Post von Jürgen W. Fritz aus Frankfurt.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn Ihne Ihr Freundin tratschd unn sacht: „Awwer sie dhut viel schmunzele“!, dann waas isch, die iss ned von hier, dann soll se ihr Gebabbel lieber ned uffschreibe unn in die Zeidung gebbe. Da muss merr sich ja schäme, so hochdeutsch, wichdichduerisch, dess saache net emoal die Schwabe.
Abber, nix fer ungud, solang des neue Formad noch ned da iss, les ich Se ja noch, unn dess schon seid finfunddreissisch Jahr
unn en scheene Gruss aach noch zum Wocheend, trotzdem
Jürgen W. Fritz in Frankfort“
Ich muss gestehen, ich bin kein Frankfurter. Ich bin nicht einmal Hesse. Schande! Ich verzweifle fast. (Aber nur fast!) Was war denn falsch an der „Heute“-Glosse vom 21. April?
Heute …
… tratschen die Freundinnen: „De Anja ihrn Mann hält sich ferr de Allergrößte!“ – „Da hat se nix zu lache!“ – „Awwer sie dhut viel schmunzele!“
Hilfe!
eija, des kann ja aach en Offebächer net verstehe, selbst wenn er inzwische nach Frankfort gezoche is, gelle J.W.F. *s*
‚brunzele‘ – net ’schmunzele‘
Isch bin zwar kään Franforter, isch komm aus Aschebersch, awwer verschtehe du isch des drotzdem.
Schmunzeln ist durchaus ein gebräuchlicher Ausdruck, auch im Dialekt. Einfacher wäre “grinsen“ gewesen, was jedoch nicht das Verschmitzte ausdrückt. Manchmal muss man eben, und das sei diesen beiden Frauen zugestanden, “um des Witzes willen“ (wie weiland bei Morgenstern das Wiesel auf dem Kiesel des Reimes willen saß) kleine Kompromisse eingehen. Weiter schmunzeln. Gruß. Walthor
3. Walthor
e noi, grinse nett, dess isse e bissi woss oanneres!
Grinsen ist sicher schon etwas was mit Verlegen sein entweder – wenn jemand ertappt wird – oder krampfhaft, hin und wieder wohl auch Bosheit und auch Schadenfreude zu tun hat, wenn sogar bei Schadenfreude nicht gerade lauthals gelacht wird.
Aber Schmunzeln ist entweder wohlwollwend, auch verständnisvoll oder in Erinnerung an eigenes meist angenehmes Erleben; also meist etwas Positives; halt ebbes Scheens!
Hübsche Sprache, euer frankfurter Dialekt.
@ Susanne
liebe Susanne, Kunst-gebildet und vermutliche Bewohnerin des nördlichen Neckarraums; ja wie würde den die berühmte LIESELOTTE von der PFALZ – wenn Sie noch leben würde sich angehört haben, wenn Sie sich im Heidelberger Schloss zu unserem Thema des Dialekts geäußert hätte; oder hätte Euro gnädige Hoheit in perfektem Französisch ihre Meinung gesagt? mfg,hjs
Liebe Leut, iss ja ganz schee, dass ihr auf mei Gebschreibsel andworde dud, verchtehe du ich des „schmunzele“ schon, nur isses ebe net unser Dialekt.
Dess war’s, was mich gestört hadd in de Zeidung. Abber mir Leut sterbe sowieso schon aus, unn auch unser Söhn könne mei Sprach auf die Art nemmer verchtehe.
En Guude
J.W.F.
Ei Guude, wie ? Hab lang nix mehr von Dir gehert. Aber, wenn Dei Söhn da net mer dorschblicke, dann biste wohl selber dra schuld. Bildungsberjer därfe halt ihrn Nachwuchs net nur hochdeutsch erziehe. Obwohl, ich det sache, de Appel fellt net weit vom Stamm, also, Dei Söhn habe des garantiert noch gelernt im Hasebach.
Da geh ich zum erste mal hier in den fr-blog un wen trifft mer? Ich sachs ja, frieher warns die Leserbrief, heut isses ganz modern de fr-blog. Alles so en neumodische Kram.
