Gegen die Gerontokratie aus Politik und Wirtschaft

Es gibt sie immer noch, die „Fridays-for-Future“-Bewegung der Schülerinnen und Schüler, weltweit. So mancher hatte wohl gehofft, dass sie recht bald wieder einschlafen würde. Aus der Politik, zum Beispiel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), war immerhin eine Menge Lob gekommen, auch von solchen Akteuren wie der Kanzlerin selbst, die sich angesichts der Kritik eigentlich mit roten Ohren in die Ecke stellen und schämen müssten.

SauriersaalUnd wenn Demonstranten von denen gelobt werden, die sie kritisieren … Nein, Trick durchschaut! Jetzt gehen die jungen Leute einen Schritt weiter und präsentieren einen Forderungskatalog. Auch hier im FR-Blog war der Wunsch an sie gerichtet worden, konkreter zu werden und konstruktive Vorschläge zu machen. Das haben sie jetzt getan – sinnigerweise im Sauriersaal des Berliner Naturkundemuseums. Botschaft: Was denen (den Sauriern) passiert ist, wird auch uns passieren, wenn Deutschland nicht:

  • ein Viertel der deutschen Kohlekraftwerke noch in diesem Jahr abschaltet;
  • den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzieht;
  • eine CO2-Steuer auf klimaschädliche Treibhausgase einführt;
  • seine Energieversorgung bis 2035 komplett auf erneuerbare Energien umstellt;
  • bis 2035 die Nettonull erreicht, d.h. nur so viel CO2 emmittiert, wie durch natürliche Prozesse kompensiert werden kann.

Die Forderungen auf der Webseite der „Fridays for Future“ oder hier eingebettet in einen redaktionellen Text der FR. Dieser Artikel endet wie folgt:

„Nach Einschätzung von Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitglied der ‚Scientists for Future‘, sind die Forderungen der Schüler ‚alle berechtigt‘ und umsetzbar. ‚Deutschland als eines der reichsten Länder muss seine Hausaufgaben machen und hat hier eine Vorbildfunktion.'“

Balken 4Leserbriefe

Jochen Ickert aus Frankfurt:

„Die Demos zum Klimaschutz begrüße ich sehr! Während die „Gereontokratie aus Wirtschaft und Politik“ dabei ist, aus Gier und Gleichgültigkeit die Zukunft unseres Planeten zu verspielen, gehen Tausende von jungen Menschen dagegen auf die Straße. Die Parallelen zu 1980 bis 1989 sind unübersehbar: Auch damals hielt eine Gereontokratie in der damaligen Sowjetunion und ihren Verbündeten an einem nicht überlebensfähigen und unmenschlichen System fest, und beginnend in Polen um 1980 gingen Millionen Menschen dagegen auf die Straße. Heute wehren sich die Menschen weltweit gegen ein System aus Politik undirtschaft, das auf eine andere Art unmenschlich ist und dabei ist, die menschlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zu zerstören. Dabei geht es nicht nur um das Klima, sondern um das gesamte Ökosystem unseres Planeten. Ein Wirtschaftssystem, dessen theoretische Grundlage „ewiges Wachstum“ ist, kann aus systemtechnischen Gründen nicht funktionieren – weil es kein „unbegrenztes Wachstum“ gibt, sondern nur Kreisläufe.
Worin liegt mehr Lebensqualität – in der Wiese vor dem Haus oder in einem Luxus-Einkaufszentrum ? Im Lächeln der Nachbarin, dem Lachen eines Kindes, dem Schnurren einer Katze – oder in „Superevents“ in Medien oder „Erlebniszentren“ mit teuer zu bezahlendem Eintritt ? Genau das haben die jungen Menschen erkannt – und darüber freue ich mich sehr!
Kürzlich bin ich das erste Mal mitgelaufen – in meiner verlängerten Mittagspause. Natürlich können Schüler nicht selbst ihre Zeiten bestimmen. Man kann so reagieren, wie in Bayern und Baden-Württemberg und die empörte Obrigkeit hervorkehren wie in den 80er Jahren auch die „real-sozialistischen“ Regierenden. Oder man kann es machen wie in Hessen, wo den Protesten mehr behördliche Toleranz entgegengebracht wird. Warum nicht Lehrpläne auf die aktuellen Gegebenheiten umstellen und z.B. den Freitag zu einem Bildungstag zu Klima, Umwelt und Politik umgestalten? Bis etwa 10 oder 11 Uhr können ja im Unterricht die theoretischen Grundlagen vermittelt werden, mittags geht es zur Demo (Teilnahme freigestellt), und nachmittags werden gegebenenfalls in den Oberstufen die Ereignisse nachbesprochen?“

