Ein Hauptmann – und Verfassungsfeind?

Das „Kommando Spezialkräfte“ KSK ist die Eliteeinheit der Bundeswehr, stationiert im baden-württembergischen Calw und als schnelle Eingreiftruppe zurzeit im Rahmen der Operation Enduring Freedom in Afghanistan eingesetzt. (Hier mehr darüber bei Wikipedia.) Seine Einsätze unterliegen strikter Geheimhaltung. Nicht geheim blieb jedoch eine Mail, die ein Hauptmann der KSK am 28. Juli 2007 an Hans Jürgen Rose schrieb, ein Mitglied des „Darmstädter Signals„, einer Organisation von in der Friedenspolitik aktiven Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr. Diese Mail wird zitiert bei Politikforum, angeschlossen ist ein Interview mit Rose. Was schreibt Herr K. da an den „uniformierten Verpflegungsempfänger? „Ich beurteile sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln daran ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen. Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.“

Die FR dokumentiert dazu einen Text des Freiburger Geschichtsprofessors Wolfram Wette, der in K.s Schreiben „den Originalton der rechtsradikalen Freikorpskämpfer aus den frühen Jahren der Weimarer Republik“ erkennt, „die später durchweg bei der NSDAP und der SS landeten. Und da hört der Spaß nun endgültig auf.“ Das meint auch die Mehrheit der Leserbriefautoren, die sich zu diesem Thema geäußert haben. Etwa Siegfried Hillemann aus Oberelbert:

„Es wird einem angst und bange, wenn ein Hauptmann solche Aussagen macht. Er gehört sofort aus der Truppe entfernt. Dieser ganze KSK-Verein, der ohne politische Kontrolle sein Unwesen in Afghanistan treibt, ist für eine Demokratie untragbar. Als ehem. Z 12 kann ich mir gut vorstellen, wie das abläuft. Dieser Hauptmann entscheidet über Leben und Tod, und so einer läuft mit einer Waffe rum.“

Peter Arnold aus Bad Homburg:

„Hauptmann K. ist ein Verfassungsfeind. Kein stiller, sondern ein erklärter. Wer Andersdenkende als Feinde ansieht und ihnen die ‚Zerschlagung‘ – was ja nur physische Vernichtung heißen kann – ankündigt, hat den Boden unserer Grundordnung längst verlassen. Hauptmann K. will diese Ordnung durch einen militärischen Putsch beseitigen. Nichts anderes kann es bedeuten, wenn er sich zu Offizieren ‚einer neuen Generation‘ bekennt, die ‚handeln‘ würden, wenn es ‚die Zeit‘ erfordere. Er ist deshalb schnellstens zu entlassen, wenn sich seine Vorgesetzten nicht dem Verdacht aussetzen wollen, sie billigten diese Gesinnung.
Die Verfassungsfeinde der Weimarer Republik hatten wenigstens den Mut, mit Ihrer Gesinnung in die Öffentlichkeit zu treten. Hauptmann K. dagegen ist ein Feigling. Er zieht es vor, anonym zu bleiben. Die Führung der Bundeswehr aber muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie einen durchgeknallten Rechtsradikalen zum Hauptmann machen konnte.

Olaf Haselhorst aus Hamburg dagegen meint:

„Bei allem Verständnis für die historisch-inspirierte Aufgeregtheit des Herrn Wette bleibt eine Frage offen: Was macht ein Soldat in der Bundeswehr, der sich zum ‚Pazifismus‘ bekennt und eine ‚Enttabuisierung des Militärischen‘ beklagt? Ist ‚das Militärische‘ nicht ureigenste Aufgabe der Bundeswehr? Wäre er nicht besser in der Friedensbewegung aufgehoben?
Bei aller berechtigten Kritik am Ton des KSK-Hauptmanns: Im Kern ist seine Kritik nachzuvollziehen. In Afghanistan sterben Bundeswehrsoldaten, weil sie dem Auftrag einer demokratisch gewählten Regierung nachkommen. Die Öffentlichkeit tut immer noch so, als gäbe es diesen militärischen Einsatz nicht. Und wenn Soldaten, die dort ‚für Freiheit und Demokratie‘ Ihre Haut zu Markte tragen, erleben müssen, dass ihr Einsatz selbst von Kameraden nicht gewürdigt wird, kann man die Empörung des Hauptmanns sehr gut nachvollziehen.
Offiziere des ‚Darmstädter Signals‘ spielten bereits eine unrühmliche Rolle, als sie sich gegen den NATO-Doppelbeschluss wandten und sich zum Sprachrohr des Kremls machten. Die jetzige Äußerung des Herrn Oberstleutnants liegt auf dieser Linie und ist es eigentlich nicht wert, dass ihr so viel Beachtung geschenkt wird.“

Michael Sander aus Darmstadt sieht die Sache in einem größeren Kontext:

