Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 6

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Es ist bedrückend zu beobachten, wie die Pandemie ihren Lauf nimmt. So viele Tote! Gestern Abend wurden 22.364 Infizierte gemeldet und 84 Todesopfer in Deutschland. Alles vorhersehbar, im Grunde, denn der Verlauf solcher Infektionen folgt bestimmten Gesetzen. Aber das ist kein Gedanke, der Trost spenden könnte. Am Ende sind wir alle allein.

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 6
Sonntag, 22. März 2020

Gerade eine Runde durchs Senefelderviertel gemacht und Gänse fotografiert. Die haben die Ruhe weg. Stehen auf einem Bein im Wasser und schlafen. Das möchte ich auch können.

Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Sie haben ja Recht. Man soll sich nicht verrückt machen. Darum folge ich der Entwicklung heute nur mit einem Auge. Mit dem anderen bin ich in Tunesien. Es ist Sonntag, Wochenende, ich habe frei, habe aber trotzdem vorhin im Redaktionssystem nachgesehen, ob mit den Leserforumseiten, die ich für Montag produziert habe, alles glatt läuft. Scheint so zu sein. Zu Euren Händen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Frankfurter Rundschau.

Einer der Vorteile, die man als Mensch mit lebhafter Phantasie hat, ist der, dass man leicht auf Reisen gehen kann, ohne das Stübchen zu verlassen. Ungemein hilfreich in Zeiten der Pandemie. Bis mir die Decke auf den Kopf fällt, muss noch eine Menge passieren. Allerdings glaube ich nicht, dass es jemals so weit kommt, denn das Kontaktverbot, das die Regierung zusammen mit den Bundesländern auf den Weg bringen will, ist keine Ausgangssperre und klingt alles in allem vernünftig, da es die Menschen ernst nimmt und an ihre Vernunft und ihr Verantwortungsgefühl rührt. Es wird also weiter möglich sein, die üblichen Einkaufsgänge zu machen.

Ich schreibe derweil an meinem neuen Roman „Drovettis Tagebuch“. Bernardino Drovetti ist eine historische Figur: Napoleons Generalkonsul in Ägypten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wer sich ein bisschen mit Archäologie und Ägyptologie beschäftigt hat, weiß: Das war eine spannende Zeit. Von einer Wissenschaft namens Archäologie konnte man noch nicht reden, denn weder gab es das Instrumentarium noch die Methodik für systematische Grabungen, wie wir sie heute kennen. Das ging noch lange so weiter, sogar noch über die 1870er Jahre hinaus, als Schliemann in „Troja“ grub. Dabei hat er bekanntlich vieles von dem zerstört, was er eigentlich finden wollte. Aber es war ein Zeitalter der Entdeckungen, und dabei spielt jener Bernardino Drovetti eine gewisse Rolle. Zu seinem mutmaßlich eigenen Leidwesen allerdings nur eine nachrangige, denn ein gewisser Giovanni Battista Belzoni war ihm stets eine Nasenlänge voraus bei den schönsten Entdeckungen. Diese historischen Figuren kehren wieder im Film „Jäger des verlorenen Schatzes“, wo Indiana Jones (Belzoni) mit seinem ewigen Widersacher Belloq (Drovetti; Schauspieler Paul Freeman sieht dem historischen Drovetti sogar ähnlich) ringt. Und ich lasse ihre Nachfahren Serafina Belzoni und Bernard Drovetti in meinen Romanen erneut einen Wettlauf auf der Suche nach einem pharaonischen Grabschatz vollführen.

Kein ernstes, politisches Thema, aber genau das ist es vielleicht, was wir gerade brauchen: ein bisschen Ablenkung, ein bisschen Unterhaltung, ein anderer Horizont. In diesem vierten Kapitel des Romans, an dem ich gerade arbeite, sammeln sich die Archäologen in Tunis, da sie gerade aus dem von Islamisten regierten Ägypten des Jahres 2013 vertrieben worden sind. Es steht die Frage im Raum: Wie geht es weiter?

Das ist ohnehin immer die Frage, nicht wahr? Ich kann schon mal verraten, wie es heute Abend weitergeht: mit Confit de Canard, wie gestern schon angekündigt, mit „Tatort“ und Anne Will. „Tatort“ ist bei uns ohnehin gesetzt (bis auf wenige Ausnahmen), und Anne Will ist in diesen Zeiten einfach ein Muss. Man kann mit Fug und Recht unterschiedlicher Meinung darüber sein, welche Rolle Talkshows bei der Selbstvergewisserung haben, aber zurzeit führt kein Weg an ihnen vorbei, wenn man hören und einordnen will, was derzeit passiert.