Hans Oette aus Neuenstadt:

„Greta Thunbergs Appell überzeugt gerade deshalb, weil sie die Dinge nur schwarz-weiß sieht. Denn bei der Bekämpfung des Klimawandels darf es keine Kompromisse mehr geben. Aber dunkle Gespenster scheinen noch viele Verantwortliche zu lähmen. Warum bleibt z. B. die Schwarze Null heilig? Mit ausgebautem und kostenlosem Nahverkehr könnte man die Verkehrsflut eindämmen, auch mithilfe einer Reichensteuer. Warum speichert man nicht großtechnisch die Wärme des Sommers unter der Erde, wie in der Stadt Neckarsulm, um damit im Winter Gebäude zu heizen? Das Voranbringen der Wärmeisolierung und der Photovoltaik auf den Dächern könnte unzählige Arbeitsplätze sichern. Die Stromtrasse von der Nordsee nach Süddeutschland muss mit teureren Kabeln unter der Erde gebaut werden, wo sich Bürger gegen oberirdische Leitungen wehren. Wir müssen endlich die Macht der Wirtschaft einsetzen, um den Planeten zu retten, anstatt ihn zu zerstören.
Näheres zu Neckarsulm sehen Sie unter https://de.wikipedia.org/wiki/Neckarsulm#Solarenergie.

Wolfgang Witt aus Bad Orb:

„Wenn jeder an sich denkt, ist auch an alle gedacht. So könnte man die Erkenntnis des alten Adam Smith von vor 300 Jahren abkürzen. Da gab es auch noch den Stand des „könglichen Kaufmanns“. Dieser ist heute fast nur noch Hörensagen, und ersetzt durch Überdentischziehen bis Betrug. Dem PROFIT wird alles untergeordnet, selbst Moral, Anstand und der sich real abzeichnenden Gefahr , unter anderem den gesamten Planeten zu vermüllen. Daß sich jetzt weltweit die kommende Generation gegen diese Zumutung auflehnt, ist nur recht und billig, wenn es auch all die Politiker aus ihrem Dauerschlaf reißt. Die jetzt nach Luft ringen und alle möglichen abenteuerlichen Argumente bemühen, um ihre Versäumnisse zu kaschieren. Die Jugendlichen haben jeden Grund für ihre Forderungen und sonst nichts. Und die Politik hat jeden Grund, sie umgehend aufzugreifen und sichtbare Ergebnisse zu liefern. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Dafür sind sie gewählt mitsamt ihrem Wissen und Können. Der kommenden Generation ist dringend zu raten, aus ihrer Mitte lobbyresistente Nachfolger zu generieren, welche unfähige Politiker gnadenlos ersetzen und eine notwendige Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einer angepassten Lebensweise herbeiführen. Die jetzige Masche, eine Tätigkeit nur bei entsprechemdem Profit durchzuführen, auch wenn sie unumgänglich ist, wird sich oft nicht halten lassen. Dieses Jahrhundert wird viele  lebenswichtige Entscheidungen und kampfstarke Charaktere erfordern. Die auch im Stande sind , weit über den Tellerrand zu blicken.“

Wolfgang Steinmetz aus Frankfurt:

