Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 5

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Es ist Samstag, also eigentlich Wochenende, aber ich arbeite natürlich trotzdem. Ich arbeite immer. Wenn nicht für die FR und ihr Leserforum oder für das FR-Blog, wo ja auch an solchen Tagen Kommentare moderiert werden müssen, dann arbeite ich an meinen Romanen. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum ich mit der Reduzierung sozialer Kontakte recht gut klarkomme. Jedenfalls bisher. Ich bin es einfach gewohnt, viel allein zu machen. Autoren sind häufig Eigenbrötler. Ich sehe darin nichts Negatives, im Gegenteil: In Zeiten der Pandemie habe ich es leichter als viele andere, die im selben Augenblick, in dem ich dies schreibe, Mühe damit haben, ihre kleinen Kinder zu bespaßen, die nicht mehr in die Kita und auf den Spielplatz dürfen. Die haben wahrscheinlich echte Probleme, denn es dürfte mühevoll sein, den Kleinen zu erklären, warum sie sich jetzt anders verhalten müssen, als sie es gewohnt sind. Berichten Sie doch mal, wie das ist – via Kommentarfunktion, siehe unten.

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 5
Samstag, 21. März 2020

Heute werde ich nicht mehr aus dem Haus gehen. Vorhin waren mein Mann und ich auf dem Offenbacher Markt, wie immer Samstags, und haben ein paar Gespräche mit Händlern geführt. Die beklagen sich darüber, dass sie allein gelassen werden. Sie wissen nicht, wie sie die Hygiene-Vorschriften durchhalten sollen, wenn zugleich das Personal wegbricht. Ich höre mir das an und würde gern helfen, aber ich kann an den Umständen so wenig ändern wie die Händler.

Markt in Offenbach
am 21.3.2020.
Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Unser Zwei-Personen-Haushalt ist für die nächsten Tage versorgt. Auch darüber macht man sich jetzt ja Gedanken, um die Gänge zum Supermarkt auf das Notwendige zu reduzieren. Trotz des Notvorrats im Keller möchten wir weiterhin so lange wie möglich frische Lebensmittel haben. Heute gibt es Spargel – denn die Saison hat begonnen, unter großen Problemen, wie zu hören ist, weil die Saisonarbeiter aus Osteuropa fehlen. Morgen machen wir eine Dose Confit de Canard auf, die wir noch im vergangenen Jahr aus dem Frankreich-Urlaub mitgebracht haben. Für alle, die das nicht kennen: Es handelt sich um eine französische Spezialität. Vier bis fünf gegarte Entenkeulen liegen in den voluminösen Konservendosen in Schmalz und sind so bestens konserviert. Man macht die Dose warm, hebt die Keulen heraus, sobald das Schmalz flüssig ist, und lässt sie im warmen Ofen weiter abtropfen. Sicher nicht die gesündeste aller Mahlzeiten, aber sehr lecker und sehr zart. Drei- bis viermal im Jahr gönnen wir uns das. Und auch für Montag und Dienstag haben wir schon Pläne, was wir essen werden, ohne zum Supermarkt gehen zu müssen.

Auch wenn ich nicht arbeite, mache ich mir natürlich Gedanken. Nicht erst, nachdem ich das Interview auf Zeit.de mit dem Charité-Virologen Christian Drosten gelesen habe, das ich Ihnen sehr empfehlen möchte. Eher grundsätzliche Gedanken. Seit Jahrzehnten haben Experten davor gewarnt, dass eine Situation eintreten kann, wie wir sie jetzt erleben. Trotzdem stellen wir fest: Wir sind nicht darauf vorbereitet. Ich trete jetzt mal zwei, drei Schritte zurück, um mir das Geschehen aus größerer Distanz anzusehen. Da ist ein Planet, der sozusagen von einer Monokultur dominiert wird. Von einer dominanten Spezies, die alles, was auf diesem Planeten geschieht, ihrem Ermessen unterwirft. Dieses Ermessen folgt Interessen, die wiederum geleitet sind. Die Erhaltung der Lebensgrundlagen spielt dabei keine Rolle, sondern in erster Linie ist das Interesse, möglichst viel Gewinn aus allem zu ziehen. Gewinn ist allerdings nichts, was den Planeten interessieren würde – wenn er denn ein Interesse hätte. Das würde so etwas wie Bewusstsein voraussetzen. Doch es gibt etwas anderes, was an dieser Stelle ins Spiel kommt. Es nennt sich Evolution.