Also, machs gud J.W.F. 😉
Ihr wollt en öwwerrejonale Taaresziedung sinn? Woröm spreschter dann he nur dat Kauderwelsch vonn dene Hesseköppe? Jiddet denn kinn angere Sproche, die wigger weg von dä Frankforter Wöschtje jesproche weede? Wie wöret denn mol mit Platt oder Säcksch?
@ heinrich
jo mei, woasen dös? Hinnerk up platt; denn mann tau. grüzi alle mitenand.
@ hjs
Das war kein Platt, sondern mein rheinischer Herkunfts-Dialekt. Platt ist kein Dialekt, sondern eine eigene, niederdeutsche, Sprache, die ich in all den Jahren hier nicht übernehmen konnte, da sie fast nur noch in entsprechenden Sprach- und Heimatpflege-Vereinen gesprochen wird, jedenfalls in der Großstadt.
Die Klein-Erna- und Ohnesorg-Sprache, die du offenbar für Platt hältst, ist in Wirklichkeit „Missingsch“, eine Mischsprache aus Versatzstücken unterschiedlichster Herkunftssprachen von Industrie-Arbeitern, die sich während der Industrialisierung so verständigt haben, zumal in Hamburg, genauso, wie es die Kids in den multiethnischen Schulklassen heute tun. Alles schon mal dagewesen.
@ heinrich
das mit dem „Platt“ und dem Dialekt ist glaube ich auch dialektisch nicht zu lösen. Aber was Dialekt und Mundart anbelangt, ist es sowieso so eine Sache. Ich weiß ja nicht wo Deine rheinischen Wurzeln sind, aber ich habe auch eine verwandtschaftliche „Beziehung“ ins Rheinische und zwar linksrheinisch, nahe Andernach und ich habe es immer sehr interessant empfunden, wenn der Cousin meiner Mutter der aus dem Nordhessischen dorthin geheiratet hatte und im Laufe der Zeit immer mehr sprachlich ein Bimser, also Einer aus dem Bimsland westlich von Andernach, wurde. Kurz zu Bims; Du wirst es wissen, ist das Material, das aus der Eifel hier wohl speziel aus dem Laacher See vor Äonen ausgeworfen wurde. Eines seiner neuen Worte imponierte mir besonders und dies wurde wohl in seinem Umfeld auch besonders betont, das war für „Du“, „Dauh“, hierbei hatte er sicher auch stark umlernen müssen, von unserem heimischen „Düh“, also zum „Dauh“; soviel zu Mundart und Dialekt.
Übrigens Heinrich, Du hattest nicht ganz recht, wenn Du meintest, dass Heidi Kabel und Henry Vahl nur meine Lehrmeister(in) waren. Denn dort wo ich groß geworden bin, war ein nachkriegliche „babylonisches“ Sprachengewirr, denn viele Heimatvertriebene und auch sonstige Arbeitssuchende aus ganz Deutschland und auch anderer deutscher ehemaliger Ansiedlungen verdienten zu Tausenden hier gemeinsam mit den Einheimischen ihr Brot; da erlernte man ganz nebenbei viele Dialekte, ob nun Platt oder nicht. Jedenfalls war man bei Unterhaltungen manchmal ganz „platt“!
Noch einmal kurz zu Dialekt;
in dem Ort indem ich „klein“ war, sagt man für Leute: „De Liere“, jedoch im Luftlinie ca. 1 km entfernten Nachbarort, der sichtbar ist und auch ohne Umweg erreichbar, spricht man für Die Leute: „De Leire“; ich verzichte auf weitere Betonungszeichen, also grob gesagt: Ess werd geschwatzt, wie derr Schnowel gewassen ess! mfg, hjs
Ich finde, Mundarten haben etwas Kraftvolles, Heimatverbundenes. Wohl dem, der sich
darauf stützen kann als Rückzugsgebiet und Kraftquelle, wo man wieder „auftanken“ kann, bevor es wieder hinausgeht in die weite Welt. Ich selbst kann leider nicht darauf zurückgreifen, denn ich gehöre zu „den vielen Heimatvertriebenen und auch sonstigen Arbeitssuchenden“ aus ganz Deutschland und auch anderer deutscher ehemaliger Ansiedlungen“ (Originalton hjs).
