Merkel unter Appeasement-Verdacht

Der Putsch von Teilen des Militärs in der Türkei ist gescheitert. Er war vielleicht die letzte Chance, eine Alleinherrschaft von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zu verhindern. Vielleicht war er aber auch fingiert, um Erdoğan den Vorwand für die Säuberungswellen zu liefern, mit denen er zurzeit die Türkei umkrempelt. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr leuchtet mir eine historische Parallele ein — die zum Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, der den Nazis den Vorwand lieferte, die Weimarer Grundrechte abzuschaffen. Damit wurde der Weg geebnet zur Verfolgung der Gegner der NSDAP. So wie bis heute nicht bewiesen ist, wer den Reichstagsbrand gelegt hat, so werden wir vielleicht nie erfahren, wer in Wirklichkeit hinter dem Putsch in der Türkei steckt. Fakt ist allerdings, dass Präsident Erdoğan das „Geschenk Allahs“ — den Putsch — nach Kräften nutzt, um Fakten zu schaffen und missliebige Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Beamte und Lehrer aus dem Weg zu schaffen. Die Leichtigkeit, mit der ihm dies zu gelingen scheint, zeigt auf, dass die Türkei schon mehr als die halbe Strecke auf dem Weg zur Diktatur geschafft hat. Auch FR-Leitartikler Frank Nordhausen sieht den Umschlagpunkt jetzt erreicht. Dieser Putsch wird die Türkei verändern.

Was ist in der Putschnacht in der Türkei geschehen? Eine Zusammenfassung gibt es HIER. Es war ein „merkwürdiger“ Putsch, wie schon Harald Kujat bei Anne Will sagte, denn offenbar hatten die Putschisten schon kurz, nachdem sie losgeschlagen hatten, keinen Plan mehr. Sie besetzten Brücken und öffentliche Plätze und machten sich so zur Zielscheibe für die AKP-Anhänger, die Präsident Erdoğan über ein Online-Netzwerk — ausgerechnet! — zum Widerstand aufgerufen hatte. Sie bombardierten das Parlamentsgebäude und schalteten einen TV-Sender ab, aber so richtig zielführend wirkte das alles nicht. Hätten die Putschisten nicht als allererstes Ziel versuchen müssen, des Staatspräsidenten habhaft zu werden?

Es ist natürlich ethisch problematisch, einen Putsch als Chance zu bezeichnen, wie ich es oben getan habe. Ein Demokrat sollte so etwas eigentlich nicht sagen bzw.schreiben, zumal es fast 300 Todesopfer gegeben hat. Allerdings war es angesichts der Säuberungswelle wohl andererseits ein wenig voreilig von diversen ausländischen Politikern, die Niederschlagung des Putsches als „Sieg der Demokratie“ zu bezeichnen. Wie viel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei noch existiert, werden wir demnächst sehen, wenn die Putschisten, aber auch die Richter, Beamten und Lehrer, die jetzt aus ihren Positionen entfernt wurden, ihre Prozesse bekommen — falls sie sie bekommen und nicht einfach in irgendwelchen Gefängnissen verschwinden und nie wieder auftauchen. Fakt ist: Die Türkei erlebte bisher eine Einschränkung von Grundrechten über Jahre hinweg. Jetzt aber geht es plötzlich Schlag auf Schlag, und es drängen sich unschöne Parallelen auf. Die Türkei hat noch nicht realisiert, dass ihr Präsident möglicherweise ein Paranoiker ist. Fixiert auf seinen ehemaligen Weggefährten Fethullah Gülen, wittert er dessen Machenschaften nun überall und überhöht den alten, kranken Mann und seine vermeintlichen Gefolgsleute zu Terroristen. Es könnte sein, dass wir dieses Wort — Terrorist — in den nächsten Wochen und Monaten noch oft aus der Türkei zu hören bekommen, denn die Anti-Terror-Gesetzgebung wurde von Erdoğan schon in der Vergangenheit gebraucht, um gegen politische Gegner vorzugehen.