Confit de Canard im Wasserbad auf dem Herd.
Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Es kamen ein paar Mails herein wegen Confit de Canard. Liebe Leute, Ihr könnt hier ganz einfach einen Kommentar schreiben, statt mir zu mailen. Damit schadet Ihr niemandem, auch nicht Euch selbst. Aber Mails sind natürlich auch okay. Wie schon gesagt: Confit de Canard ist eine französische Spezialität. Entenschenkel, in Schmalz konserviert. Die Konservendose wird erhitzt, die Schenkel schließlich herausgehoben und in den warmen Ofen gelegt, um abzutropfen. Dazu gibt es, klassisch französisch, Kartoffelgratin (mit Gruyère) und, dies ist eher deutsch, Rotkohl. Dazu natürlich ein schöner trockener Rotwein. Wohl bekomm’s!

Und was gibt es heute bei Ihnen?

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9 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 6

  1. Lieber Herr Büge,
    Was die lebhafte Phantasie angeht, kann ich mich Ihnen anschließen. Das Gefühl, in verordneter Unfreiheit zu leben, macht mir mehr aus, sls mich in dieser unfreien Situation zu beschäftigen. Es gibt ja so viel zu schreiben und zu lesen.
    Was mich allerdings aufregt, ist der zunehmend autoritäre Ton bei Sondersendungen im TV. Herr Montgomery, Chef der Ärztevereinigung, will unvernünftigen Menschen gar vor den Bug schießen. Viele rufen nach starken Männern, die endlich durchgreifen. Dahinter verbirgt sich nicht nur die Sorge um durch das Virus gefähredete Menschen, sondern eine autoritätsgläubige Haltung. Es wird schwer werden, nach der Krise wieder verbal abzurüsten, sich wieder haltungsmäßig ganz normalen, demokratischen Gepflogenheiten zu widmen und Solidarität und Transparenz werden hoffentlich nicht wieder vergessen sein. Da sind noch Andere, die sie weiterhin brauchen.
    ich bin Ihnen dankbar für Ihr Home-Office, es repräsentiert Alltag und sorgt für Entspannung.

  2. Danke, lieber Herr Maxeiner, ich freue mich über das Feedback.

    Ja, ich habe bisher keine Probleme, mich in der Quasi-Isolation zu beschäftigen. Trotzdem bereitet auch mir der Gedanke ein bisschen Bauchweh, dass man bestimmte Dinge jetzt einfach nicht darf. Dieses Nicht-Dürfen ist nicht freiwillig gewählt, sondern ein Zwang von außen. Schon sonderbar, wenn man gleichzeitig seine Freiheit liebt, nicht wahr? Ich versuche, daran vorbei zu denken. Nicht im Sinne von Verdrängen, das ist kaum möglich, das einem diese Notwendigkeit ja ständig vor Augen geführt wird. Eher im Sinne von Vermeiden. Es gibt schöne Dinge, an die man stattdessen denken kann, und man kann sich gedanklich auf Reisen begeben, ohne sich von der Stelle zu rühren.
    Den Herrn Montgomery würde ich übrigens nicht zu ernst nehmen. Er nutzt die Gunst der Stunde, um sich ins Spiel zu bringen. Das muss er als politischer Funktionär. Täte er das nicht, wäre er auf diesem Posten eine Fehlbesetzung. Was er da sagt, ist letztlich zweitrangig. Allerdings fand ich es gut und richtig, dass er neulich im FR-Interview dem Dr. Wodarg Kontra gegeben hat, der zurzeit überall im Netz Konjunktur hat. Die Pulmologen haben sich ja schon in Sachen Stickoxid-Debatte nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Was Dr. Wodarg in seinem Youtube-Video da verbreitet hat, riecht nicht gerade nach Expertise. Ich verlinke das Video nicht, weil ich so was nicht bei der Verbreitung unterstützen will.

  3. @ Robert Maxeiner
    @ Bronski

    Hallo!
    Ich habe in den Sondersendungen oder Talkshows eigentlich nicht so was Autoritäres bei den „Experten“/Gästen empfunden. Gut, Montgomery, da fällt es nicht so auf, weil er immer so ist.
    Und Söder, staatsmännisch wichtig tuend, aber das ist bekannt. Vielleicht hatte ich dafür noch nicht den Riecher, weil mir die Informationen an sich wichtiger sind.
    Mit der freiwilligen Quarantäne habe ich bisher keine Schwierigkeiten, was auch daran liegt, dass ich im Endspurt bei unserem Wohnungslosen-buch bin, also gut beschäftigt bin.
    Tagsüber lese ich nur die Zeitungen und TV-Sendungen schaue ich erst abends. Man muss nicht dauer-informiert werden (Internet). Das ist natürlich für Sie, lieber Bronski, etwas Anderes.
    So am Rande wollte ich noch sagen – und das ist jetzt wirklich „Old School“ (Entschuldigung, englisch!). Für bestimmte Berufe und Berufsgruppen lasse ich „Home-office“ gut gelten (z.B. Redakteure, schreibende Zunft oder
    Sekretäre), aber ich setze mich allzu gerne dafür ein, einfach „Heimarbeit“ zu sagen.
    Das wird mir wenig Sympathien einbringen, aber irgendwie stört mich schon der inflationäre Gebrauch.
    Entschuldigung, diese Störung – aber ich wollte es einfach mal loswerden, auch wenn es jetzt nur eine Luftnummer ist.
    Auf bessere Zeiten!

