administration; und die Militärs im Pentagon schon gar nicht.
@ Manfred Heinzmann
Danke, Herr Heinzmann, dass sie Willy Wimmer zu Wort kommen lassen, der mit wohltuender Besonnenheit die historischen Zusammenhänge andeutet und dem Märchen, „wir (der Westen) sind die Guten“ widerspricht. Zugleich weist er auf die Komplexität der Interessenlage innerhalb der EU hin; sie lässt eine schnelle Lösung kaum erwarten.
zu @ Wolfgang Geuer
Ich denke es gab in der Geschichte noch nie eine Vorkriegssituation in der auf welcher Seite auch immer objektiv informiert worden ist. Jede beteiligte Seite wird immer versuchen sich als die „Guten“ darzustellen. Was mich schon wundert ist dass das nicht nur beim Thema Krieg so ist sondern z. B. auch bei Energie. Ich frage mich wer das in der angeblich freien Welt vorgibt. Von selbst wird das ja nicht so kommen. Klar ist kurzfristig gedacht Putin der Aggressor aber schon mittelfristig ist klar das die USA und die Nato nicht wirklich Friedensfürsten sind. Ich frage mich nur wer das in D. letztlich steuert. Beim Thema Energie kann es die derzeitige Regierung nicht sein weil die derzeitige öffentliche Meinung ihr nicht passen kann und sie deshalb mehr zur Klarstellung tun müsste. Allerdings bin ich der Meinung das man der neuen Regierung noch bis Sommer Zeit geben muss ihre Vorstellungen umzusetzen.
@ hans
Wenn man genau recherchiert, finden sich viele Journalisten der ersten Reihe (Stefan Kornelius, SZ, Günther Nonnenmacher, FAZ, Klaus Fankenberger, FAZ, Josef Joffe, Die Zeit, Jochen Bittner, Die Zeit, Kai Diekmann, Bild, Michael Stürmer, Welt, Ulrich Wickert, ARD, Jan Fleischhauer, Der Spiegel, Claus Kleber, ZDF, um nur einige zu nennen, die den folgenden US-Lobby-Organisationen angehören: Atlantik-Brücke, Aspen Institut, Goldman Sachs Foundation, American Interest, Atlantic Council oder German Marshall Found. „Die Anstalt“ hatte vor vielen Jahren hierzu einmal eine sehenswerte Passage in ihrer Sendung – je nach Sichtweise zum Lachen oder Weinen.
Dieser vielstimmige Chor findet immer nur die gleichen Worte für alle Sicherheitsfragen: Mehr USA und mehr Rüstung. Mit der Behauptung universeller Werte des Westens werden dann Einsätze mit „mehr Verantwortung“ wie in Afghanistan und der „Kampf um die Ukraine“ als Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse stilisiert. Wo das hinführt wissen wir…
zu @ Wolfgang Geuer
Das meine ich nicht. Wenn jemand ein Mitglied der Atlantik Brücke ist und dann pro USA argumentiert habe ich damit erst einmal keine Probleme. Da kann man nichts anders erwarten. Schlimm finde ich wenn Leute den neutralen Moderator geben oder Berichterstatter das aber nicht sind. Bei Markus Lanz waren die letzten Wochen zwei Diskussionen über AKW. Vor ein paar Wochen mit Steffi Lemke und letzte Woche mit Clemens Fuest. Bei dem ersten Gespräch war noch vom ZDF Ulf Röller dabei. Ulf Röller hat sich da auch klar gegen die AKW Nutzung ausgesprochen. Im Grunde haben die beiden dann Klartext geredet und dargelegt warum AKW für nichts eine Lösung sind. Letzte Woche bei dem Gespräch hat sich Markus Lanz so verhalten als ob er bei dem ersten Gespräch nicht dabei gewesen wäre. Eine soweit fortgeschrittene Demenz möchte ich ihm nicht unterstellen das er sich nicht mehr an die Argumente erinnern kann. Nur habe ich mich gefragt warum macht dieser Mann so etwas? Er hat, wenn er es nicht gewusst hat, einige Wochen vorher gehört was gegen AKW spricht und führt dann mit Herr Fuest ein Gespräch in dem ich den Eindruck hatte das sie sich bemüht haben die kritischen Themen so gut es geht zu vermeiden. Den unverhohlenen pro Atomlobbyismus haben beide unter dem Deckmantel das es sich um objektive Fragen und Meinungen handelt versteckt und einem großen Publikum vorgeführt. Das ist das Problem und untergräbt das Vertrauen in eine objektive Berichterstattung in unseren Medien.
