Impfen: Vom Recht, nicht unnötig krank zu werden

Italien hat eine Impfpflicht beschlossen und nun auch in Gesetzesform gegossen. Danach sind Eltern von Kindern und Jugendliche bis 17 Jahren verpflichtet, gegen zehn Krankheitserreger impfen zu lassen. In einem ersten Schub geht es dabei um Diphterie, Hepatitis B, Haemophilus influenzae b, Keuchhusten, Polio und Tetanus, in einem zweiten, der in drei Jahren überprüft werden soll, um Masern, Rötseln, Mumps und Windpocken. Grund für diese Initiative ist eine Masernepidemie in Italien, die bisher drei Tote gefordert hat. Drei zu viel.

Die italienische Bevölkerung ist, was Masern betrifft, zu 87 Prozent durchgeimpft. Das ist eigentlich ein recht hoher Prozentsatz. In Deutschland beträgt er sogar 90 Prozent. Das reicht aber nicht, um die Masern auszurotten. Italienische Eltern, die nicht impfen lassen, können ihre Kinder künftig nicht mehr im Kindergarten abgeben und riskieren Bußgelder. Auch Frankreich will eine Impfpflicht einführen.

Masern sind nicht mit Pocken oder anderen Menschheitsgeißeln zu vergleichen. Die Pocken etwa konnten durch Impfungen praktisch ausgerottet werden. Die Zahl der tödlichen Verläufe ist bei Masern ungleich geringer. Doch jeder tödliche Verlauf ist einer zu viel. Das werden vermutlich alle Eltern unterschreiben, die jetzt in Italien ein Kind durch Masern verloren haben.

In Deutschland hat die Bedrohung durch die klassischen Kinderkrankheiten, die vor fünfzig Jahren noch große Probleme bereitet haben, generell abgenommen. Sie scheinen gar nicht mehr da zu sein. „Dadurch erkennen viele Menschen die Sinnhaftigkeit einer Impfung speziell für ihr Kind nicht so, wie wir sie als Mediziner für die Gesellschaft sehen“, sagt der Infektiologe Timo Wolf von der Uniklinik Frankfurt im FR-Interview.

Aus den Augen, aus dem Sinn – kann man so mit den Gefahren umgehen, die von solchen Erregern ausgehen? Handeln Eltern verantwortungsbewusst, wenn sie in dem Wunsch, ihr Kind vor Impfschäden zu schützen, nicht impfen lassen? Denn es ist richtig: Impfungen können Probleme verursachen. Ich weiß zum Beispiel von einer FR-Leserin, die berichtete, infolge einer Borreliose-Schutzimpfung in Lebensgefahr geraten zu sein und nur mühevoll überlebt zu haben. Die Impfstoffe enthalten Adjuvantien, Zusatzstoffe, welche die Impfwirkung verstärken sollen und über die Timo Wolf sagt: „Ihnen werden häufig Langzeitnebenwirkungen zugeschrieben, die schwierig zu beurteilen sind, aber nicht wirklich nachgewiesen sind.“ Doch die Wissenschaft ist sich sicher, dass das Risiko eines Impfschadens unterm Strich geringer ist als die Gefahr durch eine Krankheit.

Wer Opfer eines Impfschadens wurde, wird natürlich Zweifel an solchen Aussagen anmelden. Doch wer einmal Polio-Opfer mit eigenen Augen gesehen hat, um nur ein Beispiel zu nehmen, für den wird die Gefahr eines Schadens durchs Impfen ganz sicher zum kleineren Übel. Es kann keinen Zweifel geben, dass der Nutzen der Polio-Impfung das Risiko überwiegt. Und es ist leider so: Auch die Masern können tödlich enden. Das Risiko ist, statistisch gesehen, gering, es bewegt sich im Promille-Bereich. Aber es ist vorhanden. Eine Impfung, die nur wenige Euro kostet, kann dieses Risiko beseitigen. Daher denke ich heute, dass wir auch in Deutschland eine Impfpflicht brauchen. Auch bei uns sollten Kinder – wie in Italien und bald auch in Frankreich – gegen die „Big Ten“ der Kinderkrankheiten immunisiert werden. Per Gesetz, von oben.

