Die deutsche Sprache, so stellt es sich manchen Zeitgenoss:innen dar, wird derzeit vom Englischen geradezu überrannt. Stephan Hebel hat das Thema satirisch angefasst in seinem Text „Sprachauffrischung“ (online: „Woher kommt die Wut aufs ‚Boostern‘ wirklich?“ Die Reaktionen darauf zeigen jedoch: FR, wir finden das nicht lustig! Zumindest die überwiegende Zahl der Leserinnen und Leser äußern sich so, die sich deswegen gemeldet haben. Dabei geht es gar nicht mal immer um Anglizismen. Ich empfehle, vor den Zuschriften die Glosse von Stephan Hebel zu lesen.

fr-debatteWas haben „Bodybags“ mit Vielfalt zu tun?

Lieber Herr Hebel, können Sie sich vorstellen, dass man weder zur ersten, noch zur zweiten Gruppe gehört und dennoch die Flut der Anglizismen ablehnt, mit der gegenwärtig die deutsche Sprache überzogen wird?
Ich finde nicht, dass es „die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegelt“, wenn in Programmzeitschriften fürs Fernsehen bei den kommerziellen Sendern und bei Sky die aufgelisteten Filme fast nur noch mit dem (englischen) Originaltitel benannt sind.
Es ist auch total unproduktiv, wenn die bei REWE einkaufende Oma mich fragen muss, was denn „seedless Grapes“ seien. Wenn die Deutsche Lufthansa (bei der ich Jahrzehnte lang als Flugkapitän durch die Welt geflogen bin, wobei ausschließlich die englische Sprache benutzt wurde) im HR1 (der ausschließlich in D gehört wird) einen Werbebeitrag mit dem Spruch beendet: „Lufthansa, there’s no better way to fly“, dann ist der gemeine Hesse, wenn nicht überfordert, aber sicher „not amused“. ??
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir nicht mehr in der Lage sind, das, was wir ausdrücken möchten, durchaus attraktiv in unserer Muttersprache zu äußern. Vielleicht sind wir es auch tatsächlich nicht mehr. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir dafür das Englische beherrschen. Denn dann hätte Tchibo nicht vor ein paar Jahren in einem Angebot lässige Umhängetaschen aus Leinen „Bodybags“ genannt – so heißen die Säcke, in denen die Amerikaner ihre toten Soldaten in die Heimat geflogen haben.
Das mit dem Beherrschen der deutschen Sprache ist so eine Sache. Während meiner mittlerweile etwa 50 Jahre als Abonnent der FR habe ich früher hier und da mal einen Leserbrief wegen gravierender Fehler in den Artikeln geschrieben – höflich und in angemessenem Ton. Es hat nichts bewirkt, im Gegenteil, es ist immer schlimmer geworden. Niemals habe ich überhaupt eine Antwort bekommen. Gerade gestern musste ich wieder lesen, dass „Schimanski erstmals Gaunern … das Fürchten lehrte.“ Ist ja auch ziemlich schwer und kostet „dem Redakteur“ eine ganze Menge Konzentration.
Bevor ich jetzt auch noch über’s Gendern lamentiere, mache ich lieber Schluss. Fragen Sie dazu doch einfach mal Ihre Leser. Noch eins zum Schluss: Wenn Sie dem Typ Zwei attestieren, dass er „manchmal weder beim Gendern so recht mitkommt noch bei den Anglizismen“, dann, Herr Hebel, klingt das ziemlich arrogant und von oben herab. Vielleicht mag er einfach beides nicht.

Kurt Halstenberg, Eppertshausen

fr-debatteVielleicht wären Kurse in Reklame-Englisch sinnvoll

War neulich wieder einmal im MTZ. Mit meiner Frau. Folglich auch in einem großen Modege-schäft. Die fast einstündige Wartezeit, in der meine frühere Verlobte das Sortiment in Augenschein nahm, nutzte ich auf meine Weise: Ich sah mir die Werbesprüche an. „Darling Harbour“ stand da – für mich völlig beziehungslos – am Regal für Blusen. Auch mit „Looking to refresh your closet“ kam ich ebenso wenig klar wie mit „Shop the collection“. Den Hinweis „With you every step“ neben dem Foto einer attraktiven jungen Frau deutete ich als eine Aufforderung, ihr zu folgen. Ging aber nicht: Die erforderlichen Daten zu einer Kontaktaufnahme fehlten.
Werbeaussagen sollen ja, dachte ich mir, den Kunden informieren und ihn zu einer Reaktion veran-lassen. Bestenfalls zu einem Kauf. Da ich bei keiner der Angaben den eigentlichen Sinn verstand, fragte ich eine Verkäuferin. Ich gebe zu, es war scheinheilig und nicht ganz fair. Aber ich lerne ja gerne noch dazu. Ging aber hier nicht denn „Das ist doch alles nur Reklame. Kein Mensch hat bisher danach gefragt“, erfuhr ich von der Verkäuferin.
Doch dann wurde ich stutzig: „ANPROBE“ stand da über einer Kabine. Das klang nicht sehr Englisch. War den Werbetextern das englische Wort für „Anprobe“ nicht eingefallen?
Jetzt überlege ich: Soll ich bei der VHS einen Kurs belegen in Reklame-Englisch? Oder solche Geschäfte in Zukunft meiden? Ich werde mich wohl für das Letztere entscheiden.

