Blogtalk: Geleistete Lebensrettung

Viele von Ihnen werden es mitbekommen haben, denn er hat es hier im FR-Blog erzählt: Ralf-Michael Lübbers, Arzt aus Marienhafe, FR-Leser und Blog-Kommentator, war im November und Dezember 2017 an Bord der Seawatch 3 im Rettungseinsatz im Mittelmeer. Er sagt: Dass Menschen während ihrer Flucht aus Afrika nach Europa im Mittelmeer ertrinken, ist ein unhaltbarer Zustand. Offenbar ist Zivilcourage nötig, um den Flüchtlingen zu helfen und zugleich darauf aufmerksam zu machen, dass die EU sich unterlassener Hilfeleistung schuldig macht, wenn sie die Menschen ertrinken lässt.

LübbersIch habe Ralf-Michael Lübbers zum FR-Blogtalk eingeladen und freue mich sehr, dass er zugesagt hat. Ursprünglich hatte ich sogar die Idee, dies direkt von Bord der Seawatch 3 aus während des Einsatzes zu machen, aber die Kommunikationsbedingungen waren zu schwierig, so dass der Talk von Bord organisatorisch nicht machbar war. Daher holen wir das Gespräch erst jetzt nach unter der Überschrift

Geleistete Lebensrettung

Vom kommenden Montag an, dem 29. Januar 2018 um 10 Uhr, möchte ich mich mit Herrn Lübbers über seinen Einsatz unterhalten, für den er seine Arztpraxis im ostfriesischen Marienhafe vom 17. November bis 12. Dezember geschlossen hat.

Ralf-Michael Lübbers ist 53 Jahre alt und engagiert sich unter anderem gegen Ärztekorruption, Tabakindustrie und Todesstrafe. Auch seine Frau ist Ärztin. Sein Sohn studiert derzeit Medizin. Lübbers hat schon in Bangladesh und nach dem schweren Erdbeben in Haiti im Jahr 2010 als Arzt geholfen. Und nebenher schafft er es auch noch, regelmäßig Leserbriefe an die FR zu schicken. Vor viereinhalb Jahren habe ich mich schon einmal mit ihm unterhalten, allerdings nicht per Blogtalk, sondern in der Serie „Fünf Fragen an …“. Das pdf-Dokument mit seinen fünf Antworten von damals verlinke ich → HIER.

Schiff bearbeitetDas ist die Seawatch 3, mit der Ralf-Michael Lübbers drei Wochen auf hoher See unterwegs war. Über diese drei Wochen möchte ich mich mit ihm unterhalten, über die Bedingungen an Bord und darüber, was so ein Einsatz mit einem macht. Ich hatte dort mit ihm Kontakt und weiß schon, dass teilweise schwere See herrschte, was ihn vor gewisse Probleme gestellt hat. Übersetzt: Es ging stürmisch zu. Aber das galt gewiss nicht für den gesamten Einsatz. Außerdem aber möchte ich mit ihm darüber sprechen, was ihn dazu veranlasst, zu Hause alles dicht zu machen, um in See zu stechen.

Bild: Privat.

Kurz auch zu mir: 004Ich bin Lutz „Bronski“ Büge, Redakteur der Frankfurter Rundschau, zuständig für das Leserforum, FR-Blogger und Autor von Romanen wie Virenkrieg und Die JFK-Akten. Aktuell läuft auf Ybersinn.de  mein deutsch-französisches Foto-Kunstprojekt Blicke / vues 2018. Mein aktueller Roman ist Skylla – Virenkrieg II.

Bei Blogtalks im FR-Blog gilt diesmal wie sonst auch: Jeder kann mitreden und Fragen stellen. Ich als Gesprächsleiter nehme mir gleichwohl das Privileg heraus, dass meine Fragen Vorrang haben. Ihre Fragen werden deswegen nicht vergessen oder übergangen, sondern nur verschoben und später beantwortet.

Es geht also los am 29. Januar 2018 um 10 Uhr. Zu dieser Uhrzeit wird dieser Thread eröffnet, indem die Kommentarfunktion freigegeben wird.

Kleiner organisatorischer Tipp: Ein unverzichtbarer Helfer beim Blogtalk ist die F5-Taste. Sie aktualisiert die Webseite und zeigt, ob es neue Kommentare oder Fragen und Antworten gibt.

Ich freue mich auf unseren Talk! Bis dahin!

Lutz „Bronski“ Büge

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Und jetzt noch ein paar Bilder, Bildautor ist Ralf-Michael Lübbers:

Schockraum 2
Der „Schockraum“ an Bord der „Seawatch 3“
Ein während der Flucht im Schlauchboot geborener neuer Erdenbürger
Ein während der Flucht im Schlauchboot geborener neuer Erdenbürger
Brennendes Schlauchboot und zwei Kriegsschiffe
Brennendes Schlauchboot und zwei Kriegsschiffe
Im Zielhafen auf Sizilien betreten die Flüchtlinge EU-Boden
Im Zielhafen auf Sizilien betreten die Flüchtlinge EU-Boden
Mit diesem Hinweis an seiner Praxistür - inlusive Plaßmann-Karikatur - machte Ralf-Michael Lübbers seine Patienten auf die Auszeit aufmerksam
Mit diesem Hinweis an seiner Praxistür – inlusive Plaßmann-Karikatur – machte Ralf-Michael Lübbers seine Patienten auf die Auszeit aufmerksam

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124 Kommentare zu “Blogtalk: Geleistete Lebensrettung

  1. Guten Morgen, lieber Herr Lübbers, und herzlich willkommen zu unserem Blogtalk. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie diese Zeit aufbringen. Sind Sie fit und wohlauf, oder träumen Sie manchmal noch von der schweren See, die Sie erlebt haben?

  2. Moin lieber Herr Büge/Bronski“,

    renne gerade von einem Schreibtisch zum nächsten, Montagsprechstunde, und schaue mal, daß ich zwischendurch mit Ihnen talke 🙂

    Die „schwere See“ hat mir nicht so viel ausgemacht. Bin anscheinend seefest, jedenfalls mit einem Scopolamin-Pflaster hinter dem Ohr. Meine Fitness ist wegen einer Erkältung eingeschränkt, die ich seit Weihnachten habe. Habe ich mir in Ostfriesland zugezogen. Sollte vielleicht mal zum Arzt gehen…

    Schockiert hat mich nicht die See, sondern andere Dinge…

  3. Ohne jetzt die sicherlich an die Schmerzgrenze reichenden Berichte von Ralf-Michael Lübbers zu kennen, möchte ich ihm meine Achtung für diesen Einsatz zollen. Solche Menschen, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens andere Menschen retten und ihnen helfen, verdienen weitaus eher Ehrungen als viele Politiker, die häufig genug vom Helfen reden, aber das Gegenteil praktizieren.

  4. Nur keinen Stress. Ich möchte Ihren Patienten selbstverständlich keine einzige der kostbaren Minuten mit ihrem Doktor nehmen.

    Nebenher müssen Sie eine Arztpraxis am Laufen halten. Es wird also sicher mehrfach längere Pausen in unserem Talk geben. Dafür läuft er bis Freitag. Herr Lübbers, nehmen es Ihnen Ihre Patienten eigentlich nicht übel, wenn Sie Ihre Praxis mitten in der Grippesaison einfach für drei Wochen schließen, um auf die Seawatch 3 zu gehen?

  5. Ich selbst hatte nicht den Eindruck, habe gerade meine Helferinnen gefragt, die das ebenfalls verneinten.

    Normalerweise dauern die Einsätze bei Seawatch 2 Wochen, die 3,5 Wochen waren eine Ausnahme. Seawatch suchte dringend einen Arzt. Andere Kolleginnen und Kollegen hatten zu diesem Zeitpunkt keine Zeit. Bei mir passte es.

    Naja, und die netten Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben mich gut vertreten!

    In meiner Praxis mache ich deutlich, dass ich Flüchtlinge genauso behandle wie Einheimische. Steht auch auf einem Plakat in der Rezeption. Wer sich von mir behandeln lässt, sollte damit keine Probleme haben.

  6. Ich hatte mich beworben, Anfang letzten Jahres war ein Treffen der Bewerber in Berlin, übrigens verschiedene Berufsgruppen vom Koch über Kapitän bis Arzt und Rettungssanitäter. Dann war eigentlich im Oktober mein Einsatz vorgesehen. Dies klappte nicht, weil das Schiff technische Probleme machte. Für den November/Dezember wurden dann außerplanmäßig Ärzte gesucht. Ich hatte Zeit.

  7. Wenn ich mir vorstelle, ich würde zu einem Lebensrettungseinsatz auf dem Mittelmeer aufbrechen, so wie Sie das gemacht haben – ich wäre vorab von Zweifeln geplagt. Einerseits möchte ich gern helfen, andererseits riskiere ich, schlimme Dinge zu erleben, mit denen ich dann irgendwie fertig werden muss. Hatten Sie solche Zweifel?

  8. Ich möchte mich dem Ausdruck der Hochachtung von Peter Boettel anschließen.
    Interessieren würde mich, wie die Reaktion der Bevölkerung ist und ob bzw. inwiefern von einer Zusammenarbeit mit italienischen Behörden gesprochen werden kann.

  9. @ Bronski:

    „Einerseits möchte ich gern helfen, andererseits riskiere ich, schlimme Dinge zu erleben, mit denen ich dann irgendwie fertig werden muss. Hatten Sie solche Zweifel?“

    Wir Freiwilligen von der Seawatch sind nicht in lebensbedrohliche Situationen geraten. Wir wurden auch gut vom professionellen Schiffsteam auf gefährliche Situationen vorbereitet (was tun bei Feuer/Piratenangriff/eigene Havarie, Verhalten auf den schiffseigenen Schlauchbooten).

    Als Arzt bin ich (und meine Praxismitarbeiterinnen) immer wieder mit schlimmen Situationen konfrontiert: Todbringende Diagnosen, Notfälle, familiäre oder berufliche Krisen, Leichenschauen. Und wir behandeln in der Arztpraxis auch jene Patienten, die früher über`s Mittelmeer geflohen und gerettet wurden. Und ich habe ja auch schon Einsätze in Bangladesh (1999 für Ärzte für die Dritte Welt/heute German Doctors) und Haiti (für humedica) gemacht. Die Konfrontation mit schlimmen Schicksalen ist also für mich nicht neu. Und bisher bin ich damit klar gekommen. Allerdings habe ich glücklicherweise ganz schlimme Dinge noch nicht erlebt. Bei meinen bisherigen Einsätzen ist kein Mensch gestorben. Das war aber einfach Glück. Beim Nachfolge und meines Wissens auch beim Vorgänger-Einsatz sind Menschen gestorben. Genauer gesagt: Ertrunken. Noch genauer: Vor den Augen der Helfer ertrunken. Beim Schreiben wird mir jetzt erst deutlich: Wenn ich das erlebt hätte, das wäre schlimm gewesen.

    Als Arzt mußte ich das Seawatch-Personal zu Vorerkrankungen befragen. Am Schluß mußte ich die Frage stellen: Bist Du bereit, Leichen aus dem Wasser zu bergen? Diese Frage konnte mit ja oder nein beantwortet werden und mußte selbstverständlich respektiert werden.

    Nach Abschluß des Einsatzes wurde eine psychologische Beratung angeboten.

    Ich bin froh, daß ich den Einsatz gemacht und gut überstanden habe. Und ich traue mir einen erneuten Einsatz zu.

  10. Darf ich fragen, wie Sie die Frage für sich beantwortet haben, ob Sie bereit wären, Leichen aus dem Wasser zu ziehen?

    Falls Sie meine Frage zu persönlich finden, sagen Sie das bitte und beantworten sie nicht.

  11. Eine organisatorische Anmerkung: Wir sind noch nicht besonders weit gekommen, aber wir haben noch viel Zeit. Ich kann anbieten, heute Abend noch ein bisschen weiterzumachen, wenn Zeit und Lust dafür vorhanden sind. Ansonsten hätte ich morgen Fragen zur Situation an Bord, ehe wir am Mittwoch auf die Geschehnisse beim Einsatz selbst zu sprechen kommen und am Donnerstag auf die weiteren Schicksale der geretteten Flüchtlingen, was auch die Frage von Werner Engelmann zur Zusammenarbeit mit den Behörden umfasst.

  12. @ Werner Engelmann:

    „Interessieren würde mich, wie die Reaktion der Bevölkerung ist und ob bzw. inwiefern von einer Zusammenarbeit mit italienischen Behörden gesprochen werden kann.“

    Die Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden war sehr gut. Wir haben die Flüchtlinge auf Sizilien an das dortige Rote Kreuz weitergeleitet. Ich konnte mit der zuständigen italienischen Ärztin die Patienten besprechen, wobei allerdings vom Englischen ins Italienische übersetzt werden mußte. Vorher mußten wir eine Patientin notfallmäßig verlegen. Sie hatte eine schwere Infektion nach der Geburt ihres Kindes (das Kind war zuvor auf einem Schlauchboot geboren worden). Wir waren bereits an der Küste, allerdings nicht am Hotspot. Die Übernahme klappte aber einwandfrei.

    Reaktion der Bevölkerung: Mich hat erschüttert, daß mich eine syrische Patientin dafür lobte, kein Rassist zu sein. Also scheint sie hier in Ostfriesland andere Erfahrungen gemacht zu haben. Achso, das war jetzt Wochen nach meinem Einsatz in meiner Praxis. Sie meinten jetzt wahrscheinlich, wie die italienische Bevölkerung auf die Flüchtlinge reagierte? Das kann ich Ihnen nicht sagen. Konnte ich mit denen nicht besprechen.

    Die Sch Drittstaatenregelung (wegen der ich 1993 aus der SPD ausgetreten bin) ist sowas von falsch!

  13. @bronski:

    „Darf ich fragen, wie Sie die Frage für sich beantwortet haben, ob Sie bereit wären, Leichen aus dem Wasser zu ziehen?“

    Dazu wäre ich bereit gewesen. Auch die meisten anderen des Personals. Ganz genaus weiß man so etwas aber erst, wenn man es das erste Mal gemacht hat.

    Bei uns in Niedersachsen gibt es den Spruch: „Wat mut dat mut.“ Also, was hilft`s, was sein muß, muß sein, macht ja sonst keiner, die kann man ja nicht so schwimmen lassen, die müssen ja beerdigt werden. Was ist die Alternative? Ich hätte gesagt: Warum müssen diese jungen Leute sterben?

  14. @Bronski:

    „Wenn ich mir vorstelle, ich würde zu einem Lebensrettungseinsatz auf dem Mittelmeer aufbrechen, so wie Sie das gemacht haben – ich wäre vorab von Zweifeln geplagt. … Hatten Sie solche Zweifel?“

    Ich will Ihre Frage nochmal von einer anderen Seite beleuchten. Ich hatte nämlich tatsächlich auch Bedenken.

    Zunächst einmal wußte ich nicht, wie seefest ich bin. Da ich aber schon mal auf Borkum gearbetet habe (eine ostfriesische Insel) und gelegentlich Patienten mit dem Rettungsschiff auf`s Festland (nach dem niederländischen Eemshafen) begleiten mußte, und zwar dann, wenn das Wetter so schlecht war, daß kein Rettungshubschrauber mehr flog, und ich das Ganze ohne Seekrankheit überstand, war ich berechtigterweise optimistisch.

    Gravierender waren meine Bedenken bezüglich meiner fachlichen Eignung. Ich bin niedergelassener Allgemeinmediziner. Meine Kenntnisse und insbesondere praktischen Fähigkeiten in Geburtshilfe und Chirurgie sind sehr bescheiden. Gesucht waren aber tatsächlich Allgemeinmediziner, die wissen, wie man Bluthochdruck Krätze behandelt. Ich wurde nämlich super unterstützt durch die beiden Rettungssanitäter, die sich sehr gut theoretisch und praktisch mit Notfallmedizin auskannten, und mit dem Krankenpfleger, der mich unterstützte. Und ich bin meiner Frau dankbar, Kinderärztin, die ich anrufen konnte, wenn ich Fragen zur Wöchnerin und zum Neugeborenen hatte.

    Und die ganze Rettungsaktion funktionierte nur, weil alle 22 Personal das Schiff am Laufen hielten. Vom Schiffingenieur bis zur Köchin.

