Es ist mehr als ein Jahr her, dass wir hier einen Blogtalk veranstaltet haben. Damals sprachen wir mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer. Danach war mein Schwung erstmal erlahmt, obwohl aus der FR-Redaktion heraus nicht nur für das Ergebnis, sondern auch für die Initiative, dieses immer noch ziemlich ungewöhnliche Interview-Format überhaupt einzusetzen, ziemlich viel Anerkennung und Zustimmung kam. Das Interview mit Christian Pfeiffer, das ich aus dem Blogtalk extrahiert hatte, war damals auf einer Bronski-Seite in der Print-FR veröffentlicht worden. Die Kolleginnen und Kollegen der Politik-Redaktion staunten, welche zusätzlichen journalistischen Möglichkeiten Blogtalks bieten können. Eigentlich wollten wir sowas daraufhin häufiger machen.
Damals ging es um die Frage: „Wie braun ist unsere Jugend?“ Ein knallhartes politisches Thema. Diesmal werden sich Hans-Hermann Kotte und Lutz Büge (FR) mit einem Thema beschäftigen, das nur scheinbar etwas weicher ist: mit dem „Kampf der Kulturen“ beim Eurovision Song Contest (ESC). Für diesen Blogtalk haben wir einen jungen, namhaften ESC-Experten gewinnen können, Dr. Irving Wolther, Jahrgang 1969. Er hat angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften an den Universitäten Mainz und Genf sowie Journalistik an der Hochschule für Musik und Theater Hannover studiert. Promotion 2006 mit „Kampf der Kulturen“, das auch als Buch vorliegt, und das die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung des ESC ist. Er schreibt u.a. für die Eurovisions-Seite des NDR. Besonders schön finde ich, dass er in dem Zeitraum, in dem wir den Blogtalk führen werden – das ist vom 17. bis 21. Mai – bereits in Oslo vor Ort ist. Er wird uns sicher viele interessante Einzeleindrücke liefern.
Allerdings wollen wir uns nicht nur – und nicht einmal in erster Linie – mit dem aktuellen ESC befassen, bei dem Lena Meyer-Landrut für Deutschland antritt, sondern vor allem mit den kulturellen und politischen Hintergründen. Mit Nationalstolz, mit Aversionen. Wir wollen versuchen herauszufinden, was der ESC zum Zusammenwachsen Europas beigetragen hat oder beitragen könnte, und anhand der deutschen ESC-Beiträge wollen wir auch ein wenig in die deutsche Seele schauen.
Als Blog-User könnt Ihr bei diesem Blogtalk mitreden und -fragen. Ich bitte allerdings darum, Klarnamen zu verwenden. Das gebietet allein schon die Höflichkeit Irving Wolther gegenüber. Sollte ein Nickname unbedingt beibehalten werden, könnt Ihr den Klarnamen aber auch mit einer kurzen Mail an mich hinterlegen. Richtet diese Mail bitte an bronski{at}fr-online{punkt}de.
Ich freue mich auf eine lebhafte Blog-Woche!
Bis dahin ist ja noch etwas Zeit. Da ich solche Blogtalks künftig häufiger machen möchte – etwa im Abstand von drei Monaten -, frage ich jetzt mal in die Runde, ob Ihr Vorschläge habt, wen Ihr hier mal zum Gespräch haben wollt. Denn Ihr könnt hier partizipieren. Da hinter diesem Blog die Frankfurter Rundschau steckt und eine Veröffentlichung als Interview auf der Bronski-Seite winkt, ist es durchaus auch möglich, mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten für einen Blogtalk zu gewinnen. Das Beispiel Christian Pfeiffer zeigt das ja. Also nur keine Scheu.
Dem einen oder der anderen mag es merkwürdig erscheinen, dass die Ergebnisse solcher Blogtalks ausgerechnet auf der Bronski-Seite erscheinen, der Leserbriefseite der FR. Das liegt an der Verknüpfung der Print-Seite „Bronski“ mit diesem Blog. Diskussionen, die durch Leserbriefe angestoßen werden, können im Blog weitergeführt und vertieft werden, und in der Vergangenheit fanden Ausschnitte aus hier laufenden Diskussionen häufig den Weg auf die Print-Seite, wurden dort noch einmal veröffentlicht und damit einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das ist nun schon seit einem ganzen Weilchen nicht mehr geschehen. Spätestens am 28. oder 29. Mai, wenn das Interview mit Irving Wolther in der FR erscheint, wird es also wieder so weit sein.
@bronski
Den ESC als „Kampf der Kulturen“ darzustellen, erfordert schon ein Menge journalistischer Hinterlistigkeit.
Bislang war mir die Kritik am ESC doch mehr als als Kampf um Kultur gegenwärtig oder als Kampf gegen Kulturverarmung.
Das kann doch nur darin enden, dass man „nationale Identität“ lieber in so belanglose Bahnen wie „Sport, Spiel und Spannung“ lenkt, bevor sie in unerfreuliche Sümpfe unterm Donnerbalken abgleitet.
Da stelle ich doch lieber die Frage, wer eigentlich solcherlei aufgebauschte Kämpfe braucht.
Einen „Kampf der Kulturen“ braucht es jedenfalls nicht, weil ein Sieg einer Kultur den Untergang einer anderen bedingt.
Wenn eine Kultur sich auf diese Bedingung einlässt, ist sie schon keine mehr.
Mach lieber eine Blogtalk zum Mißbrauch.
Ja, lieber Bronski, bei allem Respekt, ich stehe da hinter BvG. Ich sehe ja auch die Qual der Zeitungen, sich der Jugend zu öffnen, um neue Interessenten zu gewinnen. Und ich wünsche mir auch den Erhalt der gedruckten Zeitungen, unbedingt. Aber gelernt habe ich, dass der GUTE Journalismus die Leser zu sich herauf zieht, kulturell, kritisch, informativ, anregend. Die Verflachung in allen Medien empfinde ich als bedrohlich. Für unsere Demokratie.
Haut gewinnt
„Kampf der Kulturen“ kann ansich nur bedeuten, westliches Klanggut gegen östliche Tonale – sinngemäß. „Deutsch“ ist bei dem musikalischen Beitrag von dem Mädel was uns vertritt, ja gar nix, weder der Beat, noch die Sprache, noch der Klang.
Mit persönlich ist diese Veranstaltung so fern wie der der letzte entdeckte Fixstern im unendlichen Universum. Aber ich denke schon, daß es durchaus interessant werden könnte, was da einhergeht. Die letzten Veranstaltungen machten ja mehr von sich reden, wer denn nicht singen durfte. „Künstlerisch wertvoll“ ist diese Veranstaltung schon lange nicht mehr. Da verfolge ich lieber das Nachwuchs-Rock-Event in der FR (diesmal ein Lob für die FR). Bin eh Underground, habe nix mit dem Oberkommerz hoch fünf am Hut.
Schönen Sonntag Euch allen.
@ Bronski: Vorschlag habe ich keinen.
@ BvG
Ich lege Wert auf die Feststellung, dass „Kampf der Kulturen“ der Titel von Dr. Wolthers Doktorarbeit ist, nicht meine Idee oder die meiner Kollegen von der FR. Und ich nehme an, dass Wolther sich damit ganz bewusst an Samuel Huntington anlehnt, der ein berühmtes und umstrittenes Buch mit dem gleichen Titel geschrieben hat. (Eigentlich „Clahs of Civilizations“, also Zusammenprall.) Huntington wird insbesondere dann gern zitiert, wenn es um den Konflikt Abendland/Islam geht. Dr. Wolther wird in dem Blogtalk sicher selbst darlegen, wie er beim ESC Strukturen erkennt, die daran erinnern.