@ Wolfgang Geuer
Sie haben uns jetzt ein paar bemerkenswerte Beispiele für ziemlich platten Antiamerikanismus geliefert. Der ist hier jedoch nicht das Thema, ebenso wenig wie Ihre Verschwörungstheorien in puncto Atlantikbrücke. Wie schlicht muss Ihr Weltbild sein, dass Sie glauben, intelligente Menschen wie Stefan Kornelius oder Claus Kleber würden gleich damit anfangen, vorgekäutes Zeug nachzuplappern, nur weil sie Mitglied in einem Verein wie der Atlantikbrücke sind? Gerade Kleber, obwohl nicht unumstritten, hat oft genug bewiesen, dass er einen kritischen Blick auf die USA hat – mit zahlreichen Reportagen, aber auch mit seinen Büchern, darunter die beiden lesenswerten Titel „Amerikas Kreuzzüge“.
Aber das nur am Rande als abschließende Bemerkung zu Ihren fehlgegangenen Kommentaren. Das Thema in diesem Thread sind Politik und Strategie der Bundesregierung in der Ukraine-Krise. Zu diesem Thema kehren wir nun zurück. Bitte beachten Sie die Blog-Regeln.
Die Angst der Menschen vor einem Krieg ist nur zu berechtigt. In einem Krieg, und das sollten sich die kriegsführenden Parteien bewusst machen, gibt es keine Gewinner – nur Verlierer. Menschenleben, Natur und Infrastruktur werden zerstört. Wasser und Böden werden verseucht, und zwar bei allen Teilnehmern. Krieg ist neben Überbevölkerung und Konsumwahn eine der drei schlimmsten Gefahren für unseren Planeten und alles Leben.
Ich bin restlos begeistert, dass hier eine große deutsche Zeitung es wagt, die Voraussetzungen für ein Gelingen der diplomatischen Bemühungen zu benennen – Bravo FR!
Ich nehme wahr, dass der Konflikt seit seinem Beginn ohne die Voraussetzungen seiner Entstehung dargestellt wird – bis gestern auch meistens von der FR. Zu schreiben, wie es zur gegenwärtigen Situation gekommen ist, und sich vor diesem Hintergrund damit zu befassen, einen möglichen Krieg auf dem Territorium, auf dem wir leben, zu verhindern – ist das nicht das Gebot der Stunde? Außerordentlich klar wird in dem hervorragenden Interview auch, dass man die Forderungen der jeweils anderen Seite zur Kenntnis und ernst nehmen muss, auch wenn man völlig anderer Meinung ist. Es geht um einen Interessenausgleich, nicht um den Kampf zweier politischer Systeme.
Die Titelseite der FR am 9.2.2022 hat mich doch sehr verwundert: Sind wir jetzt schon bei „Bild“ gelandet? Diese ganze reißerische Aufmachung und die platte Parole! Man hofft dann noch, wengstens während des Interviews zu erfahren, welche Truppen wohin abziehen sollen. Aber da kommt nichts. Es gibt zwar den schlauen Rat, „die Truppen beiderseits der Grenze abzuziehe. Also nicht nur die russischen, auch die der NATO unterstellten Kontingente“. Entschuldigung, Frau Friedensforscherin: Auf der ukrainischen Seite der Grenze gibt es keine NATO-Kontingente!. Oder meinen Sie die kleinen mililtärischen Einheiten aus verschiedenen NATO-Ländern, die die gefährliche estnische 7.000-Mann-Armee unterstützen oder denken Sie an die einige hundert Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die der 8.000 Mann starken litauischen Armee bei ihrer Aggression gegen Russland helfen sollen? Martina Fischer hat großes Verständnis für die Sorgen der armen Russen vor dem „ungeheuren Waffenpotential“, das ihnen westlich ihrer Grenzen gegenübersteht. Dass die westlichen Nachbarn, vor allem die Balten, aufgrund ihrer Geschichte allen Grund haben, ein sich imperial gebärdendes Russland zu fürchten, dass dieses Russland sich unter Putin zu einer brutalen Diktatur rück-entwickelt hat, wo bald nicht einmal mehr an die Stalinschen Verbrechen erinnert werden darf. Dass dieses Russland bereits Teile der Ukraine, Georgiens und Moldawiens militärisch besetzt hat und Krieg führt… – nein – das ist für diese merkwürdige Friedensforscherin absolut unwichtig. Als Rezept für Entspannungsmaßnahmen bietet sie ein Konzentrat an Banalitäten an, die aufzuzählen sich gar nicht lohnt.
Ich danke Martina Fischer und der Redaktion für die ausgewogene Information zum Ukraine-Konflikt in der FR vom 9.2. Was Frau Fischer sagt, entspricht dem Auftrag des 2+4-Vertrages zur Deutschen Einheit: Er fordert die Vertragsstaaten auf, sich für eine Friedensordnung einzusetzen, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten – also auch Russlands – berücksichtigt. Das ist der Auftrag auch an die Ampelregierung. Vertragstreue ermöglicht Frieden.