  15. Ich war es leider nicht (soweit). Möchte um Entschuldigung bitten: Bin bei dem Film mit Heino Ferch eingeschlafen.

  16. Falls Sie früh aufstehen, wovon ich ausgehe, habe ich gleich mal eine Frage für den Start in den Tag.

    Die Seawatch 3 lag in Malta, d.h. Sie sind nach Malta geflogen, um Ihren dreiwöchigen Einsatz anzutreten. Sie haben schon erwähnt, dass Sie bereits andere Einsätze als Katastrophenhelfer hinter sich haben. Das war nun der erste auf einem Schiff. Nehmen Sie uns mit – was haben Sie gedacht, als Sie an Bord gingen?

  17. „Was haben Sie gedacht, als Sie an Bord gingen“…

    Ich habe schlicht den einen Satz gedacht: „Bin mal gespannt, was jetzt auf dich zukommt“. Und dann: „So sieht das Schiff also aus“ (das ich von Fotos kannte).

    Ich war mehr mit organisatorischen Dingen beschäftigt. Hoffentlich hörst du den Wecker (habe 2 Wecker gestellt, damit ich den Zug von Leer nach Bremen und den Flug (von zunächst Bremen nach Frankfurt) nicht verpasse. Kurz vor dem Start habe ich Sea Watch informiert, daß ich an Bord bin. Und Sie ja auch. Auf Malta angekommen, sah ich zunächst niemanden, der mich abholte. Telefonieren auf englisch ich stehe jetzt hier und dort und sehe das und das und winke und so sehe ich aus…Endlich treffe ich den Fahrer. Der Elektriker aus Bonn, der mit auf`s Schiff ging, war wartete am richtigen Ausgang…So ähnlich war das auch auf Haiti und in Bangladesh: Wo sind die Leute, die mich abholen? Eine Art Befriedigung der Grundbedürnisse (wo ist meine Gruppe, die mir hilft, hier zurecht zu kommen)…

    Apropos Organisatorisches: Habe jetzt eine Mittagspause. Um 16 Uhr geht die Praxis weiter. Zwischendurch muß ich einen Hausbesuch erledigen, 2 km mit dem Rad…

  18. Eine wirkliche bunte Mischung. Überwiegend jüngere Leute in den 20ern und 30ern. Meines Wissens waren nur 2 älter als ich (ich bin ein paar Monate älter als Sie, also 53). Natürlich welche mit Berufserfahrungen auf Schiffen (Kapitän, Schiffsingenieur, Maschinist, Schlauchbootfahrer), ohne die geht`s natürlich nicht. Viele mit wenig Erfahrungen mit Schiffen (Journalist, Rettungssani, Krankenpfleger, Elektriker). Und international. Offiziell wurde englisch gesprochen. Es waren auch mehrere Briten an Bord, Spanier, ein Brite, der in Spanien groß geworden war und ein spanisches Englisch sprach. Ein „richtiger“ Spanier. Ein Kanada-Franzose. Holländerin, die ursprünglich aus Ägypten kam, jetzt in London lebt. 22 Leute Personal, wenn ich es richtig erinnere. Interessant für mich war, daß viele von ihnen ein bewegtes Leben hinter sich hatten, es viele es nicht leicht hatten, Leben mit Brüchen. Aber da kann ich jetzt nicht konkret werden.

  19. Ich nehme an, die Schiffsführung bleibt immer dieselbe, oder? Es wird ja für solche Lebensrettungseinsätze auch eine gewisse Erfahrung gebraucht. Wie viele Menschen waren wie Sie nur zeitweise dabei?

    Und gleich noch die nächste Frage: Wie waren Sie dort untergebracht?

  20. Soviel auf jedenfall: Großen Respekt vor Ralf-Michael Lübbers für seinen freiwilligen Einsatz!
    In der katholischen Soziallehre würde man von Praktischer Nächstenliebe sprechen.

  21. Die Schiffsführung wechselt meines Wissens, denn die müssen ja zwischendurch auch mal wieder Geld verdienen. Auf dem Schiff gibt`s meines Wissens nur freie Kost und Logis (und beim Erst-Einsatz muß man 200 Euro für den Flug mitbezahlen, danach kostenlos). Aber natürlich sind immer erfahrene Seeleute an Bord.

    Grob geschätzt fallen mir mindestens 12 Leute ein, die keine Seeleute waren.

    Wir „Fußvolk“ waren in 2-Mann-Kajüten untergebracht mit einem Hochbett und einem Bett unterhalb (weiß nicht, wie man das nennt). Dann war da noch wenig Platz für einen kleinen Tisch, einen Stuhl, einem sehr kleinen Schrank und Unterbettkommoden. Ich kann Ihnen von zu Hause aus Bilder zuschicken.

    Dann gab es einen Aufenthaltsraum neben der Küche, wo wir aßen, quatschten, Piratenfilme und Mobby Dick sahen und auch „The Interpretor“ (Die Dolmetcherin) mit Nicole Kidman. Ich bin wohl nicht der Einzige, der diese Schauspielerin mag 🙂 Vielleicht ging`s auch gar nicht um die Schauspielerin…

    Es gab ein Trimmrad bei den Flüchtlingen. Damit spielten nur die Kinder. Ringsherum Mittelmeer, aber wir konnten nicht darin schwimmen. Und nun war ich seit Mitte November nur einmal schwimmen, weil mich eine mittlerweile abklingende Erkältung daran hindert.

    Meine Lieblingsbeschäftigung auf dem Schiff war übrigens Lesen. Das ist aber on shore nicht anders. Ich hatte mehrere Bücher mitgenommen, unter anderem Hannah Arendt: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Ein 1000 Seiten-Wälzer. Wegen diesem Buch mußte ich meinen Rucksack am Bremer Flughafen öffnen.

  22. Sie haben mir damals von Bord ein Foto von einem „Schockraum“ zugeschicht, wie sie das nannten. Dabei handelte es sich wohl um Ihren Arbeitsplatz?

    Ich werde dieses Foto nachher hier verlinken. Und Sie schicken mir gern zwei ausgewählte Fotos von den Räumlichkeiten an Bord, die ich dann ebenfalls verlinken werde.

  23. Danke, Herr Malyssek!

    Jeder kann gemäß seinen Möglichkeiten versuchen, die Welt ein bißchen besser zu machen. Dazu kann zählen, einen humanitären Leserbrief zu schreiben (oder bei Amnesty International einen vorformulierten Brief abzuschicken) bis hin zum Auto mal stehen lassen.

    Jetzt mache ich mal eben den Hausbesuch. Dieser wäre mit dem Auto umständlicher als mit dem Rad…(Ich bin dann mal eben weg)

  24. Mir ist es nicht gelungen, die Fotos auf mein Notebook zu übertragen. Bin kein digital native (nennt sich das so?)…Muß ich per Smartphone machen. Dafür brauche ich eine vernünftige Verbindung…

    Übrigens haben wir uns nicht nur um die Flüchtlinge gekümmert, gelesen, Wache geschoben, sondern jeder mußte beim Aufräumen und Abwaschen und beim Putzen mit anpacken. Und wie man einen Schiffsfußboden säubert, muß man (die meisten von uns) erstmal lernen.

    Ich fand`s nicht langweilig.

  25. Es wird doch sicher auch Freizeit gegeben haben, oder?

    So, ich habe oben am Ende des Einleitungstextes ein paar Bilder veröffentlicht, die Herr Lübbers gemacht hat. In Kommentare lassen sich leider keine Bilder einbinden, aber natürlich kann ich verlinken. Hier ist ein Bild von dem bereits angesprochenen „Schockraum“ (draufklicken öffnet das Bild in einem neuen Fenster). War das Ihr Arbeitsplatz, Herr Lübbers? Warum heißt er so?

  26. Ich bin heute Abend zum Essen verabredet und werde gegen 19.30 Uhr hier verschwinden. Vielleicht haben Sie ja heute noch Zeit, die Fragen zum Schockraum zu beantworten.

    Außerdem: Sie haben oben schon erwähnt, dass es zwei Rettungssanitäter und einen Krankenpfleger an Bord gab. Mit Ihnen bestand das medizinische Team also aus vier Köpfen. Das ist nicht gerade üppig, wenn es hart auf hart kommt, oder? Denn es besteht ja die Möglichkeit, dass die „Seawatch“ in eine Situation kommmt, in der sehr schnell vielen Menschen geholfen werden muss, möglicherweise sogar hunderten gleichzeitig. Wie viele Menschen können an Bord versorgt werden? Und wie wird in solchen Situationen verfahren? Waren noch andere Schiffe zur Lebensrettung im betroffenen Seegebiet unterwegs?

    Vielen Dank – und bis morgen!

  27. Die beiden Rettungssanitäter und der Krankenpfleger gingen mit auf die Schlauchboote zu den Flüchtlingsbooten und informierten mich per Funk über spezielle Notfälle. Ich wartete im Schockraum um ggf. vorzubereiten. Ich sollte nur mit auf die Schlauchboote, wenn ein Arzt unbedingt benötigt wurde. Das Verhalten auf den Schlauchbooten konnte ich vorher üben. (War sehr spaßig, das Üben).

    Die Flüchtlinge wurden dann mit unseren beiden Schlauchbooten zur Sea Watch transportiert. Hier mußten sie ggf. mit Unterstützung über eine Leiter auf die Sea Watch klettern und wurden von der Besatzung aufgenommen. Erfahrenes nichtmedizinisches Personal teilte die Flüchtlinge in vulneralbe Personen (Frauen und Kinder) und Menschen in gutem Allgemeinzustand ein. Sie wurden mit Essen und Getränken und einer Decke und Seife versorgt. Offensichtlich Schwerkranke und Verletzte wurden direkt zum Schockraum geleitet.

    Bei der Erstversorgung der Flüchtlinge waren also alle beteiligt, die nicht sonst gebraucht wurden zur Aufrechterhaltung der Schiffsfunktionen.

    Medizinisch ausgebildet waren 4 Männer. Angestrebt wird eigentlich, daß auch Frauen zum medizinischen Personal gehören (am besten ausgeglichen).

    Der Schockraum ist der Raum, in dem Schwerverletzte bzw. Schwerkranke notfallmäßig versorgt werden können. Eine Art Intensivstation. Ein Schock ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Unser Schockraum war zum Beispiel mit EKG, einem Defibrillator und Material zum Beatmen ausgestattet, mit Material zum Anlegen venöser Zugänge und mit Medikamenten sowie mit Verbandmaterial. Zuckermeßgeräte, Fieberthermometer…

    Bei unserem Einsatz haben wir 254 Flüchtlinge aufgenommen. Sie waren bereits von der Sea Eye gerettet worden. Wir haben sie übernommen, um das kleine Schiff der Sea Eye zu entlasten. Unsere Aufgabe war es zunächst, diese Flüchtlinge zum Hotspot nach Italien zu bringen und zu versorgen. Die meisten Flüchtlinge befanden sich in einem guten Zustand. Allerdings hatte eine Frau noch auf dem Schlauchboot entbunden. Sie und ihr Kind wurden im Schockraum aufgenommen und blieben bis zum Schluß dort. Die Frau entwickelte eine schwere fieberhafte Infektion. Diese war auch durch Antibiotika-Tröpfe (iv-Gabe) nicht zu beherrschen. Sie mußte deshalb notfallmäßig vorzeitig nach Italien verlegt werden. Dazu vielleicht morgen…

  28. Da Sie die angestrebte Geschlechterparität an Bord ansprechen: Wie viele Frauen gehörten zur Besatzung?

    Wir sind jetzt also beim konkreten Einsatz. Sie sagen, Sie übernahmen Flüchtlinge von der „Sea Eye“. Dabei handelt es sich um ein Schiff der Regensburger NGO Sea Eye e.v., das ebenfalls im Mittelmeer vor der libyschen Küste im Einsatz ist. Man muss sich das mal klarmachen: Die „Sea Eye“ ist ein hochseetauglicher ehemaliger Fischkutter, der vorher in der Ostsee fuhr. Die „Seawatch 3“ ist ungefähr doppelt so lang und entsprechend sicherer. Ich meine jetzt erst einmal: sicher für die Menschen an Bord, die Besatzung, die Retter. Haben Sie sich irgendwann im Lauf Ihres Einsatzes nicht sicher gefühlt?

  29. Ich wäre denn soweit, habe jetzt Zeit, Freizeit…

    @Bronski:

    „Es wird doch sicher auch Freizeit gegeben haben, oder?“

    Natürlich gab es Freizeit, wir waren aber schon ziemlich angebunden. Erstmal zur Nicht-Freizeit: Jeder hatte 2 mal 4 Stunden Wache. Ich zum Beispiel von 0 Uhr bis 4 Uhr und von 12 Uhr bis 16 Uhr. Dauerte eine Zeit, bis ich kapiert habe, daß das jeden Tag so war.

    Die Wache verbrachte man auf der Brücke, um den Kapitän zu unterstützen. Stündlich Eintragungen in das Logbuch. Mit dem Fernglas auf Meer gucken, ob man Boote oder Schiffe sieht. Nachgucken, warum es von irgendwo klappert. Den Sternenhimmel genießen. Manchmal schaukelte der Himmel, extremes Gefühl. Schön. War aber eigentlich das Schiff, was schaukelte.

    Zur ersten Nachtwache nahm ich mir ein Buch mit. Ich drehte mit dem Buch sofort wieder um und brachte es in die Kajüte zurück. War natürlich nur Schummerlicht erlaubt. Tagsüber auf Wache konnte ich aber zwischendurch immer auch was lesen. Das war für mich ein Teil der Freizeit.

    Wenn Flüchtlinge an Bord waren, mußten die Wachhabenden auf die Flüchtlinge aufpassen, damit die nicht in die gefährlichen Bereiche des Schiffes gelangen konnten. Besonders für die Kinder ist so ein Schiff ja sehr gefährlich. Konnte jederzeit jemand von Bord fallen (was nicht passierte).

    In der Zeit, wo sich Flüchtlinge an Bord befanden, war ich zeitweise von der Nachtwache befreit, damit ich tagsüber fit genug war für die Versorgung der Patienten.

    Keine Nachtwache und keine Versorgung der Patienten bedeutete Schiff sauber machen.

    In den ersten Tagen (noch ohne Flüchtlinge) kamen Übungen dazu: Welcher Alarm bedeutet was, und wer tut was beim Alarm (Feuer, Piraten, der Untergang). Apropos Untergang: Keine Panik, meinte der Kapitän, so ein Untergang würde Stunden dauern, das ginge nicht so schnell.

    Richtige Freizeit war Frühstück, Mittagessen, vor allem Abendessen, und die oben erwähnten Filme. Und natürlich Gespräche untereinander. Besonders gut kam ich mit dem Eletriker klar, der sich (auch beruflich) sehr für Ümweltthemen interessierte. Me too.

    Wir waren in Valetta, auf Sizilien (Trapana oder so ähnlich) und Tunesien (meine ersten Schritte auf afrikanischem Boden). War dort auch touristisch.

  30. Hallo Herr Lübbers! Das eine Mal, dass Sie Flüchtlinge von der Sea Eye übernahmen und nach Sizilien brachte, war also nicht das einzige Mal, dass Sie Flüchtlinge an Bord nahmen? Wie viele Menschen wurden während Ihrer Zeit an Bord gerettet? Waren das immer brenzlige Situationen, oder hätte auch die Chance bestanden, dass die Flüchtlinge es mit ihren Booten aus eigener Kraft und unbeschadet nach Italien geschafft hätten?

  31. Geschlechterparität..

    Muß jetzt tatsächlich auf die Liste gucken: Wir waren 17 Männer an Bord und 5 Frauen. Das medizinische Team bestand komplett aus Männern. Man ist bei Sea Watch bestrebt, im medizinischen Team auch Frauen dabei zu haben. Man muß bedenken, daß die Menschen aus Libyen geflüchtet sind. Eine meiner häuslichen Patientinnen (von der Elfenbeinküste) berichtete mir, sie sei in Libyen vergewaltigt worden, und ihr Ehemann habe dabei zugucken müssen. Wir (das medizinische Team) hätten auf kompetente allerdings nicht medizinisch vorgebildete Frauen zur Unterstützung zurückgreifen können. Zum Beispiel auf die ägyptische Holländerin, die jetzt in London lebt, und arabisch spricht. Der eine Rettungssani sprach übrigens auch Farsi. Wir konnten also englisch, französisch, niederländisch, spanisch, italienisch, arabisch, farsi, plattdeutsch und über andere Leute sprechen. (Das ist so ein Ostfriesenwitz: Wir können hochdeutsch, plattdeutsch und über andere Leute sprechen 😉 Mein plattdeutsch läßt übrigens zu wünschen übrig, obwohl ich gebürtiger Ostfriese und meine Eltern und Großeltern auch plattsprechende Ostfriesen sind. Habe aber als Kind hochdeutsch gelernt und kann das deswegen nicht gut sprechen, wohl aber gut verstehen. Es gab aber keine platt sprechende Flüchtlinge auf dem Boot…

  32. Mit Farsi, also „Persisch“, werden Sie bei den afrikanischen Flüchtlingen sicher genauso weit gekommen sein wie mit Plattdeutsch. 😉 Ich nehme an, die Verständigung mit ihnen lief auf Englisch und Französisch?