Bernd Zürn, Flörsheim

fr-debatteSo wird jede Hinterhofklitsche zum Globalplayer

Prinzipiell stimme ich Stephan Hebel zu, das die Unsitte, sich mittels des Gebrauchs von Anglizismen den Anschein von Weltläufigkeit und Internationalität zu geben, kein Aufreger mehr sein sollte .
Lustig wird es, wenn ich demnächst wieder zum Frühlings-Sale aufgerufen werde, oder wenn einheimische Unternehmen immer häufiger ein „Group“ an den Firmennamen anhängen. So wird jede Hinterhofklitsche zum Globalplayer. Was nun in diesem Zusammenhang (oder muss man jetzt „Kontext“ sagen) den Anglizismus des Jahres betrifft, irritiert mich der gewählte Kandidat.
Wenn ich im Restaurant vor einem Übergroßen Teller sitze, auf dem der Küchenchef mit spitzen Fingern sorgfältig fünf Erbsen, drei Sprossen und ein Steack in der Größe eines Gulaschstückchens angerichtet hat, so nennt dieser Gourmet Tempel mit Sicherheit einen Michelinstern sein eigen. Auch der Weihnachtsstern, der die heiligen drei Könige zum Kindlein in der Krippe führte, ist mir seit Kindertagen bekannt, aber was zum Teufel ist ein Boostern?
Über die Marotte, den unwichtigsten Scheiß durch die Verwendung von Anglizismen aufzuwerten, kann man sich ärgern, oder es auch bleiben lassen.
Zum Schluss noch eine Frage an die Redaktion der FR. Wird vor dem Druck eigentlich noch Korrektur gelesen? Hierzu zwei Sätze aus den letzten Ausgaben.
Schwerverletzter Radfahrer kollidiert mit 48 jährigem Autofahrer!! Ich meine, wer sich schwerverletzt auf ein Fahrrad setzt, trägt zumindest eine Teilschuld am Zusammenstoß, oder?
Im Fernsehtipp des Tages las ich diesen Satz: Eine bereits halbverweste Leiche im rosa Kleid ist seit mindestens einer Woche tot!!! Tot, töter, am tötesten.

Dietmar Lehmann, Hattersheim

fr-debatteFür eine deutsche Sprache mit Zukunft

Der Tenor des Kommentars: „ein weiterer Anglizismus in der deutschen Sprache, so what? Die deutsche Sprache muss lebendig bleiben und die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.“
Wo wird hier gesellschaftliche Vielfalt widergespiegelt? Es geht nicht um türkische, arabische, slawische Neologismen. Fast ausschließlich Amerikanismen „bereichern“ unsere Sprache. Ich bin enttäuscht: Vor 30 oder 40 Jahren hätte die FR noch gekämpft gegen unnötigen Fremdwörtergebrauch in elitären Imponiersprachen, durch den bildungsmäßig weniger Privilegierte von der Wissensteilhabe ausgegrenzt wurden. Es gibt immer noch Menschen mit geringen Englischkenntnissen, die sich gar dafür schämen und aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen. Ihnen dient die Amerikanisierung unserer Sprache nicht. Selbst Sprachversierte kommen an ihre Grenzen. Auch die FR verwendet unsinnige englische Begriffe (Beispiel: „enforcement trailer“), die unerklärt bleiben.
Ich sehe nirgends eine generelle Angst vor ein paar neuen Modewörten oder vor Englisch als einer Art Lingua Franca. Es ist aber eine Tatsache, dass die deutsche Sprache durchgängig zurückgedrängt wird und zu einer Art Pidginsprache degeneriert. Unbestreitbar wird die Liste der Bereiche, in denen die deutsche Sprache durch die englische weggedrängt wird, täglich länger. Aus ökonomischer Sicht braucht die Welt nicht mehr als eine Sprache; jede weitere ist Ballast. Aber Sprache ist weit mehr als ein wirtschaftlich möglichst effizientes Kommunikationsmittel. Kürzlich titelte die FR „Wenn man die Identität eines Volkes zerstören will, muss man ihm nur die Sprache wegnehmen.“ Man muss kein Prophet sein um zu sehen, dass die deutsche Sprache, die noch diesen Namen verdient, bald nur noch ein Nischendasein führen wird, sofern es keine gesellschaftlichen und politischen Bemühungen gibt, dies abzuwenden.
Menschen, die sich um die Entwicklung Ihrer Sprache sorgen, in eine schwarz-weiß Kategorie zu einzuordnen und ihnen gleich noch einen politischen Standpunkt anzudichten, ist perfide. Ich appelliere an Sie, ihre Meinungsmacht verantwortungsvoll für eine deutsche Sprache mit Zukunft einzusetzen. Es lohnt sich, auch gegen den aktuellen Zeitgeist. Bereicherung entsteht aus einer Vielfalt von Sprachen, nicht aus einem Spracheinheitsbrei. Kluge Kultivierung und Pflege unserer Sprache ist auch ohne ideologische Aufladungen möglich.

