Mensch, Bronski, dachte ich, als ich gestern an meinen Arbeitsplatz kam, was hat dir die Redaktion da für ein Ei ins Nest gelegt? Jede Menge Lesermails! „Stick it where the sun don’t shine“, lese ich, oder: „Anstatt sich mit dem Leid der Menschen auseinanderzusetzen, haben Sie den Begriff „Schadenfreude“ neu definiert.“
Gemeint ist Jürgen Trittin und sein Gastbeitrag „Ein ‚Kyoto 2‘ wird dringend gebraucht“, der am 30. August in der FR erschienen war. Darin machte er die US-Regierung für den Hurrikan „Katrina“ mit verantwortlich. Er sagte auch, dass kein Wirbelsturm unzweideutig auf den Klimawandel zurückgeführt werden könne. Aber was er nicht sagte, ist, dass er mitlitt mit den von „Katrina“ Betroffenen. Es stimmt: In dem Beitrag geht es nur um Trittins Position, der man anmerkt, dass ihm die US-Blockade der Klimapolitik auf die Nerven geht. Kein Wort zu den Opfern.
Dass er genervt ist, kann ich nachempfinden. Aber dass er die Opfer nicht mitgedacht haben soll? Ich tat, was ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, versprochen habe: Ich ließ mir die Sache von der Redaktion erklären. So ist das abgelaufen: Der Beschluss, einen Gastbeitrag bei Trittin zu bestellen, fiel gegen zehn Uhr am Montag morgen. Die FR ist also dafür verantwortlich, dass der Minister den Beitrag schrieb; für den Inhalt ist der Minister allein zuständig. Er ging den Text zu einem Zeitpunkt an, als „Katrina“, von Kategorie 5 auf 4 herabgestuft, gerade das Festland erreicht hatte. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß der Katastrophe oder die Bahn des Sturms vorhersehen. Es gab noch keine Opfer. Trotzdem, ich kann diejenigen verstehen, die Trittin vorwerfen, dass er Opfer hätte vorhersehen müssen. Wäre kein großer Aufwand gewesen, einen Absatz des Mitgefühls einzuarbeiten. Hat er aber nicht getan.
Jetzt kommt Spiegel Online ins Spiel. Die Kollegen wollen mit einer englischsprachigen Ausgabe Fuß fassen. Sie zitieren aus Trittins Beitrag und fügen hinzu: „Noch während die Toten an der Golfküste gezählt werden, kann der deutsche Umweltminister an nichts Besseres denken (…), als den USA die Schuld für die Katastrophe zu geben.“ Das war sehr unschön von Euch, liebe Kollegen von Spiegel Online. Ich habe keine Ahnung, was der Minister genau denkt, aber eines ist wohl unstrittig: Die US-Regierung verweigert den Kyoto-Dialog, obwohl sie den Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und Klimaerwärmung zugegeben hat. Das ist inkonsequent und muss Trittins Missfallen finden. Lieber SpOn, glaubst Du eigentlich, Deine Reichweite steigern zu können, indem Du Deine Artikel derart tendenziös ausfallen lässt?