Die Titelschlagzeile und das Interview von Bascha Mika mit Martina Fischer: Endlich, endlich ein Lichtblick in der Orgie der Feinbildherstellung. Es ist schon eine Art Gehirnwäsche, was da durch die Medien fegt. Diese Einseitigkeit ist intellektuell unerträglich und vor allem destruktiv. Und der demokratischen Opposition in Russland tut man mit Sicherheit auch keinen Gefallen, wenn alles darauf drängt, in den Drohgebärden des Westens die Reihen zu schließen. Wohltuend der Hinweis von Martina Fischer, doch bitte die ganze Geschichte zu erzählen, wozu auch viele Leserbriefe in der FR beitragen.
Wenn man einen Schritt zurück tritt, erscheinen die beidseitigen Truppenverlegungen und Ausweisungen etc. so lächerlich und beschämend primitiv – sie erinnern an einschlägige Szenen aus Tierfilmen. Und sie sind ein Spiel mit dem Feuer der Vernichtung, das nicht unbedingt beherrschbar ist.
Soweit Klaus Philipp auf bestehendes Völkerrecht wie die UN-Charta, sowie die KSZE- Schlussakte und weitere Vereinbarungen als Grundlage für eine Friedensordnung in Europa verweist, ist ihm zuzustimmen. Leider erzählen seine weiteren Ausführungen nicht die ganze Geschichte, was die Entwicklungen nach 1945 angeht: Die Politik der Einflusszonen war gerade nicht vorbei: Die USA sicherten sich mit Marshallplan und später der NATO einen dominierenden Einfluss auf Wirtschaft, Politik und Sicherheit Westeuropas, während die Sowjetunion ihren Machtbereich aufgrund ihrer Rolle als Siegermacht bis an die Elbe ausdehnen konnte. Nach der Verfestigung der Teilung Europas und der Entstehung der beiden deutschen Staaten verfolgten die USA eine Politik des „ Roll back“ als Versuch, die osteuropäischen Staaten vom Kommunismus zu befreien. Unterstützt wurden sie dabei von der damaligen Regierung Adenauer, die glaubte, mittels einer Politik der Stärke verloren gegangene ehemals deutsche Gebiete in Polen zurück gewinnen zu können und damit die nach dem 2. Weltkrieg geschaffenen Realitäten in Frage zu stellen. Mit dem damals hoch umstrittenen Beitritt Westdeutschlands in die NATO 1955 wurden die Chancen auf eine Überwindung der deutschen Teilung endgültig verspielt. Erst die von der Regierung Brandt begonnene Entspannungspolitik schuf die Bedingungen dafür, dass mit der Anerkennung der bestehenden Grenzen die KSZE überhaupt möglich wurde. Nach der Implosion der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes war im Grund die Existenzgrundlage der NATO entfallen, eine ideologische und militärische Gegenmacht ließ sich nicht mehr ausmachen. Statt sich aufzulösen und auf der Basis der Prinzipien der UN- Charta und der KSZE in einer neuen europäischen Sicherheitsordnung aufzugehen, suchte die NATO neue Bedrohungen und Frontstellungen, um ihre Existenz zu legitimieren. Auf ihrer Konferenz zu ihrem 50zigjährigen Bestehen in Washington 1999 erweiterte die NATO ihr Einsatzkonzept mit der Formel: „out of area, out of defense, out of United Nations“, praktiziert erstmals im völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg ( ohne UN- Mandat ). Auch mit dem NATO- Einsatz 2011 in Libyen und dem daraus folgenden „regime change“ wurde das vorhandene UN- Mandat weit überdehnt. Das Ergebnis kann man heute in Libyen und in den Staaten der Sahelzone besichtigen, vom Desaster in Afghanistan ganz zu schweigen.
Ob es uns gefällt oder nicht, in der Außen-und Sicherheitspolitik geht es um Interessen und Geopolitik, um die Kontrolle über Wirtschaftsräume, Absatzmärkte, Rohstoffe. Stefan Hebel hat Recht, wenn er von der „ selbst ernannten Wertegemeinschaft des Westens“ spricht und damit wohl die Doppelmoral des Westens im Umgang mit befreundeten und gegenüber gegnerischen Staaten meint, die oft der Verschleierung eigener, realpolitischer Interessen dient. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn sich die westliche Staatengemeinschaft nicht so oft anmaßen würde, andere Staaten und Völker mit ihren Werten zu „ beglücken“.
Bevor es „ gemeinsam in den Abgrund geht“ ( Martina Fischer, FR vom 09. 02. 2022 ), wäre es im aktuellen Konflikt NATO- Russland doch ein Ausweis der sonst so hoch gelobten Kompromissfähigkeit, wenn sich beide Seiten auf Schritte der Deeskalation und Vertrauensbildung einigen könnten: gegenseitiger Truppenabzug und Manövertransparenz als erste Schritte und gegenseitige Sicherheitsgarantien für die Ukraine ohne NATO- Mitgliedschaft, langfristig eine neue Sicherheitsordnung für Europa unter Einschluss Russlands. Dies wäre ein fairer Interessenausgleich und würde den Zielen und Vereinbarungen der UN-Charta, der KSZE und des 2+4 Vertrages zur deutschen Einheit entsprechen, wie Herr Trautvetter ( FR vom 12. 02. ) treffend bemerkt.
