Heute ein Gast-Beitrag von Heinz Rogel aus Offenbach:

„Er braucht einen Coach, der neue Kanzlerkandidat, oder einen besseren Ghostwriter, ein paar Nachhilfestunden bei seinem früheren Chef vielleicht. Denn er kann es nicht. Er kann nicht phrasieren und artikulieren, nicht vom Piano zum Fortissimo sich aufschwingen, er hat kein Gespür für den Moment, wenn die Pause das Aufbrausen des Beifalls evoziert. Sie wollten ja unbedingt applaudieren auf dem Parteitag, und sie taten es dann einfach mitten hinein in Steinmeiers angestrengt gegrölte Sätze. Ahnend, dass sie mit so einem rhetorischen Amateur nicht in die neue Zeit ziehen werden, auch wenn die alten Profis sich aufmunternd um ihn scharen.
Was mag in Schmidt-Schnauze, was in Basta-Schröder, was in Ärmel-hoch-Münte vorgehen, wenn sie Steinmeiers Bürokratendeutsch zuhören? Auch seiner gegenwärtigen Chefin ist längst aufgegangen, dass der Biedermann an ihrer Seite sie rhetorisch nicht ausstechen wird, obwohl ihre eigenen Rednerkünste über ein paar einstudierte Gesten und mütterlich sanft umherstreichende Blicke nicht hinausgehen. Überhaupt ist unsere Landschaft der Rhetorik momentan verödet. Ein spuckender, sich ereifernder Lafontaine hier, ein schneidig schallender, in die eigenen Sprüche verliebter Westerwelle dort, trompetende Grüne, nuschelnde Bayern, spröde dozierende Nordlichter – so hört es sich bei uns an, wenn die politische Klasse redet.
Nun könnte man natürlich den Spieß umdrehen und eine deutsche Tugend darin entdecken, dass man die Bürger mit „Yes we can“ und „Change we need“ verschont. Na gut. Begnügen wir uns eben mit den nackten Tatsachen, mit der Überzeugungskraft von Säulendiagrammen, mit explosiven Botschaften wie „Glückauf“ oder „Freiheit wagen“. Er ist halt so, der deutsche Michel, auch am Mikrophon brav und redlich statt rednerisch bravourös, nicht wahr? – Nicht wahr! In den Medien, in den politischen Magazinen und deren Kommentaren klingt eine andere Sprache, von den Bühnen der Kabaretts klingen die ironischen Echos, auch in der Werbung klingen inzwischen frische und witzige Töne durch.  Ich höre sie jetzt murren auf den Tribünen da oben: Sollen wir etwa Göbbelsreden halten oder Stand-Up-Unterhaltung abliefern oder unsere Wahlslogans mit den Songs von Queen unterlegen? Nein, das nicht. Ihr sollt nur eure Intelligenz zeigen, so ihr sie habt. Der Afroamerikaner drüben in den USA wirbt nicht nur mit eingängigen Slogans für sich und seine Seite, er ist ganz offensichtlich ein heller Kopf, dem so mancher mit anderer Hautfarbe und mit anderem Parteilogo mehr zutraut als den eigenen Leuten. Und darum geht es doch, Frank Walter, oder? Wie willst du das Volk von Mutter Angela auf deine Seite ziehen? Mit drögen Zahlen aus deinen Aktenordnern? Mit deinen vertrauenswürdigen weißen Haaren? Oder einfach nur mit Hilfe des Genossen Trend? Dann ein Glückauf.“

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11 Kommentare zu “Verödete Rhetorik-Landschaft

  1. Dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen.
    Die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden. Ulla Schmidt, Pofalla, Lauterbach usw.
    Wenn diese Leute reden, und sie tun das oft, bekomme ich eine Gänsehaut. Bei welchem Berufsberater waren die eigentlich. Die Blasen, die sie produzieren müssten wenigstens mit Leidenschaft rüberkommen, um überhaupt ernst genommen zu werden.

  2. Wer Steinmeier auf dem Parteitag gehört hat, musste den Eindruck haben, dass da ein zweiter Schröder redet. Die gleichen Vokabeln, der gleiche Tonfall. Da den rethorich versierten Lafontaine einen Spucker nennen, zeugt nicht von Kenntnis, dass die Sprecher der Linken im Bundestag in ihrer Redezeit begrenzt sind. Da muss sich der Redner, so er seine argumente voll rüberbringen will, auf die Redezeit konzentrieren. Sonst wird ihm der Saft vom Präsidenten abgedreht. Und Gysi wurde erst gar nicht erwähnt. Rethorich jedenfalls sind sowohl Lafontaine als auch Gysi den Spitzenrednern der anderen Parteien um Längen überlegen.
    Ich habe mir vorhin die rede Lafontains vom Juni 2007 angeschaut. Darin hat er genau den Finzkollaps vorhergesagt. Hoffentlich führt der aber auch jetzt zu den richtigen Schlüssen. Ich muss aber gestehen, dass ich daran zweifle.

