Die Debatte über den „heißen Herbst“ bekommt allmählich Temperatur

Die Partei „Die Linke“ möchte so gern endlich an die vorderste parlamentarische Front kommen, doch sie bleibt im Hintertreffen. Zum größten Teil aus einem relativ einfachen Grund: Die „Linke“ hat zwar viele brisante Themen, mit denen sie sich profilieren könnte, doch zu wahrer Meisterschaft hat sie es vor allem darin gebracht, sich selbst zu zerlegen. Es ist ein Trauerspiel!

Dabei hatten die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan eigentlich vorgehabt, die eingeübten Routinen der Selbstzerfleischung, von denen die Partei schon seit einer ganzen Weile gezeichnet ist, endlich zu überwinden. Sie wollten die soziale Spaltung Deutschlands zum Thema machen und riefen zu Demonstrationen im Herbst auf, dann, wenn die Heizsaison beginnt und zahllose Menschen zu spüren bekommen, was Inflation und gestiegene Energiepreise mit ihnen anstellen. Das werden nämlich Viele bald erleben, die sich eine normale Wohnungstemperatur von 21 Grad nicht mehr werden leisten können und die daher auf 20 oder gar auf 19 Grad runtergehen müssen. Die Wärmegrade in deutschen Wohnzimmern werden zu Gradmessern des sozialen Abstiegs.

Schirdewan WisslerAlso versuchte die „Linke“, namentlich Schirdewan und Wissler, einen „heißen Herbst“ auszurufen. Man wollte die Leute motivieren, auf die Straße zu gehen und das sich ankündigende Elend damit zu einem Thema machen, mit dem sich Wählerinnen und Wähler für die „Linke“ gewinnen lassen. Ein Eigentor, möchte man der Parteiführung zurufen, denn die Rechte hatte diese Themen bereits besetzt. Die „Linke“ kam zu spät mit ihrer Aktion. Jetzt muss sie sich fragen lassen, ob sie sich nichts dabei denkt, in den gleichen trübbraunen Gewässern zu fischen wie die AfD. Falsche Taktik ist nicht nur im Fußball fatal.

Niemand spricht der „Linken“ hier ab, dass es ihr ernst ist mit diesen Themen. Niemand bestreitet hier, dass die beginnende Katastrophe für viele Menschen bereits Realität ist, wie Schirdewan im FR-Interview formuliert. Noch ernster scheint es der Partei aber mit der Beschäftigung mit sich selbst zu sein. Sie ist auf Selbstzerstörungskurs (der Link gibt u.a. einen Abriss der fatalen Entwicklung). Daran ist nicht zuletzt der Umgang mit Sahra Wagenknecht schuld. Die einstige Fraktionsvorsitzende der Linken ist dafür bekannt zu polarisieren, pointiert zu formulieren und sich dabei keineswegs immer auf Parteilinie zu bewegen. Das hat sie erst kürzlich wieder bei ihrer Rede im Rahmen der Generaldebatte im Bundestag zum Etat der Republik bewiesen. Auf dem Erfurter Parteitag im Juni hatte die „Linke“ den russischen Angriff auf die Ukraine mehrheitlich verurteilt. Nun attestierte Wagenknecht der Bundesregierung in der Bundestagsdebatte jedoch, einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg“ gegen Russland „vom Zaun zu brechen“, als wäre sie, die Bundesregierung, der Aggressor. Das ist genau das, was auch die russische Staatspropaganda behauptet. Die wurde also geadelt, indem sie vom Rednerpult des Deutschen Bundestages aus durch die Luft des hohen Hauses geschleudert wurde. Ein Skandal! Die „Linke“, die doch progressiv sein will, macht sich gemein mit einem autoritär-scheindemokratisch regierenden Herrscher, der einer rüden, überkommen geglaubten imperialistischen Ideologie mit faschistoiden Zügen anhängt und der aus solchen trüben Impulsen heraus die Ukraine angegriffen hat. Oder sprach Wagenknecht womöglich gar nicht für die „Linke“ bei diesem Auftritt? Für wen aber sonst? Und wer hat sie überhaupt nach vorn ans Pult gelassen?