Die aktuelle Ukraine-Krise ist wie z. B. Klimakrise und die Finanzkrise eine Krise mit langer Vorgeschichte: Sämtliche russischen Regierungen haben seit 1999 ihre Bedenken und Vorbehalte gegen die Osterweiterung der Nato vorgebracht. Bascha Mika weist im Interview mit Marina Fischer zu recht darauf hin, dass von seiten der Nato darauf gepocht wird, jeder Staat entscheide souverän über die Bündniszugehörigkeit entscheidet. Das allerdings entspricht nicht dem gültigen Nato-Vertrag. Nach Artikel 10 des Nato-Vertrags ist ein Beitritt nur nach einstimmiger Einladung durch die Nato-Mitglieder an Beitrittkandidaten möglich. Das heißt, der Neuaufnahme in die Nato muss ein konkretes Interesse der Nato-Staaten an der Aufnahme vorangehen. Es liegt auf der Hand: Die russische Regierung fragt mit Recht, worin dieses Interesse der Nato an der Osterweiterung besteht.
Vor diesem Hintergrund und angesichts des militärischen Potentials von Russland erweist es sich jetzt als fataler politischer Fehler, dass die europäischen Nato-Mitgliedern bisher keine alternative Sicherheitsarchitektur zur Osterweiterung vorangetrieben haben.
Man stelle sich vor, wenn Russland Militärpersonal und -gerät auf der Insel Kuba – in unmittelbarer Nähe zu den USA – stationieren würde. – Mit vollem Recht und aus geschichtlich nachvollziehbaren Gründen lehnt Russland (US-amerikanische, deutsche (!) etc.) Nato-Truppen in Estland oder der Ukraine ab. Die Stationierung ist eine riesige und kriegstreibende Provokation! Keine Anstrengungen oder auch nur Überlegungen sind feststellbar, die Ukraine, Estland etc. zu entmilitarisieren und die so gewonnenen Finanzmittel in eine friedvolle Wirtschaftsentwicklung dieser Länder zu investieren. Ein entmilitarisierter Puffer, eine umfassende Neutralität lässt sich mit langfristigen Sicherheitsgarantien Russlands und der USA etc. bewerkstelligen. Eine solche Entwicklung – verbunden mit uneigennütziger Wirtschaftshilfe der EU – würde dem bitterarmen Land Ukraine und deren Einwohnern helfen und dem Weltfrieden dienen. Dem aber stehen imperiale Interessen entgegen. Wenn es so weitergeht, droht ein fürchterlicher Krieg in Europa. Russisches Nord-Stream-2-Gas und Frieden mit Russland geht mir über eine „deutsche Interessen“ schädigende Politik eines überkommenen Militärbündnisses. Ich hoffe auf eine wiedererstarkende (weltweite) Friedensbewegung!
Vielleicht ist es auch kein Zufall das die derzeitige Krise zeitgleich mit der neuen Regierung kommt. Heute ging es in der FR im Aufmacher des Wirtschaftsteils um ÖL und Gaspreise. Dabei konnte man lesen wie sehr Putin von der Entwicklung profitiert. Im dabei stehendem Kommentar wurde die Meinung vertreten das es für Russland auf Dauer aber nicht von Vorteil sein wird wenn die Preise so hoch sind weil es Ausweichreaktionen geben wird. Man kann das auch genau andersrum sehen. In D. kommt eine Regierung an die Macht die eine Energiewende machen will. Warum soll Putin das mit billiger Energie unterstützen bis wir dann keine Energierohstoffe mehr wollen. Da die Energiewende am kommen ist kann der richtige Weg ja auch, aus Sicht von Russland, sein die Preise möglichst lange hoch zu halten. Wenn dem so wäre ergäbe die ganze Ukrainekrise einen völlig anderen Sinn. Wirtschaftlich profitiert Putin derzeit zumindest kurzfristig von der Situation und wenn es eskaliert kann er sein Öl und Gas auch nach China verkaufen. Ob wir wirklich in einer so starken Situation sind wenn es um Sanktionen geht? Was kostet denn dann Öl oder Gas?
In deutlichem Unterschied zu zahlreichen Leserzuschriften nerven mich die FR-Artikel, in denen gebetsmühlenartig folgende Kritik an der Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz geäußert wird: Scholz trete nicht in Erscheinung, übernehme keine Führung, stelle sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Was mit „Führung“ konkret gemeint ist, sagen die Kritiker nicht: vermutlich das Bekenntnis zu Waffenlieferungen oder dem Aus zu Nord Stream 2. Gestern hörte ich zum ersten Mal in den Nachrichten, dass Macron Waffenlieferungen ebenfals ablehnt.