Eltern, die solche Impfungen verweigern, verhalten sich nicht verantwortungsbewusst, auch wenn sie das glauben. Die Möglichkeit, diese Position einzunehmen, haben sie nur, weil sie die Krankheiten, um die es geht, nie konkret wahrgenommen oder erlebt haben. Sie kennen sie nur als theoretisches Risiko, nicht als reales. Es handelt sich um ein Wohlstandsproblem. „Die Reichen sind eher Impfkritiker“ ist die Überschrift eines Artikels meiner geschätzten Kollegin Pamela Dörhöfer von FR-Wissen, der darüber berichtet, dass der Impfschutz im deutschen Süden, wo die Menschen im Durchschnitt wohlhabender sind, schlechter ist als im Norden und Osten.

fr-debatteDarauf reagierte Karin Dorner aus Hahnheim mit einem Leserinbrief:

Gute Gründe

„Dass die Reichen eher Impfkritker sind, wundert mich nicht. Ich denke, dass viele Reiche studiert haben und an der Universität darin ausgebildet wurden, kritisch zu denken, scheinbare Wahrheiten in Frage zu stellen und selbst zu recherchieren. Weiterhin haben sie gelernt, dass sich Wissenschaftler irren können (man erinnere sich an die Tabakindustrie, deren Studien zeigten, dass Nikotin nicht schädlich ist) und dass man Obrigkeiten wie Medien und Ärzten nicht immer vertrauen kann.
Dass ärmere Bevölkerungsschichten eher impfen, könnte also bedeuten, dass sich diese Menschen oft nicht mit dem Impfen beschäftigen und lieber die Verantwortung abgeben und das tun, was Ärzte (die im Übrigen im Studium meistens nichts über das Impfen lernen und außerdem sehr gut am Impfen verdienen) und Mainstream-Medien (die auf Werbeeinnahmen durch die Pharmaindustrie angewiesen sind und daher meistens das Impfen propagieren) empfehlen.
Statt zu „analysieren“, warum Reiche oft impfkritisch sind, sollte man ihre Argumente ernst nehmen, statt ihnen zu unterstellen, dass sie auf Kosten Anderer ihre Kinder nicht impfen lassen. Vielleicht haben sie gute Gründe für ihre Einstellung? “

fr-debatteMarkus Grass aus Weinheim reagiert darauf:

Das Recht, nicht unnötig krank zu werden

„Mein Vater war Arzt, und er hat uns alle vorbeugenden Impfungen verabreicht. Ich weiß aus Erzählungen, sein befreundeter Nachbararzt habe ihm damals gesagt, dass die viele Impferei nicht gut sei, und so hat er im Gegensatz zu meinem Vater seinen Sohn nicht gegen Diphterie geimpft. Die tragische Folge, sein Sohn starb an Diphterie.
Ich bin promovierter Chemiker und wahrhaftig kein Freund der Ärzteschaft und Pharmalobby und halte mich für durchaus fähig, kritisch zu denken, aber auch gegenüber den sogenannten pseudointellektuellen technik- und naturwissenschaftsfeindlichen, Heilpraktiker und Homöopathen hörigen und wohlhabenden „kritischen Geistern“. Ihre Einstellung gegenüber den  Impferfolgen erinnert mich ein bisschen an die Einstellung gewisser Leute gegenüber den Medien, die diese nur als Lügenpresse wahrnehmen. Zu leugnen, dass die Pocken, die Kinderlähmung, die Masern und viele andere Krankheiten nur durch massive Impfaktionen fast vollständig ausgerottet worden sind, ist schon sträflich ignorant. Diese sogenannten kritisch denkenden Reichen sind auch diejenigen, die ihrem Heilpraktiker vertrauen, wenn er Ihnen empfiehlt, bei Vollmond Mistelzweige auf die Brust zu legen, um den Krebs zu heilen.
Ich kann nur im Namen aller Kinder, die ein Recht darauf haben, nicht unnötig krank zu werden, hoffen, dass unsere Politiker irgendwann mal genügend Rückgrat zeigen und gegen diese „Lobby der  Handaufleger“ die allgemeine Impfpflicht einführen.
Zu behaupten, dass die ärmeren Bevölkerungsschichten die Verantwortung abgäben, ist schlichtweg unverschämt. Seine Kinder impfen zu lassen, um zu verhindern, dass sie krank werden und andere Kinder auch noch anstecken, ist nicht „Verantwortung abgeben“, sondern „Verantwortung wahrnehmen“.
Übrigens möchte ich Frau Dorner daran erinnern, dass in den 70ern und 80ern diese kritisch denkenden gebildeten Hochschulabsolventen den größten Teil der damaligen Bhagwananhänger und anderer Sekten ausmachten – und das war doch nun wirklich eine Ansammlung von Spinnern, die alles dafür taten, dass ihr Guru möglichst jeden Tag im Jahr einen anderen Rolls Royce fahren konnte.
Ich kann rückblickend nur sagen, die größten Idioten habe ich an der Uni kennen gelernt und nicht unter der ‚ärmeren Bevölkerungsschicht‘.“