  33. Hallo Herr Büge/“Bronski“ 🙂

    @Bronski:

    „Haben Sie sich irgendwann im Lauf Ihres Einsatzes nicht sicher gefühlt?“

    Nicht wirklich. Es war zeitweise sehr schaukelig auf dem Schiff, weil wir manchmal an Stürmen vorbei schipperten. Doch ich verlasse mich in solchen Situationen gerne auf Experten, die mir sagen: Ist alles ok oder eben nicht ok.

    Wenn ich mir vorstelle, daß ich auf dem Hin- und Rückflug wahrscheinlich 10 km über dem Erdboden schwebte, nee, darüber denke ich lieber nicht nach.

    Wir hatten unserem Sohn zum Abi eine Ballonfahrt über Aurich geschenkt. Bin mit gefahren. Kurze Zeit vorher war in Amerika ein Ballon an einem Strommast abgestürzt. Las ich in der Frankfurter Rundschau. Besser nicht dran denken. Die Ballonfahrt war so was von schön!

    Und wurde auf dem Schiff erklärt, was Piratenattacken sind. Die Piraten sind die Kopfabschneider vom sogenannten Islamischen Staat. Wenn die kommen, geht man in den Panikraum, also in unserem Fall in den Maschinenraum. Als lebenslanger Gegner der Todesstrafe bin ich vom Kopfabschneiden natürlich nicht begeistert. Wird wohl nicht passieren. Ist auch nicht passiert.

    Eine andere Geschichte: Als ich 10 Monate nach dem Erdbeben auf Haiti war zur Cholerabekämpfung, waren wir in einem Haus untergebracht. Ringsum Trümmer, hier Wohnhaus. Mit dicken Betondecken. Ich fühlte mich dort sicher. Dann sprach ich mal mit einem Architekten, der für Humedica arbeitete. „Unser Haus ist ja sicher, sonst wären wir hier ja nicht untergebracht“, fragte ich ihn im Brustton der Überzeugung. „Wenn das noch mal so richtig kracht wie beim letzten Erdbeben, dann bricht vielleicht auch dieses Haus zusammen.“ Ups. Ich bin einer, der Risiken zu mindern versucht. Nie geraucht. Vegetarier. 3 mal 2000 Meter Schwimmen in der Woche. Fahrradhelm. Im Linienbus suche ich mir die Sitzplätze mit den Dreipunktgurten. Und jetzt war ich in einem Haus untergebracht in einem erdbebengefährdeten Gebiet, und der Architekt sagte mir, so richtig erdbebensicher ist dieses Haus nicht, und draußen vor der Haustür stand jemand mit einem Maschinengewehr, der verhinderte, daß wir entführt würden, zelten ging also auch nicht. In solchen Situationen versuche ich immer, das Beste zu machen, was möglich ist. Wenn ich mich in einem Entwicklungsland in einem Auto nicht angurten kann, ist das so, wenn es einen Gurt gibt, umso besser. Und was das Zimmer betrifft: Ok, das kannst du jetzt nicht ändern. Du bist hier. Du kannst nicht raus. Wenn du jetzt Panik schiebst, wird es nicht besser. Also keine Panik schieben. Hat funktioniert! 🙂

    Das empfehle ich mit diesem Beispiel auch meinen Patienten: Das Beste aus der Situation machen…

    Das Haus in Haiti hat mir tatsächlich Angst gemacht zeitweise. Das Schiff nicht. Dieser wackelnde Himmel war faszinierend.

    Abendbrot…

  34. Guten Appetit! Bei mir gibt’s Abendessen erst um 20 Uhr, aber ich muss gleich das Sauerkraut aufsetzen.

    Es stehen noch Antworten aus zu meinen Fragen von 17.44 Uhr und 17.56 Uhr. Aber wir können gern morgen weitermachen.

  35. Heute Abend bin ich alleine. Ich gucke mal, wie weit ich komme.Kein Stress…

    Guten Appetit! Bei uns gibt`s das immer mit „Stampfkartoffeln“. Und nicht mit Eisbein. 😉 Jedenfalls nicht auf meinem Teller. Halte aber in meiner Familie eine 33% Vegetarier-Minderheitenquote.

    Da gibt`s noch so einen Ostfriesenwitz: Warum laufen in Ostfriesland so viele Schweine mit Prothese rum? Wegen einem Eisbein muß man ja nicht gleich ein ganzes Schwein schlachten…

  36. Vegetarier-Quote auf der Sea Watch: Wir waren ca. 10 Vegetarier, darunter auch mehrere Veganer. Als ich auf Haiti war für Humedica, war ich der einzige Vegetarier. Und in Bangladesh ebenfalls.

    Kleiner Abschweifer:

    Um eine Kalorie Fleisch zu erzeugen, benötigt man im Schnitt 6 Getreidekalorien (hängt von der Art des Fleisches ab). Man könnte also mehr Menschen mit einer pflanzenbasierten Ernährung vor dem Hungertod bewahren. Fleisch (und Fisch) trägt erheblich zum Klimawandel bei. Und ist somit eine wichtige Fluchtursache. Und nicht nett für die Tiere, die getötet werden, um sie essen zu können.

  37. @Bronski:

    „Mit Farsi, also „Persisch“, werden Sie bei den afrikanischen Flüchtlingen sicher genauso weit gekommen sein wie mit Plattdeutsch. ? Ich nehme an, die Verständigung mit ihnen lief auf Englisch und Französisch?“

    Ich wäre der einzige auf dem Schiff gewesen, der ostfriesisches Platt verstanden hätte! Kein Bedarf. Als ich als Medizinstudent im Auricher Krankenhaus ein Praktikum machte, war da eine Hannoveranerin, bestes Hochdeutsch, Medizinstudentin im praktischen Jahr, die mich darüber aufklärte, was ich unbedingt wissen müsse, wäre, daß „Pien“ Schmerz heißt. Ick häp Pien. Wußte ich natürlich.

    Zur Vorbereitung auf den Einsatz habe ich nochmal verschärft den Grund- und Aufbauwortschatz in englisch und französisch gelernt (mehr den Grundwortschatz). Und BBC und den französischen Nachrichtensender geguckt (BBC läuft bei uns irgendwie nicht mehr). Hatte in der Schule einen Leistungskurs Französisch.

    Und dann erklärten uns einige very british persons auf englisch, wie das Funkgerät funktioniert und was man beachten muß, wenn Seile einholt. Und ich verstand fast nichts. War nämlich draußen oder bei Lärm drinnen. Irgendwann merkte ich, daß ich das auf deutsch auch nicht so gut verstand. Hatte mal einen Hörsturz. Hörminderung rechts. Und bei Nebengeräuschen ist`s nicht mehr so gut mit dem Hören. In meiner Praxis kann ich mich besser mit englisch sprachigen Patienten verständigen. Französisch ist aber sehr schwierig.

    Die Flüchtlinge kamen nicht nur aus Afrika, sondern auch aus dem Nahen Osten. Meines Wissens waren auch Perser an Bord. Und arabisch Sprechende. Die arabische Übersetzung war deshalb wichtig. In meiner Praxis habe ich eine Auszubildende, die arabisch spricht. Sehr vorteilhaft. (Die ist sowieso eine Bereicherung:-) Und einer von den Schlauchboot-Fahrern war deutsch-Italiener. Praktisch beim Gespräch mit Italienern. Viele Italiener sprechen nicht plattdeutsch. Und auch nicht englisch. So die Ärztin vom italienischen Roten Kreuz, die die Flüchtlinge in Empfang nahm.

    In Eutin, wo Sie herkommen, spricht man sicher auch platt, oder?

  38. „In Eutin, wo Sie herkommen, spricht man sicher auch platt, oder?“

    Da meine Großeltern und Eltern Flüchtlinge waren (aus Hinterpommern und Brandenburg), wurde in meinem Elternhaus kein Dialekt gesprochen. Vielleicht nur deswegen, weil man sich nicht einigen konnte welchen. Ich kann ein büschen Holsteiner Platt, aber es kommt nicht von tief drinnen und wirkt immer aufgesetzt.

    Sie haben Flüchtlinge zu retten geholfen, die Farsi sprachen, also wohl aus Afghanistan kamen. Wie sind die aufs Mittelmeer gekommen? Klären Sie uns doch mal über das Einsatzgebiet während Ihrer Mission auf.

  39. @Bronski:

    „Das eine Mal, dass Sie Flüchtlinge von der Sea Eye übernahmen und nach Sizilien brachte, war also nicht das einzige Mal, dass Sie Flüchtlinge an Bord nahmen? Wie viele Menschen wurden während Ihrer Zeit an Bord gerettet? Waren das immer brenzlige Situationen, oder hätte auch die Chance bestanden, dass die Flüchtlinge es mit ihren Booten aus eigener Kraft und unbeschadet nach Italien geschafft hätten?“

    Ich habe gerade den Kontakt zu dem Arzt gesucht, der die Frau auf dem Schlauchboot entbunden hat. Dabei bemerkte ich, daß ich den Namen unter der Bezeichnung Lifeline gespeichert habe. Ich glaube, ich habe sea eye und lifeline durcheinander bekommen (Mission Lifeline). Ich selber bin bei der Rettungsaktion auf der Seawatch geblieben. Ich hatte keine Sichtkontakt mit dem Rettunsschiff.
    Diesen Text habe ich gerade eingefügt.

    Wir haben kurz hintereinander zunächst Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und dann Flüchtlinge aus Afrika von der wohl lifeline übernommen. Zusammen waren es 254 Flüchtlinge auf unserem Schiff. Und diese 254 Flüchtlinge haben wir dann nach Italien begleitet.

    Die Fahrt zum Hotspot dauerte mehrere Tage. Die meisten Flüchtlinge waren gesundheitlich nicht angeschlagen. Überwiegend waren es junge Leute und Kinder, auch einige Ältere. Es gab einige Fälle mit Diabetes und Bluthochdruck, viele Leute mit Krätze. Auf der Überfahrt wurden die Flüchtlinge mit Decken, Essen, Getränke und Hygieneartikel versorgt sowie mit Medikamenten.

    Eine Frau hatte noch auf dem Schlauchboot entbunden. Dem Kind ging es gut. Die Frau allerdings entwickelte Fieber, wurde zunehmend schwächer, auch die Tropfgabe von Antibiotika (intravenöse Therapie) half nicht. Wir entschieden uns, diese Patientin mit ihrem Kind vorzeitig zu verlegen. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits in Sichtweite der italienischen Küste. Allerdings noch nicht am vorgesehenen Hotspot. Die Italiener schickten ein Rettungsschiff. Die Wöchnerin mit ihrem Kind wurden dann in ein Krankenhaus verlegt. Wir erfuhren nach einigen Tagen, daß es der Patientin im Krankenhaus wohl gut ging. Die Frau und ihr Kind befanden sich die ganze Zeit über im Schockraum, so daß dieser Raum nicht für andere Patienten zur Verfügung stand. Dies war aber auch nicht erforderlich.

    Eine weitere Frau berichtete, daß sie 3 Wochen vorher in Libyen mit einem Gewehrkolben geschlagen worden sei. Sie konnte mit einem Fuß nicht auftreten. Ich gehe davon aus, daß sie einen Knochenbruch erlitten hat.

    Weitere Informationen zum Werdegang der Flüchtlinge habe ich nicht. Ich habe bei der Presse von Seawatch und bei der leitenden Ärztin sowie beim head of mission nach Informationen angefragt, bislang erfolglos. (Die haben aber sicher auch viel zu tun mit der neuen Mission.)

    Vor einigen Wochen habe ich bei einem Attac-Treffen in Aurich über meinen Einsatz berichtet. Dabei waren ein Flüchtling aus Syrien und einer aus Ostafrika anwesend. Diese Flüchtlinge hatten mit meinem Seawatch-Einsatz nichts zu tun. Der Mann aus Ostafrika berichtete von seiner Flucht durch die Sahara nach Libyen. Die Flucht sei lebensgefährlich gewesen. Streckenweise habe er laufen müssen. In Libyen angekommen, sei er in einem Gebäude mit weiteren 300 Personen untergebracht gewesen. Es habe kein fließendes Wasser gegeben. Nur einen Eimer für alle für die Notdurft. Und die Notdurft habe unter aller Augen stattgefunden. Sie durften das Gebäude nicht verlassen (außer später zur Flucht über das Mittelmeer), sonst wären sie festgenommen worden. Und im Gefängnis sei die Situation noch viel schlimmer. Folter und Vergewaltigungen.

    Der syrische Flüchtling war als Kontigent-Flüchtling mit dem Flugzeug angereist. Wie bequem, dachte ich. Dann berichtete er, 5 von seinen Verwandten seien bei der Flucht von der Türkei nach Griechenland ertrunken.

  40. Ich kopiere jetzt den Newsletter vom head of mission zu unserem speziellen Einsatz rein:

    Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

    schon unsere ersten Einsätze mit der „Sea-Watch 3“ Anfang November haben gezeigt, dass unsere Hilfe auf dem Mittelmeer weiterhin dringend gebraucht wird: Wir übernahmen 254 gerettete Menschen von Mission Lifeline auf unserem Schiff, darunter 22 Kinder. Ein Baby wurde sogar während der Rettung noch auf dem Schlauchboot geboren!

    Diese Vorkommnisse stellen erneut unter Beweis, dass wir weiter Druck auf unsere Regierungen aufbauen müssen. Die EU muss dringend Rettungsschiffe schicken, alles andere ist unterlassene Hilfeleistung. Die derzeitige Situation im Einsatzgebiet ist äußerst angespannt, da kaum Rettungsschiffe vor Ort sind und wir auch in den nächsten Wochen weitere Abfahrten von der libyschen Küste erwarten.

    Dass wir die Situationen überhaupt meistern konnten, zeigt, dass der Kauf der Sea-Watch 3 dringend notwendig war! Allerdings hat das Schiff auch ein großes Loch in unsere Kasse gerissen. Entsprechend eindringlich ist diesmal unsere Bitte: Helft uns mit Euren Spenden, damit wir weiter in See stechen und langfristig den Tod vieler Menschen verhindern können!

    Vielen herzlichen Dank für Eure Unterstützung,
    ohne Eure Hilfe wären wir nicht auf See!
    Euer Martin Taminiau
    Einsatzleiter auf der Sea-Watch 3 • Sea-Watch e.V.

  41. @Bronski:

    „Waren das immer brenzlige Situationen, oder hätte auch die Chance bestanden, dass die Flüchtlinge es mit ihren Booten aus eigener Kraft und unbeschadet nach Italien geschafft hätten?“

    Wenn man sich so mitten auf dem Mittelmeer befindet, dann sieht man nichts als Wasser. Ich spekuliere, halte die Wahrscheinlichkeit aber für gering, daß man mit diesen kleinen Booten die italienische Küste erreicht. Es sind ja kleine überfüllte Boote. Ich selbst habe so ein Boot aber nur von weitem gesehen, wie auf dem Foto, das ich Ihnen geschickt habe (die Fotos von dem Reporter Nick sind besser). Die Menschen auf diesem Boot waren bereits von der italienischen Küstenwache und oder von einem italienischen Kriegsschiff gerettet worden, und das Fluchtboot war in Brand gesteckt worden.

    Im Bootsboden bildet sich eine Rinne, in der sich Stuhl, Urin, Benzin und Meerwasser sammeln. Gerade die Kinder und Frauen sitzen in der Mitte der Boote. Dadurch können sie sich Verätzungen zuziehen. Bei meinem Einsatz hatten wir aber keine Flüchtlinge mit Verätzungen.

  42. Gute Idee!

    Ich habe gerade eine Nachricht von der leitenden Ärztin erhalten, die ich auszugsweise beifüge:

    „Leider ist es so wie bei der erst und Nothilfe fast überall. Wir wissen in der Regel nicht, was aus den Menschen wird. Ich glaube da geht es ganz, ganz vielen so wie Dir, mir auf jeden Fall, dass man wissen will wie es weiter gegangen ist. Leider kann ich Deine konkreten Fragen auch nicht beantworten.“

    Tagesthemen. Bis morgen! 🙂

  43. Lieber Herr Lübbers, Sie haben ja schon einige Erfahrungen mit freiwilligen Rettungs-Einsätzen gemacht und ich kenne Berichte davon nur aus Zeitungen und dem Fernsehen. Ihre Erzählungen bringen ein Stück weit mehr Unmittelbarkeit und Vorstellungskraft. Ich werde es wohl auf ein Rettungsschiff nicht mehr schaffen. So sollte jeder, wie Sie sagen, die Welt ein bißchen besser machen, an dem Platz wo er ist. Wahrscheinlich ist Ihnen DIE PEST von Albert Camus bekannt. Ich muss gerade daran denken.
    P.S.: In Upgant-Schott, nicht weit von Marienhafe, wohnt ein alter Fußballkamerad und Freund von mir. Vielleicht treffen wir uns irgendwann.Es würde mich freuen.