Raus auf die Straßen – eigentlich eine gute Idee

Hier das Fischen in rechten Tümpeln, dort die Kumpanei mit kaum noch verkappten Diktatoren – so wird das nichts mit der „Linken“. Raus auf die Straßen, das ist eigentlich eine gute Idee. So ließe sich tatsächlich sichtbar machen, wie groß das soziale Problem der Bundesrepublik ist. Aber die „Linke“ scheint nicht der richtige Anwalt für die Abgehängten zu sein. Sie kommt regelmäßig zu spät. Sie setzt die Themen nicht, sondern sie springt auf fahrende Züge auf, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und nicht rechtzeitig merkt, was rund um sie her abgeht. Und das wiederum gibt einer Selbstdarstellerin wie Sahra Wagenknecht die Chance, immer wieder ihren Finger in die Wunden zu legen, welche die Partei sich regelmäßig selbst zufügt. Sei es Wagenknechts gehässiges Gerede von den „Lifestyle-Linken“, sei es ihr Schwadronieren zum Thema Migration, bei dem sie von der AfD nicht mehr zu unterscheiden war. Doch auch Wagenknecht sollte nicht übersehen, dass immer dann, wenn sie mit dem Zeigefinger auf jemanden zeigt, mindestens drei Finger auf sie selbst zurückweisen. Und so stellt sich die Frage: Was nützen ihr diese zerstörerischen Debatten?

Fabio di Masi und Ulrich Schneider – zwei Experten, die wichtig für das Profil der „Linken“ waren, der eine für das Finanzwesen, der andere für Wohlfahrt und Gemeinwohl –, sind nach Wagenknechts Auftritt im Bundestag aus der „Linken“ ausgetreten. Von Sahra Wagenknecht ist nicht zu erwarten, dass sie denselben Schritt von sich aus vollzieht, obwohl das der einzige Weg wäre, die Partei zu retten. Wagenknecht ist ein Spaltpilz, eine Narzisstin, nicht teamfähig, immer auf der Suche nach der sie selbst erhöhenden Pointe, mit der sie Schlagzeilen machen kann. Und die „Linke“ scheint auf sie zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Fürwahr, diese Partei ist auf Selbstzerstörungskurs.

fr-debatteSorgen wir für einen normal temperierten Herbst

Das politische Sommerinterview am 7. August im ZDF mit dem Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan hat mich zutiefst erschreckt und verärgert. Da ruft ein angeblich demokratischer Politiker zum Straßenprotest im Herbst gegen die Energiepolitik der Ampelregierung auf und nimmt mit naivem Gesichtsausdruck (bewusst?) in Kauf, dass er damit die Aufbruchstrompete der Rechten, Querdenker, Reichsbürger, Corona-Gegner, Antidemokraten bläst.
Diese Einstellung verrät Orientierungslosigkeit und Verzicht auf öffentliche Verantwortung und gründet in einem infantilen Wahrnehmungsverhalten. Haben die Linken endgültig das Erwachsenwerden aufgegeben, was die letzten Wahlergebnisse nahelegen?
Genügt es nicht, dass die FDP-„Buben“ um Christian Lindner permanent nicht nur die Grünen, sondern diejenigen Bürgerinnen und Bürger brüskieren, die sich sozial- und ökologiepolitisch um des Erhalts unserer globalisierten Welt willen einsetzen für Nachhaltigkeit, verantwortlichen Energieverbrauch, Geschwindigkeitsbegrenzungen, soziale Fürsorge für die 15 bis 20 Prozent Prekären in unserer Gesellschaft? Schon der Versuch, den „heißen Herbst“ links herbeizureden und neoliberal zu provozieren, ist unverantwortlich und (leider so nicht) strafbar.
Demokraten: Sorgen wir für einen normal temperierten Herbst 2022!