fr-debatteUnd jetzt Sie!

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15 Kommentare zu “Impfen: Vom Recht, nicht unnötig krank zu werden

  1. „Doch die Wissenschaft ist sich sicher, dass das Risiko eines Impfschadens unterm Strich geringer ist als die Gefahr durch eine Krankheit.“ (Bronski)
    Das ist in meinen Augen die wichtigste Aussage auf dieser Seite und auf die sollte man immer wieder hinweisen. Es gibt bei Fachdiskussionen auch keine Argumente „gut informierter Menschen“, es gibt nur Argumente innerhalb des Faches – und da existieren seit zig Jahren keine zwei Meinungen in der Medizin, auch wenn es vereinzelte Anhänger der Homöopathie oder der Anthroposophie auch unter den Ärzten gibt, die zu diesem Thema dummes Zeug schwätzen, obwohl sie besser informiert sein sollten.
    „Auch die Masern können tödlich enden. Das Risiko ist, statistisch gesehen, gering, es bewegt sich im Promille-Bereich.“ (Bronski)
    Das ist eine Sicht, die ich als falsch bezeichnen würde. Ich empfehle da einen Blick in Wikipedia, das in medizinischen Themen allgemein einen erfreulichen Stand besitzt. Die relative Ungefährlichkeit der Masern in Europa ist die Folge einer gut versorgten Gesellschaft, in der die Kinder normalerweise in einem guten Zustand sind, wenn die Infektion sie erreicht. Wir leben aber in einer vernetzten Welt, in der die Armengebiete zum Teil sogar als touristische Sehenswürdigkeiten besucht werden.
    Wikipedia nennt die WHO-Zahlen aus den Entwicklungsländern zu diesem Thema:
    „Die Masern gehören dort zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Laut Schätzung der WHO haben sie im Jahr 2000 fast die Hälfte der 1,7 Millionen durch Impfung vermeidbaren Todesfälle bei Kindern verursacht, bei geschätzten 30 bis 40 Millionen Krankheitsfällen in jenem Jahr.“

  2. @ Frank Wohlgemuth

    „‚Auch die Masern können tödlich enden. Das Risiko ist, statistisch gesehen, gering, es bewegt sich im Promille-Bereich.‘ (Bronski) Das ist eine Sicht, die ich als falsch bezeichnen würde.“

    Zum Glück haben Sie sie nicht als falsch bezeichnet. Das Robert-Koch-Institut schreibt in einem Ratgeber für Ärzte: „Nach Angaben der WHO liegt in entwickelten Ländern die Letalität der Masern zwischen 0,05% und 0,1%.“ Für Deutschland spricht es von einer Letalität von etwa 1 Todesfall pro 1.000 Masernerkrankte. Das entspricht auch ungefähr dem, was gerade in Italien zu beobachten war: Auf 3.600 gemeldete Masernfälle kamen bisher drei Todesfälle.

    In anderen Weltteilen ist das natürlich anders, da haben Sie recht. Das betrifft so gut wie alle Krankheiten, von Cholera über Tuberkulose bis hin zu Ebola. Ich halte das für die Diskussion über eine Masern-Impfpflicht hier bei uns aber für nebensächlich, denn für diese Diskussion müssen wir natürlich die Verhältnisse hierzulande zugrunde legen.