  44. Guten Morgen, Herr Lübbers,

    der heikelste Fall während Ihrer Zeit an Bord war also die Mutter, die unterwegs ein Kind bekommen hat. Verluste an Menschenleben haben Sie zum Glück nicht zu beklagen. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

  45. Wie wurden die Flüchtlinge an Bord der „Seawatch 3“ versorgt und wie untergebracht? Sie haben ja geschrieben, dass Sie einmal 254 Menschen an Bord hatten und dass die Fahrt zum Hotspot, also nach Sizilien, mehrere Tage dauerte. Da musste wohl auch Essen ausgegeben werden, und die Leute mussten irgendwo schlafen. Wurden Männer und Frauen getrennt?

  46. Heute im Bus auf Weg zur Arbeit: Whatsapp-Nachricht von seawatch-medics. Leute mit medizinischen Kenntnissen gesucht für Einsatz auf Lesbos. Am besten sofort.

    Ski-Urlaub. Sohn kommt aus Semesterferien. Schlechtes Gewissen…

  47. Es ist ein Dilemma: Man könnte 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr Menschen retten. Der „Bedarf“ ist da. Was ich bisher gemacht habe, kann man in Wochen zählen. (Ich möchte darüber aber jetzt nicht diskutieren.)

  48. @ Bronski:

    „Verluste an Menschenleben haben Sie zum Glück nicht zu beklagen. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?“

    Genau! Glück. Zufall. Heute lese ich in der FR, daß wieder Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Sie sind ertrunken, weil es ihnen so schlecht geht, daß sie von zu Hause fliehen müssen. Das Gefühl haben, fliehen zu müssen. Dem Tod zu Hause gerade noch von der Schippe gesprungen sind. Oder dem unerträglichen Leben.

    Diesen Menschen geht es zu Hause so schlecht, weil die Industrieländer aus Profit Waffen in ihre Staaten exportieren. Mit denen jene, die nicht rechtzeitig fliehen können, zerbombt oder zerschossen werden. Oder sie exportieren den Tod in Form von Treibhausgasen. Unsere Treibhausgase sind ihre Dürre und Überschwemmung. Oder sie exportieren aus Profit Dinge, die auch vor Ort in Afrika oder Asien hergestellt werden könnten, dort Arbeitsplätze und Einkommen gesichert hätten, bei uns Reiche reicher macht, ein bißchen Arbeitsplätze schafft, die mit viel Technik aber weg rationalisiert werden, immer mehr. Oder sie importieren für Sklavenlöhne Waren. Puma läßt grüßen. Der Kolonialismus hat nie aufgehört.

    Glück und Zufall, daß es nicht diese Menschen waren, die immer wieder auf dem Mittelmeer ertrinken, sondern jene, die fliehen konnten und rechtzeitig gerettet wurden.

    Kein Zufall, daß sie fliehen müssen. Sondern menschengemacht. Kein Zufall, daß sie gerettet wurden. Sondern menschengemacht. Zum Beispiel dank der Idee eines Herrn Höppner und anderer, Rettungsschiffe auf`s Mittelmeer zu schicken. Und dank der Menschen, die diese Rettungsschiffe bedienen. Und ich war auch 3 einhalb Wochen da. Und gehe sicher noch mal wieder hin.

    Kein Zufall, daß private Organisationen wie Seawatch, Sea Eye und Lifeline Mission dort hin müssen, anstelle zu Hause zu bleiben, bei der Familie, auf Arbeit, im Urlaub. Sondern menschengemacht. Die Staaten der Europäischen Union retten nicht in dem Maße Schiffbrüchige, wie es sich für eine zivilisierte Gesellschaft gehört. Sondern überläßt es Profis und Halbprofis. Und engagierten menschenfreundlichen Amateuren.

    Zufall und Glück. Und auch wieder nicht.

    Ach ja, für mein Seelenleben ist es sicher gut, daß ich niemanden ertrinken gesehen habe. Den Übergang vom Leben zum Tod mitzubekommen ist grauslich. Mir geht`s jedenfalls so. Die Arbeit jeden Tag auf einer Palliativstation kann ich mir nicht vorstellen. Altenheim ist schon schlimm. Und wenn junge gesunde Menschen und sogar Kinder hilflos im Mittelmeer ertrinken. Wie unvorstellbar grausam!

  49. In 10 Minuten geht die Praxis weiter. Eine Patientin werde ich wohl verlieren. Weil meine Auszubildende Kopftuch trägt. So was Unfeministisches, Unemanzipiertes. Ich weiß gar nicht, warum meine Azubi Kopftuch trägt. Ihre Sache. Nicht meine. Sie macht ihre Arbeit gut. Ist nett und mitfühlend und intelligent. Was will man mehr. Wir sind so richtig superemanzipiert. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen. Ich gehe ja gerne mit Frauen um. Muß nicht unbedingt einen medizinischen Fachangestellten haben. Den gibt`s aber auch nicht. Obwohl er nicht verboten ist. Aber wir sind total emanzipiert, wir haben einen Bäckereifachverkäufer am Ort. Männlich. Vielleicht hat der sich vom Tariflohn für Bäckereifachverkäufer(innen) anlocken lassen. Seine Frau wird`s ihm erlaubt haben (wenn er eine hat). Ist auch egal. Hätte er selbst entscheiden können. Und die Frauen können jetzt ja auch selbst entscheiden, welchen Berüf sie ergreifen wollen. Seit wann nochmal? Früher konnten die Ehemänner das verbieten.

  50. „Die Staaten der Europäischen Union retten nicht in dem Maße Schiffbrüchige, wie es sich für eine zivilisierte Gesellschaft gehört“, sagen Sie. Waren denn überhaupt Schiffe in offizieller, also EU-Mission in dem Seegebiet unterwegs, um zu helfen? Sind Sie Frontex-Einheiten begegnet?

  51. @Bronski:

    …“geschrieben, dass Sie einmal 254 Menschen an Bord hatten und dass die Fahrt zum Hotspot, also nach Sizilien, mehrere Tage dauerte. Da musste wohl auch Essen ausgegeben werden, und die Leute mussten irgendwo schlafen. Wurden Männer und Frauen getrennt?“

    Kurz bevor der Bus mich nach Hause bringt…

    Die Frauen und Kinder wurden in einem Raum vor dem Schockraum untergebracht (man sieht es auf dem Bild hinter der Tür, da sind 4 Hochbetten). Die Männer wurden an Deck untergebracht, in zwei Bereichen, der mit einer Arzt netter Verschreiber Art Zeltdach und mit seitlichen Plastik“vorhängen“ vor Wind geschützt war. Alle bekamen Decken. Mittags wurde aus einem großen Bottich ein Reis-Kidney-Bohnen-Gericht verteilt. Unsere Köchin (Vegi) bekochte uns und die Flüchtlinge. Die Flüchtlinge wurden an der Verteilung und am Abräumen und Säubern beteiligt. Insbesondere die Kinder fanden das klasse. Und es gab Duschen und Shampoo. Es gab auch zwei Notfall-Duschen, falls Leute mit Verätzungen sofort mit Wasser hätten benetzt werden müssen (war bei meinem Einsatz nicht der Fall). Habe davon wohl Bilder, aber ohne Flüchtlinge.

    Mein Bus wartet erfahrungsgemäß nicht…

  52. Kurze Nachfrage, lieber Herr Lübbers: Ich hab noch ein paar Fragen und möchte auch noch Bilanz ziehen. Wann passt es Ihnen am besten?

  53. @Bronski:

    „Die Staaten der Europäischen Union retten nicht in dem Maße Schiffbrüchige, wie es sich für eine zivilisierte Gesellschaft gehört“, sagen Sie. Waren denn überhaupt Schiffe in offizieller, also EU-Mission in dem Seegebiet unterwegs, um zu helfen? Sind Sie Frontex-Einheiten begegnet?“

    Ich weiß nicht, ob ich die Frage korrekt beantworten kann. Ich war ja nicht mit navigatorischen oder administrativen Aufgaben betraut (das wäre nichts geworden).

    In Valetta lag unser Schiff neben einem Schiff der Frontex. Dieses Schiff während unseres Aufenthaltes nicht bewegt.

    Nachdem wir die Flüchtlinge an das italienische Rote Kreuz weitergeleitet hatten, fuhren wir erneut bis zur 26 (?) Seemeilen Grenze vor die libysche Küste. Unsere Aufgabe war, mit dem Fernglas nach Flüchtlingsbooten Ausschau zu halten und ggf. im Auftrag der römischen Seenotretungszentrale (bin nicht sicher, ob das so heißt) Schiffbrüchige anzufahren. Diese Einsatzbefehle kamen auch. Allerdings waren die Schiffbrüchigen jeweils schon gerettet worden. Bei einem solchen Einsatz war die italienische Küstenwache und ein italienisches Kriegsschiff beteiligt. Das Flüchtlingsboot war bereits in Brand gesteckt worden (das sei so üblich). Ich habe das fotographiert und Ihnen zugeschickt. Auf meinen Bildern sieht man aber nur Pünktchen und Rauchwölkchen. Der Journalist Nick hatte ein Teleobjektiv.

    Wir sind einigen Frachtern begegnet und Öltankern. Es gab Funkkontakt mit der libyschen Küstenwache. Sichtkontakt hatten wir nicht. Und der Kapitän bemühte sich nach Kräften, der (bewaffneten) libyschen Küstenwache nicht zu nahe zu kommen. Die galten als minderfreundlich.

    Mein Hinweis bezog sich auf die aktuelle Situation: Es sind wieder Menschen auf dem Mittelmeer ertrunken. Und auf frühere Situationen: Das Mittelmeer ist die gefährlichste Grenze der Welt (gemessen an der Zahl der Toten).

    Wenn so etwas so oft passiert, das tausende Menschen sterben, muß die Seenotrettung suboptimal organisiert sein. Die privaten Hilfsschiffe sind technisch und finanziell nicht in der Lage, das Mittelmeer abzudecken. Wir sind mit 8 Knoten zum Einsatz gerannt.

  54. Acht Knoten, das ist nicht gerade schnell. Entspricht etwa 15 km/h, glaube ich, also drei Mal so schnell wie ein flotter Fußgänger oder so schnell wie ein durchschnittlicher Radler. Da leuchtet es ein, dass Schiffe wie die „Seawatch 3“ nicht flächendeckend helfen können.

    Zur gefährlichsten Grenze der Welt, wie sie es nennen, wird das Mittelmeer erst dadurch, dass sich trotz der Gefahrenlage so viele Menschen auf die Überfahrt wagen. Man könnte auch sagen: durch die Schlepper, die die Menschen trotz allem auf die Reise schicken – oder was meinen Sie?

  55. Auf dem Mittelmeer sterben in absoluten Zahlen sehr viele Menschen, mehr als an anderen Grenzen, soweit ich informiert bin. Die Sahara soll auch gefährlich sein, ebenso die Grenze zwischen Mexico und USA.

    Natürlich wird an diesen Grenzen nicht geschossen, im Regelfall. Das ist anders als an der früheren DDR-Grenze oder der zwischen Nord- und Südkorea. Aber die EU guckt den Menschen beim Ertrinken zu. Macht jedenfalls nicht genug, um Menschen aus Seenot zu retten.

    „So viele Menschen“ wagen die gefährliche Überfahrt, weil sie das Leben zu Hause oder in den libyschen Lagern unerträglich finden. Aus Gründen, die ich an anderer Stelle erklärt habe, und die nicht ausschließlich mit dummen Machthabern dort zu tun haben, sondern mit z.B. unfairen Wirtschaftsbeziehungen. Der Druck ist enorm. So berichteten es mir einige Leute (allerdings in Gesprächen in meiner Praxis oder bei attac Aurich).

    Schlepper sollen auch eine Rolle spielen. Sie sollen Menschen auf die Boote zwingen und die Boote überfüllen und nicht seetüchtig ausstatten.

    Ohne Nachfrage (nach einem menschenwürdigen Leben) gäbe es das Angebot der Schlepper nicht.

    Push-Faktoren (weg aus Libyen) sind wichtiger als pull-Faktoren (rauf auf die Seawatches).

  56. Ich würde sagen, daß ich so gegen 23.45 Uhr ins Bett gehe, da ich morgen früh raus muß. Wäre das ok?

  57. Heute Abend war ich nicht ganz frei; so haben wir uns verpasst. Zum Schluss hätte ich noch zwei oder drei Fragen, die ich morgen gegen 10 Uhr veröffentlichen werde. Damit Sie frei in Ihrer Tagesgestaltung sind, werde ich sie nummeriert und en bloc stellen, und es ist Ihnen überlassen, wann Sie sich die Zeit nehmen können, sie zu beantworten. Einverstanden?

    Gute Nacht!

  58. Heute Abend, 21:45 wwar in ARD-Monitor (Moderation Georg Restle): Die Situation der privaten Seenotretter im Mittelmeer, die an ihr Limit kommen.

  59. Guten Morgen, lieber Herr Lübbers!

    Hier die in der vergangenen Nacht angekündigten abschließenden Fragen. Es sind sechs geworden, sorry. 😉

    1. Noch mal kurz nachgefragt: Bei den Geretteten, die Sie untersucht haben, waren keine Folterspuren festzustellen? Ich frage das, weil es wohl Füchtlinge gibt, die eine Lagerlaufbahn in Libyen durchlitten haben, wobei sie gefoltert oder misshandelt wurden.

    2. Wie kommentieren Sie die Kritik, dass Lebensretter wie die von der „Seawatch“ im Prinzip das Geschäft der Schleuser besorgen, weil die ja mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass im Notfall Hilfe bereit ist, um die Flüchtlinge aus Seenot zu retten?

    3. Die Grundstimmung gegenüber Lebensrettern wie denen von der „Seawatch“ soll sich gewandelt haben, habe ich gelesen. Nach einem Bericht der „Welt“ nehmen Seawatch-Leute das selbst so wahr. Angeblich werden diese Rettungsmissionen inzwischen kritischer gesehen. Haben Sie Anfeindungen wegen Ihres Einsatzes erlebt? Wie nehmen z.B. Ihre Patienten Ihr Engagement auf?

    4. Sie haben ja schon angedeutet, dass Sie die Verantwortung – oder nur einen Teil davon? – für die Flüchtlingsströme aus Afrika bei der Bundesrepublik und der EU sehen. Mal angenommen, Sie hätten Gelegenheit, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker so richtig die Leviten zu lesen. Was würden Sie denen sagen?

    5. Sie haben gestern geschrieben: „Man könnte 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr Menschen retten. Was ich bisher gemacht habe, kann man in Wochen zählen.“ Das ist mehr, als die meisten Menschen tun, aber Ihre Worte klingen nicht so, als wären Sie damit zufrieden. Das Elend und die Not in der Welt sind schier unendlich. Einzelne Menschen können dagegen selbst dann wenig ausrichten, wenn sie sich zu Hilfsorganisationen zusammentun. Man müsste – Sie sagten es ja – ran an die Strukturen der Weltwirtschaft, um wirklich etwas zu verändern, aber das wird voraussichtlich nicht geschehen. Elend und Not werden weiterhin wie eine Konstante in der Welt erscheinen. Können Sie sich vorstellen, irgendwann zu sagen: „Ich habe getan, was ich konnte – jetzt reicht’s“?

    6. Werden Sie wieder auf Tour gehen?

  60. Passt doch.

    Sie haben mir eine Reihe von Fotos geschickt. Eines davon habe ich noch hochgeladen. Es zeigt zwei Kriegsschiffe und ein brennendes Schlauchboot in einiger Entfernung. Auf den Link klicken, um das Bild in einem neuen Fenster zu öffnen.

  61. Kann schon ein bißchen anfangen (Bus 14.21 Uhr)…

    Zum Foto: Uns wurde gesagt, es handle sich um ein italienisches Kriegssschiff und um ein Schiff der italienischen Küstenwache. Weiß nicht, ob die Küstenwache zur Armee zählt.