Jeden Tag in alen Medien wiederholt und verstärkt: Deutschland soll liefern, so wie all die Jahre zuvor, 2021 mit einem Rekordvolumen. Ich bin froh, dass deutsche Außenpolitik bislang überlegten diplomatischen Anstrengungen den Vorrang gibt vor dem Säbelrasseln.
Die Befürworter von Waffenlieferungen und auch von Truppenverstärkungen in den an Russland angrenzenden Nato-Staaten, angeblich mit dem Ziel, die Ukraine in die Lage zu versetzen, sich selbst zu verteidigen, treiben ein falsches, unehrliches Spiel, das sie „Abschreckung“ nennen, an die sie selbst nicht glauben: Sie wissen: Die Ukraine kann sich nicht selbst verteidigen. Warum ziehen die Scharfmacher und Bellizisten aller Sorten eigentlich nicht daraus ihre klare Schlussfolgerung: Echte Angriffswaffen müssten geliefert werden und an den Grenzen zu Russland instaliert werden, Raketen, die Moskau erreichen, Flugzeuge, die Bomben, am besten atomare, nach Osten transportieren könnten. Nur das wäre echte Abschreckung! Dann stünde der neue Eiserne Vorhang weit im Osten. Gut für Deutschland, dass das Battlefield dann dort und nicht Fulda-Gap in Mittelhessen wäre. Von den USA lernen, die stets außerhalb ihres Kontinents Kriege führen!
Und dann warten wir alle auf einen Politiker wie Willy Brandt aus den baltischen Ländern, aus Polen oder der Ukraine, der eine neue Verständigungspolitik einzuleitet. Können wir doch auch schon jetzt haben!
Ja wann fängt er denn endlich an, der Krieg in der Ukraine? Westliche Korrespondenten überbieten sich in möglichen Angriffsterminen und Angriffsplänen, was die Einen in Entzücken und die Anderen in Angst und Schrecken versetzt. Die Russen hingegen verneinen jegliche Absicht, die Ukraine angreifen zu wollen– doch wer will das jetzt schon hören. Aus welchem Grund Russland überhaupt die Ukraine angreifen sollte, wo doch die Kosten eines Angriffs, einer dauerhaften Besetzung des Landes und der zu erwartende Partisanenkrieg in keinem Verhältnis zu den möglichen Vorteilen einer Besetzung stehen, wird dem verängstigten Publikum auch nicht erklärt.
Wenn es Russland mit seinem Truppenaufmarsch nur um Aufmerksamkeit geht, dann scheint der Plan aufgegangen. Säbelrasseln gehört mittlerweile wieder zum guten Ton der Weltmächte und ihrer Verbündeten. Wer erinnert sich noch an die großmäulige Ankündigung der US-Regierung im Januar 2019, im Falle Venezuelas lägen alle Optionen auf dem Tisch „all options are on the table“, womit natürlich eine militärische Intervention der USA in Venezuelas unausgesprochen angedroht wurde. Die Kritik der westlichen Welt an dieser Androhung hielt sich damals in Grenzen.
Nachdem der Westen in der Ukraine alle möglichen Reaktionen auf eine russischen Intervention dargelegt hat, wäre es nun kein Gesichtsverlust sondern ein Gebot der Vernunft, wenn man die brisante Situation zum Anlass nähme, wieder in weitgehende Abrüstungs- und Sicherheitsgespräche einzusteigen, um die Lage in Europa zu deeskalieren. Denn es warten viele große Aufgaben auf uns, die wir nur miteinander lösen können – immer in dem festen Glauben, dass auch die Russen ihre Kinder lieben.
Gewiss; für eine „Lösung des …(Russland-) Konflikts“ sollte der Westen klüger sein als der russische Angstbeißer. Dafür ist außer dem russischen Großmachthang ins Auge zu fassen der Sicherheitsbedarf der Nachbarstaaten. Die mehrfachen Angriffe Russlands an seiner Südseite unterfüttern den Nato-Beitritt mittelosteuropäischer Länder. Für sie sind bei der Forderung „Sofort alle Truppen abziehen“ auch die russischen beachtlich in Karelien, Ostpreußen, am Kaukasus, auf der Krim, die einst im Gebietstausch zur Ukraine kam.
Für mögliche Lösungen sind wichtig: der russische Bruch der KSZE-Charta für ein neues Europa von 1990, der Satzung des Europarates, der Nato-Russland-Grundakte von 1997, des Gewaltverbotes in Artikel 2 der UN-Satzung. Und andererseits das kollektive Selbstverteidigungsrecht in Artikel 51 der UN-Satzung. Dieser soll eine Folge sein u.a.der NS-Agression in Ruaaland und Ukraine.