  3. @Bronski
    Da bin ich anderer Meinung – sonst hätte ich weder Ihr ungenaues Zitat moniert – das Robert Koch Institut schreibt explizit nur von entwickelten Ländern und nicht ohne diese Einschränkung – noch auf den Tourismus hingewiesen, der die von Impfverweigerern bei uns gezüchteten Stämme in der Welt verteilt. Denn das ist doch der Fall: Wir verteilen mit dem Tourismus Keime, die uns aufgrund unserer wirtschaftlich und in der Folge gesundheitlich guten Verfassung nicht viel anhaben, bei Menschen, die davon mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit schwer geschädigt werden. In unserer vernetzten Welt betrifft unsere Impfentscheidung nicht nur uns.

  4. @ Frank Wohlgemuth

    Mein Zitat ist nicht ungenau, sondern es gibt genau das wieder, was das RKI auf seiner Seite schreibt. Das Zitat ist selbstverständlich in den Kontext der Situation hier bei uns einzuordnen, in dem es in meinem Text steht.

    Und jetzt bitte zurück zur Diskussion über Impfpflicht und Impfkritiker bzw. -skeptiker hierzulande.

  5. Ob arm oder reich, gebildet oder weniger gebildet. Ich bin klar für die Impfpflicht, zumal unsere heutigen Reisegewohnheiten in die letzten Ecken unseres Planeten eine Vielzahl von Risiken für ansteckende Krankheiten bergen.
    Das, was Markus Grass oben zum Thema sagt, das gefällt mir, auch der Schlenker zu diesen „kritisch denkenden gebildeten Hochschulabsolventen“. Da gibt es nicht wenige, die sowieso alles besser wissen und über Ärzten oft geringschätzig urteilen.
    So weit ich mich erinnere, war die Impferei in der Nachkriegszeit und später kein Diskussionsthema, sondern heilige Pflicht.

  6. Ich kann mich noch sehr gut an die 50er Jahre erinnern, als die Kinderlähmung (Poliomyelitis) noch als hautnahe Bedrohung präsent war. Jedes Jahr gegen Ende des Sommers ging die Angst um, und immer wieder wurden, wenn die Fallzahlen überhand nahmen, Schwimmbäder geschlossen. Wir Kinder empfanden die Gefahr der Ansteckung als Damoklesschwert, das über unseren Köpfen schwebte.
    Mein Mann, damals in der DDR lebend, wurde von der Krankheit befallen und schwebte in Lebensgefahr. Zum Glück blieben bei ihm nach einer Krankenhausbehandlung keine Schäden zurück.
    Wir empfanden es damals für uns selbst und unsere Kinder als riesiges Glück, dass diese Krankheit, erst durch die Salk-Impfung und später durch die Schluckimpfung, zumindest in Europa fast völlig besiegt wurde.
    Den Impfkritikern und -verweigerern scheint gar nicht klar zu sein, dass sie heute für sich und ihre Kinder die Vorteile der Impfwilligkeit der Eltern- und Großelterngeneration in Anspruch nehmen können, während sie selbst sich aus der Verantwortung stehlen.

  7. Hallo,
    es ist zwar schon etwas her, aber mir ist der Beitrag von Frau Dorner nicht aus dem Kopf gegangen.
    Wir sogenannten Interlektuellen sind also, weil wir studiert haben besser in der Lage zu erkennen (oder zu „analysieren“) was richtig oder falsch ist. AHA! Warum gibt es dann unter den studierten soviele AfDler, schlagenende verbindler, und sonstige falschlieger???
    Erstaunlicherweise sind es vor allem die Esoteriker, die Veganer, die dauernden Bedenkenträger, diejenigen die auf irgend einem Gymnastikum waren , die immer wieder besseren Wissens uns das Leben schwer machen.
    Die Reichen sind immer die besseren?
    In Frankreich wurde in den 50-60ziegern diskutiert,
    das die „Unterschicht“ zu viele Kinder bekommt und damit das Land, Frankreich, in große Gefahr bringt.
    Toll nicht??
    Wer seine Kinder nicht impfen lässt gefährdet
    alle anderen Mitmenschen, er ,sie handelt also egoistisch und allgemeingefährdrnt.
    Es muss eine allgemeine Impfpflicht geben!!!!