  62. „Werden Sie wieder auf Tour gehen?“

    Auf jeden Fall. Bleibe allerdings zu Hause, wenn unser Sohn Semesterferien hat (Aurich-Homburg/Saar ist eine Weltreise), im Sommer hat er Physikum (ärztliche Vorprüfung). Dann muß ich bedenken, daß es ungünstig ist, am Anfang des Quartals zu fahren (weil dann die meisten Patienten kommen, schnöder Mammon). Die Patientenzahlen in meiner Praxis sind übrigens 4/17 um 150 höher als 4/16 trotz des Einsatzes. Also nicht der befürchtete Einbruch.

  63. „Man müsste – Sie sagten es ja – ran an die Strukturen der Weltwirtschaft, um wirklich etwas zu verändern, aber das wird voraussichtlich nicht geschehen. Elend und Not werden weiterhin wie eine Konstante in der Welt erscheinen. Können Sie sich vorstellen, irgendwann zu sagen: „Ich habe getan, was ich konnte – jetzt reicht’s“?“

    Ein ehemaliger internistischer Chefarzt sagte und Medizinstudenten mal, wenn er die Krankenhaustür hinter sich schließe und keinen Bereitsschafts-Pieper in der Hand hat, sei er ab diesem Augenblick Privatmann. Er nehme seine beruflichen Herausforderungen nicht mit nach Hause. So halte ich das auch. Ich träume nicht von schrecklichen Erlebnissen, mache Dinge, die mir Spaß machen. Ich weiß nicht, ob es das Sprichwort trifft „Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps“.

    „Ich habe getan, was ich konnte-jetzt reichts“ ist aber nicht meine Antwort. Elend wird es immer geben, weil die Natur grausam ist. Wir müssen alle sterben, manche kommen schon schwer behindert auf die Welt. ABER: Gegen Naturgesetze können wir nichts machen. Viel Elend ist aber menschengemacht. Wir stehen uns selbst im Weg (oder manche der Mächtigen stehen uns im Weg). Dagegen kann und muß man was unternehmen!

    Wir leben in einer (relativen) Demokratie mit (relativer) Pressefreiheit (relativ deswegen, weil demokratische Entscheidungen und Meinungsbildungen durch finanzkräftige Lobbyisten konterkariert werden). Es wäre schon viel erreicht, wenn die linken demokratischen Parteien wie SPD und Grüne ihren rechten Weg des Neoliberalismus verließen und wieder linke Politik machen würden. Dafür gäbe es schnell eine Mehrheit. Schulz wurde zu 100% gewählt, als er zaghaft flüsterte, nicht alles an der Agenda 2010 war superklasse.

    Es gab mal eine sozialere Marktwirtschaft. Diese ist keine noch nicht ausprobierte Utopie.
    Der Bus…

  64. „Man müsste – Sie sagten es ja – ran an die Strukturen der Weltwirtschaft, um wirklich etwas zu verändern, aber das wird voraussichtlich nicht geschehen.“

    Meines Erachtens darf man „die Strukturen der Weltwirtschaft“ nicht zu mystisch und zu kompliziert sehen. Nach meiner Auffassung ist die neoliberale Ideologie (manche sprechen auch von neoliberaler Religion) die alles entscheidende Ursache für das menschengemachte Elend auf dieser Welt. (Früher waren der totalitäre sogenannte Kommunismus und die diktatorische Planwirtschaft auch eine wesentliche Quelle für politisches und wirtschaftliches Elend.) Die aktuell propagierte freie Marktwirtschaft verzichtet auf Regeln, die für ein gedeiliches Miteinander der Menschen wichtig sind. Sie sorgt nicht dafür, daß die Wirtschaft die Dinge produziert, die die Menschen wirklich für ein erfülltes Leben brauchen, und das zu Bedingungen, die für Mensch und Umwelt und Nachwelt erträglich sind. Die freie Marktwirtschaft ist definitionsgemäß nicht sozial und nicht ökologisch. Sie bewirkt, daß Reiche (und zwar vor allem das reichste Prozent und das reichste Promille) reicher und mächtiger werden zuungunsten aller anderen Menschen und zuungunsten der Natur. Und dabei bedienen sich die Nutznießer des Neoliberalismus des manipulativen Lobbyismus und der Korruption. Das sehen die Autoren des Buches „Wir sind dran“ähnlich. Es ist sozusagen das Nachfolgebuch von „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972.

    Ich versuche, mit meinen Leserbriefen gegen diesen Systemfehler Neoliberalismus anzukämpfen. Oder durch meine (nicht sehr erfolgreiche) Mitarbeit bei Attac. Wenn man an dieser entscheidenden Schraube Neoliberalismus dreht, ändert sich gleich vieles, was zur Zeit arg schief läuft im sozialen und ökologischen Bereich.

    Ich hoffe, daß ich mit meinen Leserbriefen SPD und Grüne wieder auf einen sozialen und ökologischen Kurs bringen kann. Weg vom Neoliberalismus. Denn der Neoliberalismus ist definitionsgemäß dem solidarischen Gedanken grüner und sozialdemokratischer Prägung fremd.

    Ob ich damit wirklich den Lauf der Dinge ändern kann, weiß ich nicht. „Das wird voraussichtlich nicht geschehen“, wie Sie es in anderem Zusammenhang oben geschrieben haben. Geschrieben (Leserbriefe) ist nicht gut geschrieben. Gut geschrieben ist nicht gedruckt. Gedruckt ist nicht gelesen. Gelesen ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden. Einverstanden ist nicht in Wort und Tat umgesetzt. In Wort und Tat umgesetzt ist nicht regelmäßig und erfolgreich in Wort und Tat umgesetzt.

    Ich bin optimistisch, daß steter Tropfen den Stein höhlt. Meine Tropfen. Die Tropfen von anderen.

    Es freute mich sehr, daß Henning Flessner mal in einem Blog schrieb, Wirtschaftswissenschaftler würden sich heutzutage gar nicht mehr trauen, sich als neoliberal zu outen. Der Ruf des Neoliberalismus ist schon angegriffen. Er muß zerstört werden. So wie der totalitäre Sowjetkommunismus zerstört wurde.

    Ich mache noch ein bißchen weiter mit dem Thema. Natürlich gibt es Diktaturen und Doktatoren. In einer Diktatur etwas zu ändern ist schwierig und gefährlich. Wir in Deutschland leben aber jetzt in einer Demokratie und bringen uns nicht in Lebensgefahr, wenn wir unsere Meinung sagen.

  65. Lieber Herr Büge,

    die beiden letzten Sätze gehören nicht mehr dazu. Ich hatte anders angefangen zu formlieren und die wohl nicht gelöscht…

  66. „Bei den Geretteten, die Sie untersucht haben, waren keine Folterspuren festzustellen? Ich frage das, weil es wohl Füchtlinge gibt, die eine Lagerlaufbahn in Libyen durchlitten haben, wobei sie gefoltert oder misshandelt wurden.“

    Ich berichtete von einer Frau, die nicht auftreten konnte. Sie sei in einem libyschen Lager gewesen und mit einem Gewehrkolben gegen das Sprunggelenk geschlagen worden. Andere Foltgerspuren habe ich auf dem Schiff nicht gesehen. Mir ist nichts von Vergewaltigungen berichtet worden. Allerdings war unsere Medics-Gruppe ausnahmsweise ausschließlich männlich. Das könnte es Frauen schwer gemacht haben, sich uns anzuvertrauen.

    An anderer Stelle berichtete ich von einer meiner Patientinnen in Marienhafe, von der Elfenbeinküste kommend, die berichtete, sie sei in einem libyschen Lager vergewaltigt worden, und ihn Ehemann habe zugucken müssen. Und ich berichtete von einem Attac-Treffen in Aurich, wo jemand von seiner Flucht berichtete. Er sei in Libyen unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem überfüllten Gebäude untergebracht gewesen (300 Leute, 1 Eimer für die Notdurft, kein fließendes Wasser). Dieser Flüchtling erzählte, in den libyschen Gefängnissen sei es noch viel schlimmer gewesen.

    Tagesschau: Wieder Menschen im Mittelmeer ertrunken, private Hilfsorganisation habe andererseits Menschen gerettet (dem Helm nach zu urteilen Sea Watch).

  67. „Wie kommentieren Sie die Kritik, dass Lebensretter wie die von der „Seawatch“ im Prinzip das Geschäft der Schleuser besorgen, weil die ja mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass im Notfall Hilfe bereit ist, um die Flüchtlinge aus Seenot zu retten?“

    Mit dem, was ich soeben in der Tagesschau gesehen habe. Wo waren die Retter für die Ertrunkenen? Wo war die EU? Juncker? Merkel. Seehofer.

    Was wäre passiert, wenn die in der Tagesschau erwähnte private Hilsorganisation die anderen Menschen nicht gerettet hätte? Das Mittelmeer ist groß. Die wären ertrunken, oder verdurstet.

    Was kann man denn machen, wenn Menschen in Seenot geraten? Sie ihrem Schicksal überlassen? Zugucken? Weggucken?

    Der Flüchtling in der Auricher Attac-Gruppe berichtete, das leben in Libyen sei unerträglich gewesen. Lieber tot auf dem Mittelmeer als so leben, waren seine Worte (wenn ich es recht erinnere). Das ist ein Zeichen für Fluchtdruck (ein Push-Faktor).

    Die Menschen, die mit den kleinen Booten auf Mittelmeer fliehen, die Kinder haben, schwanger sind, müssen damit rechnen, daß sie die Überfahrt nicht überleben.

    Für den Vortrag bei Attac in Aurich über meien Seawatch-Einsatz notierte ich mir nur folgende Fakten aus dem Buch „Menschenleben retten“ vom Seawatch-Gründer Harald Höppner:

    Seit 2000 (bis zur Drucklegung des Buches) 22.000 Tote (auf dem Mittelmeer).

    Risiko 6 % (6 von 100 Bootsflüchtlinge sterben auf dem Mittelmeer).

    Gibraltar 14 km (Entfernung Afrika-Gibraltar beträgt 14 km).

    Libyen-Italien 300 km (Entfernung der libyschen Küste bis zur italienischen Küste beträgt 300 km).

    Das ist das Gegenteil von Pull-Faktoren (das also die paar privaten Rettungsschiffe Menschen zur Flucht übers Mittelmeer anlocken).

    Schlußendlich mag es Schleuser geben, die den Flüchtlingen aus altruistischen Gründen helfen. Die Mehrzahl wird aber rein profitorientiert sein, neoliberal par excellance. Ich denke (ich habe keine Fakten), die schicken die Flüchtlinge einfach auf Tour. Zur Not ins Verderben. Auf deren Niveau sollte sich die Europäische Union nicht stellen…

  68. Haben Sie Anfeindungen wegen Ihres Einsatzes erlebt? Wie nehmen z.B. Ihre Patienten Ihr Engagement auf?“

    Ich habe in meiner Praxis keine Anfeindungen wegen meines Einsatzes erlebt. Wohl aber haben sich ein Patient und eine Patientin kritisch dazu geäußert, das meine Auszubildende ein Kopftuch trägt (sie ist eine Muslimin, die ein Kopftuch trägt; ich erwähne das extra, weil nicht jede Muslimin ein Kopftuch trägt).

    Der Patient hatte Angst vor muslimischer Gewalt. Ich erwähnte die christlichen Hexenverbrennungen, Kreuzritter, daß Krankenhäuser eine muslimische Erfindung sind, daß die Kirchen im Dritten Reich mit der Herausgabe der Kirchenbücher die Judenverfolgung (Judenidentifizierung) erst möglich gemacht haben (eigentlich ein Grund, aus der Kirche auszutreten), bis in die 90er Jahre sich Protestanten und Katholiken in Irland gegenseitig umbrachten… Der Patient sah das wohl ein und entschuldigte sich bei meiner Azubi. Großer Respekt! Er ist ja sehr schwer, umzukehren.

    Die (sehr gebildete) andere Patientin konnte ich nicht überzeugen, daß Muslime genauso wenig eine homogene Masse von rückständigen Gewalttätern und Frauenschändern sind wie …jede andere Gruppe, in die man mehr oder weniger reingeboren wird. Bei ihr ging es um den von ihr so empfundenen mangelnden Feminismus der Muslime. Musliminnen.

    Es mag sein, daß Patienten mit ihrer Meinung hinterm Berg halten (von denen wir in Ostfriesland so wenige haben).

  69. „Die Grundstimmung gegenüber Lebensrettern wie denen von der „Seawatch“ soll sich gewandelt haben, habe ich gelesen. Nach einem Bericht der „Welt“ nehmen Seawatch-Leute das selbst so wahr. Angeblich werden diese Rettungsmissionen inzwischen kritischer gesehen.“

    Ich habe davon bei unserer Crew nichts bemerkt. Im Gegenteil. Ich hatte im Gepräch nicht den Eindruck, daß jemand den Einsatz kritisch oder sinnlos fand. Aber ich kann natürlich nur von meinen Eindrücken bei diesem Einsatz mit dieser Crew berichten.

  70. „Was ich bisher gemacht habe, kann man in Wochen zählen.“ Das ist mehr, als die meisten Menschen tun, aber Ihre Worte klingen nicht so, als wären Sie damit zufrieden.“

    Ich bin Arzt. Ärzte sind in den Armutsländern besonders nötig. (Wenngleich Faktoren wie ausreichend gesunde Nahrung/Luft/Dach über dem Kopf wichtiger sind für ein gesundes Leben als Ärzte und Medizin). Ich bin überwiegend zu Hause. Im reichen Deutschland.

  71. „Anfeindungen“

    Ich habe mal in Braunschweig gearbeitet. Für die Fahrten nach Hause hatte ich einen großen Rucksack im Zug. Darauf klebte ich einen Aufkleber: „Alle Meschen sind Ausländer. Fast überall.“ Ich fand das gut. Deshalb klebte ich den Aufkleber drauf. Allerdings hatte ich Angst, ich könnte „geschlagen“ werden dafür. Nie was passiert. Glück gehabt?

  72. „Mal angenommen, Sie hätten Gelegenheit, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker so richtig die Leviten zu lesen. Was würden Sie denen sagen?“

    Das alles, und noch viel meehr, würd ich machen, wenn ich König von Deutschland wär…

    Moin meine Damen und Herren Politiker,

    ihr seid gewählt worden, um die Interessen eines großen Teils der Bevölkerung zu vertreten. Stattdessen vertretet ihr nur die finanziellen Interessen einer winzigen Minderheit.

    Durch eure Politik verarmen immer mehr Menschen überall auf der Welt. Auch in euren eigenen Ländern. Viele verhungern. Leiden schwer an eigentlich behandelbaren Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria. Haben kein Dach über den Kopf. Müssen fliehen vor in euren Ländern hergestellten Waffen. Von einem auskömmlichen Leben in Würde gar nicht zu sprechen. Eure Politik ist Fluchtursache Nummer 1. Durch eure Politk fliehen Menschen von einem Teil in einen anderen ihres Heimatlandes. Oder sie fliehen in Nachbarländer. Wenige schaffen es bis nach Europa. Und diese wenigen sind manchen in Europa noch zu viel.

    Auch im reichen Land Deutschland und in Luxemburg verarmen Menschen. Die Einkommens- und Vermögensschere öffnet sich immer mehr, jedes Jahr neu.

    Noch nehmen viele Arme nicht wahr, daß sie arm sind, weil einige wenige zum Beispiel Deutsche und Luxemburger so reich sind. Sie empfinden nicht die Reichen als Konkurrenten um den Futtertrog, sondern ausgerechnet ihre armen Kolleginnen und Kollegen in und aus den Armutsländern.

    Durch eben diese eure Politik erzeugt ihr Haß und Unzufriedenheit und Demokratieverachtung. Euer lebensgefährliches Nichteinhalten der überhaupt nicht ambitionierten Klimaschutzziele, euer Waffenexport aus reiner Profitgier, eure absolut unfairen Handelsbeziehungen zu Armutsländern gefährdet die Demokratie! Wegen euch gibt es die AfD, wegen euch haben die Rechtsausleger so viele Stimmen, wegen euch sterben Menschen auf dem Schlachtfeld, in der Sahara, im Slum, auf dem Mittelmeer, auf dem verdörrten Gemüsefeld, und auch in Deutschland und Luxemburg, denn Armut tötet. Arme sterben früher. Überall. So sie denn überhaupt leben.

    Ihr, Vertreter der Mehrheit der Bevölkerung, vertretet die Mehrheit der Bevölkerung! Vertretet die 99 %, die bisher von euch sträflich vernachlässigt wurden. Verteilt um von den Reichen (den 1%) zu den Armen. Laßt die Einkommens-und Vermögensschere wieder zusammengehen. Schützt das Klima, und zwar richtig, so daß keine Gefahr mehr besteht für uns Menschen und unsere Nachkommen. Schafft damit Arbeitsplätze. Holt euch die Stimmen der zufriedenen Wähler. Laßt ein bißchen was für Schulz von der SPD und für die Grünen übrig. Es reicht nicht, wenn nur ich die wähle.