Uwe Gerber, Schopfheim

fr-debatteIm schlechten Merkelschen Sinn

Energie wird für Teile der Bevölkerung unbezahlbar, der Autor nimmt „soziale Spannungen“ wahr und spricht von möglichen  Protesten im Herbst. Als „verantwortlich“ für die innenpolitischen Konflikte wird Wladimir Putin benannt und die Konsequenzen seien unausweichlich. Dabei vermeidet es Markus Decker, genau zwischen Auslöser (Russlands Angriffskrieg) und politischen Entscheidungen in Deutschland (Sanktionspolitik, Waffenlieferungen an die Ukraine) zu unterscheiden.
Für die in Deutschland getroffenen politischen Entscheidungen übernehmen aber allein die politischen Entscheidungsträger in Bundesregierung und Bundestag die Verantwortung, und diese haben sich, ähnlich wie bei der vom Autor erwähnten Agenda 2010, frei entschieden.
Damit ist in der pluralistischen Demokratie der Raum für Debatten eröffnet, um über mögliche negative Folgen, die Verhältnismäßigkeit der Mittel, die Wirksamkeit oder die Gefährdung des sozialen Friedens zu diskutieren. Gegebenenfalls werden getroffene Entscheidungen dann revidiert oder verändert. Der Grad der Offenheit dieses Debattenraumes weist dabei auf den Zustand der politischen Kultur hin!
Die Überschrift „Keine Klientelpolitik“  verkennt zudem den in der Parteiendemokratie üblichen Drang, bei allen Diskussionen eigene potentielle Wähler anzusprechen bzw. zu gewinnen. Dies mit „internationaler Solidarität“ bzw. einem „moralischen Fundament“ vermeiden zu wollen und die Sanktionspolitik so im schlechten Merkelschen Sinne als alternativlos darzustellen , verkennt die medialen Inszenierungen aller(!) im Bundestag vertretenen Parteien. Zudem: Wo gab es deutsche internationale Solidarität bei der Freigabe der Patente für Impfstoffe? Wie viele Staaten leiden an den unsolidarischen Exportüberschüssen Deutschlands, die auf Produktivitätssteigerungen ohne entsprechende Lohnerhöhungen basieren? Und ist unsere imperiale Lebensweise etwa solidarisch?
Soziale Proteste sind in Deutschland wünschenswert, da sie die Lebendigkeit der Demokratie, die Meinungsvielfalt und die dramatischen sozialen Spannungen widerspiegeln. Alle Proteste, die sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen, sind legitim und legal. Wer diese mit dem Populismusbegriff in gute und schlechte Proteste unterteilen möchte bzw. die Kritik an der Sanktionspolitik schon im Vorfeld unterbinden möchte, entzieht sich der mühsamen argumentativen Suche nach Wahrheit und segelt selbst hart am Wind des Autoritären.

Dirk Schneider, Helmenzen

fr-debatteAvanti Dilettanti!

Es war offensichtlich ein Riesenfehler der Spitze der Bundestagsfraktion der „Linken“ ausgerechnet der „Egomanin“ Sahra Wagenknecht die Bühne für die Haushaltsdebatte des Bundes zu überlassen. Wider besseres Wissen und Gewissenschwadroniert sie im Stile eines „Putinschen trojanischen Pferdes“ von einem angeblichen „Wirtschaftskrieg des Westens“ gegen das  „Russland Putinscher Prägung.“ Welch ein nachweisbarer historischer Unsinn. Hier werden Ursache und Wirkung anscheinend bewusst vertauscht. Was unterscheidet Sarah Wagenknecht in dieser Frage eigentlich noch von der AfD (Albtraum für Deutschland)? Da kann man eigentlich nur noch mit Joschka Fischer antworten. Avanti Dilletanti.

Dieter Obst, Wiesbaden

fr-debatteDer Parlamentarismus lebt von der Debatte

Der Bundesregierung bescheinigt sie, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland „vom Zaum zu brechen“ und fordert Verhandlungen mit dem Regime Putin zur Sicherstellung der deutschen Energieversorgung. Ich wäre gern darüber informiert worden, was denn Sahra Wagenknecht in ihrer Rede ausserdem noch gesagt hat. Hingegen interessiert mich weniger, was auf Gesichtern von Parteimitgliedern angeblich abzulesen ist, und dass Frau Kipping wieder raucht, und dass dies mit den Nerven zu tun habe. Das mit dem ‚beispiellosen Wirtschaftskrieg‘ klingt martialisch, aber so etwas kommt in hitzigen Debatten vor. Dass sich Parteimitglieder darüber aufregen, kann ich nachvollziehen. Die Debatte wird hoffentlich kontrovers weiter geführt.
Es wäre wünschenswert, wenn auch die Friedensbewegten und die Kriegsunterstützer bei den Grünen eine öffentliche Kontroverse führten, ohne dass sofort von einer Spaltung der Partei die Rede sein muss. Auch die Forderungen von Kubicki bezüglich Nordstream 2 sollten in der FDP diskutiert werden. Und von Parteimitgliedern der CDU hätte ich erwartet, dass sie sich mit der Blackrock-Vergangenheit ihres Vorsitzenden kontrovers auseinander gesetzt hätten und zwar, bevor sie ihn ins Amt wählten. Aus der Erforschung von krisen wissen wir, dass diese mit Macht zurück kommen, wenn sie übergangen werden. Parteien müssen, um glaubhaft zu bleiben, Auseinandersetzungen führen, sich ihnen zumindest stellen, auch öffentlich. Nicht nur der Parlamentarismus lebt von der Debatte.
Solange keine Rechte verletzt werden – leider leidet das Erinnerungsvermögen so mancher Politiker, vor allem in Untersuchungsausschüssen – sollte gestritten werden, um Meinungen zu differenzieren und Entscheidungen abzuwägen. Bei Wahlen erleben wir oft, dass Parteien interne Konflikte vermieden haben, und wir als Wählerinnen und Wähler vor der Situation stehen, das kleinere Übel zu wählen, oder die Partei, welche sich die vergleichsweise die wenigsten Skandale geleistet hat.
Der monokausale Grund, dass Putin die alleinige Schuld für diesen russischen Angriffskrieg trägt, muss weder davon abhalten, all die anderen Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben, zu bedenken und alternative Lösungswege zu diskutieren, die neue Handlungsoptionen ermöglichen.