„Als Schulpfarrer und ehemaliger Religionslehrer an einer Frankfurter Beruflichen Schule stehe ich voll hinter den Demonstrationen der Schüler und Schülerinnen. Ich finde es hervorragend, dass so Viele den Lernort „Strasse“ entdeckt haben. Sie setzen sich praxisbez ogen für eine lebenswerte Umwelt ein und lassen den Worten Taten folgen. In der Vergangenheit wurde immer wieder beklagt, dass unsere Jugendliche zu wenig politisch interessiert seien.Nun zeigen sie das Gegenteil auf und wieder wird geklagt.
Meinem Religionsunterricht lag immer der Dreischritt „Sehen-Urteilen-Handeln“ zugrunde. Der dritte Schritt „Handeln“ wird oft nicht so stark ausgeführt. Hier setzen nun die Freitagsdemonstrationen an. Es geht hier nicht um Schulschwänzen sondern um die Umsetzung von der Theorie in die Praxis.Dadurch kann der Lehrstoff nutzbar gemacht werden für eine Umwelt, die geachtet und mit der verantwortlich umgegangen wird. Diese Pädagogik des Gleichgewichts zwischen Theorie und Praxis sollte auch unser Kultusminister Herr Lorz anerkennen und fördern.Deshalb sind meiner Meinung nach die Schüler und Schülerinnen,die zu diesen Demonstrationen gehen, zu loben und auch die Lehrer und Lehrerinnen, die dies ermöglichen auch durch ihre Präsenz. Somit wird der Erziehungs- und Bildungsauftrag unserer Schulen vollständig verwirklicht und die Lernziele erreicht. Ich wehre mich deshalb entschieden gegen die Behauptung, diese Schüler und Schülerinnen als Schulschwänzer zu bezeichnen.Sie sind mutig und zeigen Zivilcourage, die in unserer Gesellschaft so notwendig ist.Wenn wir so weitermachen wie bisher, haben wir vielleicht weniger „Schulschwänzer“ aber auch eine immer weitere Zerstörung unserer Umwelt.
Deshalb: Die Schulgesetze sind für den Menschen da und nicht der Mensch für die Schulgesetze.“

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19 Kommentare zu “Gegen die Gerontokratie aus Politik und Wirtschaft

  1. Ich sehe im Gegensatz zu Jochen Ickert eine ganz andere Parallele zur Sowjetunion und ihren Verbündeten. Das Ziel war der neue Mensch. Und das geht selten gut.

  2. zu @ Deutscher Michel
    Wenn ich sie richtig verstehe sind sie schon wieder dabei die Märchen ihrer Lobbygruppe zu verbreiten das EE nur mit Vorschriften und Gängelung funktioniert. Schauen wir uns doch einfach die grundlegenden Fakten an. EE sind dezentral oft noch nicht einmal auf ein Netz angewiesen(Afrika). Es gibt einzelne Personen denen ein Windrad gehört und jeder Hausbesitzer kann grundsätzlich mit einer PV Anlage Energieanbieter werden. Das hat schon dazu geführt, und wird es noch mehr, das es Millionen davon gibt. Jetzt muss noch die Infrastruktur, z.B.Netz, geschaffen werden das Stromhandel europaweit möglich ist. Wasserkraft aus Norwegen, Wind aus dem Norden und Solar aus dem Süden mit großen und kleinen Anbietern. Dafür die Regeln und Voraussetzungen zu schaffen ist eine lohnende Aufgabe für eine Energieunion auf EU Ebene. Das Ergebnis wird wie immer wenn man Handel ermöglicht Wohlstand für alle sein. Wenn man weiter nur auf Großkraftwerke setzt wird es bestenfalls wie derzeit Obligopole geben mit wenigen Anbietern. Kohlenstoff sollte man dafür nicht verwenden, weil davon einfach nicht genug vorhanden ist. Wenn man AKW dafür nimmt wird man das nicht bezahlen können und zusätzlich Monopole bekommen, weil es nur ein paar handverlesene Betreiber geben kann. Man nennt das nicht umsonst in Japan das Atomdorf mit den hohen Priestern des Atom. Ich möchte mir gar nicht vorstellen wie eine Welt die den Klimawandel mit AKW bekämpfen wollte aussehen würde.

