Der vormalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hat es ausgerufen, und die Frankfurter OB Petra Roth sattelt gerne drauf: Das kürzlich begonnene sei das „Jahrtausend der Städte“. O-Ton Roth: „Denn erstmals in der Geschichte lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung von 6,5 Milliarden Menschen in Städten. Nach den Aussagen der UNO werden im Jahr 2050 mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung in Metropolen leben.“ Das ist eine ganze Menge, was?

5,3 Millionen Menschen leben in der Rhein-Main-Region. Davon – na, sind wir mal großzügig: 700.000 in Frankfurt, dem „Leuchtturm“ der Region – so Matthias Arning in der FR. Und schwuppdiwupp sind wir mitten in der hessischen Kommunalpolitik, denn die kleinste Metropole Deutschlands – ähem: Frankfurt – leidet unter kommunalen Ungerechtigkeiten. Das Globale findet also heute ausnahmsweise mal in Mittelhessen statt.

Frankfurt, meint Petra Roth, nehme Schaden, „wenn es weiterhin auf der Grundlage hoher Gewerbesteuersätze auch die Leistungen erbringen und die Infrastruktur unterhalten muss, die der Region und dem Land zugutekommen“. Gegenwärtig erhalte Frankfurt gerade mal 4,5 Prozent der Mittel, die über den Kommunalen Finanzausgleich unter Städten und Gemeinden in Hessen verteilt werden. Es bedürfe aber eines „sozial ausgeglichenen Finanzmodells“, um Lasten in der gesamten Region gerecht zu verteilen.

Schönes Beispiel: die Frankfurter Börse. Die zieht jetzt nach Eschborn um, einem netten Weiler vor den Toren Frankfurts. Eben dies ist der Haken: Eschborn ist nicht Frankfurt. Damit zahlt die Börse ihre Steuern … Konsequenterweise sollte sie sich in Eschborner Börse umbenennen, nicht wahr?

Die Rolle der Stadt Frankfurt in der regionalen Zusammenarbeit“ war der Titel einer Rede, die die OB am 18. Februar 2008 vor der Wirtschaftsinitiative RheinMain gehalten hat. Und die hat die FR komplett online dokumentiert. Jedenfalls schlägt die OB vor, einen Stadtkreis mit 26 Kommunen inclusive Frankfurts zu bilden. Die 25 Kommunen exclusive Frankfurts scheinen wenig begeistert

Ist Frankfurt denn überhaupt eine Metropole? Manfred Wüstinger, Frankfurter, hat eine klare Meinung:

„wir reden über metropolen. frankfurt ist ein aus den fugen geratenes dorf, keine metropole. eine metropole ist eine großstadt, die arme und reiche vereint, und sich der rolle beider parteien (arm und reich) bewusst ist. eine metropole wird sich nie das image einer reichen stadt anziehen, da die armen und minderverdienenden mit zu der stadt gehören und diese am leben erhalten. ohne putzfrauen, bäcker und friseure etc. geht in einer sogenannten metropole nichts. eine metropole bedeudet lebensraum für alle schichten. wo viel licht ist, ist viel schatten. aber nur licht macht blind.“

Zur Idee mit dem Stadtkreis meint Günter Bihn, ebenfalls Frankfurter:

„Frau Roth hat recht. Eigentlich sind die Grenzen noch zu eng gezogen. Denn der Main-Taunus-Kreis gehört komplett zwischen Wiesbaden und Frankfurt aufgeteilt. Der Rest vom Hochtaunuskreis und die Wetterau gehören zusammengefasst. Frankfurt muss lebensfähig sein, auch die verbleibenden Gemeinden benötigen nicht die Speckgürtelgemeinden. Frau Roth begreift sich mal als Visionärin mit intelligentem Weitblick, den man in ihrer Amtszeit bisher vermisst hat. Nur ihre Partei hat es noch nicht kapiert, Hessen braucht eine Millionen-Metropole, die Fassade der Banken aus Glas und Chrom reichen nicht, um urban zu wirken. Sowohl Oper, Schauspiel, Zoo und Palmengarten müssen finanziert werden oder sie enden wie das Ballett, das heute in Frankfurt nicht mehr existiert. Schade, dass es keine mutigen Politiker gibt, die diese gute Vision umsetzen. Die Pöstchen der Parteien sind wichtiger als das Gemeinwohl des Landes. Armes Hessen.“

Klar, die Bürgermeister der gemeinten Kommunen finden die Idee nicht so prickelnd, auch wenn sie andererseits sehen, dass die Konkurrenz zwischen den Städten „ein grundsätzliches Problem“ sei.

Was Kofi Annan wohl dazu sagen würde? Jammern auf hohem Niveau? Wie wär’s mal mit ’nem Blick nach Kairo, Mexico City oder Manila? Von wegen „Jahrtausend der Städte“. Ich mein‘ ja nur …

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Ein Kommentar zu “Das Jahrtausend der Städte

  1. Frankfurt ist ein Dorf mit Straßenbahn.

    Zu dieser Erkenntnis kam ich mit 15 Jahren, frisch aus Paris zurück und habe mir damit gleich Prosteste eingehandelt. Dabei ist das wirklich so. Tiefste Provinz gegenüber Köln oder Berlin. In Seckbach guckt sogar die Nachbarin in die Mülltonne, ob man auch wirklich nichts fremdes da unterbringt, was da nicht reinehört. Und der Briefträger ist informierter als das Seckbacher Blättche.

    Nehmen wir die gute Straßenbahn. Das ist eine Nintendo-Kaugummiautomatenflotte, die da durch Frankfurt fährt. Bis vor kurzen noch drei Modelle – der Express ausgenommen. Und man soll nicht glauben, das hier in Frankfurt Industriedesign entsteht. Was fährt rum? *abwinkt*

    Und den Rest gibt es hier:
    Nassauer

    Bin der FR wieder mal vorraus ;D (aber nicht wirklich…pssst)

    Euch einen schönen Mittwoch, Halbzeit ist und nur Mut, der Freitag ist schon in Sichtweite – mit de Rundschau am Abend. 😉

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