Kriegt eure Kinder erst, wenn ihr einen Krippenplatz habt!

Gastbeitrag von Rena (anonymisiert, Identität der Autorin ist Bronski bekannt)

„Hallo Bronski, ich wollte einen Leserbrief an die Rundschau schreiben und wähle nun dieses Format dafür. Mein Leserbrief gilt nicht einem bestimmten bereits erschienenen Artikel in der FR, sondern ich möchte aus meinem Leben als Akademikerin mit Kind bzw. Kindern berichten.Ich bin Volljuristin und nicht aus Wolkenkuckucksheim, wo Frau Schröder und Frau von der Leyen und alle anderen Politiker anscheinend leben.

Mein erstes Kind bekam ich im Referendariat, dies hatte zur Folge, dass ich leider keine Anstellung als Volljuristin bekam, denn die arbeiten nicht Teil-, sondern Vollzeit. Also habe ich eine Teilzeitanstellung als kaufmännische Sachbearbeiterin angenommen. Super langweilig, unterbezahlt und dann noch launischen Chefs ausgesetzt, die es einem übelnehmen, dass man eine bessere Ausbildung hat. Man wird aber dann immer gerne doch noch als Jurist eingesetzt, das heißt man darf gerichtliche und außergerichtliche Schriftsätze aufsetzen, Gutachten schreiben und Verträge entwerfen. Die damit verbundene Arbeit ist selbstverständlich mit dem kargen Sachbearbeitergehalt abgegolten. Mann (Frau) muss ja froh und dankbar sein, dass man überhaupt eine Teilzeitstelle gefunden hat. Dass man bei einer Teilszeitstelle genauso viel arbeitet wie die Kollegen in Vollzeit, ist ja hinlänglich bekannt. Man arbeitet auch ohne Pause durch, da man sein Kind so früh wie möglich abholen will, denn man möchte auch noch Zeit mit seinem Kind verbringen. Mann (Frau) ist aber immer so im Stress und in Hektik, dass man dann die gemeinsame Zeit mit dem Kind gar nicht richtig genießen kann.

Trotz dieser Widrigkeiten habe ich ein zweites Kind bekommen, dabei waren rein romantische Gründe ausschlaggebend, leider, denn nun sitze ich da.

Angefangen damit, dass es in dem Viertel, in dem ich groß geworden bin, keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Bornheim/ Nordend Vierzimmerwohnung ab 1300 Euro kalt. Danke, wer hat denn so viel Geld? Wir nicht! Also mussten wir unsere bezahlbare Dreizimmerwohnung in Bornheim nach 25 Jahren verlassen, (diese war nun zu viert doch etwas eng geworden), um für 1300 Euro warm in Seckbach eine Bruchbude anzumieten (wir haben bisher keine funktionierende Heizung u.a. Mängel). Nächster Punkt in meinem Leben: Mein Eltergeld setzte sich aus selbständigen Einnahmen und Einnahmen aus unselbständiger Arbeit zusammen. Eigtentlich hätte ich Anspruch auf 1300 Euro Eltergeld gehabt, wenn man die zwölf Monate vor der Geburt zugrunde legt, wie es einem ja immer weisgemacht wird. Dies ist aber bei den Einnahmen aus selbständiger Arbeit anders, dort zählt das Geschäftsjahr und darüber hinaus auch noch das sog. Zuflussprinzip. Nun hatte ich das Pech, dass einer meiner Mandaten mir einen Teil meines Honorares erst 2010 einen Monat vor der Geburt meines zweiten Kindes zahlte, obwohl die Rechnung im November des Vorjahres gestellt worden war. Dadurch fiel dieser Betrag bei der Berechnung des Elterngeldes raus, super, vielen Dank, könnten wir gut gebrauchen, macht immerhin 300 Euro weniger. Und nun habe ich auch noch einen netten Brief von der Elterngeldstelle erhalten, dass ich ab Januer sowieso weniger bekomme, wurde gerade so beschlossen in Wolkenkuckucksheim. Nochmal danke. Kinder kosten ja auch so gut wie nichts.