  3. DESERTEC Nord ist am entstehen. Es ist ein Nordseenetz im Bau. Ich denke ab 2021 wird man schon seine Wirkung sehen. Eins der wichtigsten Projekte das in einem Jahr seinen Betrieb aufnehmen soll habe ich unten verlinkt. Es ist aber nicht das Einzige. Alle Nordseeanlieger sind dabei massiv in Offshore und Netze zu investieren. Schade das Frankreich da nicht richtig mit macht, weil das Energiewendeland Portugal dadurch nicht so einfach an dieses Netz ran kommt. Spanien beginnt mit der neuen Regierung auch mit zu ziehen. Damit käme auch Marokko und Solar mit ins Boot.
    https://www.top50-solar.de/newsclick.php?id=309358&link=https%3A%2F%2Fwww.iwr.de%2Fticker%2Fstromleitung-tennet-erhaelt-auszeichnung-fuer-nordlink-artikel1456

  4. Wenn man eine CO 2 Steuer wie gefordert von 180 Euro/ Tonne einführt braucht es keine Forderung nach dem Kohleausstieg mehr. Am Tag nach dieser Einführung werden alle Kohlekraftwerke zur Stilllegung angemeldet weil mit diesem CO 2 Preis keines mehr Geld verdient. Deshalb wundere ich mich immer das die gleichen Leute die darüber reden das ein schneller Kohleausstieg nicht geht im nächsten Satz eine CO 2 Steuer fordern. Ich frage mich dann immer ob sie überhaupt wissen von was sie reden.

  5. @hans:
    ich kann nur wiederholen, dass ich definitiv keine Lobby-Gruppe in Deutschland habe, die auch nur ansatzweise Einfluss besässe.
    Die großen Energiekonzerne (alle, denke ich – kurz vorm Sterben) haben schon lange ihren Frieden mit dem Ausstieg aus der Atomenergie gemacht. Und das EE-Lied singen sie auch schon tapfer mit.

  6. zu @ Deutscher Michel
    Sie hatten die Tage mal das Thema angesprochen das Europa kurz vor dem großen Stromausfall gestanden hat und ob es so eine gute Idee wäre den EE zu vertrauen. Ich habe gestern einen guten Bericht zu dem Thema gelesen bei dem es einem wieder nur übel werden kann wenn das stimmt. Der Grund für die Probleme war das man inzwischen meint mit Regelenergie an der Börse spekulieren zu sollen. Das wird sicher auf Dauer zu Problemen führen hat aber nichts mit der Energiewende zu tun

    https://www.bhkw-forum.de/prosumernews/artikel/18-ist-europa-mehrfach-nur-knapp-am-blackout-vorbeigeschrammt/

  7. @hans:
    Eine Fahrt durch Sachsen-Anhalt zeigt ABSOLUT die Umweltverschandelung mit Windparks. Ich würde weder Ihnen noch einem anderen Blog-Teilnehmer hier glauben, das er/sie in der Nähe dieser Windparks wohnen möchte. Diese Regionen sind für einen erholungssuchenden Menschen komplett verloren.

  8. zu @ Deutscher Michel
    Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Die Gutachten die beim WWF erstellt werden legen den derzeitigen Stand der Technik zu Grunde. In Sachsen Anhalt stehen wahrscheinlich viele Anlagen schon seit Jahren. Eine heutige Anlage wird durchaus die 10 fache Leistung haben wie die Anlagen die da gebaut wurden. Das was sie kritisieren ist eigentlich eine Aufforderung dort Repowering zu betreiben.

  9. @hans:
    wie sah die Stromerzeugung in Portugal im März 2019 aus?
    Wäre als Vergleich interessant.

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