  8. Immer zur „Saure Gurken-Zeit“ das Impfthema.

    Es gibt bei diesem Thema kein „Für“ oder „Wider“.
    Es gibt nur ein „Besser“ :
    Impfen ohne Impfrisiko.

    Alles andere ist Ideologie, Fremdenhass, Hetze gegen Andersdenkende und biologisches Halbwissen.

    Wenn ich so eine Quatsch lese: „Diese sogenannten kritisch denkenden Reichen sind auch diejenigen, die ihrem Heilpraktiker vertrauen, wenn er Ihnen empfiehlt, bei Vollmond Mistelzweige auf die Brust zu legen, um den Krebs zu heilen.“..
    dann denke ich, daß auch Markus Grass ein „Sogenannter“ ist.

    Eine solche Argumentation ist unverschämt.

  9. Das mindeste, was ein Herr Markus Grass dann wohl liefern müsste, wäre eine wirksame Therapie gegen Krebs. Hat er diese nicht zu bieten?

    Da wäre dann wohl mehr Bescheidenheit angesagt.

    Überzeugung ist kein Gegner für Unwissenheit. Sie ist nur derselbe Irrtum im anderen Kleid.

  10. Mensch, BvG! Der von Ihnen monierte Satz von Markus Grass(„Heilpraktiker – Vollmond – Mistelzweige“) ist doch ein bewusste Übertreibung, ein Hauch von Ironie! Und dann fordern Sie gleich von ihm ein wirksames Mittel gegen Krebs. Was hat das Ganze mit Fremdenhass, Ideologie und Hetze gegen Andersdenkende zu tun? Das würde ich gerne mal erfahren …
    Wir sind doch hier im Blog keine wissenschaftliche Expertenrunde. Oder sollte ich mich da geirrt haben?

  11. Danke Herr Malyssek.
    Liebe(r)BVG, um festzustellen, dass viele Heilpraktiker und Homöopathen und leider auch einige verbrecherische Ärzte mit dem Leid vieler Krebskranker durch völlig bekloppte „alternative“ Heilverfahren – dazu gehört übrigens auch die Misteltherapie – viel Geld auf Kosten der Hoffnung eben dieser krebskranken Menschen machen ist doch unumstritten. Um das festzustellen muss ich doch nicht selbst eine wirksame Krebstherapie vorlegen können. Ich glaube Lessing hat mal sinngemäß gesagt: Um festzustellen, dass eine Suppe versalzen ist, muss man nicht selber eine Suppe kochen können.“
    Aber zum eigentlichen Thema zurück, dass eine sichere und risikolose Impfung die beste aller Lösung wäre, ist ja wohl trivial. Bis dahin gilt es aber die Risiken des „Impfens“ gegen die Risiken des „Nichtimpfens“ abzuwägen, und BVG seien Sie mir ruhig böse, wer da nicht wahrhaben will, dass das Risiko des Impfens, was die Sterberate von Kindern betrifft (s. Kommentar von Frank Wohlgemuth vom 29.07.) geringer ist, der ist schlichtweg ignorant.
    Nebenbei, was meine Bemerkung zu den Spinnern unter den sogenannten Reichen mit mangelnder Bescheidenheit zu tun hat erschließt sich mir nicht so richtig, dagegen wirkt die Zuordnung von Reichtum zu Bildung und Verantwortungslosigkeit zur ärmeren Bevölkerungsschicht von Frau Dorner schlichtweg arrogant.
    Ich jedenfalls bin heute noch froh darüber, dass ich gegen Polio, Masern, Pocken Diphterie und andere Krankheiten geimpft wurde.