Die Idee eines Missbrauchs-Blogtalks habe ich registriert. Mir fällt dazu allerdings momentan kein Gesprächspartner ein, der nicht schon durch alle Zeitungen gereicht worden wäre und der Hintegründiges zu diesem Thema sagen könnte. Hast du einen Vorschlag?
@ I.Werner
Ich glaube nicht, dass der ESC per se ein Jugend-Thema ist. Und ich kann mir bei allem, was ich über Dr. Wolther weiß, sehr gut vorstellen, dass er Interessantes über die politischen Dimensionen des ESC zu sagen hat. Das hat er mir am Telefon, als wir den Blogtalk abmachten, jedenfalls schon „angedroht“, als ich sagte, dass die User des FR-Blogs eher an politischen Diskussionen interessiert seien: „Keine Sorge, das wird SEHR politisch.“ Wo soll da also eine „Verflachung“ sein, nur weil wir uns mal eines populären Themas annehmen?
@ rü
„Haut gewinnt“ – da haben wir ja schon die erste These. Aber wie erklärst du dann den Sieg der Olsen Brothers im Jahr 2000? 😉
Der ESC ist eigentlich ein Wettstreit. Mit einem Kampf oder gar Krieg hat er insofern Ähnlichkeit, als es zur Bildung von Koalitionen kommt (Gibst Du mir 15, geb ich Dir 15). Wie rü richtig bemerkte, ist es kein ausgesprochener Wettstreit der Kulturen, da die Teilnahme von eigener Kultur nicht obligatorisch ist; es kann jedes Land sich auch entscheiden, uneigene Kultur, internationale Popkultur nach angelsächsischem Vorbild z.B., zu präsentieren. Man könnte es also als „Wettstreit irgendwelcher Kulturen, nicht unbedingt der Kulturen der teilnehmenden Länder, mit Kampfelementen, unter Einsatz bekleideter oder halbnackter Personen, wobei die halbnackten meistens gewinnen“ bezeichnen. Ach ja, gesungen wird manchmal auch noch, hat es jedenfalls den Anschein. Leider.
Wenn Haut mal nicht gewinnt, was selten passiert, dann wird sie eben Zweiter. Gilt auch für 2000.
Eine Idee der 68er war: „Alles ist politisch“. Muß ich noch sagen, was ich von diesem Unsinn halte? Hochpolitisch z.B. „Wadde Hadde Dudde Da“ und „Piep, Piep Piep ich hab dich lieb“! Über den ESC die Jugend an Politisches heranführen, eine wirklich Klasse Idee, ich drück die Daumen 😀 … Auf dieser Schiene jedenfalls („Alles wird irgendwie politisch, wenn man die Brechstange benutzt“) denke ich wird man aus dem ESC auch was Politisches machen können, das wird schon klappen. Spätestens am zweiten Tag nach dem Event wird die politische Relevanz dann aber trotzdem wieder mal perdu sein… weil zwei Tage danach auch niemand sich mehr daran erinnert, was überhaupt passiert ist. Das wissen dann nur noch Akademiker wie Dr. Irving Wolther, die alles mitschreiben.
Wenn Haut ausschlaggebend für den Sieg beim ESC sein sollte, hätte Deutschland im vergangenen Jahr haushoch gewinnen müssen – wegen Dita von Teese. Dieser Ansatz greift erkennbar zu kurz.
Und was Ihre geliebten 68er betrifft und den Satz „Alles ist politisch“ … Stimmt in dieser Plattheit natürlich nicht. Heute würde man sagen: Alles ist ökonomisch. Die Politik ist dem Diktat der Ökonomie nachgeordnet, wo immer man hinschaut. Und trotzdem kämpfen 43 Nationen um einen ESC-Sieg, der für die Siegernation, die die Show im Folgejahr auszurichten hat, regelmäßig zum Zuschussgeschäft wird, so wie das auch für die Olympischen Spiele vor Samaranch galt. Man fragt sich: Warum kämpfen sie trotzdem?
Aber eigentlich wollte ich hier Vorschläge einholen, welche Gesprächspartner für Blogtalks die User des FR-Blogs mal gern hätte …
@bronski
…dass “Kampf der Kulturen” der Titel von Dr. Wolthers Doktorarbeit ist,…
Ja, hatte ich auch so verstanden.
@bronski
Zum Thema Missbrauch wäre es sehr interessant, einen oder mehrere Vertreter der Schön-Kliniken einzuladen
http://www.schoen-kliniken.de/
@ Bronski:
Naja, 2000 ist schon bißchen her, ne? ^^
Die Hintergründe, das analytische, ist viel spannender als das ganze Gesinge – empfinde ich zumindest.
Unsere Vorentscheidung habe ich nur einmal kurz geschaut, da hat wer „Hotel California“ gesungen, dann den Raab und seine Kumpels dazu gehört (überbezahltes Gestottere, incl. Stolz für Deutschland zu singen), wieder weggezappt. Braucht kein Mensch. Das ist unter meinem Niveau. Wenn Trash, dann aber auch richtiger Trash. 😉
Zu dem Vorschlag „Mißbrauch“: Ich werde da aus nachvollziehbaren Gründen durch Abwesenheit glänzen, auch den Text in der Fr überspringen. Die Verlogenheit brauch ich nicht noch von Bronski serviert bekommen. Mir hat gestern der Artikel in der FR gereicht. Wen haben sie mundtot machen wollen auf der Pressekonferenz? Ein Vertreter der Opfer, die nicht am am „runden“ Tisch vertreten werden. Das ist eine so verlogene Bagasch in Politik… *sich aufregt*
Vorschlag: KRIEG – dicke Schlagzeile der FR als Titel – als erste Zeitung. Haben immer noch Bauchweh das Wort zu benutzen, trotz der Särge vor den Augen.
Gut‘ Nacht zusammen. cu rü
Zu dem Vorschlag Krieg, da sollte man vielleicht welche einladen, die da vor Ort waren, sei es als Helfer, vielleicht auch ein Soldat, falls er reden darf und keine Dinge runterleiern muß, die von anderer Stelle vorgegeben werden, und vielleicht auch wer der dort heimisch ist, eben hier lebt aber dort wieder leben will. Aber keine Politiker.
Viellicht auch den da?
http://www.focus.de/politik/cicero-exklusiv/tid-7271/nahost-experte-scholl-latour_aid_130985.html
@ BvG und Bronski
habe mir den link angesehen zu den „Schön-Kliniken“. so stellen sich doch mittlerweile alle Kliniken dar. alle haben ein super Internetportal.
wäre vielleicht auch ein Thema: „die Ökonomisierung der sozialen Dienstleistungen,“ der Begriff „Sozialindustrie“, richtig Geld verdienen, mit sozialen Nöten.
Wir besuchen seit einiger Zeit einen 8-jährigen Jungen aus unserer Nachbarschaft , der in einer geschlossenen Kinderspychatrie „behandelt“ wird. Wie er uns heute erzählte, entwickeln die Kinder dort Spiele wie „Therapeutenabwehr“. Im Internetportal klingt das alles ganz anders: intensive Elternarbeit und blah blah bah. Fakt ist: Das Kind ist weggeschlossen, wie im Gefängnis, die Betreuer, wie wir sie erleben, variieren zwischen liebevoll und rau. Eine besondere Ausbildung für angeblich gestörte Kinder scheinen sie mir nicht zu haben. Und vor allen Dingen: das Kind schien mir vor dieser Maßnahme des Jugendamtes ganz normal, neugierig und wissbegierig, auch sozial nicht gestört.