Insofern war der Putsch vielleicht wirklich die letzte Möglichkeit, einen Diktator Erdoğan zu verhindern. Und damit Schlimmeres. Niemand kann vorhersagen, wie sich die Türkei unter einem Alleinherrscher Erdoğan entwickeln wird. Ich befürchte das Schlimmste, wenn jetzt zu hören ist, dass in der Türkei die Wiedereinführung der Todesstrafe erwogen wird. Dann rückt unter anderem die EU-Mitgliedschaft — falls überhaupt noch gewollt — in weite Ferne.

Es ist übrigens derselbe ethische Konflikt, der beim Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler und auch beim Versuch Georg Elsers, Hitler zu ermorden, eine Rolle spielt. Mord bleibt Mord, auch wenn der Tote Adolf Hitler heißt. Und doch hätte dieser Mord gerade im Fall des Elser-Attentats möglicherweise millionenfaches Sterben verhindert. Wäre es nicht richtig gewesen, Hitlers mörderisches Wirken zu verhindern?

Was hätte der Putschversuch in der Türkei verhindern können? Wir werden es erfahren, denn wir alle sind Zeitzeugen dieses offenbar gelingenden Versuches, das Schicksal eines Landes mit 79 Millionen Einwohnern in die Hände eines einzigen unkontrollierbaren Mannes zu legen. Eines Landes, das Nato-Mitglied ist und trotzdem unter Erdoğan nachweislich den „Islamischen Staat“ gefördert hat.

„Eroberung heißt Mekka“, hat Erdoğan in seiner Rede anlässlich des 562. Jahrestages der Eroberung Konstantinopels vor einer Million Zuhörern gesagt. „Eroberung heißt Sultan Saladin, heißt, in Jerusalem wieder die Fahne des Islams wehen zu lassen.“

Von nun an steht die Türkei-Politik Angela Merkels wohl unter Appeasement-Verdacht.

Leserbriefe

Ulrich Niewiem aus Pfungstadt meint:

„Herr Erdogan kann meiner Meinung nach für den cleversten, pfiffigsten und einer der besten Politiker der letzten 100 Jahre angesehen werden. Wie er als Staatschef eines Landes, das im Ranking nicht unbedingt zu den ersten zwanzig gehört, die sogenannten „Mächtigen“ dieser Welt am Nasenring durch die Manege zieht bzw. tanzen lässt (siehe hierzu: Stern vom 21.4., „Die türkische Humorkanone“) ist schon sehr bemerkenswert. Auch die Rochade, wie er auf demokratische Art und Weise in dem Land „aufräumt“ (hatte heute ein Gespräch eines Türken mit einem Deutschen am Rande miterlebt, wie der Türke zu dem Deutschen sagte: „Hast du schon irgendwo in der Welt davon gehört, wie man mit rund 300 Soldaten einen Putsch machen kann?“ Die sind Bauernopfer bzw. das war inszeniert), indem er den sogenannten Putsch niederschlägt und damit die Legitimation hat, die „Verräter“ ein wenig „auszusortieren“…
Sehr schade ist, dass er das alles auf dem Weg eines (Religions-) Faschisten tut und damit in die falsche Richtung  Mittelalter geht. Und Faschismus, so haben wir nicht nur aus der deutschen Geschichte gelernt, geht am Ende immer in die Hose; ganz egal, wie lange das dauert.“

Hans M. Schmidt aus Frankfurt:

