Schwerer Schlag für Radsport

Genug, es reicht!, sagen die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Stefan Schumacher – gedopt! Bernhard Kohl – gedopt! Beide vom Team Gerolsteiner, das sich nun in Auflösung befindet. ARD und ZDF zogen die Konsequenzen: Sie werden 2009 nicht live von der Tour de France berichten. Ich persönlich bedaure das, denn nun werden sie nicht mehr an mir vorbeiziehen, die schönen französischen Landschaften, die die tapferen Radsportrecken da bereisen und die doch tatsächlich zu gewissem Teil auch von mir schon bereist worden sind – teils sogar tatsächlich mit dem Fahrrad. Schade also um die Impressionen aus unserem Nachbarland. Doch um die Berichterstattung über das Sportereignis ist es nicht schade. Sind doch eh alle gedopt – oder? 

Denkste, Bronskie, sagt Paul Fremer aus Frankfurt:

„Eigentlich sind die positiven Dopingproben der vergangenen Wochen und die Leistungen der betroffenen Sportler während der Tour de France die besten Beweise dafür, dass sich die Situation gebessert hat. Wenn die beiden überführten Italiener Riccardo Ricco und Leonardo Piepoli die schwersten Bergetappen dominieren, ein bis dahin durchschnittlicher Bernhard Kohl über sich hinauswächst und das Bergtrikot gewinnt und Stefan Schumacher, der zuvor keineswegs als herausragender Zeitfahrer bekannt war, die Weltbesten um eine Minute distanziert, kann man daraus schließen, dass tatsächlich die meisten Fahrer des Peletons fast sauber sind.
Der Ausstieg von ARD/ZDF versetzt somit nicht nur dem deutschen Radsport, insbesondere der Jugendarbeit einen herben Rückschlag, sondern stoppt mit großer Wahrscheinlichkeit auch einen bis dahin gut geführten Anti-Doping-Kampf. Ich prophezeie, dass schon in wenigen Jahren Verhältnisse wie vor zehn Jahren herrschen, kaum noch positive Dopingproben gefunden werden und die Öffentlich-Rechtlichen in den dann „sauberen“ Radsport zurückkehren. Warum sollte man auch einen kostenintensiven Anti-Doping-Kampf führen, wenn bei erfolgreichen Ergebnissen die Fernsehsender und somit auch die Geldgeber abspringen?!“

Roland Tubée aus Helmond (NL) meint:

„In der Tour de France 2008 testeten sieben Fahrer positiv, etwa vier Prozent vom Fahrerfeld. Und deswegen keine Tour 2009 im deutschen Fernsehen? Die Schimmer schwimmen neuerdings auch nur schneller, weil sie Hightech-Anzüge tragen, oder? Die deutschen Biathlon-Athleten sind alle sauber, oder vielleicht fragen Sie Evi Sachenbacher und Johann Mühlegg mal, was wirklich los ist! Deutsche Pferde sind nicht gedopt, oder nur versehentlich? Turnen will ich sehen, Mädels und Buben aus China, ungedopt versteht sich. Liebe deutsche Weltbürger, wenn mehr und besser kontrolliert wird, fliegen die Sünder natürlich auf. Wenn man bei den anderen Sportarten genau so gründlich kontrollieren würde wie bei den Radfahrern, gäbe es im deutschen Fernsehen überhaupt keinen Sport mehr. Die Aktion von ARD und ZDF ist also nicht gut, sondern besonders scheinheilig.“

Henning Flessner ausWürenlos (CH)