Irmhild Hehlein, Frankfurt

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3 Kommentare zu “Seedless grapes with you every step

  1. Zu dem „Anglizismus-Rausch“:

    Ob Satire oder ernst gemeinte Beiträge: Ich möchte ja die deutsche Sprache nicht in den Himmel heben, aber dieser zeitgemäße Gebrauch des Englischen ödet mich allmählich an. Ich denke dass es viel mit Imponiergehabe, Wichtigtuerei und eben dem Gefühl auf der Höhe der Zeit zu sein zu tun hat.
    Ich finde diese oberflächliche und typisch neu-ökonomischen Entwicklung schade. Nicht nur, weil im Deutschen alle Worte, Begriffsbildungen vorhanden sind, um etwas deutlich zum Ausdruck zu bringen.

    Schon seit Jahren geistern „Sale“ und „World of Event“ und „Life-Style“ oder „To go“ durch die städtischen Einkaufsmeilen und an jedem billigen Laden.

    Das Englische bietet zur Bekräftigung manch vielleicht etwas hölzern wirkender, aber präziser Aussagen im Deutschen wiederum wunderbare kurze Zitate (Proverbs), beispielsweise „To walk the talk“. (Das auch tun, was man zu sagen hat).
    Das sind einfach so schöne „Bonbons“, die spontan ihren Platz finden.
    Mir nimmt diese „Anglizismen-Welle“ ein Stückweit die Lust am Gebrauch dieser Möglichkeiten, also mit dem Englischen eine Situation im Deutschen zu ergänzen, zu bereichern, bis hin auch ins Humorvolle zu übersetzen.
    Das Beispiel oben mit den „Bodybags“ von Kurt Halstenberg (also die Sinnentstellung) ist ja nur ein von vielen Beispielen diese Fehlschlägen bei der Anglizismus-Welle.
    Oft mehr als peinlich bis makaber.
    Da mag ja das „Boostern“ treffsicherer sein. Aber es ändert nichts an dem unaufhörlichen Hang zur Masche.
    „You can do what you will, but give eight!“

  2. Lieber Bronski,
    Du bezeichnest die Glosse von Stephan Hebel über Anglizismen (hier „Sprachauffrischung“ genannt) als „Satire“.
    (https://www.fr.de/meinung/kolumnen/boostern-anglizismus-des-jahres-2021-politik-sprachpolitik-glosse-91275164.html)
    Dem möchte ich deutlich widersprechen.
    Eine Klarstellung erscheint mir wesentlich, da falsches Verständnis eines Textes auch im Weiteren zu falschen Weichenstellungen führen kann.

    Zunächst stelle ich Thesen voran, die ich danach genauer begründen werde:
    1. Hebels Glosse ist keine Satire, sie entspricht nicht den Grundmerkmalen einer Satire im Sinne von Tucholsky.
    2. Sie kann als politisches Pamphlet bezeichnet werden, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:
    a. Es verschleiert reale Sachverhalte statt sie aufzudecken, indem z.B. völlig unterschiedliche Sachverhalte bzw. Tendenzen der Sprachveränderung miteinander vermengt und Bewertungen verdreht werden.
    b. Es konstruiert neue Schein-Zusammenhänge mit andersartigen gesellschaftlichen Tendenzen und behindert so rationale Auseinandersetzung, die kritische Analyse zur Voraussetzung hat.
    c. Es stellt einer vermeintlich „falschen“ Auffassung von Sprachveränderung die angeblich allein „richtige“ gegenüber. Durch willkürliche Reduktion auf dualistische Gegensätze wird so die gesellschaftliche Auseinandersetzung verschärft.
    d. Es befördert irrationale Tendenzen des gesellschaftlichen Diskurses, indem in seinem Sprachduktus ein Feindbild geschaffen wird.