Ja, lieber Bronski, zu diesem Thema würde ich mir gern mal einen Blogtalk wünschen.
Peter Scholl-Latour fände ich persönlich sehr interessant, kann aber auch jene verstehen, die nicht wieder mal jemanden haben wollen, der schon irgendwo die „Auszeichnung“ „Geißel der Talkshows“ erhalten hat, und zwar nicht deswegen, weil er kaum in welchen auftritt. Außerdem ist nicht klar, ob die FR überhaupt jemanden zu nehmen bereit ist, der schon in der Jungen Freiheit publizierte, cicero wird wohl gerade noch gehen.
Da wäre doch das SPD-Mitglied Herta Däubler-Gmelin sicher akzeptabler. Sie ist Mitautorin des Buches „Sexueller Mißbrauch. Die Einsamkeit der Opfer. Die Hilflosigkeit der Justiz.“ und hat daher vielleicht in der momentanen Debatte was zu sagen.
Kinder wie die Zeit vergeht. Da denkt man, letztes Jahr hätten noch die No Angels für uns gezwitschert, dabei ist das schon zwei Jahre her.
„Stolz für Deutschland zu singen“ achja… Der Rest der Nation wird diesmal zu Nationalscham, Nationalschande und Nationalpeinlichkeitsgefühlen verdonnert, nur damit eine Gymnasiastin namens Lena Meyer-Landrut, die absolut nicht singen kann, stolz sein darf. Toll!
Hallo zusammen, Bronski hat mich gebeten, hier mal ein paar Fakten zum ESC einzubringen, damit vielleicht konkreter und profunder diskutiert werden kann. Ich hab mir die Top Ten des ESC seit 2000 vorhin noch mal angesehen und kann nicht bestätigen, dass Haut gewinnt bzw. sex sells. Allein der Jahrgang 2009 widerlegt das schon kraftvoll. Beiträge, die eindeutig auf Erotik gesetzt hatten spielten entweder keine oder kaum eine Rolle (Deutschland, 20. Platz, Ukraine, 12. Platz). Unter den ersten zehn waren nur zwei Beiträge mit erotischer Konnotation: Türkei, Platz 4, und Griechenland, Platz 7. Den ersten Platz machte Alexander Rybak mit seinem unwiderstehlichen Sonnyboy-Charme für Norwegen (hübsches Lied außerdem), den zweiten die schöne Isländerin Yohanna in langer Robe, durchaus in ESC-Tradition. Die ersten zehn Platzierungen von 2009 bieten einen Querschnitt durch die gesamte europäische Unterhaltungsmusik. Wir finden die langsame Ballade (Island, Großbritannien auf Platz 5), Ethnopop aus Aserbaidschan (3. Platz) und Armenien (10. Platz, die Gewandung der Künstlerinnen erinnerte mich an Burkas), Turk-Disco, Hellas-Disco, einen schönen französischen Chanson (Platz 8) und – man staune – einen sehr politischen Song aus Bosnien-Herzegowina auf Platz 9. Das Bild ist also deutlich komplexer, als rü es oben zusammengefasst hat, aber rü schaut den ESC ja auch nicht. 😉
Die Siegertitel der Jahre seit 2010 wiederlegen diese These ebenfalls.
2000: Olsen Brothers, Dänemark, „Fly On The Wings of Love“ (eingängiger, marktüblicher Popsong, heute noch in den Ohren)
2001: Tanel Padar, Dave Benton und 2XL, Estland, „Everybody“ (Partysong, kennt heute keiner mehr)
2002: Marie N., Lettland, „I Wanna“ (s. Estland), hier spielte Erotik eine gewisse Rolle
2003: Sertab Erener, Türkei, „Everyway That I Can“ (die berühmte Wickelnummer, durchaus auch erotisch)
2004: Ruzlana, Ukraine, „Wild Dances“ (hier funkte es)
2005: Helena Papararizou, Griechenland, „My Number One“
2006: Lordi, Finnland, „Hardrock Halleluja“ (eindrucksvoll, aber das genaue Gegenteil von Erotik)
2007: Marija Serifovic, Serbien, „Molitva“ (Ballade, die Vortragende widersprach allen gängigen Vorstellungen von einer erotischer Frau)
2008: Diman Bilan, Russland, „Believe“ (Stradivari und Eislauf auf der Bühne, der Junge zeigte Haut)
2009: Alexander Rybak, Norwegen, „Fairytale“ (s. Eingangsstatement).
Von zehn Siegern habe vier teils erotische Shows geboten – sagen wir mit rü: Haut gezeigt. Nur einer (Ukraine 2004) hat dieses Konzept in dem Sinn durchgezogen, wie rü es meint. Ich verlinke auf die Youtube-Videos vom ESC, damit Sie sich davon überzeugen können. Das Maß an Haut ist also, verglichen mit den Standards in der heutigen Popszene, eher unterdurchschnittlich. Um den Massengeschmack des ESC-Publikums zu treffen, bedarf es offensichtlich mehr. Es ist wie immer ein wenig komplizierter, wenn man genauer hinschaut.
Sex ’n‘ Pop ist eine ziemlich lange Geschichte, mit vielen versteckten Mitteilungen 😉 Ein Song kann man sagen, gut, betrifft nur eine „Minderheit“, ein Song kommt ohne aus. Aber der Rest hat eindeutig eine Botschaft neben dem Gesang. Haut mag vielleicht nun nicht soo dominierend sein, aber Sex ist allemal dabei. Entweder gewinnt Haut oder die Orgel der Niederlande 😀
PS: Yohanna tiefer Einblick läßt tief blicken… Das sind anderswo schon Kapriolen im Bewertungsbogen der Sex-Lounge von Sony: Endlich mal ein geiles Cover.
*blinzelt*
Ich würde ein Interview mit einem Soldaten (einer Soldatin), der in Afghanistan war, interessant finden. Ich habe zwar keine Zeit, selbst Fragen zu formulieren, würde den Blog-Talk aber gerne lesen.
Ich dachte, in erster Linie sehen die Leute die Sendung an, wegen der glamourösen Show und dem Ratespielcharakter. Jugendliche schauen vielleicht zu, um zu lästern. Die Musik (Schlager!) gefällt ihnen sicher nicht- außer vielleicht Lena Meyer-Dingens- die ist Kult.
Tho, wer schaut sich eigentlich den ESC an, der einer Mischung aus hr1 und hr4 gleicht?
Dann gibt es ja diese Retro-Dauerwelle, dann die ewig gestrigen… zumindest hierzulande.
Was die Zusammensetzung der Jury angeht, nun ja, Spaß-Jury nannte man das doch anderswo, oder so ähnlich. Heutzutage fühlt sich ja jeder berufen, der irgendwo für 2,50 € ein Grinsen hinterlassen hat, Pop zu bewerten. Damals gerade den Sandkasten verlassen, sitzen sie heute bei RTL und was weiß ich wo und fangen dann an.
Es sollten Stamm-Schreiberlinge, die Musik in Worte fassen müssen, die Juroren sein 😉
@maat,
ein Soldat, der in Afghanistan war (2005 und 2009) und wirklich was zu sagen hat, ist Marc Lindemann. Er hat allerdings schon ein Buch darüber geschrieben, welches vor kurzem veröffentlicht wurde, hat begleitend auch in einigen Talkshows dazu gesprochen (zuletzt vorgestern bei Thea Dorn in „Literatur im Foyer“), sodaß er wohl ähnlich wie Scholl-Latour (von dem der Interessierte auch langsam weiß, was er dazu meint) in die Zone des Medien-Overkill gerutscht ist und damit vielleicht nicht mehr für den FR-Blogtalk in Frage kommt.