  4. Sorry ich muss das jetzt schreiben. Ich habe gerade in der FR die Geschichte von Herr Z gelesen der bedauerlicherweise eine andere Krankheit als Corona hat. Meint die Redaktion der FR wirklich das irgendetwas anders ist wenn man Corona hat? Ich will einmal schildern wie das die letzten 5 Tage so gelaufen ist. Am Donnerstag letzter Woche kam meine Mutter mit Coronaverdacht ins Krankenhaus. Am Sonntag bekamen wir das Ergebnis das sie positiv ist. Das hat deshalb so lange gedauert weil das Krankenhaus versäumt hat den Test zügig ins Labor zu schicken. Das passierte obwohl wir darauf aufmerksam gemacht haben das ein Pflegedienst seine Einsatzplanung erst machen kann wenn man weiß ob die Pfleger die Kontakt zu meiner Mutter hatten bei anderen Menschen eingesetzt werden können oder nicht. Ob die Pfleger getestet worden sind? Würde ich nicht viel darauf wetten. Bei uns ging das dann so weiter das wir vom Gesundheitsamt bis 02.04. unter Quarantäne gestellt worden sind. Die Frage ob wir auch getestet werden wurde verneint mit dem Hinweis das sich die Regeln wer getestet wird jeden Tag ändern. Als Grund wurde genannt das wir ja noch keine starken Symptome aufweisen und deshalb stabil
    einfach in Quarantäne weiter leben können. Inzwischen weißen wir aber Symptome auf. Meine Schwester hat gestern mit Fieber beim Gesundheitsamt angerufen und die Auskunft bekommen das ein Test wohl nicht der beste Plan wäre da sie sich mit über 39 Grad Fieber in einer Menschenschlange anstellen müsste. Wenn dann bei dem Test raus kommt das sie positiv ist bekommt sie Quarantäne und sonst nichts. Das hat sie aber schon Warum soll man dann noch testen. Sollte es schlimmer werden soll sie die 116117 anrufen. Meine Partnerin hat heute starken Husten wahrscheinlich ruft die nächsten Stunden das Gesundheitsamt an. Eigentlich ist mir klar was sie sagen.

  5. Ich sollte das was ich heute morgen auch mit einem Stück Frust im Bauch geschrieben habe, und da könnte ich durchaus noch mehr schreiben, relativieren.
    Die Menschen mit denen ich telefonisch Kontakt habe oder hatte vom Gesundheitsamt, Pflegedienst u.s.w. verhalten sich mir gegenüber , auch wenn ich wie oben beschrieben nicht mit allem einverstanden bin, korrekt und freundlich. Dafür möchte ich mich auch bedanken. Das System ist halt auch an der Grenze der Belastbarkeit angekommen. Das sollte man immer auch sehen.

  6. zu @ Bronski
    Die FR hat doch jeden Tag das Thema Fragen zu Corona.
    Mich und meine Familie würde jetzt einmal die Frage interessieren. Was ist von Menschen zu halten die Corona überstanden haben. Sind die Viren ein Tag nach der Quarantäne schlagartig weg u.s.w.

  7. Hallo hans,

    nein, die Viren sind natürlich nicht schlagartig weg, aber wer die Infektion überstanden hat, der hat nach allem, was wir bisher wissen, Immunität aufgebaut, d.h. er/sie ist selbst nicht mehr infektiös, verbreitet das Virus also nicht mehr weiter und kann auch nicht wieder krank werden. Jedenfalls nicht durch denselben Virenstamm. Es besteht natürlich die Gefahr, dass das Virus mutiert. Das kann irgendwo da draußen schon geschehen sein. Gegen eine neue Variante hätte jemand, der Sars-CoV-2 hinter sich hat, keine volle Immunität, aber vermutlich eine Teilimmunität, so wie das bei den Influenzaviren ja jedes Jahr ist, d.h. er/sie käme mit einer Wieder-Infektion besser klar als mit der Erstinfektion, wie wir sie derzeit erleben. Die Grippewellen, die durchs Land ziehen, sind auf variierte Grippe-Erreger zurückzuführen. Derartiges wird künftig wohl auch mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 geschehen. Aber da reden wir von Zeiträumen von mindestens einem Jahr. So eine Infektionswelle muss sich aufbauen, so was passiert nicht aus dem Nichts heraus. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man sagen: Wer Sars-CoV-2 hinter sich hat – um das nachzuweisen, gibt es Antikörpertests, das sind andere Tests als die DNA-Tests, die jetzt überwiegend eingesetzt werden -, der ist für seine Umgebung keine Gefahr mehr.

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