    Die Begründungen im einzelnen:

    Zu 1. Satire:
    „Satire“ im Sinne von Tucholsky „bläht die Wirklichkeit auf, damit sie deutlicher wird“. („Was darf die Satire?“) Aber sie verfälscht diese nicht. Sie macht Wirklichkeit durch Kontraste „deutlicher“, indem sie Zwischentöne auslässt, sie eliminiert diese aber nicht. Und vor allem unterstellt sie nichts. Widersprüche sind nicht erfunden oder durch „Übertreibung“ entstanden, sie finden sich vielmehr in der Wirklichkeit selbst.
    Allen diesen Aspekten widerspricht die Glosse von Herrn Hebel ganz erheblich.

    Zu 2. Hebels Glosse als politisches Pamphlet:

    Zu a. Verschleierung:
    Hebel vermengt zunächst zwei völlig unterschiedliche Problembereiche von Sprache: Einerseits gibt es die Notwendigkeit, im Zuge einer sich verändernden Wirklichkeit ihre Fähigkeit zu adäquater Abbildung der Realität und zugleich ihre kommunikative Funktion zu erhalten. Dazu übernimmt jede Sprache mehr oder weniger Fremd- oder Lehnwörter aus anderen Sprachen. Merkmal für solche natürliche Sprachveränderung ist, dass entsprechende Begriffe in der eigenen Sprache noch gar nicht existieren.
    In dem Sinne spiegelt solche natürliche Sprachveränderung in der Tat „gesellschaftliche Vielfalt“ wider und ist ein Zeichen von „Lebendigkeit“.
    Dem diametral entgegengesetzt ist aber die zweite, – in linguistischer Hinsicht völlig widersinnige – Tendenz, u.a. der „Anglomanie“, die gegenwärtig weit dominanter ist:
    Sie eliminiert bewährte, schon vorhandene und sinnvolle sprachliche Begriffe bzw. Zusammenhänge und ersetzt sie durch fremdsprachlichen Import meist vager, oft unverständlicher und die Kommunikation störender Begriffe. Sie wirkt in sprachlicher Hinsicht destruktiv.
    Die Gründe dafür sind meist ideologischer bzw. egozentrischer Natur (z.B. Geltungssucht, gezielte gesellschaftliche Abgrenzung oder politisch intendierte Spaltung).
    Herr Hebel verwischt in seinem pauschalen, sachlich falschen Verständnis von „natürlicher Lebendigkeit von Sprachen“ nicht nur diese elementaren Unterschiede. Er verdreht die Realität, indem er deren Merkmal auf willkürliche, destruktiv wirkende Sprachveränderung (der zweiten Tendenz) überträgt und zu deren ideologischen Rechtfertigung benutzt.
    Er tut exakt das, was er seinen Gegnern vorwirft: Er transportiert Ideologie.

    Zu b. Schein-Zusammenhänge:
    Deutlich wird dies durch seinen zweiten Täuschungsversuch. Gezielt stellt er einen vermeintlichen inhaltlichen Zusammenhang zur Gendern-Ideologie her, der gar nicht existiert:
    „Sie (Menschen des Typs zwei) kommen zwar manchmal weder beim Gendern so recht mit noch bei den Anglizismen…“
    Der vermeintliche Zusammenhang von „Anglizismen“ und „Gendern“ ist ausschließlich in der Person von Anatol Stefanowitsch gegeben. Der fungiert einerseits als Initiator der Aktion „Anglizismus des Jahres“, zugleich aber auch als Hauptantreiber der Gendern-Bewegung.
    Was hier als Plädoyer für „entspannteren“ Umgang mit Anglizismen daherkommt, ist in Wahrheit eine gezielte politische Aktion zur Rechtfertigung und Verbreitung der Gendern-Ideologie. Eine solche wird von Anatol Stefanowitsch in mehrfacher Weise betrieben.
    Eine genauere Ausführung und Begründung dazu wird in einem weiteren Beitrag erfolgen.

    Zu c. Reduktion auf dualistische Gegensätze:
    Kurt Halstenberg fragt völlig zurecht: „Lieber Herr Hebel, können Sie sich vorstellen, dass man weder zur ersten, noch zur zweiten Gruppe gehört (…)?“
    Dass Herr Hebel diese Möglichkeit a priori ausschließt, hat freilich seinen Grund. Denken in Antagonismen schließt zugleich Differenzierungen aus und führt zu gesellschaftlicher Polarisierung: Hier zwischen einem angeblichen „Bollwerk linguistischen Deutschtums“ einerseits, das „aus seiner Skepsis eine Ideologie“ mache, und dem Ideal des ach so fortschrittlichen „Typ zwei“ andererseits, der „die Sache wesentlich entspannter sieht“.
    Wer auf so plumpe Weise polarisiert, hat natürlich eine dezidierte politische Absicht.
    Er verrät aber auch sein eigenes Weltbild, das erkennbar nicht ohne Feindbilder auskommt. Und das sich dadurch zu erkennen gibt, dass es eigenes antagonistisches Denken auf andere projiziert.
    Sprachlich bemerkenswert ist dabei, wie abrupt hier die gehässige „Satire“ über den verklemmten Sprachfeind in Apologie umschlägt. Und sie endet im Entwurf eines romantischen Idylls vom ach so sympathischen Zeitgenossen, welcher die Invasion von Anglizismen „ganz entspannt“ entgegen nimmt, mit einem „Glas Bitter Lemon“ in der Hand, und sich dabei an seiner „Lieblingssportart“ erfreut.