„Dieser seltsame, dieser blutige Putsch in der Türkei. Ein Putsch, der überraschend begann und schnell wieder beendet war. Nehmen jetzt die „Sieger“ Rache?  Es gibt verstörende Nachrichten: Einige Soldaten, als Terroristen gebrandmarkt,  wurden offenbar gelyncht. Einer vor laufender Kamera geköpft. Davon ist, übereinstimmend, in den Medien zu lesen, das Fernsehen soll entsprechende Bilder gezeigt haben.
Die EU hat die Niederschlagung des Putsches begrüßt, vor allem die Bundeskanzlerin fand deutliche, positive Worte in Richtung Erdogan. Die Bundesregierung betonte ihre „Unterstützung für die gewählte Regierung“. Ein Sieg der Demokratie?
Der türkische Staatspräsident Erdogan hat eine „vollständige Säuberung“ des Militärs angekündigt. Er hat aber nicht nur in einer ersten Aktion 2839 Offiziere von der Polizei sofort festnehmen lassen, er hat auch – und auch dies in Windeseile – fast 3000 Staatsanwälte und Richter kurzerhand aus dem Staatsdienst entfernt. Auf der einen Seite die Entmachtung der unabhängigen Justiz, auf der anderen Seite Berichte über Lynchjustiz … Das passt nicht zusammen.
Das weiß Erdogan, das könnte ihm schaden. So ließ er ebenfalls schnell verbreiten: Die Täter  waren Terroristen. Die türkische Regierung denkt nun laut über die Wiedereinführung der Todesstrafe nach. Mit harten Strafen, vom Parlament ausdrücklich gebilligt, könnte keiner sagen: Das ist die „Rache der Sieger“. Es wäre eine legitime Reaktion des Staates, der das Recht, der die Demokratie, der seine Bürger schützen will.
Erdogan hat den „Putsch“ ein „Geschenk Gottes“ genannt. Eine verstörende Aussage. Es kann, im Namen der Demokratie, aber keinen totalen Freibrief für Regierungen geben, die mit allen Mitteln ihre Macht ausbauen wollen. Es gibt eine rote Linie. Es gibt Grenzen. Dazu gehört die Wiedereinführung der Todesstrafe, dazu gehört staatlicher Terror.
Auch das dürfte Erdogan klar sein. Das sollte  Angela Merkel erkennen und mit ihm darüber reden. Ihre totale Abhängigkeit von Erdogan, die in allen Bereichen signifikant ist und in die sie sich selbst begeben hat, verhindert das – und wird Merkel die Kanzlerschaft kosten. Eine unheilvolle Entwicklung bahnt sich an.“

Joachim Kietzmann aus Bruchköbel:

„Ich denke, dass dieser Putsch getürkt war. Der Herr Erdogan hat selbst gesagt, dass der Putsch für ihn ein Segen sei. Die Durchführung ist so bescheuert, dass man dies bei Vergleich mit den früheren Umstürzen nicht glauben kann. Die haben alle geklappt. Und dann war auch während des Putsches die Liste mit den Namen 2700 Richtern vorhanden, die sofort aus den Ämtern gejagt wurden. Jetzt werden die Missliebigen aussortiert.“

Regina Neumann aus Marburg:

„Für Erdogan ist der Putschversuch genauso ein „Gottesgeschenk“ wie für Bismarck die Attentate auf Kaiser Wilhelm I. 1878: Nun mussten die Nationalliberalen den Sozialistengesetzen zustimmen, denen sie sich zuvor verweigert hatten. Ebenso werden jetzt Menschen Erdogans Bestrebungen unterstützen, die diese zuvor noch kritisch gesehen hatten. Traurigerweise sind die Parallelen verblüffend.“

Roland Winkler aus Aue:

„Im Nato- und Partnerstaat Tuerkei putscht das Militaer und wie reagiert die Wertegemein-schaft ? Sondersendungen, Berichte und uebliche Spekulationen, aber wo sind die scharfen Ermahnungen, wo die Sanktionen und sonstigen Androhungen, die praktiziert werden, wenn an anderen Orten der Welt die Freiheit, Demokratie und Recht in Gefahr besehen werden?
Wer erklaert das zweierlei Mass? Wann wurde je so offenbar, wie alle geheiligten Werte und Menschenrechte am Ende noch immer hinter die Macht-und Herrschaftsinteressen treten, sich einmal mehr als reine Illusionen erweisen. Wie demokratisch, freiheitlich und rechtsstaatlich regiert ein Erdogan nun? Gehoert er jetzt auch zu den Feindbildern, wie andere personifizierte Diktatoren und Ungeheuer dieser Welt? Wem und wozu nuetzt es, in wessen und zu welchem Interesse ist es, selten waren Antworten auf diese Fragen so klar, deutlich, aber ebenso schrecklich und ungeahnte Gefahren offenbarend.“