  3. Ach so, wollen Sie sagen in Wahrheit sind das alles Clone? Könnte manches erklären helfen. Die wahrscheinlichste Reaktion ist im übrigen, dass weiter kollabiert wird in Folge dessen der Geldadel die Panik kriegt und noch schnell beiseite schafft was keiner mitbekommt.

  4. Nachtrag: Herr Thiele-Schlesier, wir haben uns gemeinsam in den falschen Thread verirrt.

    @Heinz Rogel:
    Coach halte ich nicht für aussichtsreich. Etwa wieder Steuergelder verschwenden? So dreist kann nicht mal die SPD sein.

  5. Verzeihung, meint „solch alte Tante sein“. Und was spricht dagegen Reden von Göbbels wiederzuverwenden. Bei den Wiederholungen heutzutage fällt das auch nicht weiter auf.

  6. Ach so ja, was mir dann noch auffällt. Sie ist für Euch schon „Mutter A..“?? Arme Schweine. Jedes Volk kriegt wohl die Eltern die es gewählt hat.

  7. „b.n.w.“ irritiert mich. Das war schön geschrieben von Heinz Rogel über die Kunst der Rhetorik. Aber was „b.n.w.“ nunn sagen will, sollte er näher erklären.

  8. @I. Werner:
    Böse meine ich. Sie bringen mich zum Lachen, wie kann es dann sein Ihnen das noch erklären zu müssen?!

    In Bemühung aufzuklären. Persönlich wünsche ich mir wieder Papa Helmut, Onkel Gerhard und Schmidt-Schnauze – als Bundes(Ur)Grossvater – wird präventiv mitverhaftet. Natürlich gibt es keine Gehälter wie sonst, wäre auch noch schöner, wer hat uns den Mist schliesslich eingebrockt. Es wäre konsequent die Verantwortlichen von einst zum Nachsitzen zu verpflichten.

    Möglicherweise wäre dafür die ein oder andere Grundgesetzänderung erforderlich. Wie das geht, IM anfragen. Richtig, fast vergessen, Schäuble wird als Botschafter nach Palästina entsorgt.

  9. Diese Diskussion ist falsch. Weder Gebaren noch Aussprache oder gar rhetorische Talente sollten eine Rolle spielen. Über das absonderliche Geschnappe Wehners oder Stakkatoduktus und Dialekt von Strauß hätte man sich damals auch lustig machen können (mancher hat es getan), aber es war und ist irrelevant… Was zählen sollte ist, was die Politiker auf dem Gebiet leisten, auf dem sie in unserm, des Bürgers Auftrag, tätig sein sollen… im Fernsehen eine gute Figur zu machen gehört nicht dazu. Es ist bezeichnend für die heutige Zeit und für ihre Obsession des Form Beats Function, daß man Ansichten äußert, für die man sich vor Jahren noch geschämt hatte, da man nicht gern der Oberflächlichkeit bezichtigt werden wollte. Wer vom Politiker in erster Linie eine schöne Oberfläche erwartet, ist wohl kaum in der Lage, vom Arbeitsergebnis des Politikers mehr zu erwarten als ebenfalls etwas, daß oberflächlich „gut aussieht“.

  10. Heute wie damals zielte die Sprache der Politiker auf die Macht komerzieller Vorteile.
    Sie wollen und wollten immer den Manangern nahe sein,weil sie sehr abhängig von deren Endscheidungen sind.“eine Gradwanderung“
    Das Geheimnis jeder guten politischen Rede ist nichts weiter als die Interessen der Massen zu benutzen,um den eigenen großen Selbszweck zu erreichen ohne aufzufallen.
    Und das ist die Kunst einer politischen Rede ,diesen ganzen Selbstzweck in Worte packen ,und die Mehrheit auch noch zu begeisten.
    Frühere Politiker haben noch polariesiert durch Persönlichkeit,egal welcher Art.
    Den heutigen fehlt meist beides.
    Die meisten halten es wie in der Werbung:Ist die Werbung nicht mehr gut wird einfach die Ware geändert.
    Fazit: derzeit zu viele Kopien als Originale .

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