    Zu d. Feindbilder und Ideologieverdacht:
    Irmhild Hehlein legt den Finger auf den entscheidenden Punkt: „Wo wird hier gesellschaftliche Vielfalt widergespiegelt?“
    Sie hat offensichtlich erfasst, dass Herr Hebel gar keinen produktiven Beitrag leisten will, um komplexe Bedingungen von Sprachveränderung zu beleuchten.
    Seine Methodik und sein Sprachgebrauch verraten, worum es ihm wirklich geht:
    Er widerlegt die seiner Meinung nach „falsche“ Auffassung nicht durch Fakten, sondern überzeichnet sie polemisch durch gezielt einseitige Interpretation und stellt sie unter Ideologieverdacht. Gleichzeitig sonnt er sich selbst im Wohlgefühl des vermeintlich „entspannten“, angeblich über den Dingen stehenden Betrachters.
    Und er scheut keine Unterstellung zur Diskreditierung der ihm nicht genehmen Position.
    So, dass für imaginierte Anhänger derselben ein Andersdenkender wie Stefanowitsch nur ein „Verräter“ sein könne oder dass die Begegnung mit anderem Sprachverhalten bei ihnen notwendiger Weise „einen Wutanfall“ auslöse. – In der Tat: Sprache ist verräterisch.
    Mit anderen Worten:
    Hier ist keinerlei Interesse an Sprache, natürlicher Sprachveränderung oder an „Vielfalt“ zu erkennen. Es geht allein um Diskreditierung zum einen und um affirmative Apologie zum andern. Und um dies glaubwürdig erscheinen zu lassen, baut sich Herr Hebel seinen Buhmann auf – so, wie er ihn braucht.

    Ein Tucholsky hätte über solch plumpe Instrumentalisierung von „Satire“ zu affirmativ-apologetischen Zwecken – vorsichtig ausgedrückt – vermutlich nur den Kopf geschüttelt.
    ——————

    Dietmar Lehmann meint, dass die „Unsitte“ der Anglizismen „kein Aufreger mehr sein sollte“.
    Diese Auffassung ist erkennbar zu oberflächlich. Sie verkennt, dass es sich nicht einfach darum geht, sich irgendwie zu verständigen, sondern dass es sich hier um die Muttersprache handelt, die selbstverständlich auch mit Identitätsbildung zu tun hat: Sie ist in gewissem Sinn integrativer Bestandteil eigener Identität.
    Frau Hehlein hat dies mit der Unterscheidung zwischen Muttersprache und „Lingua franca“ richtig erkannt und benannt.
    Eigenen Snobismus aufzupeppen, indem man muttersprachlichen Wortschatz durch vermeintlich „eleganteren“ fremden verdrängt – oder, wie Hebel meint, „auffrischt“ – das ist Ausdruck eines gestörten Verhältnisses zur eigenen Sprache und Kultur, von „Verdrängung“ auch im psychologischen Sinn. Etwa aus Angst oder Scham, als Deutscher oder Deutsche erkannt zu werden, wie ich es früher vor allem im Ausland häufiger beobachtet habe.
    Mit Aufgeschlossenheit hat dies nichts zu tun, es ist eher das Gegenteil. Denn die Öffnung für Fremdes setzt das Bewusstsein der eigenen Identität voraus. Seit Jahrzehnten im Ausland lebend und als Vater dreier binationaler und mehrsprachiger Kinder erlebe ich das fast täglich.

    Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die vielfältigen und massiven Angriffe auf „die deutsche Sprache“ nicht aus isolierten Betrachtungen zu Anglizismen zu verstehen sind, und ebenso wenig die Betroffenheit, die diese auslösen. Und die Analyse darf auch nicht aus dem politischen Zusammenhang gerissen werden – im Fall von Anglizismen zumindest implizit und bei der Gendern-Ideologie auch explizit.
    Dies erfordert einen wesentlich breiteren, sowohl linguistischen wie politischen Ansatz.
    Ich möchte dies, ausgehend von Jürgen Malysseks Hinweisen auf „Wichtigtuerei“, aber auch „typisch neu-ökonomischen Entwicklung“ in einem weiteren Beitrag versuchen.