Warum die Nackte-Haut-Theorie nicht stimmt, ist jetzt klar… auch ihr zweiter Anhänger, nämlich ich, schaute sich ja die ESC nicht an… es bleiben immer nur so Filmschnipsel aus den Nachrichtensendungen im Gedächtnis hängen, und vielleicht sind es nur die Redakteure, die bei der Auswahl, welche 5 Sekunden in die Nachrichtensendung kommen, die nackte Haut favorisieren.
Vielen Dank jedenfalls, Herr Büge, für ihre Mühe… nur die Bemerkung (…kennt heute keiner mehr…) hätten schon noch etwas häufiger verwenden können.
Lena Meyer-Dingens ist Kult bei Jugendlichen? Nun, das ist für mich sehr gut nachvollziehbar, denn Kult wird bei Jugendlichen heutzutage hauptsächlich alles Trashige (Geniales kaum, denn das muß man erstmal zu erkennen in der Lage sein)… Trash macht das, was es machen soll, außerordentlich, ja bemerkenswert schlecht… und man kann Lena Meyer-Dingens wirklich nicht vorwerfen, daß sie das nicht tut.
Die ESC ist im Grunde genommen ein Rätsel ohne Auflösung. Am Ende, wenn die Punkte vergeben sind, steht die Frage im Raum: Warum? und wird nie beantwortet werden. D.h. es gibt hier massenpsychologische Bewegungen, aber es gibt noch nicht einmal den Ansatz ihrer Analyse, geschweige denn Erklärungen. Dies macht auch Vorhersagen unmöglich. Wird Lena Dingens mit null Punkten enden, weil sich die Menschen vor Pein winden werden (Konservatives Menschenbild)? Wird sie den ersten Platz erringen, weil die einen ihre Meisterschaft des stimmlichen Versagens anerkennen (Postmoderne Theorie), die andern Mitleidspunkte, wieder andere Mutpunkte vergeben? Keiner kann es sagen. Alles ist drin.
Geht’s da überhaupt ehrlich zu beim ESC? Die treffen sich doch jetzt schon dauernd, gestern waren sie bei mir um die Ecke. So etwas liest man dann erstaunt zuerst im hiesigen Käseblatt.
http://tinyurl.com/34rraru
http://www.eurovisioninconcert.web-log.nl/
Wenn da mal nicht gemauschelt wird…
@bronski
Sind wir nun schon in der Diskussion des ESC oder sammeln wir noch Vorschläge zu Blogtalks?
So langsam interessiert es mich schon, wo das politische im ESC ist, denn der Versuch, allen zu gefallen, dazu eine minimierte kulturelle Identität und noch dazu eine Aussage zu transportieren und sich dann als „Sieger“ zu feiern hat schon was Verqueres.
Was ist nun Dein Ziel? Soll man jetzt diskutieren oder die Argumente aufsparen bis zum Blogtalk?
Ich lass‘ mich schon gern darauf ein, wenn die ernsthafternen Themen danach nicht untergehen.
Ich bin auch auf der Suche nach Politik und wie ein Spürhund der von Herrn Büge gelegten Fährte hinterher… 2009, Bosnien-Herzegowina, Platz 9, ein sehr politischer Song? Also, wenn es sich da um „Klares Wasser“ von Regina handelt, muß das ein Irrtum sein, das ist ein reines Liebeslied.
Aber vielleicht sind die Lieder auch der falsche Platz, nach Politik zu suchen. Die Statuten des ESC fordern nämlich:
„Die Wettbewerbsbeiträge dürfen keine politischen Aussagen oder Botschaften enthalten.“
Würde ja die Zuhörer nur unnötig verstören… 😀
Vielleicht meinte Herr Büge den georgischen Song von 2009, der war allerdings politisch, eine volle Breitseite gegen Putin, und wurde daher zurückgezogen und nahm nicht teil.
P.S. @Bronski,
nochmal zu meinem Lieblingsthema, der verqueren Welt der 68er… daß auch das Unpolitische politisch sei, leitete sich im einfachen Weltbild der 68er daraus ab, daß das Unpolitische als ABLENKUNG vom Politischen gesehen wurde. Mit anderen Worten, Menschen, die eigentlich grundsätzlich (aus Eigeninteresse) nur darauf brennen sollten, sich politisch zu interessieren und engagieren, werden durch Unpolitisches, durch „Spiele“ abgelenkt („Brot“ muß sowieso da sein). In diesem Sinne hat wohl auch ESC als politisch zu gelten… ein Firlefanz, inszeniert von den Mächtigen, ein Baustein mehr im Haus der gewollten Entpolitisierung der Menschen.
Das Problematische an dieser Idee… es ist doch gerade der Firlefanz, der die Lebensqualität für viele Menschen ausmacht. D.h. der 68er-Irrtum bestand darin, daß sie den Menschen empfahlen, die Lebensqualität aus ihrem Leben zu verbannen, um Platz für politisches Engagement zu machen, welches dem Zweck dienen sollte, ihre Lebensqualität zu verbessern. Verständlich, daß diese Idee nicht ankam.
Im Übrigen ist der Mensch multitaskingfähig. Er kann rein theoretisch politisch interessiert und engagiert sein und ZUSÄTZLICH sich das ESC oder andere „Spiele“ reinpfeifen. Nur gleichzeitig musikalisch hohe Ansprüche haben UND das ESC konsumieren… das ist nur schwer möglich. Vielleicht wenn man den Ton abstellt.
@ Max Wedell
Ich habe hier eine Übersetzung des Liedtextes von „Bistra Voda“ gefunden (bisschen nach unten scrollen). Klingt erstmal wie ein Liebeslied, das stimmt.
„Ich habe einige Leute in meiner Gegend gefragt,
wo meine Seele (Liebste) wohnt.
Und ein Geheimnis, meine Liebe, verbirgst du vor mir.
Ich habe sie gefragt, ob sie mir diese Zeit, diese Tage, diese Stunden, diesen Frühling zurückgeben.
Aber sie sagen nur, dass man die Liebe riechen kann.
Bring mich im Mai-Tagesanbruch auf die Welt,
(hört sich übersetzt komisch an :-, Anm. des Übersetzers)
bade mich in klarem Wasser,
ich beschütze eine Blume, und wenn alle weggehen, beschütze ich dich solange ich lebe.
Stehle ein wenig Sonne für uns,
du hast kein gestern, du hast kein heute.
Es ist einfach, wenn ein Lied dein Herz findet.“
Auf der Bühne trat die Band Regina wie Gardisten auf, es wurde heftig in Marschmanier getrommelt, ein rotes Tuch wehte. Es geht wohl eher um Liebe zur Heimat.
@ maat, # 17
Ein Schlager-Wettbewerb ist der ESC schon lange nicht mehr. Das werden dieses Jahr etwa die Niederländer erleben, die mit einem von Vadder Abraham komponierten Stück antreten.
@ rü, # 15
Die Punkte vergibt heutzutage das Fernsehpublikum. Juries gibt es nur noch in wenigen Ländern.