Aber: Es war wahrlich nicht die Suche nach Arbeit, die uns hierher getrieben hat, sondern es war das nackte Leben, das wir retten mußten. Gott sei Dank fanden wir freundliche und hilfsbereite Menschen, die zusammenrückten und uns bei einem Neuanfang halfen. Sie sprachen jedoch kein Deutsch, wie wir es erwarteten(und meinten, daß wir es sprächen), sondern irgendein unverständliches Kauderwelsch. Das fanden sie übrigens in gleicher Weise von unserer Sprache. Es brauchte eine Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Ich habe es noch gut getroffen, daß ich letztendlich nach Frankfurt kam, wo ein vergleichsweise milder Dialekt gesprochen wird. Verwandte in Bayern, Schwaben oder Sachsen hatten und haben er da viel schwerer, sie sind bis heute sprachlich „heimatlos“. Ich kann sagen, daß ich mich hier im Frankfurter Raum gut eingelebt habe, daß ich hier „zuhause“ geworden bin, und nicht nur „ubi bene ibi patria“.
– Isch kennt aach schon schwätze wie die Einheimische, hüt misch awwer, denn dann merkt en jede, dess isch en „Hergeloffene“ bin, wanns hochkimmt en „Eigeplackte“(mei Fraa is von hier).
Also dann: Es rede jeder, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und, wie Luther sagt, man schaue dem Volk aufs Maul!
Lieber Gunther Seidel,
was und wie sie schreiben finde ich schön und interessant.
Ganz offensichtlich haben sie sich sprachlich und auch sonst in Hessen akkulturalisiert und haben das rechte Faible für den in ihrer Umgebung gesprochenen Dialekt, den ich hier im hohen Norden leider vermisse. Die sprechen hier alle so fürchterlich hochdeutsch, fast so schlimm, wie ich schreibe, allenfalls ßtopen sie mal an einen ßpitzen ßstein. Deshalb freue ich mich jedesmal, wenn ich ins Rheinland komme (Düsseldorf, Hans-Jürgen!) und den vertrauten Tonfall meiner Kindheit und Jugend vernehme. In meinem Kopf und meinem Herzen unterscheide ich daher zwischen Bremen als meinem Zuhause und dem Rheinland als meiner Heimat, können sie bzw. auch andere, die es im Leben umgetrieben hat, das nachempfinden?
Hier eine hübsche kleine Geschichte zu Hochdeutsch versus Dialekt.
@ 14 heinrich
Sehr schön:
„Der Onkel aus Hannover“ und der Theo mit Angina
@14 heinrich
Und ob ich das nachempfinden kann. Einen Ruhepol, einen Bezugspunkt, eine Heimat zu haben, ist etwas ganz Besonderes. Ich kann behaupten, sie hier (wieder) gefunden zu haben. Zum besseren Verständnis eine Kurzfassung, wie es mich im Leben umgetrieben hat:
Geboren im Baltikum, in Riga. 1939, als Folge des Hitler-Stalin-Paktes, Umsiedlung in die „befreiten Ostgebiete“. Dort erkannte ich, auch als Kind schon, das ist Unrecht gegenüber den Polen, auch sah ich mit eigenen Augen die entsetzliche Behandlung der Juden im Lodzer Ghetto. Das konnte meine neue Heimat nicht werden. 1945 Flucht erst nach Berlin, vor dem Bombenhagel nach Leipzig (Dresden blieb uns erspart, war zu voll von Flüchtlingen). 1947 erneute Flucht wegen starken Interesses des NKWD für meinen Vater. Göttingen, Flüchtlingslager Uelzen, letztendlich Frankfurt.
Hier bin ich nun, es sind seitdem genau 60 Jahre her, doch manches mal ist mir, als wäre es erst gestern gewesen. Um so mehr bekenne ich mich zu meiner (jetzigen) Heimat, lasse nichts auf sie kommen. Die Menschen hier mögen mich, ich mag sie, mir kann’s nicht besser gehen.