So als wäre dies nicht alles nervig genug, finde ich nun auch noch keine Betreuung für meinen Schatz, obwohl ich ihn, als er vier Wochen alt war, in allen Krippen im Nord- und Ostend und Bornheim angemeldet habe. Keine Chance, heißt es dort überall. Tagesmütter gibt es nicht an meinem neuen Wohnort, und es ist auch keine in der Nähe. Großeltern sind selber noch berufstätig. Also was nun? Mein Job wartet, aber ich werde ihn wohl nicht antreten können, da ich keine Betreuung für meinen Sohn habe. Muss ich dann Hartz IV beantragen? Vorher meinen Job aber kündigen, damit ich einen Anspruch auf IV habe? Als Volljuristin, die immerhin einen Sachbearbeiterjob hätte? Oder möchte Frau Schröder vorbeikommen und aufpassen? Was hat man denn als Akademikerin von einem Kind? Was soll ich meinen Kindern denn bieten können, wenn mein Gehalt wegfällt? Was mich zum nächsten Punkt bringt, der mich aufregt. Man soll gebildete, weltoffene Menschen heranziehen, die leistungsstark und tolerant sind. Wie soll man das denn machen? Museum, Theater, Oper, alles superteuer, wenn man gerade so über der Einkommensgrenze liegt und keinen Frankfurtpass bekommt (wobei sich dies ja bald ändern wird, da mein Gehalt ja wegfällt). Warum sind denn auch die Urlaubsreisen ausgerechnet in der Zeit am teuersten, wenn Familien Ferien machen? Sollte man den Kindern nicht vielmehr ermöglichen, andere Länder und Sitten kennenzulernen und Kulturen? Die Antike vor Ort ist doch besser als im Buch.

Mir reicht’s und ich kann allen Akademikerinnen nur empfehlen: Sucht euch einen reichen Mann oder macht erst Karriere und bekommt euer Kind erst, wenn ihr einen Krippenplatz habt.“

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Anmerkung Bronski: Vielleicht kennt jemand aus der Blog-Userschaft eine/-n Tagesmutter/-vater?

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11 Kommentare zu “Kriegt eure Kinder erst, wenn ihr einen Krippenplatz habt!

  1. Ja, Rena, Sie haben völlig recht. Aber warum sind Sie Ihrem eigenen Rat nicht gefolgt? Alles, was Sie an Problemen aufzählen, war doch vorher absehbar. Romantik ist schön, aber man muss sie sich auch leisten können.

    Gesellschaftspolitisch müssen offene Fragen beantwortet werden, wie z. B. warum ein durchschnittlicher Haushalt weit mehr als ein Drittel seiner Einkünfte für Wohnen ausgeben muss. Waru bekommen Topverdiener über den Kinderfreibetrag mehr Zuwendungen als Kindergeldbezieher. Warum werden Tierfutter und Schnittblumen einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterworfen, Babywindeln aber nicht? Warum kommen kinderlose Paare in den Genuß von Steuervorteilen? Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

    Ich sehe die Probleme durchaus. Aber, liebe Eltern, hört auf zu jammern und so zu tun, als seien Eure Kinder vom Himmel gefallen. Die moderne Medizin lässt heutzutage eine Familienplanung zu. Und Eurem Altruismus verdanken Eure Kinder nicht ihr Leben.

  2. Wenn man bei oben genannter 4-Zimmer Wohnung (1300 Euro kalt) den Preis von 7 Euro pro Quadratmeter zu Grunde legen würde, käme eine Wohnung raus mit stolzen 185 qm- was nun doch vergleichsweise luxuriös ist. Ich finde zwar, dass Rena in einigen Punkten recht hat, insbesondere was die Versorgung mit Kinderkrippen anbelangt und die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. Hier muss sich dringend einiges ändern! Mir kommen ihre Ansprüche aber trotzdem ganz schön überzogen vor. Ich finde, dass man sehr gut in einer Drei-Zimmerwohnung zu viert leben kann, insbesondere wenn man den Anspruch hat, in einer Metropole zu leben. Anstatt sich darüber zu freuen, dass sie überhaupt Elterngeld vom Staat bekommt (was ja vor einigen Jahren noch nicht der Fall war), jammert Rena. Ich kann so eine Einstellung nicht nachvollziehen. Ich habe meine Kindheit Ende der Siebziger überwiegend in einer bescheidenen 2-Zimmerwohnung verbracht ohne eigenes Kinderzimmer. Und die griechische und römische Antike konnte ich auch erst im Erwachsenenalter im Original entdecken. Man muss nicht die Welt schon in den ersten Lebensjahren gesehen haben.