  12. @Malyssek
    Na, wenn’s gestattet ist, werfe ich mal ein paar muntere Thesen in die Diskussion. Bitte nicht vorschnell „einsortieren“, diese Thesen stellen nicht ohne weiteres meine Meinung dar.
    Ich bin auch bei weitem kein Experte.

    a. Der Begriff „Impfrisiko“:
    Im „normalen“ Seuchenverlauf wird das Impfrisiko von allen getragen, mit den entsprechenden Opfern, jedoch mit dem Effekt einer gegenseitigen Entwicklung des Menschen und des Erregers. Das evolutionäre Immunwissen der Population wird dabei verbessert. Regelmäßig kommt dabei ein Gleichgewicht zustande, in dem Erreger und Opfer ein überlebensfähiges System bilden.
    Dieses „Impfrisiko“ wird nun auf einige wenige Opfer abgewälzt, was mindestens bedacht werden muß.
    Dazu kommt, daß der evolutionäre Effekt, nämlich die „Durchseuchung“ der Population nicht mehr stattfindet, also nur ein künstliche Immunisierung, jedoch kein Entwicklungseffekt zum Tragen kommt.

    b. Der „Ausrottungseffekt“
    Zu diskutieren wäre, ob die Impfung tatsächlich einen Erreger abschwächt, wenn er nicht ausgerottet wird. Es liegt durchaus nahe, daß der Anpassungseffekt, also die Weiterentwicklung des Erregers gerade in den geimpften Personen stattfindet und also durch Impfung andere, neue und gefährlichere Erreger begünstigt werden.
    In diesem Sinne „gefährden“ die Geimpften die Ungeimpften und wälzen das Risiko auf diese ab.

    c. „Viren helfen heilen“
    Wie schon früher, stelle ich auch hier wieder die steile These auf, daß virale Erkrankungen, eventuell auch bakterielle, zur statistisch besseren Gesundheit der Populationen beitragen.

    Damit es nicht zu lang wird:
    Eventuell ist der Schaden, der dadurch entsteht, sich den Krankheiten nicht auf natürlichem Wege zu stellen, wesentlich größer, als er wäre, wenn man eine „Heilung“ oder „Gesundungssunterstützung“ bieten könnte, die das krankheitsrisiko minimiert.

    Selbstverständlich, aber explizit zu sagen: Das ist kein platter Darwinismus und auch Dummendarwinismus.

    „Impfen“ ist kein natürlicher Prozess, sondern ein künstlicher, es würde mich interessieren, mit einem Experten darüber zu diskutieren.

    Zu den anderen Punkten vielleicht später noch was, falls erwünscht.

  13. @ BvG

    Dann wollen wir mal gleich zur Versachlichung beitragen, damit diese Diskussion – wie schon manche andere zuvor – nicht von Ihren „steilen Thesen“ entwertet wird.

    „Im ’normalen‘ Seuchenverlauf wird das Impfrisiko von allen getragen“, schreiben Sie.

    Damit setzen Sie die Epidemie mit der Impfung gleich. Das ist falsch. Es gibt in einer Epidemie hier kein „Impfrisiko“, sondern ein Infektionsrisiko. Es kommen keine Impfstoffe zum Einsatz, sondern voll aktive Krankheitserreger werden unkontrolliert verbreitet, die hoch ansteckend sein können und je nach Art ein hohes Sterberisiko mit sich bringen. Bei der Impfung hingegen wird der Organismus, der geschützt werden soll, teils mit abgeschwächten Erregern (war früher eine häufig angewandte Methode), teils mit Bruchstücken der viralen Kapseln oder mit spezifischen Proteinen des Erregers konfrontiert, gegen die sein Immunsystem dann Antikörper entwickelt. Der Impfstoff besteht dabei aus Stücken des Erregers, die bei möglichst vielen seiner frei vorkommenden Varianten existieren. Das ist gewünscht, weil Erreger sich durch Mutation verändern können. Das Risiko, eine Infektion, also die volle Krankheit durch den Impfstoff zu bekommen, ist verschwindend, der „evolutionäre Effekt“ dagegen ist hoch, weil das Immunsystem des Geimpften lernt, die Vollversion des Erregers zu bekämpfen.