  3. Sprachliche Tendenzen und ihre Folgen im Überblick

    Oberflächlich gesehen, erscheint es geradezu aberwitzig: Da diskutieren wir zu Zeiten der Pandemie und drohenden Krieges in regelmäßigen Abständen und mit Leidenschaft über Sprache – als ob es keine anderen Probleme gäbe.
    Wer sich lange genug mit der Thematik beschäftigt hat, Zusammenhänge erkennt wie die Bedeutung von Muttersprache für die eigene Identität, und wer die vielfältigen Angriffe auf unsere Muttersprache als konzertierte Aktion begreift, der sieht das freilich etwas anders.
    Im Folgenden versuche ich, nach linguistischen, soziologischen und politischen Kriterien im Überblick wesentliche Zusammenhänge aufzuzeigen und zu bewerten. Ich beschränke mich dabei weitgehend auf Resultate und verzichte auf Begründungen. Dafür gebe ich an verschiedenen Stellen Hinweise zu ausführlicheren Analysen.

    Jürgen Malyssek weist auf zwei Determinanten für Sprachveränderung hin: einen psychologischen („Wichtigtuerei“) und einen objektiven („neu-ökonomische Entwicklung“). Im Sinne von Habermas füge ich dem als Zwischenglied eine soziologische Kategorie hinzu.
    Zu erfassen ist das Zusammenwirken folgender Angriffe auf die deutsche Sprache:
    (1) Anglomanie („Anglizismus-Rausch“),
    (2) „Politische Korrektheit“ („political corectness“)
    (3) Gendern-Ideologie.

    I. Linguistische Vorklärung:

    Sprache ist das wertvollste Instrument für „Welt- und Selbstverständnis“ (psychologische Komponente) einerseits, für „zwischenmenschliche Verständigung“ in der Sprachgemeinschaft (soziale Komponente) andererseits.
    Voraussetzung dafür sind folgende Grundfunktionen:
    (a) Sprachökonomie und Mehrdeutigkeit (Homonymie),
    (b) begriffliche Präzision und Wandlungsfähigkeit
    (c) Akzeptanz in der Sprachgemeinschaft

    Zu (a):
    Sprachökonomie ist die wichtigste Bedingung für das Funktionieren von Sprache überhaupt. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass keine Sprache genügend Begriffe besitzt, um Wirklichkeit, die um ein Vielfaches umfassender ist, adäquat widerzuspiegeln.
    Vielfach haben Wörter mehrere Bedeutungen (Homonyme), insbesondere trifft das auf grammatische Partikel und Elemente (z.B. Suffixe) zu.
    Das gilt im Deutschen auch für das „generische Maskulinum“: Es hat einerseits geschlechtsneutrale Funktion, besitzt andererseits auch geschlechtsspezifische, „maskuline“ Bedeutung. In dieser Doppelfunktion ist es nicht einfach ersetzbar. Deren Unterscheidung ist aber im Kontext so gut wie immer möglich – sofern man diesen nicht aus Gründen ideologischer Fixierung ignoriert.
    (Dazu: Peter Eisenberg, Die Debatte um den Genderstern, https://www.tagesspiegel.de/wissen/debatte-um-den-gender-stern-finger-weg-vom-generischen-maskulinum/22881808.html)

    Zu (b):
    Sprachliche Begriffe besitzen generell sowohl denotative (bezeichnende) als auch konnotative (emotionale) Funktion. Ausreichende Präzision der Begriffe (Denotation) ist Voraussetzung für klares begriffliches Denken. Nehmen vage Assoziationen (Konnotationen) überhand, ist die Gefahr der Manipulation durch Sprache sehr hoch.
    Darüber hinaus spiegelt Sprache eine Wirklichkeit wider, die sich fortentwickelt. Sie muss daher fähig sein, neue Begriffe (Fremdwörter, Lehnwörter) aufzunehmen und in das eigene System zu integrieren. Solche „natürliche Sprachentwicklung“ ist prinzipiell durch die sich verändernde Wirklichkeit bedingt. Willkürliche Eingriffe in das Sprachsystem dagegen haben damit nichts zu tun und sind so auch nicht zu legitimieren.

    Zu (c):
    Zusammen mit Sprachökonomie stellt Akzeptanz durch die Sprachgemeinschaft das entscheidende Korrektiv der Sprache dar, um wildwucherndem Sprachwandel entgegen zu wirken und ihre Grundfunktionen zu erhalten.
    Diese Prinzipien sind so stark, dass sich noch nie eine „Sprachveränderung“ durchgesetzt hat, die den Erfordernissen der Sprachökonomie nicht entsprach.