@ nochmal Max Wedell, # 19
„nur die Bemerkung (…kennt heute keiner mehr…) hätten schon noch etwas häufiger verwenden können“
Na ja, ich habe versucht, die rein deutsche Perspektive zu verlassen. Richtiger müsste mal wohl sagen: kennt bei uns heute keiner mehr. Die meisten Sieger sind in ihren Ländern aber immer noch sehr populär. Nicole, die einzige deutsche Siegerin, dürfte in den anderen ESC-Ländern ebenso unbekannt sein wie das bei uns etwa für Marie N. gilt. Ich zeige das hier mal am Beispiel von Sertab Erener (Sieg 2003).
Lieber Max Wedell
Einspruch. Der Mensch ist nicht multitasking fähig. Was du anführst, sind Dinge, die nacheinandera ausgeführt werden.
Demonstriere in Bilis höre die Reden an und schaue auf dem Handy oder was anderes parallel den ESC von 1968 an.
Gewinner: http://www.youtube.com/watch?v=TsOMsmFmioc
Aber ich weiß schon was du meinst 😉 Gegen das lalala muß sich unsere heutige Vertretung aber nicht verstecken. Platz 2 war Cliff Richard mit Congartualtion. 🙂
Auch das geht, warum auch nicht. Umgekehrt genauso. Schwer ist das gar nicht. Konsumieren ist nicht gleich inhalieren – sinngemäß. Mußt immer nur die letzte Seite der Fr lesen 😉
@ Lutz Büge #23
Ich gebe zu, ich bin da nicht mehr auf dem laufenden, wer da nun wie die Stimmen abgeben darf. Mir war so in Erinnerung, daß die einzelnen Wertungen der Länder sich jeweils zur Hälfte der Stimmen der nationalen Jury und denen des TV-Publikums zusammensetzen. Wobei ich da beim Publikum nicht weiß, ob und wie Mehrfachabgaben ausgeschlossen werden.
@rü,
natürlich hast Du recht, wer komplexeres und ungewöhnlicheres bevorzugt, kann auch mal am einfachen, tausendmal schon dagewesenen seine kleine, kurze Freude haben. Mein Rumhacken auf der Veranstaltung wollte eigentlich auch nur eines… daß endlich die Menschen sich entrüstet melden, die sie als etwas Großartiges empfinden.
@ Lutz Büge,
die Liebe an sich zur Heimat ist erstmal in meinen Augen nichts Politisches, und schon gar nicht in der im Lied sehr harmlos (d.h. für mich z.B. gar nicht auf den ersten Blick erkennbar) zum Ausdruck gebrachten Form.
Die Liebe zur Heimat kann aber politisch instrumentalisiert werden, dann wird sie politisch bedeutsam. Passiert aber in dem Lied m.E. nicht, auch nicht durch die Kostümierungen. Über die Absicht der Komponisten kann man nichts sagen, wenn sie so gut versteckt wurde (werden musste, aufgrund der Statuten), daß sie nicht mehr erkennbar ist.
„die Liebe an sich zur Heimat ist erstmal in meinen Augen nichts Politisches“
Das mag in Ihren Augen so sein. In meinen Augen ist „Heimat“ ein Begriff, der reflektiert werden sollte, und zwar nicht erst dann, wenn er politisch instrumentalisiert wird. In dieser, wenn Sie so wollen, vor-politischen Bedeutung ist „Heimat“ trotzdem nicht unpolitisch, bei uns in Deutschland nicht und auf dem zersplitterten Balkan ebenfalls nicht. Denken Sie mal an die Haltung vieler Serben zum Kosovo. Das wäre z.B. eine Frage für den Blogtalk, auch bezogen auf manche Song-Präsentationen in naiv-folkloristischer Manier.
@ BvG
„Sind wir nun schon in der Diskussion des ESC oder sammeln wir noch Vorschläge zu Blogtalks?“
Offensichtlich beides.
@ Max Wedell
Herta Däubler-Gmelin ist ein guter Vorschlag für einen Blogtalk. Das Buch, das Sie nennen, ist allerdings von 1995 und damit kein Aufhänger für ein solches Gespräch. Zu fragen wäre, was seitdem in Missbrauchs-Angelegenheiten geschehen ist, auch von juristischer Seite.
@ Lutz Büge
„Heimat“ spiegelt einfach nur das psychologische Sicherheitsbedürfnis des Menschen wieder. Das Bekannte, Vertraute, Gewohnte ist attraktiver als das Fremde, Unbekannte, u.U. Gefährliche. Das entwickelte sich so, weil: Einen evolutionären Vorteil im Sinne Darwins hatte der, der in der Heimat blieb, gegenüber dem, der in die gefährliche Fremde zog, weil er ganz einfach länger lebte, mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich beim Nachwuchs war usw.
Ich verstehe immer noch nicht ganz, was an dieser psychischen Eigenschaft des Menschen politisch sein soll, aber seis drum.
@ Max Wedell
Darwin hat nicht immer Recht. Unter bestimmten Umständen, wenn Heimat nicht mehr zum wohlfühlen ist, war in der Geschichte des Homo sapiens Auswanderung angesagt. Siehe die Hugenotten im 15. Jahrhundert, die in Frankreich verfolgt wurden, oder die Auswanderung der Iren in die USA infolge von Hungersnöten daheim. Wenn Darwins These, die ich so nicht belegt finde, stimmen würde, wären die Vorfahren des Homo sapiens auch nie aus Afrika aufgebrochen.
Sie liefern ein Schlüsselwort dafür, warum Heimat ein politischer Begriff ist: Sicherheitsbedürfnis. Dieses Bedürfnis existiert, ganz richtig, und daher entsteht z.B. bei vielen Deutschen ein Gefühl der Unsicherheit angesichts vieler Kopftuchträgerinnen in deutschen Städten, das in die Wahrnehmung mündet, Deutschland würde islamisiert. Und diese Wahrnehmung wird politisch genutzt (z.B. pro NRW). Hier und da verschwimmen auch die Grenzen zum Nationalismus, wie man das z.B. bei vielen Serben beobachten kann. Ich erinnere auch an den Streit zwischen Griechenland und der früheren jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien, die sich wegen von den Griechen befürchteter Gebietsansprüche eben so nennen muss. Sowas passiert, wenn „Heimat“ als bedroht wahrgenommen wird.
„Heimat“ bedeutet im positiven Sinne Zugehörigkeit, im negativen Sinn Abgrenzung. Alles ist Politik, oder?
@ Amsterdammer, # 20
Sorry, dein Kommentar war im Spam hängengeblieben. Hab ihn jetzt erst freischalten können.
@ Lutz Büge,
natürlich hat Darwin nicht immer recht gehabt, aber das nach ihm benannte Naturprinzip ist universell, allgemeingültig, und hat daher IMMER recht, genauso wie E = m*c2 immer recht hat. Eigenschaften, die in bestimmten Umgebungen für eine bestimmte Art einen Vermehrungsnachteil haben, verschwinden mit der Zeit oder bilden sich gar nicht heraus, und solche, die in bestimmten Umgebungen einen Vermehrungsvorteil haben, bilden sich eben heraus. Die Eigenschaften können biologische, gehirnbiologische d.h. dann auch psychische sein und werden letztendlich deshalb auch ins Kulturelle hineinragen, denn das Kulturelle ist Bedürfnisanstalt des Psychischen beim Menschen.