    Seid menschlich! Nicht unmenschlich.

  73. Ich glaube, ich wäre jetzt soweit. Ich habe fertig, oder? Gerade rechtzeitig zur heute show…It was a great pleasure for me! Now the revolution can start! Mal sehen…

  74. Nachtrag zum 22.16 Artikel:

    Schmeißt die Lobbyisten raus! Eure Wähler sind die 99%, nicht die reichsten 1%.

  75. Lieber Herr Lübbers,

    herzlichen Dank. Sie haben es durchgestanden. Ich hoffe, unser kleiner Talk hat auch ein bisschen Spaß gemacht. Mir jedenfalls hat er Spaß gemacht. Ist halt leider immer auch ein gewisser Aufwand. Aber spätestens wenn Sie das Ergebnis in der Zeitung sehen, werden Sie wissen, dass es sich gelohnt hat.

    Ein schönes Wochenende!!

  76. Vielen Dank! Ich wünsche Ihnen auch ein schönes Wohenende!

    Obwohl es ernste Themen waren, hat es mir sehr viel Freude gemacht, mit Ihnen zu talken.

    Ich danke Ihnen und der Frankfurter Rundschau dafür, daß ich …jetzt wird es schwierig…zeigen konnte, wer (nach meiner Auffassung, mit der ich aber wohl nicht allein stehe) verantwortlich ist für menschengemachtes Elend, nämlich nicht die Opfer dieser verantwortungslosen Politik, sondern die …gewissermaßen Täter.

    Und ich hoffe, daß ich zeigen konnte, daß jeder dazu beitragen kann, die Welt weniger schlimm oder besser zu machen, besser im Sinne eines guten Lebens für alle. Manche haben darauf extrem viel Einfluß. Z.B. der/die US-Präsident(in) oder der/die Bundeskanzler(in) oder der/die Pa(ä)pst(in). Wir Fußvolk aber auch. Mit jeder Konsumentscheidung. Jeder sinnvollen Spende. Jedem humanitären Protest. Mit jedem humanitärem Hilfseinsatz. Im Mittelmeer. Und in jedem beliebigen Stadtteil in Frankfurt am Main und sonstwo.

    FR-Blog und FR-Leserbriefredaktion auf der Seawatch X, lieber Herr Büge/“Bronski“? Journalisten haben dort priviligierte Internetzugänge…

  77. Zu den Ursachen der Flucht, und bei der Gelegenheit Hinweise darauf, warum die „Flüchtlingskrise“ Ursachen in Globalisierung und Digitalisierung liegen:
    Ausbeutung der 3. Welt findet schon seit den spanischen Eroberungen in Südamerika statt, in systematischer Weise seit Imperialismus und Kolonialismus.
    Das Bewusstsein in der 3. Welt über deren Ursachen ist aber ziemlich neu. Erkenntnisse über das Leben in Europa beispielsweise sind mit Digitalisierung, der Existenz von Internet und der Verbreitung von Smartphones verbunden. – Was also liegt näher, als Hoffnung aus Befreiung aus bedrückenden, ja vernichtenden Verhältnissen nicht nur in unmittelbarer Nähe zu suchen?
    Lächerlich die Vorstellung von Nationalisten, Erkenntnisse, die sich einmal durchgesetzt haben, ließen sich durch Mauern und Polizeimaßnahmen zurückdrehen. So lächerlich wie die Vorstellung der katholischen Kirche, die Wirkungen eines Galilei ließen sich durch Mundverbot aufhalten.

    Lächerlich auch das Gerede von der Bekämpfung der „Fluchtursachen“. Was ist denn in dieser Richtung bisher geschehen? Ist die skrupellose Ausbeutung etwa durch Ölmultis gestoppt worden? Sind sie für die verheerenden Umweltkatastrophen zur Verantwortung gezogen worden, die sie mehrfach verursacht haben? Ist wenigstens die verbrecherische Spekulation auf Lebensmittel und Rohstoffe, welche Hungerkatastrophen in der 3. Welt auslösen oder verstärken, gestoppt worden? Und wie erbärmlich die Entwicklung der Diskussion selbst bei Mini-Maßnahmen wie einer Transaktionssteuer!

    Anm. Bronski: Dieser Kommentar wurde teilverschoben von hier.

  78. @Werner Engelmann,
    nun will ich aber mal ein wenig „wider den Stachel löcken“. Natürlich ist die ewige Forderung, die Fluchtursachen zu bekämpfen auch angebracht. Als der allseits geliebte Mr.Trump -dem ich hier nicht das Wort reden möchte- von den shithole countries sprach, deren Menschen nach den USA einwandern wollen, hätte er es konkretisieren sollen und von „countries of shithole governments“ sprechen sollen. Meines Erachtens wäre das dem Problem gerechter geworden und der erfolgte Aufschrei unangebracht. Müssen all die afrikanischen Staaten hier genannt werden, deren politische Führungen und deren Entourage sich die Taschen vollstopfen und die jewiligen Bevölkerungen am Reichtum vonz.B. Bodenschätzen nicht teilhaben lassen?
    Wie wid in diesem Zusammenhang eigentlich das Bevölkerungswachstum Afrikas eingeordnet, bei dem die Prognose für das Jahr 2050 bei 2 Milliarden liegt – also eine Verdoppelung der gegenwärtigen Bevölkerungszahl….
    Müssen „wir“ uns das auch zuschreiben?
    Wieviel Menschen erwarten denn in 20 Jahren von Schlauchbooten aus dem Miitelmeer gerettet zu werden?
    Solange die meisten afrikanischen Staaten solche Regierungen haben, wird ein Bekämpfen der Fluchtursachen vergeblich sein. Fischtrawler hin, Hähnchenteiexporte her.
    Und was das Bevölkerungswachstum der muslimischen Länder betriff, ist die Lage dort nicht viel anders…

  79. @Manfred Schmidt:

    „nun will ich aber mal ein wenig „wider den Stachel löcken“.“

    Brot und Spiele…

    „countries of shithole governments“ …

    „Müssen all die afrikanischen Staaten hier genannt werden, deren politische Führungen und deren Entourage sich die Taschen vollstopfen und die jewiligen Bevölkerungen am Reichtum vonz.B. Bodenschätzen nicht teilhaben lassen?!…Solange die meisten afrikanischen Staaten solche Regierungen haben, wird ein Bekämpfen der Fluchtursachen vergeblich sein.“

    Aha, es liegt also an den „shithole governments“ in den „countries of shithole governments“ (womit Sie die afrikanischen Regierungen meinen, aller afrikanischen Länder?), warum es den Menschen in Afrika so schlecht geht?

    Es liegt nicht an Dürre und Überwschwemmung und dadurch bedingten Ernteausfällen durch den Treibhauseffekt? Der Treibhauseffekt stammt nicht weit überwiegend (die Historie mitbetrachtend) aus den Schloten und Auspufftöpfen der Industrie- und Schwellenländer? Es sind „die politischen Führungen und deren Entourage, die sich die Taschen vollstopfen und die jeweiligen Bevölkerungen nicht am Reichtum von z.B. Bodenschätzen teilhaben lassen“, wie sie schreiben, nicht etwas an Konzernen wie etwa Shell, die sich und ihre Entourage die Taschen vollstopfen? Uran wird in Afrika ganz sauber gewonnen, fair bepreist und dann in den Atomkraftwerken sauber und völlig ungefährlich „verbrannt“? Die Arbeiter in den Kleider- und Schuhfabriken in Afrika (die es ja inzwischen dort auch gibt) werden der eigenen Dorfbevölkerung sklavenähnlich gehalten, nicht von der europäischen und amerikanischen Konzernen? „Fischtrawler hin, Hähnchenteilexporte her“, schreiben Sie. Ach ja, die hätte ich fast vergessen. Die waren Ihnen eingefallen. Danke für den Hinweis. Ist ja nicht so schlimm, wenn man die Fanggründe und die Landwirtschaft in Afrika für die dort einheimische Bevölkerung kaputt macht. Jetzt haben Sie mich erwischt: Ich bin Vegetarier. Das …da bin ich etwas interessengebunden…Waffenexporte würden mir noch einfallen. Zum Beispiel (nur als Beispiel, ich bin Deutscher, deshalb mache ich immer erst vor meiner eigenen Tür sauber) zum Beispiel aus Deutschland. Dienen dem Frieden? Ich bin kein hemmungsloser Pazifist. Überzeugen Sie mich! Oder werden die manchmal einfach nur vertickt, um Geld damit zu machen?

    „Solange die meisten afrikanischen Staaten solche Regierungen haben, wird ein Bekämpfen der Fluchtursachen vergeblich sein“ schreiben Sie. Warum haben die meisten afrikanischen Staaten eigentlich solche Regierungen? Sind solche Regierungen wirklich der einzige oder ein wichtiger Grund, warum es den Menschen dort so verzweifelt schlecht geht? So was gibt es, Ruanda 1994. Damals ist übrigens viel zu langsam und viel zu gewaltlos gehandelt worden.

    „Wie wid in diesem Zusammenhang eigentlich das Bevölkerungswachstum Afrikas eingeordnet“, schreiben Sie. In diesem Zusammenhang von mir? Nun, da gibt es zwei Dinge. Oder 3.

    Erstens: Für die Belastbarkeit der Erden zum Beispiel durch Treibhausgase oder Ressourcenverbrauch spielt nicht die absolute Zahl an Menschen eine Rolle, sondern wieviel Resourcen so ein „zusätzlicher“ Mensch verbraucht. Ich habe mal gelesen (mag mich falsch erinnern), daß ein durchschnittlicher US-Amerikaner 200 mal so viele Ressourcen verbraucht (und damit die Umwelt schädigt) wie ein Nepalese. Nun leben Nepalesen nicht typischerweise in Afrika, sondern hauptsächlich in Nepal. Aber man kann sicher vom Ressourcenverbrauch her die meisten Nepalesen mit den meisten Afrikanern und weniger mit den meisten (oder durchschnittlichen) US-Amerikanern vergleichen.

    Zweitens, und da kommen die (bösen?) muslimischen Länder ins Spiel: Es wäre gut für alle Beteiligten, wenn Frauen selbst entscheiden können, ob und wieviel Kinder sie bekommen möchten. Hätten sie ausreichend Zugang zu adäquaten (situationsangemessenen) Verhütungsmitteln, und düften sie die auch anwenden, und gäbe es in Afrika eine auskömmliche Sozialversicherung mit Schutz vor Krankheit, Unfall, Rente, und würden nicht so viele Kinder vor dem 5. Lebensjahr in Afrika versterben, und schließlich, würde sich dieser muslimische Papst in Rom endlich mal für Verhütung einsetzen (womit wir beim Koran sind), ja, ich gebe Ihnen recht, das würde die Situation entspannen.

    „Wieviel Menschen erwarten denn in 20 Jahren von Schlauchbooten aus dem Miitelmeer gerettet zu werden“, fragen Sie.

    Ich weiß nicht, ob man die jetzt schon fragen kann. Und ob die jetzt überhaupt schon geboren wurden. Wenn nicht, erübrigt sich die Frage. Das hinge davon ab, ob die einigermaßen demokratischen Länder (ich erkläre das unten) wie EU, USA, Kanada, Australien, es schaffen, Ihren Anteil an den Fluchtursachen zu beseitigen. Da hindert sie kein Naturgesetz dran. Sondern Menschen. Und zwar solche, die in den genannten Ländern viel Geld haben und ein Interesse daran, noch mehr Geld zu …ich will es nicht verdienen nennen, sondern bekommen. Oder an sich reißen. Und die mit ihrem Lobbyismus und ihrer Korruption die Demokratien kaputt machen. Weil momentan nicht gilt ein Mensch eine Stimme, sondern ein Euro eine Stimme. Und viele Euro viele Stimmen. Deshalb möchte ich die aktuelle Demokratie nur als einigermaßen demokratisch bezeichnen.

    „Wieviel Menschen erwarten denn in 20 Jahren von Schlauchbooten aus dem Miitelmeer gerettet zu werden?“

    Ich stelle Ihre Frage mal anders: Da ist jemand und ertrinkt. Sie stehen daneben, und sie könnten retten. Was machen Sie?

    Da ist ein Afrikaner und ertrinkt. Same question. I hope there is no difference!

  80. Auf die Schnelle habe ich auch ein paar Wörter vergewaltigt. Das sind nur Formalien. Auf den Inhalt kommt es an, on etwas vergewaltigt, nicht, Herr Schmidt?

  81. RM Lübbers hat ja die möglichen Ursachen auch bereits benannt.

    Auf die Gefahr hin, ein nationl-faschistisches Etikett angeheftet zu bekommen, will ich einmal die für mich einzig stimmige Ursache für die Flucht aus Afrika – Syrien, Kurdistan und Irak ist es derzeit noch der Krieg – benennen: Die Bevölkerungsexplosion. Wir alle wissen, das es für die Menschen dort, aufgrund mangelnder Perspektiven bei Arbeitsplätzen und vor allem nicht existierenden Sozialversorgungs-Systemen (Altersrente) keine andere Chance gibt, als möglichst viele Kinder zu zeugen, in der Hoffnung, das einer oder eine von den 8 oder 10 es irgendwie nach Europa schafft, einen Job bekommt, und dann ein paar Euronen in die Heimat schickt. Natürlich fällt auch der derzeit diskutierte „Familien-Nachzug“ hierunter. Solange wir also die Situation in den Herkunftsländern nicht durch eine andere Globalisierungspolitik bessern, solange werden sich die Migrationsströme nicht nur nicht ändern, sondern weiter verstärken. Die USA erleben dies genauso an ihrer Südgrenze.

    Wir haben nur die Chance, entweder massiv in die Herkunftsländer zu investieren, und dabei zu sehen, das nicht allzu viel bei den korrupten Regierungen hängen bleibt, oder demnächst dann MGs an unseren Küsten aufzustellen, und eben die Ertrinkenden aus den Schlauchbooten absaufen zu lassen. Die Entscheidungen der Gerichte, diese humane Handlung als „illegale Fluchthile“ zu kategorisieren, deutet ja bereits auf eine Wandlung hin.

  82. @ Manfred Schmidt 5. Februar 2018 um 17:41

    Ich stimme Herrn Lübbers völlig zu.
    Sowohl der Einwand der „korrupten Regime“ in Afrika als auch der Hinweis auf selbst verschuldete Überbevölkerung stellen das Verhältnis von Ursache und Wirkung auf den Kopf.
    Hinsichtlich des Kinderreichtums haben Herr Lübbers und auch Herr Fladung auf die Armut als primäre Ursache verwiesen. Freilich wird diese in einer Wechselwirkung dadurch auch wieder verstärkt.
    Zur Korruption von Regierungen, am Beispiel der Ölmultis: Auch hier ist die Ausbeutung der Ressourcen durch Ölmultis (mit Enteignung, Verursachung von Umweltschäden usw.) primär. Korrupte Regierungen beteiligen sich lediglich an der Korruption, z.B. der Enteignung zugunsten der Multis.
    Der Verweis auf korrupte Regierungen belegt bestenfalls, dass angesichts der internationalen Abhängigkeiten nicht auf nationale Lösungen gesetzt, also erwartet werden kann, dass diese Länder sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen werden. Gleiches gilt wohl auch bez. der Frage der Bevölkerungsexplosion.