    II. Zur politischen und soziologischen Analyse der einzelnen Angriffe auf die deutsche Sprache:

    Zu (1) Anglomanie:

    Geltungssucht ist ein psychologischer Mechanismus, der zusammen mit Gruppendruck Sprachverhalten beeinflussen und auch verändern kann. Das muss sich nicht in allen Fällen schädlich auf das Sprachsystem auswirken. Auf solche Weise in Gang gesetzte Bedeutungsverschiebungen gab es in der Sprachgeschichte öfter (z.B. bei „Frau“, ursprünglich „Herrin“, hin zur Geschlechtsbezeichnung statt ursprünglich „Weib“).
    Anders ist das, wenn (wie in meinem 1. Beitrag ausgeführt) sinnvolle existierende Begriffe durch Import vager fremdsprachlicher Wörter verdrängt und so die begriffliche Klarheit beschädigt wird. Bekanntestes Beispiel dafür ist gedankenloser Gebrauch des Allerweltworts (oder Nullworts) „cool“ in der Jugendsprache. Unfähigkeit zu klarer begrifflicher Unterscheidung ist die Folge. Hier nun kann der Schaden durch verantwortungsvolle Spracherziehung wohl noch eingedämmt werden.

    Weit höher aber ist die Gefahr der Manipulation und nachhaltiger Beschädigung der Sprache (und damit rationalen Denkens), wenn systematisch „Neusprech“ solcher Art als Vehikel zur Durchsetzung ökonomischer Interessen benutzt wird.
    Dies ist etwa bei Überflutung der Gesellschaft mit Anglizismen bei Werbung der Fall. Und Jürgen Habermas sieht im Übergang von „Werbung“ für ein Produkt zu „Public relations“, also zu gezielter psychologischer Verhaltenssteuerung, das entscheidende Moment für „Refeudalisierung“ öffentlicher Beziehungen in der modernen Gesellschaft („Strukturwandel der Öffentlichkeit“, S. 233).
    Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass zu diesem Zweck rationale Begrifflichkeit gezielt zerstört wird. Die „Werbebotschaft“ soll ja gar nicht verstanden werden. Sie soll vielmehr suggestiv auf das Unterbewussten einwirken. Unverstandene englische Pseudo-Begriffe, die „irgendwie cool“ erscheinen, sind für solche Zwecke ideal.
    „Wichtigtuerei“ wird so zum psychologischen, ihre Instrumentalisierung und Forcierung durch Gruppendruck zum soziologischen Vehikel zur Durchsetzung ökonomischer Interessen.
    So gesehen, ist die von Stefan Hebel zur Schau gestellte „gelassene“ Beliebigkeit nicht nur naiv (wie im 1. Beitrag aufgezeigt), dies fördert auch eben solche manipulative Tendenzen.

    Zu (2) „Politische Korrektheit“:

    Anatol Stefanowitsch ist als Guru und Apologet der Gendern-Bewegung bekannt („Gerechte Sprache als moralische Pflicht“, „Streitschrift“, Duden-Verlag, 2018, 67 S.).
    Es ist aber kein Zufall, wenn er zugleich als Initiator der Aktion „Anglizismus des Jahres“ sein ideologisches Scherflein zur oben genannten Entwicklung beiträgt. Ebenso wenig, wenn er darüber hinaus „freiheits“-vernarrte Deutsche so zu disziplinieren sucht, dass sie ihm auch zujubeln, wenn er ihnen „politisch korrekte Sprache“ verordnet. Und dazu verabreicht er viel Moralin als geeignet erscheinende Medizin („Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“, Vortrag FU Berlin, 12.2.2020).
    Sicher erscheint es anachronistisch, wenn dabei der von Stefan Hebel bewunderte Linguist mit gleicher Inbrunst das gerade Gegenteil von „Gelassenheit“ proklamiert. Dieses Wort kann aber auch ein Synonym für „Gleichgültigkeit“ oder „Gedankenlosigkeit“ sein: einer Haltung, die alles zu akzeptieren bereit ist, was immer es auch sei – also auch sprachliche Verordnungen, wenn sie nur entsprechend mit „moralischem“ Glanz verpackt sind.