    „Zu diskutieren wäre, ob die Impfung tatsächlich einen Erreger abschwächt, wenn er nicht ausgerottet wird.“

    Nein, das ist nicht zu diskutieren. Wie gesagt, die Impfung schwächt einen Erreger nicht ab, sondern versetzt den betroffenen Organismus (BvG: „Opfer“) in die Lage, den Erreger abzutöten. Dass Erreger ausgerottet werden können, zeigt das Beispiel der Pocken. Dieses Virus hat im Lauf der Geschichte Millionen von Menschen getötet. Der „evolutionäre Effekt“, den Sie offenbar darin sehen, dass eine Bevölkerung „durchseucht“ wird und die Übrigbleibenden dann irgendwie stärker sind – nach dem Motto: „Was mich nicht tötet, macht mich stark“, also eine machistische, wenn nicht faschistoide Idee -, tendierte gegen Null, wenn er denn überhaupt existierte, denn die nächste Pockenwelle erzielte dieselbe Letalitätsrate. Die Menschheitsgeißel Pocken hat laut RKI eine Letalitätsrate von 30 Prozent, d.h. drei von zehn Infizierten sterben. Das letzte Pockenopfer weltweit starb 1978 in Birmingham durch eine Laborinfektion. 1980 gab die WHO bekannt, dass die Pocken ausgerottet sind.

    Um einen Erreger auszurotten, muss man die Bevölkerung durchimpfen. Dieses Ziel verfolgt die Weltgesundheitsorganisation bei den Masern. Bei einer Durchimpfungsrate von 85 (Italien) oder 90 Prozent (Deutschland) ist das offenbar nicht gegeben.

    „Es liegt durchaus nahe, daß der Anpassungseffekt, also die Weiterentwicklung des Erregers gerade in den geimpften Personen stattfindet und also durch Impfung andere, neue und gefährlichere Erreger begünstigt werden.“

    Das liegt überhaupt nicht nahe, weil die Erreger vom Immunsystem nach der durchlebten Impfung erkannt und eliminiert werden. Neue, gefährlichere Formen des Erregers können natürlich durchaus entstehen, aber nicht in Geimpften. Das ist auszuschließen.

    „Eventuell ist der Schaden, der dadurch entsteht, sich den Krankheiten nicht auf natürlichem Wege zu stellen, wesentlich größer, als er wäre, wenn man eine ‚Heilung‘ oder ‚Gesundungssunterstützung‘ bieten könnte, die das krankheitsrisiko minimiert.“

    Welcher Schaden? Die Alternative ist unter Umständen der Tod oder im Fall von Polio auch lebenslange Verstümmelung und Lähmungen. Ich bitte Sie, sich das zu vergegenwärtigen. Es ist sicher richtig, dass gesunde Menschen viele Infektionen, auch die Masern, aus eigener Kraft und ohne Impfung überstehen können, insbesondere hierzulande, wo die hygienischen Bedingungen gut sind und in der Regel eine gute Gesundheitsversorgung existiert. Für immungeschwächte Menschen, z.B. Menschen in höherem Alter, gilt das aber schon nicht mehr uneingeschränkt. Solchen Personengruppen wird deswegen auch die regelmäßige Grippeimpfung empfohlen, die lebensrettend sein kann. Warum krank werden und sterben, wenn es nicht nötig ist?

    Und jetzt machen wir es mal umgekehrt, jetzt bin ich dran mit einer steilen These: Sie sind eingeladen, sich ungeimpft in Westafrika dem Ebola-Virus zu stellen. Ich behaupte, dass das keinen Beitrag zur „statistisch besseren Gesundheit der Populationen“ ergeben wird.

    Mein Fazit: Ihr Beitrag war leider wirklich ziemlich platter Darwinismus.

  14. An BvG:
    Ich möchte mich bei diesem Thema mit keinen „munteren“ oder „steilen Thesen“ herumstreiten, wenn Lebenserfahrung und die klaren Ergebnissen der wichtigsten Impfungen, die man von Kindesbeinen hatte, keinen Zweifel an deren Wirkung und Wichtigkeit geben kann.
    Dazu hat Bronski sachlich und fachlich alles gesagt und auch Markus Grass hat auf seine Art das Richtige zu den leider vielen Quacksalbern und Wunderheilern gesagt, an deren Praxis sich viele Kranke mit letzten Hoffnungen hängen. Mit Null-Ergebnissen. Ich kannte Fälle von Todkranken, die es versucht haben.
    Ich bin, wie Herr Grass es betont, froh, dass ich alle notwendigen Impfungen hatte.
    Es gibt genug esoterischen und lebensfremden Quatsch auf dieser Welt.
    Wenn Sie, liebe(r) BvG, selbst sagen „bei weitem kein Experte“ zu sein – warum operieren Sie hier mit diesen „steilen Thesen“? „The Survival of the Fittest“ – sowas kommt dann zum Schluss dabei heraus. Wo landen wir da?