  83. Hallo Herr Lübbers,
    vielleicht wäre es ja angebracht, meinen Beitrag so zu kommentieren wie er geschrieben ist und nicht, wie Sie ihn durch eigene merkwürdige Hinzufügungen und Fragesätze gerne lesen würden, z.B. (bösen?) Muslime…

    Für Verhütung das erforderliche Wissen und die Mittel zur Verfügung zu stellen, sind die Regierungen der afrikanischen Staaten verantwortlich, nicht „wir“.
    Die Fangrechte für z.B. spanische Trawler in der westafrikanischen Zone in der gefischt werden kann, werden von den verantwortlichen Regierungen an die EU verkauft. Um ihre eigenen Fischer zu schützen, sollten diese darauf verzichten, aber es spült ja Geld in die Kassen der Machthaber. Das Gleich gilt auch für die vielzitierten Hähnchenteile.
    Haben die Menschen in Angola irgendeinen Vorteil vom Ölexport des Landes? Er wird ihnen vorenthalten.
    Und das meinte ich mit shithole governments und schrieb in diesem Zusammenhang von den meisten und das sind eben nicht alle.
    Talent zur Süffisanz haben Sie, so bei der Feststellung „aha es liegt also….“

    Sie verorten alle Gründe für das was in der Welt nicht gut läuft bei den westlichen Nationen und sprechen andere frei, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen.
    „Wir“ arbeiten schon daran, dass Kiribati nicht absäuft, durch Verminderung der Emissionen, deren Absenkung Sie vor einiger Zeit noch in Frage stellten. Den Link dazu kann ich Ihnen nochmals zur Verfügung stellen, aber ich hoffe, Sie erinnern sich daran. Es geht aber nicht immer in der Geschwindigkeit, die wünschenswert wäre.
    Und zum Schluss: Wären die meisten afrikanischen Staaten willens, Bildungs- und Ausbildungsstrukturen zu schaffen und das Bevölkerungswachstum zu stoppen, hätte ich die Frage „wieviel Menschen erwarten denn in 20 Jahren von Schlauchbooten aus dem Mittelmeer gerettet werden wollen“ nicht stellen müssen.

  84. Könnte man die Behauptung, am Elend der „Dritten Welt“ seien allein die entwickelten westlichen Länder schuld, nicht auch als Beleidigung für die Bevölkerungen Afrikas, Asiens und Südamerikas auffassen. Man tut so, als seien diese Menschen und deren Regierungen unmündig und nicht in der Lage, in ihren eigenen Ländern etwas zu verändern.
    Wie ist es denn mit den vielen Kriegen und Stammesfehden in Afrika und Asien (Warlords und die verschiedensten muslimischen Terrorgruppierungen Boko Haram, Taliban etc.)? Gehen die auch alle auf das Konto des Westens?

  85. Manfred Schmidt:

    „Für Verhütung das erforderliche Wissen und die Mittel zur Verfügung zu stellen, sind die Regierungen der afrikanischen Staaten verantwortlich, nicht „wir“.“

    Tatsächlich? Ich hatte den Eindruck, daß Sie sich an den (nach Ihrer Ansicht) vielen afrikanischen Babies stören. Wie ist es übrigens mit den Babies, die im Laufe ihres Lebens viele Ressourcen verbrauchen werden? Zum Beispiel in Deutschland geborenen Babies?

    (bösen?) Muslime…

    Mein Eindruck ist, daß Muslime momentan verteufelt werden. Sie erwähnen in Ihrem Text extra das Bevölkerungswachstum der „muslimischen“ Länder. Als wenn Bevölkerungswachstum etwas mit dem Koran zu tun hätte.

    Der von mir so bezeichnete „muslimische Papst in Rom“, der -wie seine Vorgänger-gegen Verhütung wettert, ist-Überraschung!-gar kein Muslim, sondern römisch-katholisch. Da gibt es so eine schöne Szene in Monty Python`s Flying Circus, wo ein Protestant sich über die kinderrechen katholischen Mitbürger lustig macht, die deshalb so viele Kinder hätten, weil sie keine Verhütungsmittel nutzen dürften, und er könne und dürfe sie nutzen (woraufhin seine Frau süffisant meint, weil sie und ihr protestantischer Ehemann keinen Sex hätten, bräuchten sie ja auch keine Verhütungsmittel. Oder so ähnlich…

    Meine Eltern (beide evangelisch-lutherisch) haben viel mehr Geschwister (jetzt mal geschätzt so jeweils 6) als sie und ihre Geschwister Kinder haben. Und wir haben noch weniger Kinder als unsere Eltern. Waren meine Großeltern muslimisch? Nein. Afrikanisch? Schauen Sie mein Portrait an. Gut, das war nach der Freibadsaison. Waren damals und noch davor in Europa viele Menschen arm, gab es keine Sozialversicherung, gab es eine hohe Kindersterblichkeit? Ja, ja, ja.

    Sie schreiben:

    „Die Fangrechte für z.B. spanische Trawler in der westafrikanischen Zone in der gefischt werden kann, werden von den verantwortlichen Regierungen an die EU verkauft.“

    Da ist jetzt die Frage nach der henne und dem Ei, was erst da war. Werden die Fangrechte von unverantwortlichen afrikanischen Regierungen an die EU verkauft? Oder kaufen unverantwortliche (immerhin demokratisch legitimierte) EU-Regierungen Fangrechte zu ihrem großen finanziellen Vorteil und zum Nachteil der afrikanischen Menschen? Wenn das so ist, warum verhandeln die EU-Regierungen so zum Nachteil der afrikanischen Bevölkerung? Wenn die afrikanischen Regierungen so korrupt sind, warum verhandelt man dann mit ihnen? In der beschriebenen Weise, wie mit ihnen verhandelt wird.

    Die Macht zu Verhandeln geht ganz klar von den Industrie- und Schwellenländern aus. Genauer gesagt von den Konzernen. Und das so ein überaus starkes Machtgefälle existiert, liegt meines Erachtens an der neoliberalen Ideologie/Religion/Revolution. Alles wird nur den Profitinteressen einer winzigen Minderheit untergeordnet. Das es auch anders geht, zeigt der real existierende Sozialismus. Neiiinn, Scherz, der hat wohl auch nicht funktioniert. Gibt es irgendetwas in der Geschichte, was funktioniert hat? Nehmen wir die Dinosaurier. Oder, etwas später, sowas wie Bretton-Woods. Also die Zeit zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und Beginn der Ära Ronald Reagan. Im „Westen“.

    „Sie verorten alle Gründe für das was in der Welt nicht gut läuft bei den westlichen Nationen und sprechen andere frei, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen.“

    Nein. Natürlich sind die korrupten und inkompetenten Regierungen in den failed staates korrupt und inkompetent und Scheiße! Klar, besser wäre, dort regierte wahre Demokratie, Achtung der Menschenrechte und ökosoziale Marktwirtschaft. Doch zu behaupten, wir können nichts machen, weil dort schlechte Regierungen sind, ist ein bißchen sorry Herausstehlen aus der Verantwortung.

    WIR (in den „westlichen“ Industrieländern leben
    in einer noch recht guten Demokratie mit noch recht freier Presse und noch recht individuellen Konsumentscheidungen. WIR HABEN VIEL MEHR MACHT als die Menschen, die in Diktaturen oder unter totalitären Regimen leben müssen. NUTZEN WIR DIESE MACHT! Für uns. Und für unsere menschlichen Mitbewohner weltweit.

    „Talent zur Süffisanz haben Sie“. Merci!

    Sie schreiben:

    „Wir“ arbeiten schon daran, dass Kiribati nicht absäuft, …Es geht aber nicht immer in der Geschwindigkeit, die wünschenswert wäre.

    Sehr wahr! Warum ist das so? Warum schützt Sigmar Gabriel als Wirtschafts-(und ehemaliger Umwelt-)minister Kohlekraftwerke und zerstört die heimische PV-und Windindustrie? Arbeitsplatzverluste können es nicht sein. Vernunft kann es nicht sein. Ein hypoglykämischer Schock? Der Einfluß der Kohlelobby??? So ein „shithole government“ und so einen shithole minister haben wir hier?

    Zu guter Letzt schreiben Sie:
    „Wären die meisten afrikanischen Staaten willens, Bildungs- und Ausbildungsstrukturen zu schaffen und das Bevölkerungswachstum zu stoppen, hätte ich die Frage „wieviel Menschen erwarten denn in 20 Jahren von Schlauchbooten aus dem Mittelmeer gerettet werden wollen“ nicht stellen müssen.“

    Woran mag das wohl liegen, daß die das nicht tun. Kein Geld? Keine Lust? Keine Arbeit? Zu viel Geld? Wir sind uns sicherlich einig, daß Sarrazins (SPD) Thesen zur Intelligenz von Außerdeutschen außerordendlich unterirdisch sind und von mangelnder Intelligenz und oder Bildung zeugen, nicht wahr?

    So, jetzt habe ich Ihre Ausführungen ausführlich kommentiert. Wie lautet denn nun Ihre Antwort auf meine Fragen, was Sie machen, wenn Sie vor Ihrer Haustür jemanden ertrinken sehen, sei er schwarz oder weiß oder gelb oder rot. Ich hoffe, daß sie jetzt nicht für jede Hautfarbe eine andere Antwort finden. Das wäre rassistisch.

  86. Zu Muslimen möchte ich gerne noch etwas sagen. Könnte sein, daß ich einige von ihnen auf der Seawatch 3 gerettet habe (als eines von 22 Besatzungsmitgliedern). Und damit habe ich sowas von kein Problem.

    In welche Nation oder Religion man hineingeboren wird, hängt allein vom Zufall ab. Ein anderes Spermium, eine andere Eizelle, Ost-Berlin statt Ostfriesland, ja schon Emsland, und ich wäre …

    Die Eigenschaften der Menschen, die zufällig einer bestimmten Gruppe angehören, verteilen sich gemäß der Gaußschen Normalverteilung. Es gibt ungefähr den gleichen Anteil „böser“ und „guter“ Menschen.

    Anders ist es, wenn sich eine Gruppe freiwillig zusammenfindet. Die Muslime sind in ihren Charaktereigenschaften „normalverteilt“, die Damen und Herren vom Islamischen Staat vertreten alle und ausnahmslos zumindest zeitweise (bis sie vielleicht -wie manche Christen sagen-„umkehren“, was eine sehr große menschliche Leistung ist)…oje, ein laborierter Satz, die vom IS sind Verbrecher, die eingeknastet werden sollten, wird man ihrer habhaft. So wie damals die Damen und Herren von der RAF. Oder von der SA.

    Die meisten Muslime sind genauso in Ordnung wie die meisten Christen und Atheisten und Buddhisten und inbesondere Vegetarier. Wobei die wiederum nicht normalverteilt sind.

  87. @Frau Ernst:

    „Könnte man die Behauptung, am Elend der „Dritten Welt“ seien allein die entwickelten westlichen Länder schuld, nicht auch als Beleidigung für die Bevölkerungen Afrikas, Asiens und Südamerikas auffassen. Man tut so, als seien diese Menschen und deren Regierungen unmündig und nicht in der Lage, in ihren eigenen Ländern etwas zu verändern.“

    Naja, wenn die 90 % Kassenpatienten es nicht schaffen, eine Regierung zu wählen, die Ihre finanziellen und gesundheitlichen Interessen vertreten im Sinne einer Bürgerversicherung, und wenn 99% der „ärmsten“ Deutschen es nicht schaffen, eine Regierung zu wählen, die die Beitragsbemessungsgrenze abschafft, und das bei einigermaßen freier Presse, wie sollen das (und anderes) die Bevölkerungen in Ländern mit schlechterer Infrastruktur schaffen?

    „Wie ist es denn mit den vielen Kriegen und Stammesfehden in Afrika und Asien (Warlords und die verschiedensten muslimischen Terrorgruppierungen Boko Haram, Taliban etc.)? Gehen die auch alle auf das Konto des Westens?“

    Nein. Natürlich nicht. Solange die sich gegenseitig zu Tode erschrecken, sich hauen, mit Pfeil und Bogen schießen, sicher nicht. Sobald ein Heckler und Koch dazwischen kommt, oder ein Leopard 2, sieht die Sache anders aus. Jetzt werden Sie sagen: In Afrika gibt`s keine Leoparden 2. Stimmt! (Soweit ich weiß). Alles gut?

  88. @Manfred Schmidt:

    Danke für die Links! 🙂

    Muß ich mir später angucken (tue ich aber auf jeden Fall), weil gleich meine Praxis weitergeht. Es gibt da auch so ein Buch, „Warum Staaten fallen“ oder so ähnlich. Leider ausgeliehen und noch nicht wieder zurück bekommen…

  89. Hallo Herr Lübbers,
    Warum jetzt auch noch Sarrazin herhalten muss erschließt sich mir nicht.
    Zu Ihrem Hauptanliegen nur eine Antwort: Natürlich lässt man niemand ertrinken, wenn man retten kann. Wenn aber die jetzige Situation schon solche menschlichen Katastrofen hervorbringt, halte ich die Frage wie viele nach einer Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerungszahl gerettet werden wollen/sollen nicht für unangebracht. Sie beantwortet sich im Grunde selbst nämlich damit, dass die sozialen Verhältnisse in Afrika sich ändern müssen und das können nur die Regierungen der jeweiligen Staaten in Angriff nehmen. Es ist meines Erachtens sogar die Grundvoraussetzung. Und dann wären „wir“ auf dem Weg, dass sich diese Frage -hoffentlich- nicht mehr stellen müsste.
    Dieser Gedankengang wird gelegentlich auch als Bekämpfung der Fluchtursachen bezeichnet.

  90. @ Wolfgang Fladung
    „Natürlich fällt auch der derzeit diskutierte ‚Familien-Nachzug‘ hierunter.“
    Sie irren. Diskutiert wird über den Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge. Diesen Status erhalten überwiegend Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die keine individuelle Verfolgung glaubhaft machen können. Flüchtlinge, die einen vollen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, haben Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Abgelehnte Asylbewerber, auch wenn sie aus persönlichen Gründen bzw. wegen Abschiebehindernisse geduldet werden, haben unstrittig keinen Anspruch auf Familiennachzug. Dies trifft für die meisten Flüchtlinge aus Afrika zu.

  91. Auf der Seite des Bonner Aufruf (http://www.bonner-aufruf.eu/) findet man viele interessante Artikel, die sich mit Afrika, Fluchtursachen, Entwicklungshilfe etc. beschäftigen.
    Man liest, dass es bisher keine Korrelation zwischen Entwicklungshilfe und Wirtschaftswachstum gibt. Die 4000 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe seit 1960 sind einfach verpufft.
    Andererseits haben wir auch Fortschritte gemacht. Waren 1981 noch 44% arm, sind es heute noch 10%.
    Aber die Fortschritte haben wohl eher nicht in Afrika stattgefunden.
    Die Regierungen vieler afrikanischer Länder sind sicherlich Teil der Fluchtursachen. Die Lösung des Bevölkerungsproblems kann es nicht sein, die überschüssige Bevölkerung nach Europa abzuschieben.
    Die Probleme müssen in Afrika gelöst werden und wir sollten dabei helfen. Das darf auch ruhig im eigenen Interesse sein. Ein prosperierendes Afrika ist ein gigantischer Markt.
    Ich könnte mir z. B. vorstellen, dass man die Entwicklungshilfe der EU-Länder auf die EU übergibt, damit die EU mit einer Stimme auftritt. Die Vergabe der Mittel sollte an Bedingungen geknüpft werden, die auch streng kontrolliert werden, damit die Regierungen merken, dass Korruption dann aufhört, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt.
    Wie im Falle Griechenland werden einige dann „Rassisten, Kolonialisten“ rufen, aber das muss man dann ich kaufnehmen.

  92. @ Ralf Michael Lübbers

    Also sind nur die Waffenproduzenten verantwortlich, nicht aber diejenigen, die die Waffen freiwillig kaufen und einsetzen?
    Wenn ich meinen Nachbarn erschieße, wird der Richter dann dem Waffenproduzenten die Hauptschuld geben oder mir?

  93. Nun, es geschieht ja doch noch,
    die kruden Konklusionen in der Argumentation sind zur Zeit glücklicherweise abgebbt und es ist zu hoffen, dass es dabei bleibt. Nun mag die Diskussion in das Fahrwasser zurückkehren, in dem auch die Stimmen sich zu Wort melden, die der Sachbezogenheit den Raum geben, den es braucht.

  94. Desweiteren habe ich mir die Rede des ghanaischen Präsidenten an Macron angesehen -von Herrn Lübbers verlinkt-.
    Herr Akufo Addo könnte mit dieser Einstellung Vorbild für die anderen „Staatslenker“ in Afrika sein (absichtlich in Anführung gesetzt).
    Wenn er feststellt, dass es nicht länger sein kann dass ein Land wie Ghana
    -nach 60 Jahren Unabhängigkeit- eine Politik fortsetzt, bei der das Budget für Gesundheits- und Bildungssystem von der Großzügigkeit europäischer Steuerzahler abhängt. Er fügt hinzu,“das wird nicht funktionieren“.
    Richtig ist weiter wenn er sagt, dass die Hauptverantwortung als politischer Führer und Bürger es ist, dass das den Staatsführern zur Verfügung gestellte Geld dem Wachstum des jeweiligen Landes und seiner Bürger -durch gute Staatsführung- zugute kommt und nicht den Staatsführern.
    Er führt weiterhin aus, Afrika hat einen großen Reichtum, wir müssen in unseren Köpfen den Gedanken einpflanzen „we can do it“.
    Die letzte Aussage wollte ich nicht übersetzen.