„Keineswegs könnte man diese Affäre ‚als skurril und unzeitgemäß ….. abtun, gäbe es da nicht diese fatalen historischen Verbindungslinien‘, denn es gibt noch andere Verbindungslinien. So z.B. die Festlegung im Grundgesetz, dass die Bundeswehr nicht im Inneren eingesetzt werden darf. Ein Verfassungsgebot, das seit über zehn Jahren immer wieder aufs neue angegriffen, unterhöhlt (BSG als Bahnhofspolizei) und gelegentlich auch einfach missachtet wird (Tornadoflüge in Heiligendamm).
Es gibt heute sicherlich nicht mehr Typen wie diesen „Elitesoldaten“ als in den 50ern, und dass die Bundeswehr keine demokratische Institution ist, ist eine Banalität, die sie mit vielen anderen Institutionen teilt, z.B. den deutschen Hochschulen. Das Ganze ist also weniger eine ‚AffäreÄ als ein publizistischer Betriebsunfall, der kurz hat aufscheinen lassen, was hier, in diesem Fall in der Bundeswehr, eigentlich normal ist.“

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16 Kommentare zu “Ein Hauptmann – und Verfassungsfeind?

  1. Der Wortlaut dieses „Soldaten“ ist von Nazi-Gedankentum und Platitüden nur so getränkt. Wer spricht denn sonst vom „Heiligen Deutschland“?
    Der Kerl hat in unserer Armee nichts verloren.

  2. die haben die längst durchlaufen, wenn sie Offiziere sind. Da werden die auf Herz und Nieren geprüft. Nein, der Skandal ist, daß die Führungskräfte dieses „Offiziers“ der neuen Schule dies decken und mit einer geringen disziplinarischen Maßnahme belegt haben.

  3. Nun, man sollte nicht alles auf die „Goldwaage“
    legen, was gewisse „Herrschaften“ diesmal ein Hauptmann der Bundeswehr,so alles von sich geben!
    Auch in den Parlamenten der Länder und des Bundes,fallen hin und wieder „Äußerungen“, welche an der Grenze der „Legalität“ sind!

    Und dieser sogenannte KSK-Verein, betreibt gewiss nicht sein Unwesen in Afghanistan!
    Diese Männer,sind bestimmt nicht aus freien Entschluss, in dieses vom Krieg zerschundene
    Land gegangen!
    Genausowenig, wie all die anderen Bundeswehrangehörigen, welche im Norden wie auch im Süden dieses Landes stationiert sind und lieber heute als morgen, zu ihren Angehörigen nach Deutschland zurückkehren würden!
    Und, wie will oder soll man Armee-Einheiten,(KSK) welche in ein „fernes“ Land in einen Krieg geschickt werden, politisch kontrollieren?
    All jene Frauen und Männer der Bundeswehr, welche in Afghanistan ,Leib und Leben riskieren,tun dies nicht um Freiheit und Demokratie zu verteitigen, sondern um die USA, im Kampf gegen die Taliban (Terroristen) zu unterstützen! Der Bevölkerung dieser Republik ist dies wohl bewusst und die Mehrheit lehnt ein weiteres (verstärktes) arrangieren der Bundeswehr in Afghanistan ab!

  4. Na – zum guten Glück kommt jetzt so ein Scheiss-Film wie „Der rote Baron“ in die Kinos – damit „unsere“ Tornado-Piloten in Afghanistan endlich mal ein Vorbild haben?
    (Und der nächste Film von 2009 heisst garantiert: „Holt Hartmann vom Himmel“? – Dann seid Ihr doch alle endlich mal in Eurem Element in „Deutschland“?).

    Wie langweilig, dass solche sauteuren (Nazi-)Propaganda-Filme immer dieselben männlich-idiotischen Stereotypen zeigen: Saufen, Frauen, Fliegen, Kämpfen, und ein IQ

  5. Da muss man nix auf die Goldwaage legen um zu verstehen, dass dieser Typ ein potenzieller Putschist ist, der ja selbst meint er sei ein “Offizier(en) einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.”“ Tja, das kann übermorgen sein, wenn die die SPD mit der Linken koalieren sollte oder auch morgen, wenn ein Friedensbefürworter irgendwo Bürgermeister wird. Was “erforderlich“ ist, bestimmt ja der Offizier.

    Fazit: Ablösen und von Schäuble im Hausarrest beobachten lassen !!

  6. Mir scheint dass dieser Offizier nur die Spitze eines Eisberges ist. Solch ein Unsinn wird nämlich kaum im stillen Kämmerlein ausgebrütet. Da fragt mensch sich, warum der zuständige Minister nichts davon hält, diese Menschen ausfindig zu machen und aus der Truppe zu entfernen. Besser jedoch wäre die Abschaffung jeden Militärs in Deutschland. Aber dazu gibts leider keine Mehrheit im Parlament. Die sollten sich mal die Geschichte der „schwarzen Reichswehr“ anschauen.

  7. Als Angehöriger der Truppe, welcher seinen Dienst für leidende und sterbende Menschen erbracht hat, muß ich sagen, daß ich diesem Kamerad nicht mal eine Bettpfanne zur verantwortlichen Handhabung übergeben hätte.

