Das Ding mit der Krankheitskarte

Eigentlich mag ich keine Pressemitteilungen. Und erst recht veröffentliche ich sie nicht hier im Blog. In diesem Fall soll es aber anders sein, denn dies geht uns alle an. Eigentlich sollte die „e-Card“ für Patienten schon gestartet sein. Das klappte aber nicht, denn es gab und gibt Probleme mit der Sicherheits-Infrastruktur für die gespeicherten Daten. Sicherheits-Infrastruktur? Ja, denn die Krankendaten werden keinesfalls direkt auf der e-Card gespeichert. Das Bündnis „Stoppt die e-Card“ (dahinter stehen der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der Bundesverband der Ärztegenossenschaften, der Chaos Computer Club, die Freie Ärzteschaft e.V., NAV – Virchowbund, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten und viele weitere Organisationen) hat nun „wichtige Informationen für alle Patienten“:

„Alle Versicherten, ob Kasse oder privat, sollen in Zukunft eine ‚elektronische Gesundheitskarte‘ erhalten. Was bedeutet das für Sie? Alle Versicherten haben jetzt eine lebenslang gültige ‚Personenkennziffer‘ erhalten. Die neue Karte wird mit einem Foto versehen. Politiker und Krankenkassen wollen, dass in Zukunft Ihre Krankheitsdaten (Arztbriefe, Diagnosen, vererbte Erkrankungen und verordnete Medikamente) außerhalb der Arztpraxis gespeichert werden.

Was Sie aber nicht wissen: AUF der Karte wird fast nichts gespeichert! Die Karte dient als Schlüssel zu einem gigantischen Computernetzwerk, dem sich künftig alle Arztpraxen, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Psychotherapeuten, alle ca. 300 Krankenkassen, Krankengymnasten, Sanitätshäuser und viele weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens anschließen müssen. Dies bedeutet, dass schätzungsweise bis zu 2 Millionen Menschen aus dem gesamten Gesundheitsbereich Zugriff auf die Krankheitsdaten erhalten werden.

Wollen Sie, dass in Zukunft Ihre Krankheitsdaten, z. B. AIDS, Krebs, Diabetes, Potenzprobleme oder Nervenzusammenbruch, nicht mehr der Schweigepflicht Ihres Arztes unterl iegen, sondern in zentralen Computern mit Internet-Anbindung gespeichert werden?
Das ganze Projekt ist unsinnig, teuer und gefährlich. Und Sie als Versicherte zahlen dafür auch noch die Rechnung.
Gläserne Bürger? Nein Danke! Die Aktion „Stoppt die e-Card“ sagt NEIN zu diesem Mammutprojekt! Wir fordern das Recht auf Weiterverwendung der bisherigen Versichertenkarten!“

Auf der Seite, auf die ich oben verlinkt habe, soll es auch die Möglichkeit geben, eine Petition zu unterzeichnen – hab ich aber noch nicht gefunden. Bisher muss man die Möglichkeit zur Unterschrift per Mail anfordern: ippnw@ippnw.de.

Es gibt eine Seite „Die Krankheitskarte“, auf der zu lesen ist, dass 98 Prozent der Ärzte die e-Card nicht wollen. Ich bin kein Arzt, aber ich will sie auch nicht. Her mit der Petition!

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5 Kommentare zu “Das Ding mit der Krankheitskarte

  1. Lustig auch die aktuelle Spiegel-Meldung dazu (Print)… in Tests fiel unangenehm auf, daß ältere Mitbürger, vielleicht ein wenig sehbehindert, vielleicht ein wenig tatterich, große Schwierigkeiten mit der Eingabe der PIN haben, die außerhalb von Arztpraxen wohl nötig ist… d.h. diejenigen, die die Karte wohl am meisten brauchen, können sie teilweise gar nicht verwenden…

  2. Ja, und wenn alle Daten zentral gespeichert sin, dann wird es auch wieder Begehrlichkeiten für den Zugriff auf diese Daten geben. Solche Entwicklungen sind zns z. B. bei der Einführung der LKW-Maut bekannt.

    Aus Datenschutzgesichtspunkten heraus wäre es daher am besten, wenn das projekt möglichst schnell sterben würde.

  3. Der Mensch denkt, Gott lenkt. Dieser Sinnspruch wurde mir früher von einem Lehrer, wohl mangels Kenntnis weiterer dieser Art, öfter ermahnend nahegebracht. Heute müsste diese Weisheit eher so heißen: Bertelsmann denkt, Bertelsmann lenkt. Die als demokratisch verfasst geltende Gesellschaft der Bundesrepublik erfährt kaum noch eine Innovation, die nicht von dem Medienkonzern gesteuert worden wäre. Über die Bertelsmann-Stiftung, einem Steuersparmodell, werden jährlich bis zu 100 Millionen Euro eingebracht, um unsere Republik und Europa im Sinne derer, die den Staat bis zum Hungerleider „verschlanken“ wollen, voranzubringen. Rüstungs-, Bildungs- und Gesundheitspolitik sind nur drei Bereiche, in denen Bertelsmann über Gutachten von angeheuerten Professoren, Journalisten oder Wirtschaftsfunktionären seinen Einfluss geltend macht, um selbst – nicht immer direkt – daran zu verdienen.