Ein Rätsel ist, wieso die deutsche Politik nicht längst auf den jetzigen Streit vorbereitet war. Schliefen ihre Russlandkenner?
Warum begeht Putin mit seiner Ukrainepolitik einen so gewaltigen taktischen Fehler auf dem strategisch erfolgreichen Weg, Russland wieder in die Reihe der Weltmächte zu führen? Mit seinem Aufmarsch treibt er Europa wieder in die schützenden Arme der USA, wo mindestens Westeuropa auf dem Weg zur Emanzipation war. Dabei sind die USA nur dann glaubwürdige Weltmacht, wenn sie Europa und Japan aus Angst bedingungslos an ihrer Seite wissen. Dabei hätten die alten Reiche Russland wie auch China alle Zeit der Welt abzuwarten, bis der USA endgültig das Geld ausgeht, anderen ihren Willen auf zu drücken. Warum hat Putin es so eilig? Haben wir da etwas Innenpolitisches übersehen?
Man fragt sich doch wirklich, was treiben die da eigentlich? Jetzt ist der Scholz schon zwei Monate im Amt und ist nicht in der Lage die paar Probleme wie Covid, Ukraine, Nord Stream (übrigens ein von Frau Merkel im Alleingang beschlossenes Projekt) zu lösen. Ach wie schön wäre es doch, wenn wir den Markus als Kanzler hätten, der gerade wieder mit seiner besonnenen Corona Politik in Erscheinung tritt. Oder besser noch den Merz, der gerade erfolgreich Herrn Brinkhaus in die Wüste geschickt hat und dafür bei Maischberger ernsthaft zum Sieger der Woche ausgerufen wurde.
Und der Habeck, der es einfach nicht schafft, mal eben schnell ein paar Windräder mehr aufzustellen und nun auf Gas als Übergangslösung zurückgreift. Aber die gesamte EU ist doch nun für die grüne Atomkraft. Nur wir müssen wieder ausscheren mit unserer Klimapolitik, über die angeblich die ganze Welt lacht. Erstaunlich nur, dass Frankreich, das fast ausschließlich auf Atomkraft setzt, zuletzt viel Strom aus Deutschland bezogen hat.
Und in der Ukraine-Krise will Amerika selbstverständlich den starken Partner, der auch mal Waffen liefert und selbstlos auf Nord Stream 2 verzichtet. Da heißt es einfach mal klare Kante zeigen, Herr Scholz, und ein paar Panzer in die Ukraine schicken. Ob das deeskalierend wirkt, ist doch völlig egal. Hauptsache wir haben den Putin mal in seine Schranken verwiesen. Dass sich Biden und Scholz gut verstanden haben, wird als Minimum vorausgesetzt und nur am Rande erwähnt.
Trotz der einseitigen Berichterstattung in den Medien sind die Meinungsumfragen die Ukraine betreffend jedoch eindeutig: Rund 70 Prozent der Menschen sind laut ARD-Deutschlandtrend gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Das gibt Anlass zu Hoffnung!
Dank an Stephan Hebel für seinen Artikel „Was wir verteidigen“ (7.2.), in dem er die verbreiteten Vorurteils-Klischees gegenüber Russlands Ukraine-Politik zurechtrückt. Es ist kein Verrat an den westlichen politischen Werten der Freiheit und Demokratie, wenn deren „Export“ (Herfried Münkler) nicht zum Leitbild der Außenpolitik gemacht, sondern versucht wird, Interessenlagen der anderen Seite („Gegenseite“?) zu erkunden und zu berücksichtigen.
Ist dies nach 1990 hinreichend geschehen? Mitnichten. Die Osterweiterungen der NATO stützten sich auf den freien Entscheid der beigetretenen Staaten – das ist richtig. Aber wie musste sie auf Russland wirken?
Ein kontrafaktisches Gedankenspiel: Die USA erleben eine Schwächeperiode, Florida spaltet sich ab und – Russland strebt ein Bündnis mit dem „souveränen Florida“ an. Wie würde Washington reagieren? Man denke mal an die Kuba-Krise 1962. Und angesichts der historischen Vergangenheit finde ich die Anwesenheit einer – wenn auch kleinen – deutschen Panzereinheit in Litauen nicht sehr „taktvoll“.
Da sollte man nicht immer auf den bösen Putin schimpfen; das verengt den Blick auf das Gesamtproblem. Und dass Scholz sich nicht mit vorschnellem Geplapper in die internationale Szenerie gedrängt hat, war richtig. Es lässt der Diplomatie weitere Spielräume. Ich hoffe, er passt auf Frau Baerbock gut auf. Sie kann von ihm lernen!