  8. Was soll man noch sagen?

    Wenn ein Bundeswehrsoldat sich aufgerufen fühlt, „innere Feinde“ zu bekämpfen, dann ist er psychisch belastet, inkompetent oder fehlgeleitet.

    Seine Vorgesetzten mögen sich fragen, an welcher Stelle sie versagt haben und an welcher Stelle sie ihm gleichen.

  9. Der Leserbrief Ihres Lesers Haselhorst vom 10. 04.2008 kann nicht unwidersprochen bleiben. Herr Haselhorst verwechselt Ursache und Wirkung: Die Isaf-Soldaten der Bundeswehr wären nicht in Afghanistan, wenn sie sich nicht für den Beruf des Soldaten entschieden hätten. Sie wussten alle, worauf sie sich einließen. Wer sich freiwillig zum KSK gemeldet hat, wird wohl kaum behaupten können, er habe nicht damit gerechnet, eines Tages von seinem „Arbeitgeber“ zu einem der Brandherde dieser Erde geschickt zu werden. Wer in die Küche geht, weiß, dass er sich dort verbrennen kann. Der Gedanke, womöglich andere Menschen töten zu müssen, hat noch keinen Soldaten von der Wahl seines Berufes abgeschreckt. Und dass er bei der Ausübung seines Handwerks seine Haut „zu Markte“ tragen muss wohl auch nicht. Genau dafür erhält er nämlich seinen Sold. Darüber hinaus aber noch über die Sinnhaftigkeit seines Einsatzes nachzudenken, hält Herr Haselhorst offenbar für unmilitärisch. Der Soldat hat zu gehorchen und nicht zu denken! Dass unsere Soldaten am Hindukusch die Freiheit der Republik verteidigen, können selbst ausgewiesene Verfassungsrechtler nur mühsam begründen. Und wenn das nicht der Fall sein sollte – darüber nachzudenken muss einem Soldaten doch erlaubt sein! Nein, verehrter Herr Haselhorst, das Darmstädter Signal hat nicht leiser, sondern lauter zu werden.

  10. Herr Arnold, Sie haben prinzipiell recht. Fast könnte man meinen Herr Haselhorst heisst die Drohungen jenes Hauptmannes auch noch gut.

    @Walthor:
    Sie übersehen leider, dass Herr Schäuble selbst derjenige ist, der seit Jahren im Inneren agieren möchte. Ich vermute nämlich sehr stark, dass Hauptmann K zu denjenigen gehören könnte, die unser vorderster Rollstuhlfahrer gerne „einsetzen“ würde.

  11. Nur eine kleine Geschichtsnachhilfelektion für ams:“Es lebe das heilige Deutschland!“ waren die letzten Worte Stauffenbergs, bevor er im Hof des Bendlerblocks erschossen wurde.

  12. @ Edgar Ingrisch # 12

    Die Leute des 20. Juli waren in ihrer Auffassung nicht viel anders als jeder andere Militär. Die wollten nur Hitler beseitigen. An der Machtverteilung aber wolten sie nur marginal etwas ändern. Wie viele Gegner der Faschisten wurden namentlich nicht benannt, weil sie nicht der nach dem Krieg politischen Mehrheit nicht genehm waren?

  13. So, jetzt sind die (klammheimlichen) Befürworter des Hauptmanns (sehr wenige Beiträge), die ehrlichen Kritiker und zu Recht Empörten (fast alle Beiträge) zu Wort gekommen.

    Da vermisse ich aber dann erneut, die Folgeartikel im Blatt, die konsequente Nachforschung durch „investigativen Journalismus“ bezüglich detaillierter Hintergründe und tatsächlicher Konsequenzen.

    Was hat sich die FR eingebildet, darauf, dass Sie das im Fall des UNICF-Spenskandals getan hätte (vgl. Blog „Die Schwächsten haben den Schaden“), obwohl das Publikum auch da letzlich nicht viel mehr kommuniziert bekam, als das Echo der allgmeinen Empörung.

    Dieamal aber käme man in Konflikt mit der offiziellen Regierungspolitik , der gebilligte Afghnistaneinsatz käme ins, bliebe im Gerede. So beläßt man es beim Abdruck des guten Wette-Artikels, läßt sich Volkes Stimme unverbindlich im Blog austoben und sucht das nächste Blogthema. – Neues Spiel, neues Glück.

    Als die FR noch Zeitung war, hat sie nicht nur populistischen, sondern kritischen aufklärenden Journalismus betrieben. – Es war einmal.

  14. @Boris Wachowiak Nr. 11

    Na ja, leider kommt meine Ironie wenn in schriftlicher Form abgegeben nicht so ganz rüber. Nix für ungut.

  15. @Walthor:
    das macht noch nichts, arbeiten Sie dran. Wobei vllt versteh ich’s erst jetzt, „von Schäuble im Hausarrest“. Jaa, Sie meinen der Fahnder auf Rädern soll selber im Hausarrest, und dann beobachten. Alles klar, da mach ich mit.

    Einzig, wer könnte ihn setzen, unter solchen?!

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