Robert Maxeiner, Frankfurt

fr-debatteDie Linke sollte sich dem politischen Gegner widmen

Bernd Riexingers wirkt selbstzerstörerisch bei der Kritik an Sahra Wagenknecht. Sie weist den Weg, vor massenhafter Obdachlosigkeit und einer dramatischen Wirtschaftskrise zu schützen. Minister Habeck sah einst selbst die Gefahr, Putin durch die Sanktionen reicher zu machen für seinen brutalen Angriffskrieg. Ihn muss die Linke jetzt angreifen, nachdem der selbstzerstörerische Irrweg offensichtlich ist, die Abhängigkeit von billigem russischem Gas durch die Abhängigkeit von teurem schädlichem US-Frackinggas zu ersetzen. Mitglieder wie Riexinger sollten Umfragen in Auftrag geben, angesichts der vernünftigen wachsenden Kriegsmüdigkeit bei nächsten Wahlen punkten und nicht den bellizistischen Selbstzerstörungskurs der Regierung unterstützen.

Friedrich Gehring, Backnang

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21 Kommentare zu “Die Debatte über den „heißen Herbst“ bekommt allmählich Temperatur

  1. Es kamn niemandem verborgen bleiben, dass Europa, also auch Deutschland, einen Wirtschaftskrieg führen, zu Lasten der BürgerInnen. Damit missachten die von uns Gewählten ihren verfassungsmäßigen Auftrag, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden! Wieso wagen das so wenige Politiker’innen zu äußern, und wenn sie diese Wahrheit darlegen, werden sie mit einem Shitstorm überzogen wie Frau Dr.Wagenknecht. Auch die Medien verschweigen, dass längst ein Wirtschaftskrieg zu Lasten der Bevölkerung geführt wird, der WEM NÜTZT? Den Rüstungskonzernen und deren Profiteuren. Wie lange wird die freie Meinungsäußerung noch diskreditiert?
    Die Medien haben eine VERANTWORTUNG: Berichten Sie über die Folgen des Wirtschaftskriegs für die Bevölkerungen der Europäischen Staaten ! Lassen Sie die, die sich nicht dem Mainstream unterwerfen, angemessen zu Wort kommen.
    Wann wird Ministerpräsident Kretschmer in Talkshows eingeladen, oder auch Frau Dr. Wagenknecht, die ihre Einschätzung der Übernahme von Rosneft Raffinerie durch die Treuhand, darlegen können. Plötzlich entdecken die Regierenden, dass es im GG die Artikel 14 und 15 gibt, die Enteignungen regeln. Warum werden nicht Energiekonzerne enteignet und deren sämtliche Übergewinne vom Staat beschlagnahmt, ich meine damit nicht NUR die Übergewinnsteuer

  2. zu @ Edeltraut Schnegelsberg
    Natürlich kann und soll jeder und jede eine eigene Meinung haben. Sie haben ihre in dem Beitrag dargelegt. Aber wenn man diese Meinung hat muss man doch eine Vorstellung haben wo Putin seinen Truppen sagen wird das sie nicht weiter nach Westen marschieren sollen. Also konkret die Frage: Wo ist die Stelle von der sie ausgehen das die Rote Arme stehen bleibt und warum sollte sie das tun?

  3. Polarisierung muß nicht immer falsch sein. Sarah hat ja sowas von recht! Durch Sicherheits- und Diplomatie-Verweigerung Kriege herbeiprovozieren und dann mit für heimische Konzerne lukrativen Waffenlieferungen Öl ins Feuer gießen – das alte Spiel, so ist er nicht erst seit heute, der wilde (Werte-) Westen USA, Nato, EU.