In diesem Zusammenhang bekommt Sars-CoV-2 plötzlich so etwas wie Sinn. Um das besser zu verstehen: Man kann das Virus vielleicht mit dem Borkenkäfer vergleichen, der sich besonders gut in Kiefern-Monokulturen ausbreitet, denn da ist der nächste Baum nicht weit, der optimale Vermehrungsbedingungen bietet. Wir Menschen sind in diesem Bild die Kiefern, und der Borkenkäfer entspricht dem Coronavirus Sars-CoV-2. Wenn die Bäume weiter auseinander stehen, vielleicht sogar mit Bäumen anderer Art dazwischen, dann hat der Borkenkäfer es nicht mehr so leicht. Doch so, wie wir Menschen bis dato gelebt haben, machen wir es einem Erreger wie Sars-CoV-2 wirklich sehr leicht, sich zu verbreiten. Wir, die Spezies Mensch, jetten ständig um den ganzen Globus. Ein einziger Superspreader kann 3000 Menschen mit Sars-CoV-2 infizieren, wie der Virologe Alexander Kekulé bei Anne Will vorgerechnet hat. Es ist unsere Lebensweise, die diesem Virus zu diesem – aus seiner Perspektive – durchschlagenden Erfolg verhilft.

So, und nun werde ich mich nach Ägypten begeben und den Archäologen Theo Magenheim nach weiteren Artefakten aus der Zeit des Pharao Sethos I. suchen lassen. Darum geht es in dem Roman, an dem ich gerade arbeite. Er ist im Jahr 2013 angesiedelt, in dem Ägypten von Islamisten regiert wurde – eine gewaltige Belastungsprobe für dieses fragile Land. Aber es geht in „Drovettis Tagebuch“, so der Romantitel, nicht in erster Linie um Politik, sondern ebenso schlicht wie unterhaltsam um Abenteuer und Grabräuberei. Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende – oder um es mit meiner Romanfigur, der Detektivin Gisèle Cochevelou, zu sagen: Naoned!

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7 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 5

  1. Hallo Herr Büge,
    es ist kein Wunder, dass sich Mensch nicht auf eine Pandemie vorbereitet hat, hat er sich doch auch nur in großen Reden auf die eigentliche heraufdämmernden Katastrophen (Klima, Umwelt, Plastik, Fauna und Flora usw.)vorbereitet. Also gar nicht. Da war die Möglichkeit einer Pandemie einfach zu weit weg, so etwa wie wenn etwas vom Himmel fällt.
    Ich habe in meinem früheren Leben Aquarienfische gezüchtet, professionell und im großen Stil. Von Seuchen und Krankheiten kann ich ein Lied singen, Desinfektion, die Suche nach Heilmitteln, die Beschaffung der verschiedensten Antibiotika usw.der Spruch an die Kunden, sie können alles angucken aber nichts anfassen, immer und immer wieder. Die gegenwärtige Pandemie hat so einige Rätsel, vor allem die Lage in China, wer ist befallen und wer war befallen und ist gesundet, das ist schon fast wie bei Fischen, die konnte man auch nicht befragen. Die verschiedenen Arten befallen zu sein(Prof.Drosten in einem seiner Beiträge) alles sehr merkwürdig.
    Genießen sie das gute Wetter , gehen sie spazieren, pflegen sie ihr Immunsystem, Fische konnte ich früher bei Befall wegwerfen, bevor es schlimm wurde, das ist bei Menschen schon schwieriger.Also, alles Gute !

  2. Ich habe eigentlich immer gedacht das nach dem Testergebnis vor dem Test für mich ist. Das ist nicht so. Das Gesundheitsamt hat mich nur unter häusliche Quarantäne gestellt nach dem bekannt war das meine Mutter positiv auf Coronaviren getestet worden ist. Ich werde erst getestet wenn ich Anzeichen von Krankheit bekommen sollte. Die Wahrscheinlichkeit das ich es habe würde ich auf 70-80% schätzen. Meine Mutter die Pflegegrad 4 eh schon hat war in ihren letzten Stunden vor der Einweisung in das Krankenhaus ich würde sagen maximal pflegebedürftig. Das haben meine Schwester und ich dann auch gemacht. Jetzt heißt es weiter abwarten. Das Gesundheitsamt wird sich zwei mal am Tag melden und abfragen wie das Ganze sich entwickelt. Meine Gedanken sind immer noch stark bei meiner Mutter die 94 Jahre alt ist und sich noch im Januar mit Wasser auf der Lunge in einer lebensbedrohlichen Situation befunden hat. Wie hoch die Todesrate bei solchen Patienten ist? Da meine Mutter eine gläubige Katholikin ist frage ich mich ob es doch richtig gewesen wäre vor dem Krankentransport einen Priester zu holen, aber was wäre das für ein Signal gewesen? Zur Zeit scheint es ihr im Krankenhaus aber besser zu gehen als am Ende zu Hause. Am Schluss möchte ich noch eine Bemerkung machen zu dem was in der FR zur zweiten Coronatoten in Hessen am Samstag gestanden hat. Kein Kommentar.