Endlich mal ein Artikel in der FR, der eine andere Perspektive aufzeigt als die, die uns zur Zeit über die Spannungen in Osteuropa von deutschen Politikern Tag für Tag angeboten wird, nämlich Rußland als Verursacher der angespannten Lage zu beschuldigen. Haben diese Politiker nicht im Sinn bzw. sogar vergessen, dass Hitlerdeutschland 1941 Rußland überfallen hat, obwohl am 28. 9. 1939 ein deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag abgeschlossen worden war. Und daß Rußland bei weitem die größten Verluste im 2. Weltkrieg zu beklagen hatte. Wozu braucht die Nato die Ukraine? Wozu muß die Nato Manöver in den an Rußland angrenzenden Ländern durchführen? Wozu wurden Raketen aufgestellt? Haben von daher die Russen nicht genug Grund, mißtrauisch zu sein? Darum sollte unsere Außenministerin doch wissen und darüber in der Öffentlichkeit sprechen und nicht stereotyp sich US- amerikanischen Äußerungen und Bewertungen anschließen.
Ein Wort noch zur so genannten „russischen Staatsräson“: Eine solche Räson interpretiert überall auf der Welt, wer jeweils die Staatsmacht innehat. Für Putin erlauben staatsbürgerliche Freiheiten und menschenrechtliche Garantien den Zerfall der Staatseinheit, also sind sie abzuschaffen. Merkwürdig ist nur: Putins Politik in und mit Russland hat dem ukrainischen Nationalismus einen Auftrieb verschafft, wie es ihn zuletzt vor 100 Jahren gegeben hat. Wenn jetzt 60 % der ukrainischen Bevölkerung den Eintritt in die NATO wünschen und wohl noch mehr kein Zurück in einen großrussischen Staatsverband, ist das die geniale staatsmännische Leistung des russischen Staatschefs.
In seinem Kommentar meint Stephan Hebel „Was weitgehend fehlt, sind neue Ideen für eine friedliche und stabile Koexistenz zwischen West-/Mitteleuropa und dem großen Nachbarn im Osten.“ Danke an Klaus Philipp, dass er in seinem Leserbrief auf einige Friedens-Abkommen hinweist, die bereits mit der SU/Russland abgeschlossen wurden und die „im Einklang mit der Weltfriedensordnung“ stehen: KSZE Schlussakte 1975, KSZE-Charta von Paris 1990, die Nato-Russland-Grundakte von 1997 und das Budapester Memorandum von 1994, in dem Russland seine Garantie für den Schutz der ukrainischen Grenzen unterschrieb – im Gegenzug rüstete die Ukraine ihr dritt größtes Atomwaffenarsenal der Welt ab. Dieses Memorandum rief dankenswerterweise Stephan Scholl am 29./30.01.2022 unter dem Titel „Was sind Moskaus Zusagen wert?“ ins Gedächtnis zurück.
Herr Philipp schreibt weiter: „Den osteuropäischen Staaten war nach der Auflösung der UdSSR nicht zu verdenken, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen den Warschauer Pakt bei erster Gelegenheit verlassen haben.“ Den historisch älteren und noch viel wichtigeren Grund, warum die mittel-, ost-, und nordeuropäischen Länder sowohl Russland als auch Deutschland misstrauen, ist der FR leider noch keine Zeile wert gewesen. Es geht um die „geheimen Zusatzprotokolle“ des „Nichtangriffspaktes“ vom August 1939, in denen Deutschland und die UdSSR ihre Interessensphären absteckten und kurz darauf die entsprechenden Länder mit Krieg, Besatzung, Massendeportationen und Massenmorden überzogen. Deutschland bekam Westpolen (1. September 1939). Die Sowjetunion dagegen Ostpolen (17. September 1939), Finnland (30. November 1939), Baltische Staaten (Frühjahr 1940), Rumänien/Bessarabien und Nordbukowina (26. Juni 1940). Im kollektiven Gedächtnis jener Länder spielt dies nach wie vor eine nachhaltige Rolle. Die Sowjetunion okkupierte diese Länder (bis auf Finnland) auch nach 1945, und es sind diese Länder, die nun eine Wiederholung der Geschichte fürchten.
So schrieb Karl August Winkler bereits 2014: „Bei Putins deutschen Apologeten geht das Verständnis, das sie für russische Sicherheitsinteressen aufbringen, mit einem Mangel an Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse der Staaten Ostmittel- und Südosteuropas einher. Die Folge sind neue Zweifel an der Berechenbarkeit Deutschlands.“ Auch das „Einsammeln russischer Erde“, d.h. Putins expansiver Nationalismus, hat Tradition und wird von deutschen Rechten (Gauland) wie Linken (Wagenknecht) gerechtfertigt, ebenso Putins neoimperialistisches Projekt einer „Eurasischen Union“. Hier täte Aufklärung durch die FR not. https://internationalepolitik.de/de/die-rueckkehr-des-voelkischen-nationalismus
Wir teilen die Besorgnis hinsichtlich des russisch-ukrainischen Konflikts. Wir sind jedoch der Meinung, dass die jetzige Situation als eine Art Machtdemonstration seitens Putins zu betrachten ist, um sein Ego aufzupolieren.