    Es ist ein Lichtblick, einen Mann zu erleben, der solche Aussagen macht.
    Und zu hoffen ist, dass es Auswirkung auf Andere hat…..

  95. @ Ralf-Michael Lübbers

    Zu Ihrer Bemerkung bezüglich des Waffengebrauchs in Afrika, Asien und Südamerika:

    „Solange sie [ die an den Stammesfehden und Kriegen Beteiligten (Erklärung B.E.)] sich gegenseitig zu Tode erschrecken, sich hauen, mit Pfeil und Bogen schießen, sicher nicht.“

    Merken Sie eigentlich, wie arrogant das klingt? Allein sind diese Wilden im Busch nur dazu fähig, sich wie kleine Kinder zu benehmen und sich mit lächerlich primitiven Waffen zu traktieren. Für einen richtigen Krieg brauchen diese armen Unterentwickelten natürlich das Know How der klugen weißen Männer. So eine Äußerung könnte man fast als Rassismus bewerten.
    In Wirklichkeit haben sich die Regierungen vieler dieser Länder (Ägypten, Südafrika, Sudan, Nigeria etc.) längst eine eigene Waffenproduktion aufgebaut, sicher oft als Joint Venture, aber immer auf eigene Intiative. Gestehen Sie, Herr Lübbers, diesen Regierungen auch ein bisschen Eigenveratntwortung zu oder handeln die alle als Marionetten – oder besser als Sklaven und Ausgebeutete – der sogenannten entwickelten oder Schwellenländer?

  96. Hallo Herr Flessner,
    es tut mir leid, ich habe den Link des Bonner Aufrufs Herrn Lübbers zugeschrieben und mich zugegebenermaßen ein wenig gewundert.
    Es war ein von Ihnen eingestellter Link. Sollte nicht, kann aber passieren.

  97. @Manfred Schmidt:

    „Ghana
    -nach 60 Jahren Unabhängigkeit-“

    Glauben Sie, Ghana ist wirklich unabhängig, zum Beispiel unabhängig von der Weltwirtschaft?

    Wir unterscheiden uns nicht so sehr darin, daß wir schlechte Regierungspolitik in afrikanischen Ländern schlecht finden. Jacob Zuma ist in seiner verbrecherischen Korruptheit Pieter Wilhelm Botha und Konsorten in nichts nach. Nur daß Herr Zuma wahrscheinlich keine Vorurteile bezüglich Menschen mit schwarzer Hautfarbe hat. Gewissermaßen die Gnade der schwarzen Haut von Geburt an.

    Es gab mal eine Zeit, da dachte ich, ok, der Ostblock ist Gott sei Dank gefallen, jetzt könnte man weltweit Diktatoren verjagen und wahre Demokratie schaffen. Auch so ein „Ende der Geschichte“, die nicht funktioniert hat.

    Wie soll ich von Ostfriesland aus zwischen den Praxissprechzeiten Einfluß nehmen auf Konsorten wie Jacob Zuma?

    Worin wir uns unterscheiden ist, wie wir den Einfluß der neoliberalen Ideologie und den Einfluß von Regierungen und Konzernen der Industrie- und Schwellenländer auf die Armutsländer bewerten. Ich halte diesen Einfluß für überwältigend groß. Sie nicht.

    Ich gehe gleich ne Runde schwimmen, und heute Abend gehen wir mit Freunden ins neue Auricher Kino. Allein dem ist es geschuldet, daß ich nicht nicht auf Ihre Links geklickt habe. Das ist keine Respektlosigkeit,.

  98. @ Frau Ernst:

    „Solange sie [ die an den Stammesfehden und Kriegen Beteiligten (Erklärung B.E.)] sich gegenseitig zu Tode erschrecken, sich hauen, mit Pfeil und Bogen schießen, sicher nicht.“

    Merken Sie eigentlich, wie arrogant das klingt?“

    Ich weiß! Ich fand den Satz richtig gut. Den Satz von mir! 🙂

  99. Was für eine Note hätte ich bei Ihnen bekommen, Frau Ernst, im Fach Politik oder Deutsch?

  100. Hallo Herr Lübbers,
    ich dachte tatsächlich die Phase des Argumentierens mit kruden Schlussfolgerungen sei überstanden, ich habe mich geirrt….
    Bleibt nur noch: kein Kommentar.

  101. @Manfred Schmidt
    Kein Problem.
    Sie hatten den Link auf den Artikel von Volker Seitz eingestellt. Da ich bei mir unbekannten Autoren immer gleich nach deren beruflichen Hintergrund google, bin ich auch auf den Bonner Aufruf gestossen.

  102. @Ralf-Michael Lübbers
    Es ehrt mich, wenn Sie meinen, dass ich von allem Ahnung habe. Aber das ist leider nicht der Fall und dann halte ich lieber den Mund. (Ich weiß, dass das jetzt einige auch wieder nicht glauben.)

  103. @ Ralf-Michael Lübbers

    Auf derart kurze Texte pflegte ich keine Noten zu geben. Ich hätte vielmehr einen Kommentar darunter geschrieben:
    „Ich bitte um mehr Respekt gegenüber den hier behandelten Personen. Achten Sie darauf, nicht in Rassismus abzugleiten.

    Außerdem mogeln Sie sich um die Antwort auf meine Frage herum. Es ging um die Hauptschuld an einem Mord durch Erschießen. Bleiben Sie also bitte beim Thema.“

  104. @Henning Flessner:

    „Man liest, dass es bisher keine Korrelation zwischen Entwicklungshilfe und Wirtschaftswachstum gibt.“

    Da gebe ich Ihnen recht. Leider dient Entwicklungshilfe ja nicht dazu, bei der „Entwicklung“ der arm gemachten Länder zu helfen, sondern Arbeitsplätze für die entw…hoch technisierten Länder zu schaffen und Geld zu verdienen.

    Zu Hause habe ich ein Buch (ja, ich weiß, eigene Bücher, nicht selbst investigativ geforscht) von einer Niederländerin, die sich kritisch zur Entwicklungshilfe äußert.

    „Die Regierungen vieler afrikanischer Länder sind sicherlich Teil der Fluchtursachen.“

    Richtig.

    „Die Probleme müssen in Afrika gelöst werden und wir sollten dabei helfen.“

    Teiweise richtig. (Herr Schmidt, bitte weglesen, ich argumentiere wieder krude.)

    Ich habe Sie gewarnt, Herr Schmidt.

    Wir sollten mit den richtigen Methoden helfen (was ist richtig?, damit die Menschen in Afrika vernünftig leben können. Das kann man in Afrika tun. Aber das reicht bei weitem nicht aus.

    Wie will ein ostfriesischer (meinetwegen studierter) Ländwirt einem einem „afrikanischen“ Bauern in „Afrika“ erklären, wie der am besten Landwirtschaft betreibe? Zum Bespiel einem Ägypter? Nord-, Mittel- oder Südägypten. Eher westlich oder östlich oder in der Mitte. Und dann gibt es da noch ein paar andere Länder in Afrika. Völlig unterschiedliche Landschaften. Völlig unterschiedliche technische Erfordernisse.

    Und dann kommt da ne Dürre. Oder Überschwemmung. Und plötzlich ist die schöne Ernte weg. Und dann betteln sie wieder. Um Essen. Nur weil …die Lausitz eine Hochburg für den Spitzen- und Breitensport bleiben soll. Was uns dabei hilft? Die Braunkohle. Für den Spitzen- und Breitensport brauchen wir Braunkohle. Das strotzt nur so von Logik. Nachzulesen (jetzt gibt es neue Fakten für Sie, Herr Flessner) LobbyPlanet Berlin, Seite 231 (abgegruckte Werbeanzeige der hauptsächlich im Spitze- und Breitensport akitven Vattenfall AG? Und die machen auch irgendwas mit Braunkohle. Abbauen (gibt Mukkies) und verbrennen (gibt…ähm…auch wichtig irgendwie).

  105. @Hennig Flessner:

    „Es ehrt mich, wenn Sie meinen, dass ich von allem Ahnung habe. Aber das ist leider nicht der Fall und dann halte ich lieber den Mund. (Ich weiß, dass das jetzt einige auch wieder nicht glauben.)“

    Daß Sie den Mund halten? Nee, glaube ich nicht. Wäre ja auch schade. Bin schon gespannt, was Sie hier und im Blog über die verlorenen Arbeiter über Lobbyismus äußern 🙂 Sie haben ja jetzt FaktenFaktenFakten!

  106. @Brigitte Ernst:

    …“mogeln Sie sich um die Antwort auf meine Frage herum. Es ging um die Hauptschuld an einem Mord durch Erschießen. Bleiben Sie also bitte beim Thema.“

    Jawoll! Sonst kriege ich bestimmt das Honorar von der Frankfurter Rundschau gestrichen, wenn ich hier Fragen nicht beantworte. (Scherz, ich bin Leserbriefschreiber wie alle hier, tippe aus purem Idealismus…)

    Mord Mord Mord. Wo stand denn das nochmal. Ach hier. Es ging ja wohl um den Satz:

    „Also sind nur die Waffenproduzenten verantwortlich, nicht aber diejenigen, die die Waffen freiwillig kaufen und einsetzen?“

    Oder sich freiwillig erschießen lassen. Ich stelle mir das so vor: Da ist so ein schwarzer afrikanischer Mörder, der eigentlich nur billig mit Pfeil und Bogen schießen (oder sind das die Indianer) und den Rest seines Geldes in einen S-Klasse-Mercedes stecken wollte. Und dann kommt da so ein dahergelaufener europäischer oder sogar deutscher (unglaublich) weißer Waffenlobbyist und verkauft ihm teures Zeug. Damit kann er dann zwar pro Zeiteinheit mehr Leute umbringen und hätte dann nach abgeschlossener Mordtat mehr Freizeit, aber nicht mehr so viel Geld für den S-Klasse Mercedes. Den muß er dann gebraucht kaufen. Und der entspricht dann vielleicht nicht den modernsten Abgasvorschriften (die neuen Diesel machen die Luft ja sauberer sie vorher war, und die Benziner bestimmt auch), und dadurch dürren die Felder dann so vor sich hin. Also wäre der doch besser bei Pfeil und Bogen geblieben, oder? Vielleicht kann man mit den Opfern ja auch irgendwelche freiwilligen Vereinbarungen treffen, daß die sich schon mal in eine Reihe stellen. Harter Tobak.

    „Wenn ich meinen Nachbarn erschieße, wird der Richter dann dem Waffenproduzenten die Hauptschuld geben oder mir?“

    Wie kommen Sie überhaupt an eine Waffe? Haben Sie eine? (Dann sollte ich vielleicht etwas vorsichtiger formulieren.) Sie wissen doch vielleicht, wie das in den USA läuft. Die Riffle-Lobbyisten kaufen sich demokratische und republikanische Abgeordnete, die die Waffengesetze (falls es die dort überhaupt noch gibt, 8.2.18, 14.43 Uhr) entschärfen, wodurch dort viele Menschen (mutmaßlich unfreiwillig) durch Schußwaffen einzeln oder dutzendeweise ermordet werden. Und dann werden die Mörder hingerichtet, so man ihnen habhaft wird (und in dem Bundesstaat die mittelalterliche Todesstrafe noch existiert). Was zwar den Henkern (sozialversicherungspflichtige) Arbeit verschafft, aber kurz gedacht ist, weil die Gefängniswärter ihren Job loswerden (was von der Beerdigungsindustrie nicht aufgefangen werden kann). Schon aus wirtschaftlichen Gründen ist der Satz Humbug: Why do we kill people, who killed people? To show, that it is wrong to kill people!

    Ich kann`s auch kürzer schreiben: Das Angebot (an Waffen) schafft Nachfrage (an Mordopfern). Ohne Waffen weniger Mordopfer. Vergleiche USA-Old Germany!

    Das mit dem Rassismus beantworte ich später. War wohl eine Retourkutsche? Schlagfertig!

  107. Das Buch, das ich oben erwähnte, heißt „Die Mitleidsindustrie“ von Linda Polman. Der Kernsatz: Kann Nothilfe in einem Kriegsgebiet neutral sein, oder verlängert sie automatisch den Koflikt und damit die Gewalt.

  108. @Brigitte Ernst:

    „Allein sind diese Wilden im Busch nur dazu fähig, sich wie kleine Kinder zu benehmen und sich mit lächerlich primitiven Waffen zu traktieren. Für einen richtigen Krieg brauchen diese armen Unterentwickelten natürlich das Know How der klugen weißen Männer. So eine Äußerung könnte man fast als Rassismus bewerten.“…„Ich bitte um mehr Respekt gegenüber den hier behandelten Personen. Achten Sie darauf, nicht in Rassismus abzugleiten.“

    Wir alle auf der ganzen Welt brauchen das Know how der Menschen, die vor uns gelebt haben. Irgendwann sprach mal jemand, und andere verstanden ihn. Irgendwann schrieb mal jemand, und andere lasen es. Irgendwann zählte jemand eins und eins zusammen und bekam richtigerweise zwei heraus. Und auf diesen jahrtausende Jahre alten Fertigkeiten baute dann Oppenheimer auf und entwickelte die Atombombe. Aber nicht allein, er arbeitete im Team. Und in einem Kinofilm (den ich noch nicht gesehen habe) zeigte man kürzlich, daß es zumindest einige Frauen gegeben haben muß, die rechnen konnten, und die waren sogar schwarz und weiblich und haben den Flug zum Mond berechnet. Was man da so rechnen muß. Und wiederum jemand hat den Schnellkochtopf entwickelt.

    Mich wundert das nicht. Weil ich glaube, die Intelligenz und auch die bisweilen fehlende Intelligenz und die Geschicklichkeit und die bisweilen fehlende Geschicklichkeit und die Empathie und die bisweilen fehlende Empathie im Wesentlichen bei allen „Rassen“ und Geschlechtern und sexuellen Orientierungen und zufälligen geographischen Geburtsorten ungefähr gleich verteilt ist.

    Der Unterschied zu Ghana und Co ist: Die haben nicht die Infrastruktur für gutes Regieren. Egoistischen Machthaber wirtschaften großteils in ihre eigenen Taschen. Weil sie das können. Weil supranationale neoliberale Institutionen wie die Welthandelsorganisation lieber mit solchen Leuten Geschäfte machen.

    Wir können Briefe an korrupte Diktatoren schreiben und darin unseren ehrlich empfundenen Unmut Ausdruck verleihen („das finde ich jetzt wirklich nicht gut und das sollten Sie anders machen“). So mache ich das zum Beispiel, wenn ich vorformulierte Briefe von amnesty international gegen die Todesstrafe verschicke. Aber (Herr Schmidt, bitte weglesen): Wir (die Menschen in den Industrie- und Schwellenländern) werden nicht darum herum kommen, unseren Ressourcenverbrauch und unseren Treibhausgasausstoß bei uns zu Hause schnell auf ein erträgliches Maß zu senken. Wir werden nicht darum herum kommen, fair mit dem Menschen in den Armutsländern umzugehen. Wir müssen fair mit ihnen verhandeln. Wir müssen darauf achten, die Einnahmen gerecht verteilt werden. Oder wir brechen den Handel ab. Ich kann mich erinnern, daß ich mal keine Bananen aus Südafrika gekauft habe. Wir (und vor allem die Superreichen) müssen von unserem überbordenden und nutzlosen Reichtum abgeben. Denn wären wir nicht reich, wären die nicht arm!

  109. @ Ralf-Michael Lübbers

    Viel verworrenes Zeug (soll lustig sein, ich weiß), aber meine Fragen sind immer noch nicht beantwortet.
    Ich beantworte sie mir jetzt selbst:
    Das mit den Waffen ist so ähnlich wie mit den SUVs. Die Waffenproduzenten zwingen die Leute förmlich dazu, sich Waffen zu kaufen und damit Leute umzubringen. Und die Autoindustrie zwingt die Verbraucher dazu, ständig dickere SUVs zu kaufen und damit die Umwelt zu ruinieren. Die armen Kunden, sie haben halt keine Wahl!

  110. Genau. Ohne Werbung/Manipulation gäbe es das nicht (so ausgeprägt). Tabak ist so ähnlich. In Ländern mit Tabakwerbung/Zigarettenautomaten/niedrigen Tabaksteuern/fehlenden Nichtraucherschutzgesetzen sind die Raucher praktisch gezwungen …nein, so funktioniert das nicht, aber in solchen Ländern ist die Raucherquote höher als in Ländern mit besseren Gesetzen.

    Werbung und Lobbyismus haben beide was mit Manipulation zu tun.

    Zu meiner Sicherheit: Besitzen Sie eine Waffe?

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