  3. @ Jürgen H. Winter

    Auf Katastrophen kann man sich ohnehin nur bedingt vorbereiten. Jedenfalls nicht so, dass es nicht trotzdem Unglücke gibt. Im Wort Katastrophe steckt es schon drin, das Überwältigende, Verheerende. Wie soll man ständig auf das Extrem vorbereitet sein? Das wäre wohl nicht gesund. Hier sehe ich einen Unterschied zu den (weitgehend ausbleibenden angemessenen) Reaktionen auf den Klimawandel. Der ist auch eine Katastrophe, aber wir sehen ihn seit Jahrzehnten auf uns zukommen. Sars-CoV-2 hingegen tauchte erst im Dezember auf. Trotz der Warnungen der Epidemiologen vor einem sich global ausbreitenden Erreger wusste niemand, wie dieser Erreger aussehen würde.
    Bei dieser Gelegenheit einen Gruß von den Schwertträgern in meinem Aquarium. Ich würde aber nicht von einer Zucht sprechen. Das erledigen die Fische von allein. Für alle Nicht-Aquarianer: Schwertträger sind lebengebärende Fische. Die Eier werden im Mutterleib ausgebrütet, die Jungfische sind vom Moment der Geburt an fertige Fische und müssen als erstes zusehen, dass sie sich in Sicherheit bringen, weil sie sonst Gefahr schwimmen, von den eigenen Eltern verfrühstückt zu werden. In meinem Aquarium gibt es reichlich Schwimmfarn, zwischen dessen Zweigen und Wurzeln sich die Jungfische verstecken können. Vor sieben Jahren habe ich zwei Schwerträger-Männchen und zwei Weibchen angeschafft. Die Tiere leben inzwischen in der x-ten Generation bei mir. Ständig gibt es Nachwuchs.

  4. @ hans

    Ja, jetzt heißt es abwarten. Mit dem Priester warten Sie vielleicht noch. Es ist immerhin möglich, dass Ihre Mutter diese Prüfung übersteht. Auch wenn das mit dem Wasser in der Lunge sich nicht gut anhört. Ihr Kommentar klingt so, als ob Sie Risiko und Chancen gut einschätzen können. Ich denke an Sie und drücke die Daumen, und die anderen Blog-Userinnen und -User sind sicher auch bei Ihnen und Ihrer Mutter.

  5. Ich möchte mich für die guten Wünsche aus dem Bloog bei allen bedanken. Es wird schon gutgehen. Daran glaube ich fest. Heute habe ich mit meiner Partnerin im Garten gearbeitet. Das war nicht die schlechteste Idee um auf andere Gedanken zu kommen. Dabei haben wir uns darüber unterhalten dass das Haus in dem wir wohnen wie gemacht ist um in Quarantäne zu leben. Feldrandlage, zwei Badezimmer inzwischen auch zwei Schlafzimmer, zwei Fiebermessgeräte und zwei Sofas. Dazu eine schöne große Terrasse. Ich denke die Rahmenbedingungen könnten schlechter sein. Bronski, das mit dem Rotwein Abends halte ich für eine gute Idee. Das Thema Alkohol und Coroma hatten wir ja schon vor einigen Tagen hier. Ich habe begonnen Abends vor dem Bett gehen ein Gläschen hochprozentiges zu mir zu nehmen. Wenn damit auch nur eine 1% Chance besteht das Virus zu ärgern will ich sie nutzen und Spaß daran haben.

  6. @hans
    Gartenarbeit und Abends ein Gläschen hochprozentiges halte ich für einen guten Plan. Ich hoffe mit Ihnen.

  7. Hallo Lutz „Bronski“ Büge,

    wie Sie schreiben, dass Wissenschaftler bereits vor dieser Situation gewarnt haben wie wir sie heute erleben, hatte ich vor zwei Wochen in meinem Kommentar ebenfalls auf eine Studie aus dem Jahre 2012 hingewiesen. Danach brachte die FR auch einen Beitrag darüber, so dass man nur den Kopf darüber schütteln kann, wie lange man mehr aoder weniger auf den tatsächlichen Eintritt der Katastrophe gewartet hat.

    Zum Thema Ägypten, das Sie gerade für einen neuen Roman untersuchen, darf ich auf die letzte Ausgabe der Antiken Welt (Ph. v. Zabern-Verlag bzw. WBG) verweisen, in der es um Medizin im Altertum – noch ohne Corona – geht, wo aber gerade die Rolle der Ärzte im alten Ägypten und Vorderen Orient behandelt wird.

    Im Übrigen wünschen ich Ihnen sowie den anderen Kommentatoren, gesund zu bleiben und die gewonnene Zeit für Dinge zu nutzen, die man vielleicht aufgeschoben hat. So schauen meine Frau und ich uns derzeit die alten Dias unserer Reisen an und lesen die Tagebücher dieser Reisen, so dass viele schöne Erinnerungen wach werden.

    Alles Gute und viele Grüße
    Peter Boettel

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