Diskussion: frblog.de/putsch

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10 Kommentare zu “Merkel unter Appeasement-Verdacht

  1. zu Regina Neumann:
    Die von Ihnen genannten Beispiele für das „Gottesgeschenk“ ließen sich noch weiter fortsetzen, so etwa, wie ein türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter sagte, ein Reichstagsbrand, der von den Nazis genutzt wurde, um Kommunisten, Sozialdemokraten u.a. zu verfolgen.
    Für mich war von Anfang klar, dass Erdogan diesen „Putsch“ inszeniert hat, um seine autoritären Vorstellungen weiter umzusetzen, wobei später bekannt gewordene Fakten mich regelmäßig bestärkten.
    Komisch ist allerdings dabei das Verhalten ausländischer Regierungen, insbesondere der Bundesregierung, die lediglich auffordert, „zur Demokratie zurückzukehren“ als habe es unter Erdogan überhaupt eine Demokratie gegeben.
    Wie groß wäre das Geschrei, wenn Putin solche Progrome veranstalten würde, es würden weitere Sanktionen folgen, wo bleiben die Sanktionen gegenüber Erdogan?
    Der irre Axt-Amokläufer dient jetzt als Alibi für de Maizière, Maaßen & Co., vom Problem Erdogan abzulenken und bei uns dicke Fäuste zu machen, als habe es in der Vergangenheit nie Mordanschläge, Amokläufe todeswütige Raser o.ä. gegeben.

  2. Tja. Wieder eine wunderbare Bebilderung, wie es mit „Demokraten“ aussieht. Hier Putin, gleich „böser“ Chef eines Landes, und dort Erdogan, gleich „guter“, ein wenig verirrter Staatschef. Schade, das es aus den Medien bezüglich Putin keine gleichlautenden Meldungen gibt. Wahrscheinlcih alles der Zensur zum Opfer gefallen.

    Bliebe eine Grundsatzdebatte: was macht Demokratie heute noch aus? Die Merkelsche Variante einer „marktkonformen“? Oder die putinsche einer „gelenkten“? Auf welch hohem Roß sitzen wir hier? Oder ist alles scheißegal, weil Frank Zappas These zutrifft: „We’re only in it for the money“?

  3. Wieder mal schreibt mir Peter Boettel aus der Seele. Gerade lese ich im Internet von der Attacke in Muenchen. Noch ohne einen Schimmer von den Informationen ueber die Taeter zu haben, wird in Muenchen ein perfekter Ausnahmezustand inszeniert.
    Ist das in dieser Groessenordnung angebracht???
    Fortsetzung folgt.

  4. Vielen Dank Maillimi, es tut gut, wenn jemand wie Sie mir immer wieder Komplimente macht.
    Zu München haben wir uns gestern abend schon gefragt, ob hier nicht wieder mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird und der Täter es womöglich auf einen Diebeszug abgesehen hatte. So wechselten ja auch die Mutmaßungen von Amokläufer auf Terrorangriff von mehreren Personen bis hin zu Breivik-Nachahmer.
    Ich freue mich schon auf Ihre Fortsetzung.

  5. Die sich mir aufdrängende Frage ist die nach den Folgen und Nebenwirkungen der durch Erdogan niedergerungenen türkischen Demokratie auf alle Türken hier in Deutschland. Seit Atatürk wissen wir, das das Militär dort laizistisch ausgerichtet ist. Jetzt bedeutet Laizismus nicht automatisch auch Demokratie, aber läßt zumindest wenig Raum für religiös-totalitäre Bestrebungen. Welche Auswirkungen wird die neueste Entwicklung auf den Kurden-Konflikt haben?

