Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie
Kann es sein, dass plötzlich viele Menschen viel mehr Zeit haben? Oder bilde ich mir nur ein, dass heute deutlich mehr Mails hereinkommen als gewohnt? Vielleicht bin ich auch gerade nur überempfindlich wegen der neuen Situation? Ab heute bin ich nämlich im Homeoffice, wegen dem Coronavirus Sars-CoV-2. Ich schreibe nicht Home-Office, home office oder gar „home office“, sondern benutze die vom Duden empfohlene Schreibweise. Homeoffice ist nunmehr ein deutsches Wort. Die Sprache wandelt sich. Die Arbeitswelt in Zeiten des Coronavirus ebenfalls. Und darüber will ich hier ein wenig Tagebuch führen. Wenn Sie wollen, können Sie die Kommentarfunktion unterhalb dieses Textes dazu benutzen, Ihre Erfahrungen beizutragen.
Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 1
Dienstag, 17. März 2020
Seit heute können wir FR-Leute von zu Hause aus arbeiten. Wir müssen nicht, wir dürfen. Ich habe dieses Angebot gern angenommen, wegen der Pandemie und weil ich mit der Situation im Großraumbüro nicht gut klarkomme. Aber ehrlich gesagt: An die Redaktionsarbeit im Homeoffice werde ich mich ebenfalls erst noch gewöhnen müssen. Redaktionelle Absprachen werden schwerer. Man geht eben nicht einfach hin zu jemandem, mit dem oder der man was klären möchte, sondern muss telefonieren oder chatten, und wenn man die betreffende Person nicht erwischt, wartet man. Das wird aber sicher nicht immer Stunden dauern so wie heute in mehreren Fällen. Die Dinge werden sich einspielen.
Man lernt in solchen Situationen Neues. Ich durfte heute zum Beispiel lernen, dass ich mein Telefon nicht auf Lautsprecher schalten darf, wenn ich mich von zu Hause aus in die Redaktions-Telefonkonferenz einwähle. Zumindest nicht, wenn meine beiden Nymphensittiche im selben Raum sind. Max Belzoni (l.) und Paul Drovetti reagierten sofort auf die Geräusche aus dem Telefon. Sie hören sehr gut – wenn sie wollen. Und dann wurden die beiden laut und waren den Reaktionen aus dem Telefon zufolge auch im Konferenzraum der Redaktion deutlich zu hören.
Foto: Lutz „Bronski“ Büge
Ich bin nicht infiziert. Nicht dass ich wüsste. Auch in der Redaktion gibt es meines Wissens bisher keine infizierten Menschen. Aber Homeoffice hilft präventiv dabei, dass es gar nicht erst zu Infektionen kommt, denn es dünnt die Reihen aus und nimmt dem Erreger die Chance der leichten Weitergabe. Genau das ist jetzt das wichtigste Mittel, wenn man die Zunahme der Neuinfektionen verlangsamen will. Daher auch die Schließungen von Schulen, Kitas, Universitäten, Geschäften, die Absage von Veranstaltungen und Konzerten. Das sind alles richtige Schritte, auch wenn sie ein bisschen spät kommen. 17 Tote gibt es bisher in Deutschland und … Infizierte. Aber hinterher ist man immer klüger, nicht wahr?
Plötzlich bekommt mein heimischer Arbeitsplatz, an dem ich sonst unter anderem meine Romane schreibe, etwas Bedrückendes. Ich sitze jetzt nicht mehr hier, um etwas Schönes, Kreatives zu tun, sondern vor allem zum Schutz – und zwar zu meinem eigenen und dem anderer Menschen. Das Leserforum von heute ruft ebenfalls dazu auf: „Schützen Sie sich und damit auch uns!“ lautet die Schlagzeile. Diese Aufforderung ist dem Leserinbrief von Diana Tetzner entnommen, die als Pflegekraft auf einer Kinder-Intensivstation arbeitet und sich davor sorgt, überfordert zu werden von zu vielen infizierten Menschen. Sie steht an vorderster Front. Ich habe Hochachtung vor Menschen, die solche möglicherweise gefährlichen Arbeiten übernehmen. Also schützen wir uns – und damit auch Menschen wie Frau Tetzner. Aber fühle ich mich hier, an meinem eigenen Schreibtisch, wirklich geschützt? Die Situation ist irritierend neu, das Bauchgefühl ist indifferent. Hätte ich mir so nicht vorgestellt.