PS: Einer meiner Vorfahren stammt auch aus dem Rheinland, folgte dem Ruf Peters des Großen, ging als „Entwicklungshelfer“ nach Rußland…
16 Gunther Seidel
lieber Gunther, damit wir uns nicht missverstehen, mit meiner von Ihnen zitierten Formulierung:
„auch anderer deutscher ehemaliger Ansiedlungen“, wollte ich auf keinen Fall jemand Betroffenen zu nahe treten, aber wie hätte ich es anders ausdrücken sollen?
Nur beiläufig noch soviel: Zu meinen besten Freunden gehören nicht wenige, die diese schlimme Zeit damals, aus dem „Osten“, aus Königsberg, Breslau, Eger, dem Banat und wo die Deutschen die nun ihre Heimat verloren hatten, seit mehreren Jahrhunderten schon und meist in Frieden dort gelebt hatten, nach 1945 in unser Nordhessen brachte, auch diese haben nun am neuen Wohnort, besser hier Heimat gefunden haben; einige der damals 6-jährigen sprechen heute unseren Dialekt besser als mancher der hier geboren wurde. mfg,hjs
@17, hjs
Um Gottes willen, nein, Sie sind mir nicht zu nahe getreten, im Gegenteil: Ich halte es für eine der größten Leistungen des deutschen Volkes in der Nachkriegszeit, Millionen von Flüchtligen aufgenommen und integriert zu haben, und das alles friedlich und ohne größere Störungen. Ich erinnere nur an das Lastenausgleichsgesetz, das jeden, der besser aus dem Krieg herauskam, finanziell belastete, ähnlich der heutigen Solidaritätsabgabe. Das war eine großartige Leistung, da ist jeder von uns Betroffenen dankbar. Da war nur eine kleine alte Narbe, die juckte…
Zur Aufheiterung noch ein kleines Spielchen „Mendelsche Vererbungslehre“:
Ein Flüchtling heiratet eine Einheimische. Draus entstehen nach Mendel ein reinrassiger Flüchtling, zwei Mischlinge und ein reiner Einheimischer. In der nächsten Generation tauchen Mischformen und nach Mendel immer wieder reinrassige Formen auf. Aber, es gibt eine Dominanz der stärkeren Form, und da die Flüchtlinge Stärke bewiesen haben, dominiert ihre Form, so daß nach und nach wir ein Volk von Flüchtlingen werden….
Also, viel Spaß, und auf gutes Zusammenleben!
@ Gunther Seidel
Hallo Gunther,
„reinrassiger Flüchtling“ in der x-ten Generation: Erzählen sie das bloß nicht im Dunstkreis der Vertriebenen-Verbände!
@ heinrich
das wissen die schon, und wenn Du deren Vorsitzende Steinbach „nimmst“, dann ist es doch schon so oder scheint zumindest ähnlich. Aber zum Glück ist die ironisch gemeinte Anmerkung von Gunther – in der örtlichen Realität zumindest, überlebt. Jedenfalls auf dem Lande bei uns, erkennst Du keinen Nachkommen, jedenfalls nicht ohne Nachfrage, auch die Religion, in diesem Fall die Katholische, auch dort gab es viele Austritte und auch die Älteren wissen, dass hier jetzt ihre Heimat ist und dafür wird in Vereinen und den Gemeindevertretungen nach besten Kräften mitgearbeitet; prima so, denn diejenigen, die von den „Vätern, Müttern und Großeltern die alte Heimat in „glühenden Farben“ geschildert bekamen, kamen meist von dadurch motivierten Besuchen von dort sehr enttäuscht wieder zurück! hjs
@ 8) Jürgen Müller-Wolf
„Da geh ich zum erste mal hier in den fr-blog un wen trifft mer? Ich sachs ja, frieher warns die Leserbrief, heut isses ganz modern de fr-blog. Alles so en neumodische Kram.
Also, machs gud J.W.F. ;-)“
Nicht nur im Blog, gestern stand auch wieder einmal ein Leserbrief in der FR, leider um ein paar wichtige Fakten gekürzt. Aber immerhin, man ist ja dankbar um jede Zeile, bei dem Andrang.
Also Mister Miller, auch mal an die Schreibmaschine und nicht nur über die anderen räsonieren!
Gruß
J.W.F.