    Und warum machen wir immer noch Koteaus und weigern uns, Erdogan und Putin gleich zu behandeln? Wobei bei Putin für mich immer noch demokratische und in die Weltpolitik sich einbindende vernünftige Reste vorhanden sind, mir E. aber immer mehr wie einer vorkommt, der eigentlich in psych. Behandlung gehört – wahrscheinlich ohne Erfolg, weil bei ihm der Jordan schon längst überschritten wurde.

    Ein NATO-Land, welches die Demokratie mit Füßen tritt. Ein Staat, der Aufnahme in die EU begehrt, aber mehr oder weniger offen mit dem IS symphatisiert. Und wir drücken sämtliche Augen und Hühneraugen zu, wegen des mißratenen Flüchtlingspaktes, und der damit verbundenen Furcht, demnächst noch ca. 2,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Was haben wir gewonnen? Nichts! Weil zu diesen Flüchtlingen dann noch alle einigermaßen liberal gesinnten Türken hinzukommen, welche sich jetzt in ihrem eigenen Land nicht mehr sicher fühlen, und alles versuchen werden, irgendwie weg- und damit davon zu kommen.

    Aber ich stehe im Moment mit beiden Beinen im Topf der Resignation. Nizza, Würzburg, und gestern München (nicht islamistisch bedingt, aber rational nicht begreifbar) – all dies macht mich fassungslos. Übrigens gab es heute auch einen schlimmen Anschlag in Kabul.

  6. …wobei die“Groessenordnung“ des Anschlags in Kabul
    nicht vergleichbar ist. Man stelle sich vor, in Wuerzburg oder Muenchen haette es ueber 80 Todesopfer gegeben.
    Wolfgang Fladung und Peter Boettel (pardon, es sind keine Komplimente, sondern Ausdruecke meiner Freude, Gleichtickende in der ueberwaeltigenden nicht Gleichtickender wahrzunehmen) – Ihre Kommentare verlassen mich Ihnen schlicht und einfach zuzustimmen, ohne mich selbst noch wortreich erklaeren uu muessen.
    Die Resignation allerdings, W.F., hat mich angesichts der von Ihnen genannten Ereignisse nicht eingeholt…Mich empoert viel mehr das (gelinde gesagt:) verantwortungslose, egoistische, zynische Verhalten unserer „Volksvertretung“…
    das mit zweierlei Mass Reagieren gegenueber Erdogan und (Ihr berechtigter Einwand) gegenueber Putin… ganz zu schweigen von anderen „Partnerlaendern“… Da graust es mich wirklich.
    Um die Umsetzung von Wahnvorstellungen eines 18jaehrigen Jungen zu vermeiden bedarf es sicher anderer Herangehensweisen. Aber das Nichtvermeiden ist dann wiederum ein ausuferndes Thema mit all den Spekulationen, Interpretationen uns Schuldzuweisungen fuer die (nicht alle, aber die dominierenden) Medien.Sind diese „SENSATIONEN“ nicht auch eine Art Ersatz fuer krimihungrige Konsummenten?

  7. @ maillimi und Peter Boettel
    Als Münchner bin ich dankbar dafür, dass die Polizei in einer unübersichtlichen Lage die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um die Bevölkerung zu schützen. Wenn auf Menschen in einem Einkaufzentrum geschossen wird, es Tote und Verletzte gibt und unklar ist, ob mehrere bewaffnete Täter unterwegs sind, ist es angemessen, die maximal mögliche Gefahr – die eines geplanten Terroranschlags – anzunehmen und entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Genau das hat die Polizei getan und es auch so kommuniziert, ohne sich an den unsäglichen und voreiligen faktenfreien medialen Mutmaßungen zu beteiligen, ob es sich um einen Amoklauf oder islamistischen bzw. rechtsextremistischen Terrorakt handelt.