Inzwischen mehr als 7000 Tote durch Sars-CoV-2 weltweit. Ein sprunghafter Anstieg der Infiziertenzahlen in Spanien, 2000 neue Fälle binnen eines Tages. Die Fußball-EM 2020 wird verschoben. Daneben liest es sich fast wie eine Petitesse, dass sich der CDU-Politiker Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzender werden will und daher zurzeit ständig auf Tour ist, mit dem Coronavirus angesteckt hat. Er muss in Quarantäne. Hoffentlich hat er bei seinen Veranstaltungen darauf geachtet, dass er niemandem die Hand gibt. Diese Veranstaltungen abzusagen, war für ihn wohl keine Option. So wie es für zahlreiche Menschen gestern offensichtlich keine Option war, sich nicht auf dem Frankfurter Opernplatz im Sonnenschein in die Cafés zu setzen – und auch nirgendwo sonst. Solche Szenen musste ich gestern auf der Heimfahrt mehrfach beobachten. In anderen Ländern ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen, weil dort mit restriktiven Maßnahmen durchgegriffen wurde. In Deutschland dauert es anscheinend länger, bis die Verantwortlichen begreifen, dass man die Menschen wohl mit Verboten zu ihrer Gesundheit zwingen muss. Vielleicht lernen wir daraus auch was in Sachen Klimaschutz.
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Heute haben sie gesagt, es reicht wenn wir Handschuhe und Maske tragen. Habe ich gemacht.Überall hatten sie aber Pullover und Hosen an.
Alle machen Homeoffice? Wie das? Geht bei den meisten Firmen doch garnicht. Es fehlt die erforderliche Infrastruktur von der Hardware und Software aus. Es fehlen außerhalb der Zentren die Glasfaserkabel, die Masten, um deren Standorte und die Benutzung durch mehrere Anbieter noch gefeilscht wird. Jahrelang wurde gestritten um die Ausschreibung und Zulassung der Frequenzen und Anbieter.
Zu den Schulen. Dasselbe Dilemma. Meist kein Internet, kein WLAN, keine Tablets. Keine entsprechende Fortbildung für die Lehrer, keine darauf zugeschnittenen Lehrpläne usw. Das Finanzamt erkennt die Beschaffung von den Tablets, PC usw.der Lehrer bei der Einkommensteuer nicht an.
Jetzt die Schulen, die Kindergärten geschlossen? Mehr als die Hälfte der Eltern arbeitet. Also Teilbesetzung der Klassen – Gefahrenpotenzial wie zuvor.
Gesundheitskarte. Jetzt bräuchten wir sie! Der gesamte gesundheitliche Lebenslauf eines Patienten samt aller Daten, Behandlungsverläufe, Medikamente, Ärzte, Krankenhäuser usw. ist sofort übertragbar. Die Anamnese steht. Sie wird derzeit von einem Arzt bei der Aufnahme erhoben. Eine halbe Stunde wird ärztliche Tätigkeit verbraten. Nicht auszudenken in der derzeitigen Krise.
Einkäufe per Karte oder Handy. Verschleppt von Politik und Handel sowie uns, dem Verbraucher. Banken, Sparkassen bieten es an. In der Zeit höchster Virusgefahr stehen wir dicht bei dicht in der Schlange im Supermarkt. Das Verkaufspersonal wird auch durch den Zeitaufwand und den Bezahlvorgang zusätzlich gefährdet. Es könnte ökonomischer eingesetzt werden.
Packen wir es an – gegebenenfalls bei der nächsten Wahl.