  3. Zu Napez möchte ich anmerken, Du hast vollkommen recht ….. . ABER, wenn man sich Kinderbekommen vorher wirklich durchdenken würde, dann gäbe es tatsächlich bald keine Kinder mehr. Ich wäre froh, wenn wir nur ein Drittel für die Miete ausgeben würden, es ist aber leider mehr als die Hälfte.

    Zu maat, Du hast auch Recht, ich habe gejammert, es gibt so Tage… . Aber wo lebst Du? Wo gibt es denn bitte schön im Nordend oder Bornheim oder Seckbach eine Wohnung für 7 € den qm? Wenn dann bestimmt nur unter der Hand und nicht auf dem Markt. Da Du nicht weisst, wie gross unsere Dreizimmerwohnung war und wie diese geschnitten war, kannst Du nicht beurteilen, ob es nun zu eng war oder nicht. Deine Kindheit ist dreißig Jahre her (meine auch) heute kann man mit den Lebensumständen aus den 70ger Jahren nicht mehr kommen …. . Die Antike möchte ich natürlich nicht meinem Säugling näher bringen, sondern meinem älteren Sohn, der bereits seit mehreren Jahren zur Schule geht. Außerdem war dieser Punkt von mir eindeutig überzogen.

    ABER gebt mir doch mal einen Rat, was ich machen soll, wie kann ich meinen Job wieder antreten, ohne dem Sozialstaat zur Last zu fallen???

  4. @Rena

    Hallo Rena,
    da hast du ja einiges geradegerückt, worüber ich froh bin. Ich lebe nicht in Frankfurt, habe mich aber am Mietspiegel im Netz orientiert, wohne aber auch in einer Gegend, in der die Mieten sehr hoch liegen.
    Einen Rat zu geben ist schwer. Ich würde über Zeitungsanzeigen versuchen, eine private Betreuung zu finden. Eine andere Möglichkeit wäre, sich mit ein paar anderen Eltern zusammenzutun, die das gleiche Problem haben, sodass jede/r einmal pro Woche alle Kinder versorgen und an den anderen Tagen arbeiten gehen könnte. Du bist ja vermutlich nicht die einzige, der es so geht. Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht ein Au-Pair-Mädchen.

    Viel Erfolg,
    wünscht maat

  5. Liebe Rena, natürlich machen sich bei weitem nicht alle Eltern ausufernde Gedanken, ob und wie sie sich ein Kind leisten können. ABER sie könnten und müssten das tun. Familienplanung ist möglich (und angesichts einer weltweit jährlich um 80 Mio. wachsenden Menschheit auch dringend erforderlich). Und ich kann nur das Gejammere nachher nicht mehr ertragen. Ich bitte den plumpen und an sich unpassenden Vergleich zu entschuldigen, aber wenn ich mir ein Haustier zulege, darf ich mich hinterher nicht beschweren, dass dieses Tier Kosten und organisatorische Probleme verursacht.

    Der deutsche Staat weiß seit den späten siebziger Jahren um die demographischenen Probleme. Die Geburtenrate dümpelt seit dem um die 1,4. Man hat die gesellschaftliche Umstrukturierung nicht verstanden. Frauen der Generation meiner Mutter blieben noch ganz selbstverständlich zu Hause. Ein Einkommen hat damals problemlos ausgereicht. Heute verfügen Frauen über hochqualifizierte Ausbildungen und wollen und sollen diese auch vermarkten. Dies kollidiert aber mit dem Kinderwunsch. Also muss Arbeit und Familie zusammenrücken, also vor allem durch arbeitsplatznahe und flexible Ganztagsbetreuung. Hier wären m. E. die Mittel für das Elterngeld besser eingesetzt worden. Stattdessen subventioniert der deutsche Staat noch immer die Ehe an sich, also auch die kinderlose.

    Was mich einfach nervt, ist das Gejammere über Umstände, die vor der Entscheidung zum Kind bekannt waren. Natürlich braucht ein Staat Kinder, aber mich nerven auch Eltern, die so tun, als ob sie ihrem Kinderwunsch nur oder in erster Linie deshalb nachgekommen sind. Und das bezweifle ich ganz entschieden. Kein Kind verdankt seine Existenz dem Altruismus seiner Eltern.