    Zum eigentlichen Thema des Threads: Die Kritik an Merkels zu zögerlicher Reaktion gegenüber Erdogan mag berechtigt sein. Den nicht nur von Wolfgang Fladung erhobenen Vorwurf, die Bundesregierung würde Erdogan und Putin nicht gleich behandeln, vermag ich aber nicht nachzuvollziehen. Auf die von Putin verantwortete zahlreiche Verletzungen der Rechtstaatlichkeit und der Menschenrechte sowie der Aushöhlung der Demokratie (oder auf die Menschenrechtslage in China) hat Merkel genauso lediglich mit mahnenden Worten „zurückhaltend“ reagiert, wie jetzt auf die Vorgänge in der Türkei. Die EU hat gegen Russland Sanktionen nicht wegen der Demokratiedefizite verhängt, sondern wegen der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim.

  8. Nach Erdogans „Gegen-Putsch“ und der (sicher ebenso gezielt unter die Massen gebrachten) Forderung nach Todesstrafe konzentriert sich die Diskussion über Gegenmaßnahmen allein auf Beendigung der Beitrittsverhandlungen mit der EU sowie auf Verweigerung der Visafreiheit. Beides dürfte Erdogan wenig interessieren und zudem seiner Behauptung eines „vom Ausland“ inszenierten Angriffs auf die Türkei entgegenkommen.
    Dabei geht es für die deutsche Regierung nicht um eine „Bestrafung“ Erdogans und seines diktatorischen Regimes, sondern vor allem um Schutz deutscher Bürger (oder auf deutschem Territorium lebender Türken) vor seinen Übergriffen, besonders durch Handlanger aus der AKP. Dementsprechend bieten sich zunächst vor allem drei Maßnahmen an:
    1. Konsequente Verfolgung aller Drohungen und Übergriffe gegen auf deutschem Boden lebende Bürger türkischer Herkunft.
    2. Kündigung der Vorrechte des DITIB bei der Besetzung von Imamen in Deutschland.
    3. Überprüfung der AKP (ähnlich wie der PKK) auf Verdacht verfassungswidriger Aktivitäten, ggf. in Hinblick auf Verbot in Deutschland.
    Zu 2: (nach Wikipedia):
    Ditib untersteht als Dachverband für die „türkisch-islamischen Moscheegemeinden“ der „dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei, welches dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert ist. (…) Der Vorsitzende der DITIB ist in Personalunion auch türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten. Zudem werden die an staatlichen theologischen Hochschulen in der Türkei ausgebildeten Imame der DITIB für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und sind de facto Beamte des türkischen Staates.“

  9. Was passiert den gerade in der Türkei. Medien werden gleichgeschaltet, Oppositionelle werden verhaftet und gefoltert (Amnesty), Menschen fluechten aus ihrer Heimat, andere werden denunziert und verschwinden.
    Das Ausland hofiert den, der dies alles mit einem sogenannten Putsch angefangen hat, weil angenommen wird, das man wenigstens noch kleine Vorteile daraus ziehen kann (Flüchtlinge).
    Zusätzlich werden dem islamistischen Diktatornoch Milliarden aus unseren Steuern in den A… geblasen.
    Ich hatte noch Geschichtsunterricht und kann vergleichen.
    Das was in der Türkei geschieht erinnert mich an deutsche Vergangenheit.
    Auch hier wurde der Diktator und Massenmörder Hitler zuerst gewählt.
    Auch hier hat das Ausland zu lange abgewiegelt.
    Das Ergebnis kennen wir.
    Ich weis, Vergleiche sind gefährlich.
    Aber trotzdem bleiben Demokratie, Menschenrechte und allse was westliche Demokratien in Erdoganland auf der Strecke und führende deutsche Politiker blamieren sich mit Geschwafel und unkonkreten Aussagen.
    Traurig fuer unsere türkischen Freunde vor Ort.

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