„Die ganze Doping-Diskussion ist mir zu oberflächlich. Wieso nennt man diese Unterhaltungsveranstaltung eigentlich noch Sport? Das hat mit meiner Freizeitbeschäftigung nichts mehr zu tun.
Der Kampf im Hintergrund ums Überleben kommt in der Presse nicht vor. Zahlreiche Radfahrer haben nach der Schule nichts als Radfahren gelernt. (Übrigens eine Information, die man in Eurosport erhält und nicht bei ARD/ZDF.) Wenn sie nicht mehr mitkönnen, erhalten sie keinen neuen Vertrag und fallen in ein soziales Loch. Aber damit haben wir als Fernsehzuschauer und Journalisten dieser modernen Gladiatorenkämpfe ja überhaupt nicht zu tun! Die Welt ist nun mal hart, und man muss ja nicht Radfahrer werden.
Was wird aus einem Radfahrer nach seiner Karriere, wenn er als sportlicher Leiter oder im Fahrradgeschäft nicht unterkommt? Interessiert uns doch nicht, oder?
Die ARD hat sehr schnell verdrängt, welchen merkwürdigen Journalismus sie im Zusammenhang mit dem Team Telekom praktiziert hat – und nicht nur der Herr Boßdorf. Da fällt mir gleich noch der Herr Emig ein, und dann war da noch ein dopender (bzw. koksender) Reporter beim ZDF. Vielleicht sollte nicht nur die Tour de France mal ein Jahr aussetzen, sondern auch die Sportredaktionen bei ARD und ZDF.“

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5 Kommentare zu “Schwerer Schlag für Radsport

  1. Die Krankheit, der Mißbrauch des Menschen durch den Menschen, fängt dort an, wo Höchstleistungen erzwungen und gefeiert werden.

    Es ist von keinerlei Relevanz, ob einer Erster oder Zweiter oder Letzter wird in einer Fortbewegungsart, bei der er bloß sich selbst von A nach B transportiert.

    Es ist tragisch, wenn Menschen zur Unterhaltung (oder zur Nachricht an die Mächtigen (Marathon)) ihr Leben riskieren.

    Der Mythos von Marathon zeigt es: Wenn die Nachricht vom Sieg wichtiger ist als ein Leben, ist es ein dummes Opfer an die Eitelkeit der Mächtigen und der Helden.

  2. Es ist keine Leistung, schnell von hier nach dort zu gelangen.

    Es ist eine Leistung, zufrieden und gesund zu sein und niemanden, auch sich selbst nicht, dafür zu opfern.

    Welchen Sinn hat es, der Schnellste von tausend Idioten zu sein?

  3. Wer Sommers größere Strecken durch die Lande fährt (z.B. wie ich als nichtgedopter Inline-Skater), der nimmt so viele Renn-Radfahrer (Rad-Rennfahrer?) wahr, daß man geneigt ist, von einem Volkssport zu reden. Die zahlreichen meist älteren Herren, aber auch vielen Frauen, die da zünftig im „Profi“-Dress (enge schwatte Radhose, T-Shirt voller Werbung, Gesamteindruck magenta, usw.) durch die Lande sausen, werden wohl enttäuscht sein, daß ihnen „Ihr“ Hobby im TV nun vorenthalten wird. Ich könnte mir vorstellen, daß es diesen Zuschauern relativ egal ist, wie die betrachteten Leistungen zustande kommen, mit welchem chemikalischen oder anderen Aufwand, Hauptsache, sie können den bewunderten Profis bei der Tätigkeit zuschauen, die sie selber so gern aussüben…

  4. Eigentlich bleibt nur übrig, bei der Tour de France, beim Hennigerturm etc. den Realitäten Rechnung zu tragen und ein schmutziges Trikot für die beste Pharmacrew zu verleihen, sie auf’s Siegerpodest in die Mitte zu stellen und zu feiern.

    „Best speed tricot“, mit Blutflecken, Löchern in der Moral und Täschchen für die Bestechungsgelder. Werbeaufdruck: „Dealers Convention Unlimited“.

    Für die Dopies bleibt nur Erkenntnis, daß sie für’s Siegen zu schwach sind und letzlich den Sieg eines Motorradfahrers bei der Tour akzeptieren müssen.
    Er hatte halt die besseren Mittel.

  5. Ich hatte nen Kollegen, der Schwimmer trainierte. Der hat mir gesagt, dass, wer auf Landesebene in diesem Sport was werden will, auch die entsprechenden Mittel nehmen müsse. Es ist direkt in unserer Nachbarschaft, wenn Drogen genommen werden. Aus dem grund wird sich da nichts ändern.

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