  6. Ich gebe Dir ja vollkommen Recht. Mich nervt aber das Getue der Politiker. Ich wollte einfach mal zeigen, dass es eben nicht alles so toll ist mit Kind in Deutschland als Akademikerin, wie man glauben könnte. Das Elterngeld finde ich allerdingss schon sinnvoll, denn wie Du selbst ja erkannt hats, reicht ein Gehalt einfach nicht, da daran auch der Staat schuld ist durch die arbeitgeberfreundliche Politik und und und ist er hier auch in der Pflicht einen Ausgleich zu schaffen.

    Meines Erachtens hätte man lieber die Unterstützungen für die Banken und andere „sinnvolle Dinge“ unterlassen sollen und dies in die Kinder und deren Bildung investieren müssen. Bei uns läuft einiges schief …. .

    Zu den Umständen die vor der Entscheidung bekannt waren kann ich nur sagen, JA, aber der Kinderwunsch war stärker und und zugegeben völlig irrational. Mein Mann wollte ja auch garnicht. Unser Kompromiss war daher EIN Versuch, wenn es nicht klappt belassen wir es bei einem Kind und wenn es klappt dann klappt es. Wobei wir beide ob unseres fortgeschrittenen Alters und den Erfahrungen aus unserem Bekanntenkreis davon ausgegangen sind, dass es nicht klappt. Nur das hier nicht der Eindruck entsteht, ich hätte auf Teufel komm raus alles daran gesetzt ein zweites Kind zu bekommen, obwohl wir es uns eigentlich nicht leisten können und nun rumjammere ….. .

  7. Zu dem Thema möchte ich auch etwas sagen und beschreiben wie wir es geschafft haben 3 Kinder in einer wirklich nicht kinderfreundlichen Gesellschaft groß zu bekommen( das jüngste Kind kommt dieses Jahr aus der Schule) Wir wohnen nicht in Frankfurt sondern ca 25 km davon entfernt.Das bedeutet schon einmal halbe Miete Da es schon lange nicht mehr reicht wie auch schon oben geschrieben das ein Elternteil arbeiten geht haben sich mehrere Eltern zusammen getan und einen Kindergartenverein gegründet. Soweit ich weiß wird so etwas in Frankfurt sogar besonders gut gefördert. Dieser Verein wurder Mitglied bei der LAG (Landesarbeitsgemeinschaft freier Kindergärten) Dort haben wir viele Informationen bekommen. Dann hat der Verein Erzieher eingestellt und auf seinen Mitgliederversammlungen z.B. die Öffnngszeiten festgelegt u.s.w.. Warum ich das schreibe? Erstens um Möglichkeiten aufzuzeigen was man tun kann, aber auch um zu sagen das es nicht das reine schreien nach dem Staat sein kann wenn es darum geht seine Kinderbetreuungsproblene zu lösen. Natürlich haben wir auch Geld vom Staat gebraucht aber wir sind an die Gemeinde herran getreten und haben gesagt so wollen wir unsere Probleme lösen unterstützt ihr uns oder ihr löst die Probleme für uns. Es war übrigens eine schöne Zeit und wir haben viele neue Freunde gewonnen bei der Arbeit an unserem Kindergartenverein. Den es übrigens, auch ohne uns,jetzt seit über 20 Jahren gibt.

  8. Hallo Hans, ich habe das auch schon in Erwägung gezogen und war diesbezüglich beim Kinderbüro. Dort wurde mir allerdings gesagt, dass die Anforderungen an die Örtlichkeit für einen Kindergarten so hoch sind, dass daran schon ganz andere gescheitert sind. Wollte nun mal an das zuständige Amt herantreten und mich erkundigen …. . Vielleicht kann ich ja bei Fragen etc. nochmal auf Dich zukommen. LG Rena

  9. Du kannst schon Fragen. Die Fragen werde ich auch so gut es geht beantworten, aber besser du wendest dich an die oben von mir genannte: LAG freie Kinderarbeit Hessen e.V. Bei mir ist das alles schon ca 20 Jahre her. Ich habe übrigens die Erinnerung das das Jugendamt relativ großzügig war was die Räumlichkeiten angeht, aber wie gesagt vor 20 Jahren.

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