Die „Umgebung“ des Menschen war über hunderttausende von Jahren eine sehr gefährliche. Bildete sich das von den tierischen Vorfahren übernommene Sicherheitsbedürfnis in Einzelindividuen zurück, so waren diese unterdurchschnittlich erfolgreich in der Weitergabe ihrer genetischen Risikofreudigkeit. Gleichzeitig aber, da haben Sie ganz recht, war auch die Eigenschaft, das Sicherheitsbedürfnis überhaupt nicht überwinden zu können, genau dann nicht von Vorteil, sondern von geradezu tödlichem Nachteil, wenn Ressourcenmangel am Heimatort das Überleben (d.h. die Weitergabe der Gene) gefährdete. Deswegen gibt es ja beim Menschen gleichzeitig „Heimatliebe“ und „Abenteuerlust“, „Verhaftetsein im Bekannten“ und „Neugierde“ usw. Die dem Menschen innewohnende Ablehnung fremder Einwanderer, die Sie ansprachen, hat wohl verschiedene Gründe… Einwanderer mindern die Ressourcen zum Leben und Überleben vor Ort, wer sie fernhielt, steigerte die Erfolgsquote seiner Gene, die eben auch die Neigung zur Fremdenablehnung beinhalteten und weitergaben. Das ist ja nicht nur so während der hunderttausenden Jahre Menschheitsgeschichte herausgebildet worden, die durch ständigen Ressourcenmangel gekennzeichnet waren, sondern wie auch das Sicherheitsbedürfnis schon von den tierischen Vorfahren übernommen worden… wir kennen ja die Revierbildung im Tierreich, welche allein schon der Reviergrenzenüberschreitung mit Anzeichen der Aggression (oder echter) begegnet usw. Der Sicherheitsaspekt kommt hinzu, denn das Fremde kann einem in Ressourcenmangelsituationen auch die Gurgel durchbeissen oder den Schädel einschlagen.
Diese Sachverhalte sind erstmal biologisch, haben dann aber natürlich irgendwann auch Auswirkungen auf die Sphäre kultureller Phänomene, die wir politisch nennen. D.h. dort wird das sich aus der Stammesgeschichte ergebende „Gepäck“ berücksichtigt, aber auch instrumentalisiert bei der täglichen Organisation der Gesellschaften namens Politik.
Auch das ESC muß man übrigens unter darwinistischen Gesichtspunkten sehen (uff, Kurve nochmal gekriegt). Das ESC als Sängerwettstreit fällt ja in eine Klasse kultureller Phänomene wie die Olympiade, oder einfach dörfliche oder zwischendörfliche Gesangswettbewerbe oder Ringkämpfe bei Naturvölkern. Die Praxis ist kulturell so verbreitet, daß es einen evolutionären Vorteil haben muß, sie herauszubilden. Zum einen, denke ich, wird in Gesellschaften, die solche Wettstreite ausbilden, es erreicht, daß die Individuen in ihnen zur Fertigkeitsvervollkommnung streben, indem nämlich die Gewinner einen besonderen, begehrenswerten Status in der Gemeinschaft erlangen. Von kleinauf streben die Kinder dann danach, auch diese Stellung zu erreichen, die Motivation, die Fertigkeiten zu vervollkommnen, ist gestärkt. Das Verhalten des „Balgens“ von Tierkindern ist eine ganz frühe biologische Vorform des Einübens von Fertigkeiten.
Des weiteren sind solche Wettbewerbe, wenn sie zwischen sich sonst eher fremden Gemeinschaften stattfinden, eine ritualisierte Auseinandersetzung. D.h. die von mir weiter oben beschriebene Ablehnung des eher Fremden, die unter bestimmten Bedingungen notwendig ist und vorteilhaft, wird unter den Bedingungen, wo sie keine Vorteile mehr hat, entschärft. Die Aggression kann ritualisiert ausgelebt werden, im Wettkampf, ohne daß größerer Schaden entsteht, wie z.B. bei einem echten Kampf.
Dies ist die Zeit der Wettkönige: Pferde oder Hunde, Kunststücke im ZDF? Das war gestern. Griechenland, Eurozone – ja, und da geht noch mehr. Im Eurovision Song Contest 09 war der griechische Beitrag so grottenschlecht, die wollten gar nicht gewinnen, aus gutem Grund. Ein Sieg ist teuer. Jetzt wird Aserbeidschan als Favorit gehandelt, mit Drip Drop von Safura (Sofia Loren in jung, aber mit devotem Weibchentext)
aber wer auch immer gewinnt, fragt man sich, ob das Land die nächste Veranstaltung
überhaupt ausrichten kann, ohne sich zu ruinieren. Reicht das Rating der Bodenschätze für Brot und Spiele? Die Spekulanten sind bestimmt schon dran. Was bin ich froh, daß Island letztes Jahr nur 2. geworden ist. Das war seit Jahren der erste ESC-song, den ich auch danach noch zufällig
und gerne im Radio gehört habe.
Aber was hat Musik noch mit dem ESC zu tun? Seismograph, Eyjafjallajökull. Mein Favorit diesmal ist Finnland – hört sich gut an, und die könnten es stemmen. Oder gar Germany? Dann muss die ARD 2011 schwer blechen. Globalisierung kennt keine Deiche, wenn wir es mit Zocker-Junkies zu tun haben. Die sind auf Droge und nach ihnen die Sintflut. Kicks, Casino, Bonuses – das ist in, legal und wurde staatlich gefördert(Maggie and Rronnie). Sex, drugs and Rock’n Roll waren nie so gemeingefährlich – auch ein Produkt
aus der Schlangengrube USA/UK.
Wer hat übrigens das Wetten erfunden? Ich wette, die Chinesen
@ Wedell
„Zum einen, denke ich, wird in Gesellschaften, die solche Wettstreite ausbilden, es erreicht, daß die Individuen in ihnen zur Fertigkeitsvervollkommnung streben, indem nämlich die Gewinner einen besonderen, begehrenswerten Status in der Gemeinschaft erlangen.“
Das allein kann es nicht sein, denn angesichts der großen Konkurrenz beim ESC ist die Wahrscheinlichkeit groß, nicht als Sieger daraus hervorzugehen. Es muss weitere Gründe geben, warum die europäischen Staaten auch dann Beiträge zum ESC senden, wenn sie sich keine ernsthafte Siegchance ausmalen können. Einer dieser Gründe dürfte die Möglichkeit sein, beim ESC das eigene Land, die eigene Nation oder manchmal auch die eigene Ethnie einem großen europäischen Publikum vorstellen zu können. Dazu wird Dr. Wolther sicher einiges Interessante sagen können.
Für alle, die es interessiert: Hier sind die diesjährigen ESC-Beiträge zu hören und zu sehen.
Das Teilnehmerfeld ist stilistisch wieder sehr breit gefächert. Wir haben schöne Balladen (Irland, Lettland, Weißrussland, Kroatien), Disconummern (Island, Albanien, Frankreich), Ethnopop (Armenien, Aserbeidschan), mehrere Nummern, die ausgeprägt nationale Musikstile einbringen (Finnland, Griechenland, Slowenien), Rock ist dabei (Bosnien), ein Chanson (Schweiz) und sogar ein Stück Schlager, wie es ihn früher häufig zu hören gab (Niederlande). Mein persönlicher Favorit ist das dänische Stück, das schon beim ersten Hören ins Ohr geht. Aber auch Albanien kann sich hören lassen. Ein starker ESC-Jahrgang. Von Einheitsbrei kann keine Rede sein.