  4. zu Peter Maaßen:
    „Polarisierung muß nicht immer falsch sein. Sarah hat ja sowas von recht!“

    Das ist für mich so nicht nachvollziehbar. Wer führt denn hier den Krieg herbei? Wer verweigert denn hier Diplomatie, Sicherheit und Verhandlung?
    Sicher ist der Westen nicht „ohne Sünd'“, aber das, was hier in der Debatte herbeigezaubert wird, ist doch reinste Demagogie. Und wer sich heute noch hinter die Selbstgerechtigkeit und den Spaltungseifer einer Sarah Wagenknecht stellt, der hat nicht verstanden, welches Spiel diese ‚Salondame‘ der Linken spielt und was sie damit bei der Linken an Schaden anrichtet. Leider ist die Führung der Links-Partei dahingehend nicht couragiert genug, dieser Egomanin das Handwerk zu legen. Auch wenn Parlamentarismus sicherlich von der Debatte lebt. Aber bei Wagenknecht geht es nur um eine Person, nämlich um sie selbst und ihre Popularität.
    Hebel meint (21.09.), dass zu den schädlichen Polarisierungen auch andere beitragen. Stimmt. Aber sie ist dabei „herausragend“!
    Ich bin Mitglied der Linken und kann nicht mehr nachvollziehen, dass eine Wagenknecht immer noch die Macht besitzt, die Zerstörung der Partei weiter voranzutreiben.

  5. Die Warnung des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von den Linken an die eigene Partei, bei den geplanten Protesten gegen steigende Energiepreise sowie die Gasumlage zu wenig Distanz zu rechtsradikalen Gruppen zu wahren, ist durchaus berechtigt. Denn die jüngsten Äußerungen des Ostbeauftragten der Linken-Bundestagsfraktion Sören Pellmann in Bezug auf die vor allen Dingen von den Rechtsradikalen organisierten und durchgeführten Montagsdemos sind brandgefährlich und können zu einer erheblichen Destabilisierung unseres demokratischen und sozialen Bundesstaates führen. Es besteht kein Zweifel daran, dass der soziale Unmut gegen die ungerechten und untragbaren Belastungen insbesondere von Menschen in prekären Lebensverhältnissen, die durch die inflationär steigenden Energiekosten und die Gasumlage erfolgen, Widerstand durch Demokraten gleich welcher Couleur zur Folge haben muss. Doch jedes Techtelmechtel bzw. gemeinsames Auftreten mit rechten, demokratiefeindlichen Kräften muss sich für wirklich links stehende Zeitgenossen verbieten. In der Linken gibt es, wie das Beispiel Sahra Wagenknecht immer wieder eindrucksvoll zeigt, durchaus einen starken Hang zu reaktionären und rechten Ideen, mit denen ein nationaler Weg gegangen werden soll. Und der Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Ideen jener aufkommen lassen muss, die sich zwar links nennen, sich aber nicht zu schade dafür sind, mit der Rechten zusammenzuarbeiten, und einen nationalen Sozialismus favorisieren. Es ist keine Frage, dass durch den Grundwert Solidarität die immensen Belastungen für Arme aufgefangen werden müssen und die Ampelregierung in dieser Frage im Sinne der Menschen handeln muss. Doch es ist auch richtig, dass die Aussage des großen alten Linksliberalen Gerhart Baum von der FDP, wonach wir alle auch Opfer bringen müssen und Demokratie und Freiheit sich gerade in diesen Zeiten bewähren müssen, vollkommen zutreffend ist. Denn schon hat die Rechte in der Bundesrepublik die Messer gewetzt, um mit Unmut und Verzweiflung der Menschen das verhasste „System“ anzugreifen. Ich bin als Sozialdemokrat in großer Sorge um die demokratische Substanz der Bevölkerung und befürchte, dass sich zeigen könnte, dass wir eine Schönwetterdemokratie sind, die nur von Bürgerinnen und Bürgern getragen wird, solange es ihnen gut geht und der vermeintliche Wohlstand existiert. Doch ein menschenwürdiges Leben ist nur möglich, wenn Freiheit, soziale Sicherheit und Solidarität Geltung haben.

  6. Zwei Leserbriefe in der FR vom 23. 9. 2022 machen mich (fast) sprachlos. Mit dem Vorwurf, Europa und auch Deutschland führten einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, wird ihnen eine aktive, eine auslösende Rolle unterstellt, mit der sie angeblich ihren verfassungsmäßigen Auftrag verletzten, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Dass die Sanktionen gegen den dafür verantwortlichen Aggressor Putin eine Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine und auf die Bedrohung der demokratisch-freiheitlich verfassten Staaten darstellen; dass die Ukraine um diese Hilfe gegen den Aggressor gebeten hat; dass die Sanktionen eine direkte militärische Konfrontation vermeiden sollen, wird übersehen. Es wird sogar – Sarah Wagenknecht ausdrücklich unterstützend – die absurde Behauptung aufgestellt, dass der Krieg gegen die Ukraine vom Westen durch Sicherheits- und Diplomatieverweigerung provoziert worden sei. Wirklichkeitsfremder kann man Putins Klagen über die „geopolitische Katastrophe“ des Untergangs der Sowjetunion und seine Absicht, diese Katastrophe rückgängig zu machen, nicht überhören; dieses Ziel, das gleichzeitig auch der Sicherung der eigenen autoritären Machtposition dient. Darf man, so ist weiter zu fragen, einem Diktator erlauben, seine imperialistisdhen aus der Zeit gefallenen Ziele zu verfolgen, die im Erfolgsfall nicht vor der Ukraine Halt machten? Und wird durch die Untertützung des um seine Freiheit und eine demokratische Verfasstheit kämpfende Ukraine, die Putin beseitigen will, nicht auch Schaden vom deutschen Volk abgewendet?