  15. @ Bronski:
    weil ich den Widerspruch nicht lassen kann: Durchseuchung ist in der Epidemiologie ein durchaus gebräuchlicher Begriff und damit beim Thema Impfung an der richtigen Stelle. Den zweiten Widerspruch melde ich bei der Verwendung des Wortes Darwinismus für den Beitrag von BvG. Es reicht nicht, Begriffe wie Population oder überlebensfähiges System in einen Text zu setzen, um ihn darwinistisch nennen zu können – wobei darwinistisch auch nur mit dem Zusatz sozial überhaupt als Schimpfwort taugt – wenn man nicht gerade Kreationist ist. Der Unsinn, den BvG da verzapft hat, hat schon derart groteske und damit auch unterhaltsame Züge, dass ich auf weitere Ausführungen fast gespannt bin.

    Ansonsten habe ich an Ihrer Antwort nichts auszusetzen. Das sage ich durchaus mit einem Stück der Expertise, die BvG sich für die Diskussion gewünscht hat.

    @ BvG:
    Ich weiß nicht, was Sie zu diesem Unsinn inspiriert hat, aber als die lustigste Aussage empfand ich diese hier:
    „Es liegt durchaus nahe, daß der Anpassungseffekt, also die Weiterentwicklung des Erregers gerade in den geimpften Personen stattfindet und also durch Impfung andere, neue und gefährlichere Erreger begünstigt werden.
    In diesem Sinne „gefährden“ die Geimpften die Ungeimpften und wälzen das Risiko auf diese ab.“

    Bronski hat es schon angesprochen: Impfungen induzieren als wesentliche Wirkung die Bildung von Gedächtniszellen für eine schnelle spezifische Immunantwort beim nächsten Kontakt mit dem Erreger. Diese Immunantwort sorgt für eine effektives Zerstörung der Erreger, die haben also nicht mehr viel Möglichkeit, sich zu vermehren und dabei ihr Genom zu variieren.
    Aber zur „Weiterentwicklung“ von Erregern braucht es Teilungen bzw. bei Viren Vermehrungszyklen, also einen Wirt, der noch keinen Kontakt zu dem jeweiligen Erreger hatte, in dem der Erreger sich also vermehren kann. Am besten einen Wirt, dessen Abwehr so gering ist, dass der Erreger ihn soweit überfluten kann, dass dass der befallene Wirt die Infektion an andere Individuen überträgt. Die größte Vermehrung und damit Variabilität erreichen Erreger also in Wirtspopulationen, in denen die Erreger bei möglichst vielen Individuen ihre Pathogenität im richtigen Maß entfalten können, also in einer Art und Weise, in der der Wirt den Erreger maximal an andere Individuen weitergibt (Ein schnelles Töten des Wirtes ist also nicht günstig für das Weiterbestehen des Erregers).

    Was allerdings passieren kann, ist, dass es in Ungeimpften, in denen die Krankheit ausbricht, zu einer Veränderung des Erregers kommt, die die durch die bis dahin aktuelle Impfung induzierte Immunantwort unwirksam macht – die Impfung hilft den Geimpften danach nicht mehr. Der „neue“ Erreger wird sich dann auch in der geimpften Population vermehren – aber nicht, weil diese Population geimpft ist, sondern weil die Impfung für den neuen Erreger nicht mehr wirkt. Ausgangspunkt für diesen neuen Erreger sind dann aber ungeimpfte Individuen, in denen dieser Erreger durch Variation des Erbgutes innerhalb eines Vermehrungszyklus entstand.

    Mir scheint da jemand eine Analogie zur plasmidinduzierten Resistenz von Erregern gegen Antibiotika herstellen zu wollen. Ohne das jetzt im Detail aufzudröseln – der Text ist so schon zu lang: Diese Analogie funktioniert nicht.

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