Übrigens schreibt Jan Feddersen in seinem ESC-Blog beim NDR, dass der deutsche Beitrag „Satellite“ sich als Favorit herauskristallisiere, „wie dies bei Alexander Rybak und seinem “Fairytale” im letzten Jahr der Fall war. Als Deutscher kann man es kaum glauben: Europäisch am höchsten gewettet zu sein. Zur kleinen Erinnerung: Alle Wetten seit 2000 prognostizierten fast immer irgendwie zutreffend. Der einzige Irrtum fand in den Prophezeiungen im Jahre 2002 statt, als Marie N und ihr “I Wanna” lediglich auf Rang drei als bestes Ranking vor dem Finale geweissagt worden war.“
Einer dieser Gründe dürfte die Möglichkeit sein, beim ESC das eigene Land, die eigene Nation oder manchmal auch die eigene Ethnie einem großen europäischen Publikum vorstellen zu können.
Diese Imagefilme vor den Beiträgen waren immer das Interessanteste der ganzen Sendung.
Ich meinte durchaus auch die musikalischen Beiträge.
Ich glaube, ich bin hier etwas mißverstanden worden. Ich wollte die stammesgeschichtlich eher fernen Wurzeln dessen erklären, was sich heute als Bundesliga, Olympiade, ESC, oder auch DSDS manifestiert. Es ist doch klar, daß sich diese modernen Formen von ihren Ursprüngen in Einzelaspekten weit entfernt haben, von den Ringkämpfen männlicher Dorfjugend, Tanzwettbewerben weiblicher Dorfjugend, dem Sichmessen beim Durchlaufen des Jagdgebietes, Speerwerfwettkampf mit Wurfhölzern oder anderen archaischen Jagdwaffen usw. Diese ursprünglichen Formen des Wettkampfes hatten ihren evolutionären Zweck bzw. ihre evolutionären Auswirkungen, die man nicht einfach dadurch widerlegen kann, daß man in ihren Urururururenkelveranstaltungen wie z.B. der ESC nicht mehr auf Anhieb die gleichen Zwecke erkennen kann.
Die Idee des Blogtalks finde ich eigentlich genial- da kann ich der FR-Redaktion nur zustimmen. Einige andere Online-Redaktionen kopieren diese Idee bereits.
Bei dem vorgeschlagenen Thema, „Kampf der Kulturen beim Eurovisionscontest“ schließe ich mich der Kritik von I.Werner und BvG weitgehend an. Trotzdem denke ich, dass man es ja durchaus ausprobieren kann, vielleicht ist man hinterher positiv vom Ergebnis überrascht.
Ich würde nun allerdings von @Bronski gerne wissen, warum der Schwung nach dem Talk mit C.Pfeiffer erlahmt ist? Lag es an der mäßigen Beteiligung oder den Fragen?
Herr Pfeiffer stand letztes Jahr mit der o.g. Studie mächtig in der Kritik. Sie kam von allen Seiten, u.a. der Süddeutschen, der Taz und Fachleuten. Der Talk mit C.Pfeiffer wurde genau zur richtigen Zeit angeboten. Ich fand es dann leider etwas enttäuschend, dass Herr Pfeiffer einige Fragen, in denen teilweise auch einschlägige Kritikpunkte anderer Experten aufgegriffen wurden, nicht beantwortet hat. Auch die Widersprüche zwischen den stat.Ergebnissen der Studie und seinen Thesen hat er nicht ausgeräumt.
Ich hoffe, dass solche Blogtalks häufiger angeboten werden und besser verlaufen.
@ fox
„Ich würde nun allerdings von @Bronski gerne wissen, warum der Schwung nach dem Talk mit C.Pfeiffer erlahmt ist? Lag es an der mäßigen Beteiligung oder den Fragen?“
Das lag vor allem an mir. Die Beteiligung von User-Seite an dem Blogtalk fand ich ausreichend (nicht gleich befriedigend). Sicher wäre eine regere Beteiligung wünschenswert gewesen. Andererseits hatte Herr Pfeiffer offensichtlich nicht so viel Zeit. Er saß einen bestimmten Zeitraum lang, etwa einen Vormittag, kontinuierlich vor dem Rechner und beschwerte sich dann bei mir, dass die Fragen nicht mit der Geschwindigkeit kamen, die er erwartet hatte. Dabei ist er allerdings von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Ich hatte ihn vorab darüber informiert, dass bei einem Blogtalk zwar Kontinuität, aber nicht Geschwindigkeit gefragt ist, dass das Ganze über mehrere Tage laufen soll und es lediglich nötig ist, gelegentlich, also vielleicht alle paar Stunden, reinzuschauen, um dann die Fragen zu beantworten. Das Format an sich war für ihn offenbar zu neu; er hat sich jedenfalls nicht in wünschenswerter Weise darauf eingelassen. Das wird bei Dr. Wolther anders sein. Der bloggt selbst und kennt das Blogtalk-Format; mit ihm ist alles in aller Klarheit besprochen.
Nein, es lag vor allem an mir. Der Blogtalk fand in einer Zeit statt, in der nebenher an der Leserfront viel los war, so dass ich viele Mails und Fragen zu beantworten hatte und etwas überlastet war. Und man unterschätze auch nicht die Arbeit, die es macht, einen solchen Blogtalk, der ja in sich erst mal unstrukturiert ist (vor allem dann, wenn viele User Fragen stellen), in ein informatives, lesenswertes Interview für die Print-Ausgabe zu überführen. Und ein bisschen, das gebe ich doch zu, war ich auch frustriert, weil die Chance, die dieser Blogtalk bot, von den Blog-Userinnen und -Usern offenbar nicht erkannt wurde. Immerhin bot sich damit die Gelegenheit, ein Stück weit konkret an der FR zu partizipieren, nicht nur passiv als Leserin/Leser, sondern aktiv, ganz im journalistischen Sinn. Diese Idee, die Blog-Userinnen und -User zum Mitmachen an der Zeitung zu bewegen, verfolge ich ja schon länger (siehe Netz-Detektive), aber sie zündet offenbar nicht richtig. Wer weiß, vielleicht liegt das an mir.
Mit diesem neuen Blogtalk möchte ich das FR-Blog auch ein wenig für weniger drängende, nicht hochpolitische Fragen öffnen. Oben wurde daran Kritik geäußert („Verflachung“). Ich sage noch einmal, dass das Thema meines Erachtens politisch genug ist, um hier besprochen zu werden. Für alle, die sich dieser Meinung nicht anschließen wollen: Betrachten wir es doch einfach als Fingerübung, um mit dem Format Blogtalk zu experimentieren. Es muss ja nicht immer hochernst zugehen, oder? Hochpolitische Debatten wird es in diesem Blog ja weiterhin zu Hauf geben.
Also Leute, lasst mich nicht allein. Ich warte auf weitere Vorschläge, wen ihr euch hier mal vornehmen wollt.
Hallo Bronski,
ich finde es durchaus richtig, auch mit Themen zu experimentieren, die nicht hochpolitisch sind und nicht sofort auf breite Zustimmung stoßen. Die Kritik an diesen kann ja dann in den Talk miteinfließen und so zur Diskussion beitragen. Es wird schon spannend werden.
Ich würde mich (wie schon gesagt) freuen, wenn Blogtalks häufiger stattfinden. Ich denke, die user müssen die Möglichkeiten eines solchen Formats erst noch entdecken.
Ich finde es extrem wichtig, dass sich Politiker, Lobbyisten oder andere Meinungsträger den Fragen der Bürger/Wähler stellen. Und umgekehrt kann man vielleicht auch ein bißchen Einfluss nehmen, oder zumindest mal auf den Zahn fühlen.