  7. Nebenbei betrachtet wäre ich mir nicht so sicher ob alles, was Frau Wagenknecht äußert, Unsinn ist. Es ist durchaus möglich, dass die Folgen der Sanktionspolitik die europäischen Länder härter treffen als Russland und damit ihr Ziel verfehlen. Das böse Erwachen kommt spätestens nächstes Jahr.

  8. @ Ulf Döbert

    Ja, sicher, wer weiß schon was wird. Deswegen sind Wagenknechts Stör rufe und die Absichten, die sie antreibt dennoch verkehrt und ideologische Propaganda.

  9. zu Ulf Döbert und Jürgen Malyssek
    Sorry das ist doch alles falsch. Da geht Putin her und leert die Gasspeicher im Sommer 2021 um eine Gasnotlage im Winter 21/22 herbei führen zu können. Das ist ein massiver Angriff auf D. und die EU. Putin ist außerdem noch der größte Lieferant für Öl, Gas und Kohle. Was sollte denn eine Regierung machen als sich gegen diesen Angriff zu stellen und zu versuchen Unabhängig von inzwischen klar unzuverlässigen Lieferungen zu werden. Eigentlich braucht es dazu gar nicht den Krieg in der Ukraine.
    Das Ganze ist ja noch nicht fertig. Ich denke das Putin die Karte Rosatom noch versuchen wird ins Spiel zu bringen.

  10. Die Leserbriefe von Frau Schnegelsberg und Herrn Maaßen zeigen, dass immer mehr Menschen auf Frau Wagenknechts infames Spiel „Böser Putin – guter Putin“ hereinfallen. Der böse Putin hat zwar, wie hässlich und verurteilenswert, einen Krieg vom Zaun gebrochen, aber der gute Putin würde den energiehungrigen Deutschen doch liebend gern Gas und Öl liefern, sofern Deutschland nur die Wirtschaftssanktionen fallen und ihn in der Ukraine nach Belieben morden und brandschatzen ließe. Und dies zu gestatten, seien deutsche Politiker geradezu verpflichtet: hätten sie doch geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Was dem einen seine Uhl ist dem anderen seine Nachtigall: damit es uns im Winter so richtig schön warm ist, kann der gemeine Ukrainer ruhig in den Trümmern seines zerbombten Hauses hungern und frieren. Selber schuld – er hätte sich eben nicht auf einen Krieg mit Putin eingelassen dürfen. Internationale Solidarität, seit der Oktoberrevolution eine der Hauptforderungen des Sozialismus, spielt für Frau Wagenknecht anscheinend nur dann eine Rolle, wenn sie sich nicht gegen Putins Russland richtet. Die Gasspeicher könnten voll sein, gäben wir doch nur diesen unnötigen „Wirtschaftskrieg“ gegen den Aggressor auf und gestatteten ihm, sich die Ukraine einzuverleiben – eine klassische „win-win- situation“ also. Und die herzustellen gebietet unserer Regierung nach der bizarren Logik von Frau Wagenknecht und Ihren Leserbriefschreibern allein schon der Amtseid!