    So ist die Bertelsmann-Stiftung auch eine Wegbereiterin der elektronischen Gesundheitskarte (eCard), die einen Milliarden-Markt eröffnet. Da durch die Umstrukturierung des Gesundheitswesens seit einigen Jahren die kommunalen Krankenhäuser in Liquiditätsschwierigkeiten gebracht worden sind, können Krankenhauskonzerne wie die Rhön-Klinikum-AG wachsen und Kliniken preiswert von den Städten und Landkreisen aufkaufen. In diesen Großeinrichtungen müssen Arbeitsabläufe optimiert werden, dürfen Patientenzuweisungen nicht mehr von einzelnen niedergelassenen Ärzten abhängig gemacht werden.

    Nicht zuletzt an dieser Stelle hat die Bertelsmann-Stiftung eingegriffen und Vorschläge mit gutachterlicher Qualität an die Öffentlichkeit und an die Entscheidungsgremien des Bundestages herangetragen. Das wichtige Stichwort heißt „Datentransparenz“, vordergründig benutzt, um im Gesundheitswesen Gelder einzusparen – etwa zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen –, hintergründig jedoch propagiert, um Daten in großen Mengen unter den künftigen Zugriffsberechtigten hin- und herzuschieben und statistisch auswertbar zu machen. O-Ton Bertelsmann: „Das deutsche Gesundheitssystem erzielt im internationalen Vergleich in punkto Qualität keine Bestnoten. Sehr hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten stehen zum Teil nur durchschnittliche Behandlungsergebnisse gegenüber. Während einige Patienten ein Übermaß an medizinischer Versorgung erhalten, bleibt anderen die notwendige Versorgung vorenthalten, und wieder andere werden falsch behandelt. Diese Über-, Unter- und Fehlversorgung ist Ausdruck falsch gesetzter Anreize und mangelnder Zusammenarbeit der Leistungserbringer.“ Und diese behauptete mangelnde Zusammenarbeit der Leistungserbringer könnte demnach mit der eCard verbessert werden. Es gibt kaum einen Arzt, der diese Digitalisierung der Patientendaten schätzt. Kritik wird geübt an den auf Kosten der Ärzte anzuschaffenden Lesegeräten samt Netzwerkanschluss bis hin zum zeitlichen Mehraufwand, ein Rezept auszustellen. Dazu Prof. Harald Schweim, Drug Regulatory Affairs der Universität Bonn: „Die e-GK ist nur Teil einer komplexen Infrastruktur. Weitere wesentliche Bausteine sind der elektronische Heilberufsausweis (HPC), mit dem sich Ärzte und Apotheker beim Zugriff auf medizinische Daten ausweisen, ein Kommunikationsnetz, das 123.000 niedergelassene Ärzte, 65.000 Zahnärzte, 2200 Krankenhäuser, 21.000 Apotheken und rund 270 Krankenkassen miteinander vernetzt sowie die zugehörigen Netzwerksserver.“ Hier ist beabsichtigt, einen neuen Markt zu kreieren: Kartenproduktion für 82 Millionen potenzielle Patienten, Serverinstallation und -unterhaltung, kurz um, alles was dazugehört an Dienstleistungen und Geräteherstellung und deren Unterhaltung. Schweim spricht vom weltweit größten IT-Projekt mit geschätzten Kosten von bis zu sieben Mrd. Euro. Da müssen Gelder, die im Gesundheitssystem stecken, umgeschichtet werden, und zwar zugunsten dieser Technik. Ob dies den Kranken nutzt, ist fraglich.

    Wilfried Deiß, Hausarzt-Internist, Siegen, sagte auf einer Veranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe am 19. September 2007: „Ich bin kein Freund von Verschwörungstheorien. Ich glaube nicht, dass es von Anfang an böse Mächte mit hinterhältigen Interessen waren, die die eCard im Gesundheitswesen durchsetzen wollen. Nein, ich glaube, dass eine ursprünglich sinnvolle Idee, nämlich die der Verbesserung der Kommunikation im Gesundheitswesen, durch die Einwirkung von Fremdinteressen verändert worden ist. Es ist ganz einfach: Wenn Sie Konzernen, in deren Natur es liegt, Umsatz und Profit maximieren zu wollen, für die Planung freie Hand gegeben, dann wird unter mehreren möglichen Lösungen genau die favorisiert werden, die am meisten Umsatz und Profit bringt.“ Man muss seine Meinung nicht teilen, da solche Vorhaben strategisch und publizistisch in Bertelsmann-Manier vorbereitet und nicht jedem transparent werden, jedoch ist seine Schlussfolgerung für den Nutzen der Konzerne sicher die einzig richtige. Hier zeigt sich, weshalb das scheinbar neutral agierende Instrument „Bertelsmann denkt, Bertelsmann lenkt“, so erfolgreich ist.

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