Ein Blogtalk ist aus meiner Sicht für eine Diskussion mit solchen Vertretern besser geeignet als jene Möglichkeiten, die sich sonst noch bieten (abgeordnetenwatch etc.). Mit dem BT wird eine breitere Öffentlichkeit in einem bestimmten Zeitraum erreicht, die Debatten können sich so besser entfalten. Und man hat eine gewisse Reaktionszeit, man kann sich Fragen genau überlegen, Infos holen und nachhaken.
Darf ich in diesem Zusammenhang fragen, wieviele User im Schnitt die frblog-Seite besuchen? Manchmal wünschte ich mir, dass sich bei einigen Diskussionen mehr user beteiligen würden. Man bekommt doch durch eine höhere Teilnehmerzahl auch viel mehr Informationen.
@bronski
Die Struktur der Blogs ist ja nun nicht so dazu geeignet, strukturierte Unterhaltungen zu führen.
Da ist dieser Blog eher noch ein leuchtendes Beispiel, anderswo holperts und stolperts mehr.
Bei Herrn Pfeiffer hat man schon gemerkt, dass er ein Kolloqium erwartet hatte und den Beteiligten war wohl auch nicht so klar, wer wann an der Maschine sitzen soll.
Die strukturierende Arbeit, die durch Dich zu leisten ist, wird durch die WordPress-Oberfläche nicht gut unterstützt, da solltest Du Dir oder wir uns ein paar Gedanken machen und diese an WordPress senden, ich bin sicher, innert einer Woche gibt es eine Lösung.
Ich geb‘ gern ein paar programmtechnische Tipps, hinterklemmen musst Du Dich aber selber.
Naja Bronski, jetzt sei mal nicht frustriert. Vielleicht liegt der Misserfolg der Netzdetektive schlicht daran, dass die Blogger nicht scharf drauf sind, die Rolle von unbezahlten Laien-Reportern zu spielen. Diese Idee hat ein „Geschmäckle“, weil es Journalisten doch sowieso schwer haben, für ihre Arbeit ordentlich bezahlt zu werden. Wenn jetzt auch noch jeder Laie meint, er könnte diese Aufgaben auch mal eben so erledigen (was er eben nicht kann, weil nicht dafür ausgebildet), ist doch nichts gewonnen.
Ein Blog-Talk dagegen ist eine gute Idee. Ich finde es allerdings schwierig, dass man dafür sein Pseudonym aufgeben soll. Das schreckt vermutlich schon einige ab.
@ fox
Danke für die Zustimmung. Ich habe vor, weitere Blogtalks zu machen, in einem Abstand von ca. einem Vierteljahr. Skeptisch bin ich, was die Lobbyisten betrifft. Die werden nicht zu einem Gespräch zu bewegen sein. Das würde ja bedeuten, dass sie ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt würden, das sie von Berufs wegen jedoch meiden müssen.
Um Zugriffszahlen habe ich mich hier eigentlich noch nie geschert. Vor zwei Jahren hab ich mal danach bei meinen Admin-Kollegen nachgefragt, da lagen die Zugriffszahlen in der Spitze bei etwas über 2000 am Tag. Da
@ BvG
Stimmt, Blogs sind eher ein chaotisches Medium. Normalerweise gefällt mir das. Aber kannst mir ja mal Tipps geben, was man von der Software her ändern könnte.
@ maat
Erstmal zu den Laien-Reportern: Als solche haben sich die Blog-User hier doch von Anfang an entpuppt. Haben aus allen Ecken des Netzes Links und Wissen zusammengetragen, aus reinem Spaß an der Diskussion. Ich glaube, der Spaß daran hörte dann auf, als gewissermaßen eine „Aufgabe“ gestellt war, die diese investigatorischen Fähigkeiten bündeln wollte.
„Ich finde es allerdings schwierig, dass man dafür sein Pseudonym aufgeben soll.“
Musst du nicht. Ich weiß ja, wer du bist. Ebenso weiß ich das von fox, BvG, rü und ein paar anderen. Wenn ihr, die ihr mir bekannt seid, euren Nick nicht (für diesen Blogtalk) aufgeben wollt, dann behaltet ihn. Ich schicke Dr. Wolther dann eine Mail, in der ich ihn mit euch bekannt mache. Aber ich gebe zu: Lieber wär’s mir mit Klarnamen.
Prinzipiell ist die Blog-Talk-Initiative zu begrüßen, es ist aber wirklich zweifelhaft, ob hier etwas gelingen kann (probieren soll man es aber trotzdem). Ich leite das aus meinen Beobachtungen in den sog. „Chats mit Experten“ nach diversen Talkshows o.ä. Sendungen ab (Vermutlich hatte Pfeiffer auch so etwas Ähnliches wie solch einen Chat beim Blog-Talk erwartet… man kann ja wirklich nicht von jemandem erwarten, alle Möglichkeiten und Nuancen der neuen Medien einschätzen zu können, der mit dem Studium der Auswirkungen dieser neuen Medien auf Jugendliche so schwer beschäftigt ist 🙂 ). Diese Chats sind ja so eine Art Blog-Talks im Zeitraffer. Obwohl die eigentlich immer moderiert sind, sind die Konsumentenbeiträge zum Großteil daneben… ganz selten mal eine vernünftige Frage, der Rest entweder banales „weiter so“, „danke für das was sie in der sendung sagten“ usw., oder eigene Statements zum Thema (leider ausschließlich Wiedergekautes aus der Sendung) ohne jegliche Frage, oder tausendmal dieselbe allernaheliegenste Frage zum Thema, weil es den Leuten wohl nur darum zu gehen scheint, sich mit einer Frage im Chat zu sehen, sie nicht lange überlegen wollen für eine originelle Frage, und dann halt die erstbeste nehmen, die ihnen einfällt, die aber leider auch die ist, die zig anderen ebenfalls nur einfällt. Die wenigen vernünftigen, originellen Fragen gehen dann in dem Wust unter und werden entweder gar nicht beantwortet, oder nur ganz knapp. Gut, letzteres kann man im Blogtalk vermeiden, da der Zeitdruck eines Chats nicht besteht. Daß das Zuschauerbeitragsniveau in diesen Chats so unterdurchschnittlich ist, kann aber nichts mit Zeitdruck zu tun haben… man sollte ja eigentlich während der vorherigen Sendung genug Fragen entwickelt haben, wenn man die nicht im geistigen Dämmerzustand an sich vorbeirauschen ließ. Ich vermute, es liegt einfach daran, daß die Menschen, die das eigene Denken noch gelernt haben (im Gegensatz zum Nachplappern der einem intuitiv am attraktivsten erscheinenden Erklärungsvariante aus dem Set der von den Medien vorgelegten Erklärungsmöglichkeiten), noch in eher konservativeren Medien stecken (Buch), und sich vom Geplappere der Chats, Blogs und Foren wohl eher fernhalten.
Der Blogtalk hat alle Chancen, diese Theorie zu widerlegen, und ich wünsche ihm diesen Erfolg.
@ Max Wedell
Da wir hier schon zwei Blogtalks hatten (hier und hier), kann ich bereits jetzt sagen, dass sich Ihre Erfahrungen mit Chatforen nicht darauf übertragen lassen. Auch die daraus extrahierten Interviews, die im Print veröffentlicht wurde (jeweils eine ganze FR-Seite), waren meines Erachtens recht informativ. Sie sind übrigens noch auf FR-online.de zu finden: Hier das Interview mit Pfeiffer, hier das mit Rainer Lang.
Schön, diese Blogtalks plus Ergebnis nochmal zu sehen, damals ging das alles an mir vorbei… aber auch andere können sich jetzt besser vorstellen, welche Möglichkeiten dem Leser hier gegeben werden.