  11. Der Teufel steckt in den Details. Stichwort Gasumlage. Mit dem 1. Oktober beginnt für sehr viele Bürger, Kleinbetriebe und Selbständige eine lange Verunsicherungsphase – und bei weit mehr Menschen als gedacht auch begründet Existenzangst.
    Wegen der Gasumlage erhielt ich von „meinen“ Stadtwerken einen Info-Brief. Zum 1. Oktober werden neu eingeführt bzw. neu beziffert: 1. eine Gasbeschaffungsumlage (brutto) von 2,879 Cent; 2. eine Gasspéicherumlage (brutto) von 0,07 Cent; 3. die Bilanzierungsumlage (bisher: 0,0 Cent) von 0,67 Cent. Alle drei pro KWh Gasverbrauch, also 3,63 Cent auf den angehobenen Gaspreis von 9,66 Cent gepackt, mithin diesen um 37,58 Prozent verteuernd. So generiert man Inflation!
    Begründung für die Speicherumlage: Paragraph 35e Energiewirtschaftsgesetz. Die Umlage geht an „Trading Hub Europe“ für die Organisation der fristgerechten Speicherfüllung. Nur: Dafür zahlt die Bundesregierung 15 Milliarden Euro an diese THA. Warum also noch eine Verbraucherumlage? Stadtwerke sind meist als AGs verfasst, also per se zur Blianzierung und Bilanzveröffentlichung verpflichtet. Weshalb ist eine an den Gasverbrauch gekoppelte Umlage dazu gerechtfertigt?
    Angesichts solcher Aufschläge auf den Gaspreis kann das nur als Zumutung empfunden werden – Solidarität und Sanktionen hin oder her. Es wird wohl tatsächlich einen „heißen Herbst“ geben. Damit hätte Wladimir Putin eines seiner Etappenziele auf dem Weg zur neuen „russischen Welt“ und der Zerrüttung westlicher Demokratien sicher erreicht. Klimaschutz oder Erderwärmung ist ihm ziemlich egal. Das Abfackeln von Gas bringt ihm immer noch Milliarden Euro in die Staatskasse und à la longue ein eisfreies Nordmeer voller Bodenschätze.
    Während die Sanktionen Russland bisher nicht an den Rand wirtschaftlicher Krise gebracht zu haben scheinen, wirken sie sich in der EU zunehmend nachteilig aus. Und es stellt sich für die Zukunft doch die Frage: Woher all die Geldmittel nehmen, die für die Unterstützung der Ukraine und die Abfederungsmaßnahmen im Inland gebraucht werden?
    You’ll never walk alone – damit signalisiert unsere Regierung, dass wir es schaffen können. Aber es könnten Entwicklungen eintreten, bei denen sich die Regierenden wünschen könnten, alone zu walken. Die Opposition, allen voran CDU/CSU, hat das noch nicht begriffen. Sonst zeigte sie mehr konstruktives Verhalten.

  12. Otto-Normalverbraucher fallen durch das Raster. Ich bin Jahrgang 1942 und haben von 14 Jahren an gearbeitet, nur leider zu wenig verdient. Ich war und bin immer politisch interessiert. Es gibt noch viele andere Probleme, richtig. Aber unsere Kosten steigen auch!
    Ich erlaube mir den Luxus, eine Zeitung zu beziehen, ich will die Zeitung lesen, und ich brauche was Handfestes zum Anfassen. Meine Nettorente beträgt 781,33, dazu kommt eine Rente von 600 Euro von meinem verstorbenen Mann. Die Miete beträgt mit Heizung 756,72 Euro. Wenn ich dann die festen Kosten hinzurechne, bleibt nicht viel übrig. Wenn die Mieten und die Strom- und Heizkosten steigen, was bleibt dann noch?
    Ich will mit meiner Nachbarschaft noch einen Kaffee trinekn, quatschen, lachen und über die Welt diskutieren. Theater, Museen, Kino? Klamotten werden weiter getragen. Ich will nicht nach Posemuckel ziehen! Mit 80 Jahren findet man keine neuen Kontakte. Dann ist Feierabend!

  13. Anstatt einer Gasumlage für Gaskunden stelle ich mir einen Energiesoli, entsprechend der Steuerlast, vor. Die Energiekrise betrifft ja auch die Strompreise und die Gaskunden alleine sollten nicht die „Dummen“ sein. das wäre ungerecht. Auch der Krieg mit seinen Folgen betrifft ja alle.
    Die Finanzämter könnten den Energiesoli einziehen und in einen gesonderten Pool abführen. Aus diesem Pool widerum könnten nachweislich in Not geratene Energielieferanten Stützungsgelder bekommen, ebenso ärmere Bürger, die die hohen Preise nicht bezahlen können. Zusätzlich könnte der Pool durch Abschöpfung einer Übergewinnsteuer vergrößert werden.
    Ist die Notlage beendet, könnte man den Bürgern ihre Mehrbelstung bei der Steuerrückerstattung ausgleichen. Verstaatlichte Energieunternehmen könnten Volksaktien ausgeben und so einen Teil der Belastungen zurückführen. Firmen, die Übergewinnsteuerbezahlen mussten, könnten eine Rückerstattung beanspruchen, wenn sie diese nachweislich in die Investition in erneuerbare Energien stecken.