Seit Jahren wird Russland aus verschiedenen Anlässen mit Embargos bestraft und dazu kommt noch die Aussage von Barack Obama, Russland sei ein unbedeutendes Land. Wie glaubt man eigentlich, wie sich Putin dabei fühlt? Wir meinen. man sollte ihm mehr Respekt zollen und nicht in die Isolation treiben.
Angesicht der schlechten Performance unserer amerikanischen Freunden in den letzten 60 Jahren (Schweinebuchtdebakel, Vietnamkrieg, Iraküberfall etc.) sollten wir Europäer („old Europe“) vorsichtig handeln und uns nicht in irgendwelche Kriegsabenteuer einlassen, frei nach dem Motto: Lieber eine lebende Taube als ein toter Adler.
Es wäre ratsam, basierend auf der mehrmals wiederholten Zusicherung Russlands, dass ein Krieg mit der Ukraine nicht beabsichtigt ist, weiter zu verhandeln und, anstatt zu drohen, lieber Zusammenarbeit anbieten. Ein Krieg würde den Kollaps der Börsen und Milliardenverluste verursachen. Nur China würde sich ins Fäustchen lachen und seine Dominanz ausbauen.
Fakt ist, dass aufgrund der sich anbahnenden Klimakatastrophe ein Krieg so überflüssig wie ein Kropf ist. Ob die Ostseepipeline Nord Stream 2 in Betrieb genommen wird oder nicht, wäre im Kriegsfall völlig irrelevant, denn es ist anzunehmen, dass Russland die Gas- und Öllieferungen ohnehin einstellen würde.
Das hab ich mir schon seit Tagen überlegt: Was macht der Westen mit all den schönen Sanktionen, wenn „der Russe“ doch nicht in die Ukraine einmarschiert? Ich hab ne Idee: Trotzdem einsetzen wegen Putins Delikt der Erregung öffentlichen Ärgernisses! Genial! Gell?
Es ist schwer zu sagen was Putin wirklich will. Der Istzustand hat für ihn große Vorteile. Russland verdient durch den hohen Öl und Gaspreis viele Milliarden Euro zusätzlich. Ich denke das sollte man nicht unterschätzen. Außerdem ist die NATO Osterweiterung kein Thema mehr. Es könnte gut sein das ihm das reicht. Vielleicht will er aber auch tatsächlich das was er in den Briefen fordert und die NATO zurück drängen. Dann wird es aber nicht bei einer Besetzung der Ukraine bleiben sondern zu noch mehr Aktivitäten kommen durch russische Minderheiten in anderen Ländern. Ob Putin sich da ran traut hängt wohl von China ab.
@ Helmut Lange
Kurz gesprochen: Ihre Überlegungen sind es wert, sie auch zu berücksichtigen bei all den Analysen. Vor allem die (alten) Zwangslagen der anderen osteuropäischen Staaten.
@Jürgen Herbst 13.2.
Ihre Gedanken sind auch die meinen. Nach der Auflösung des Warschauer Paktes blieb die Nato übrig. Leider.
Heute könnte sie aber einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit in Europa leisten: keine Aufnahme der Ukraine!
„Signale der Entspannung gen Moskau schicken“, „Wege aus der Krise suchen“, Andreas Schwarzkopfs Meinung in der heutigen FR statt Drohkulissen !
Die Münchner MSC könnte vielleicht helfen, dem anwesenden Präsidenten W. Selenskyj diesen Tip zum Wohle seines Landes zugeben.
Ein Krieg in Europa wäre ein schlimmes Armutszeugnis für die EU incl. USA und Russland.
Hoffen statt Bangen…Frieden schaffen eben ohne Waffen.
Sollte Russland wirklich in die Ukraine einmarschieren wird es nicht reichen Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Die Ukraine wird man nicht verteidigen können aber es stellt sich sofort die Frage was mit dem Baltikum ist. Die NATO wird sich die Frage stellen müssen ob sie das Baltikum auch militärisch verteidigen will und wenn dem so ist das Putin klar zu signalisieren. Das geht letztlich nur über eine Mobilmachung und der Stationierung von Truppen an der NATO Ostgrenze. Es ist schlimm aber wohl nicht zu ändern wenn mit einem Angriff auf NATO Länder real zu rechnen ist. Es ist letztlich egal was alles die letzten Jahre zu dieser Situation geführt hat. Zumal es sein kann das ein Russland/China Bündnis nicht friedlich wäre wenn es die Nato Osterweiterung nicht gegeben hätte. Wenn es zur Invasion kommt hat das mit einer Machtverschiebung zu tun die das dann ermöglicht hat.