  14. zu @ Peter Arnold
    Auch sie lassen sich auf die völlig falsche Argumentation von Frau Wagenknecht ein. Die Gasspeicher waren letztes Jahr um diese Zeit nicht voll sondern zu leer um über einen strengen Winter zu kommen. Wenn man die Sanktionen zurück nehmen würde hätte das nicht volle sondern leere Gasspeicher zur Folge. Genau so wie letztes Jahr und Putin hätte gewonnen weil es dann eine totale Energieabhängigkeit gäbe. Das Frau Wagenknecht so falsch wie sie es tut argumentiert verstehe ich nicht weil sie ja eigentlich dafür zu intelligent ist. Ich bin fast geneigt zu vermuten das sie im Saarland von Putin befreit werden will.

  15. hans hat mich gründlich missverstanden. Ich plädiere keinesfalls für die Rücknahme der Sanktionen – schon gar nicht, um deutsche Gasspeicher zu füllen.

  16. zu @ Peter Arnold
    Ich habe sie nicht missverstanden. Sie sind der Meinung das die Sanktionen bleiben sollen auch wenn wir dadurch auch wirtschaftliche Probleme bekommen, weil das verhalten von Putin nicht akzeptabel ist. Ich bin der Meinung dass das Verhalten von Putin die letzten 15 Monate beweist das es kein zurück mehr geben kann. Eine Rücknahme der Sanktionen würde unsere wirtschaftliche Lage verschlechtern weil wir uns dadurch in eine totale Abhängigkeit begeben würden die Putin dann ausnutzten würde.

  17. @ hans (27.09.)

    Was Putin auch noch ins Spiel bringt, das #ndert doch nichts an der Angemessenheit der Sanktionen, wenn schon „Frieden schaffen ohne Waffen“ eine Illusion ist. Natürlich erleben wir erhebliche Nachteile in der Wirtschaft, Energieversorgung und in den weniger gut situierten Haushalten. Selbst wenn der Krieg mal vorbei sein sollte, dann haben wir nicht mehr die Welt des Gewohnten. Es ist vielleicht ganz gut, sich auf neue Lebenslagen schon mal einzustellen und nicht in alt bekannten Systemen und Strukturen weiter zu spekulieren.
    Das Schlagwort „Zeitenwende“ ist ja nicht umsonst gefallen.

  18. Zu hans: ich bin für die Aufrechterhaltung der Sanktionen – wieso lasse ich mich damit auf Frau Wagenknechts Argumentation ein? Auch Sie wollen offenbar auch keine Rücknahme der Sanktionen. Wo ist da der Dissens?

  19. Im Grunde geht es mir um die Aussage von Frau Wagenknecht das mit einer Rücknahme der Sanktionen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage einher gehen würde. Zumindest habe ich sie so verstanden. Dafür dass das so ist spricht nichts da der wirtschaftliche Angriff und die daraus resultierenden Energiepreise Monate vor den ersten Sanktionen erfolgt sind.

  20. In vielen Ländern haben die Russen das kulturelle Nationalbewusstsein gebrochen durch gezielte Ansiedlung ethnischer Russen und die Einführung der russischen Sprache. Dies als Amtssprache und in vielen prägenden Bereichen wie z. B. in den Universitäten. Machtpositionen wurden durch russlandtreue Vasallen besetzt. Das ist Imperialismus, Unterdrückung, Russifizierung.
    Beispiel Estland. Die Zahl der Esten in Estland sank in 50 Jahren von 88 auf 61,5 Prozent. Die Zahl der Bürger mit kulturell russischem Hintergrund stieg von 8,2 auf 35,2 Prozent. Diese Politik gab es ebenso in der Ukraine und sie setzt sich bis heute anschaulich fort.
    Im Westen wurden einflussreiche Menschen (Exkanzler Schröder) durch Putin angefüttert und genährt. Die „Putinversteher“ finden wir in der ganzen Welt in allen Parteien. Vor allem aber (logischerweise!) am rechten Rand und auch unter sogenannten Linken (Wagenknecht). Links war in der Geschichte immer eine humanistische Befreiungsbewegung der Unterdrückten!
    Die Partei „Die Linke“ wird, wie die DDR (mit dem linken Bein aufgestanden und nach rechts marschiert), zum Treppenwitz der Geschichte. (Während die Gelegenheit schon durch die Türe hindurch ist, steht der Witz noch auf der Treppe).
    Was zählt, sind Werte! Daran wird gemessen. Wenn Russland ein Land überfällt, Menschen vergewaltigt, foltert und abschlachtet, dann kann ich das nicht mehr in Worte fassen. Ich spüre nur Wut. Wenn man Maßnahmen gegen den Angreifer ergreift, um den Angegriffenen zu helfen, ist das human. Putinversteher torpedieren die, die den Angegriffenen helfen und leiten damit Wasser auf Putins Mühlen.

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