    Rezensionen geben Hinweise, wie solche moralische Aufladung des Diskurses wirkt: „Durch die Wahl des Vokabulars gestalten wir die Gesellschaft, (…) Eckpunkte meiner Wunsch-Gesellschaft.“ „Political correctness“, als Kampf gegen Diskriminierung von Minderheiten deklariert, welche das „N-Wort“, das „Zigeunerschnitzel“ und die (seit 4 Jahrhunderten existierende) „Mohrenapotheke“ ächtet, scheint eben diesen Traum von der „Wunsch-Gesellschaft“ realisieren zu können.
    Da kommt kein Gedanke daran auf, dass behaupteter „Schutz von Minderheiten“ nur vorgeschoben sein könnte. Dass es in Wahrheit um die Definitionshoheit kleiner Gruppen über Sprachverhalten der überwältigemnden Mehrheit gehen könnte.
    So etwa bei der Kontroverse um die Übersetzung des Gedichts „The Hill We Climb“, vorgetragen von der schwarzen Bürgerrechtlerin Amanda Gorman bei der Amtseinführung von US-Präsident Biden am 20. 1. 2021: Als der vom Verlag beauftragten Übersetzerin als „weißer, nichtbinärer Person“ die Fähigkeit und das Recht abgesprochen wurde, sich in die schwarze Bürgerrechtlerin hineinzuversetzen.
    Kein Gedanke daran, dass auch eine Art Kulturkampf inszeniert werden könnte, so etwa, wenn „weiße alte Männer“ pauschal des „Rassismus“ verdächtigt werden. Dabei werden nicht nur kulturelle Traditionen, die Fähigkeit zu Empathie in Frage gestellt, sondern Kultur überhaupt. Denn, so Wolfgang Thierse dazu: „Ohne Aneignung von Fremdem gibt es keine Kultur.“
    (Vgl. dazu: Thread „Zehn kleine N-Wortlein und der Z-Wortjunge“, http://frblog.de/n-wort/#comment-65583
    Genauere Ausführungen dazu in meiner Analyse auf der Website: „Gendern, ‚politisch korrekte Sprache‘ und Moral“ sowie: „Identitäre Ideologie und ‚Sichtbarkeit‘ in der Gendern-Bewegung“).

    Zu (3) Gendern-Ideologie:

    Bei vorgenannten Beispielen findet Sprachveränderung allein auf lexikalischer Ebene statt. Die Gendern-Ideologie dagegen strebt eine radikale Ummodelung des grammatischen Systems der „deutschen Herrensprache“ nach „radikalfeministischem“ Muster an. Die am häufigsten dafür angeführte Rechtfertigung, man könne sich doch nicht einer „gerechten Sprache“ und „natürlicher Sprachveränderung“ entgegenstellen, ist zugleich die dümmste. Denn Vergleichbares hat es, zumindest in der deutschen Sprachgeschichte, nie gegeben – nicht einmal unter zwei diktatorischen Regimen. Und die an Größenwahn grenzende Vorstellung einer Luise Pusch von einer regelmäßigen „Umerziehung“ einer Sprachgemeinschaft von ca. 200 Millionen Menschen im ca. 100jährigen Rhythmus „nach dem Rotationsprinzip“ entzieht sich einer rationalen Kommentierung.
    (Interview April 2021, https://www.youtube.com/watch?v=GKwuyaTzxTg&t=1216s)

    Genaueres Eingehen auf die konkrete Realisierung, die Zehntausende von Wörtern betreffen würde, und auf die eklatanten Widersprüche erübrigt sich. Dazu ist schon viel dokumentiert.
    (Vgl. u.a.: Thread „Zehn kleine N-Wortlein …“, http://frblog.de/n-wort/#comment-65624,
    oder Website von Paul Pfeffer, https://paulpfeffer.jimdofree.com/aufs%C3%A4tze/)

    An dieser Stelle also nur einige grundsätzliche Erwägungen.
    Schon aus den unter (c) aufgeführten Hinweisen zur „Sprachökonomie“ ergibt sich, dass nach bisherigen Erkenntnissen der Sprachentwicklung die Chancen einer dauerhaften Realisierung eines solchen imaginierten Jahrtausend-Projekts in der Praxis annähernd Null sind.
    Dessen ist sich auch ein Gendern-Guru wie Anatol Stefanowitsch bewusst. Umso größer daher der Aufwand, durch Vermengen der hier genannten Bereiche Verwirrung zu stiften, die Gendern-Bewegung „moralisch“ zu adeln und zu überhöhen, Kritiker zu diskreditieren, mit Hilfe bestimmter Medien und gesellschaftlicher Multiplikatoren Fakten zu schaffen, nach Vorschriften und Sanktionierung unbotmäßigen Verhaltens, besonderes im universitären Bereich, zu rufen, Gruppendruck auf Menschen auszuüben, die sich als „geistige“ und „moralische Vorhut“ der Gesellschaft empfinden, und sich ansonsten der Diskussion möglichst zu entziehen.
    Dass dies immer weniger gelingt, zeigt die gewaltige Resonanz auf die Veröffentlichung eines kritischen Videos einer jungen Youtuberin, Alicia Joe, insbesondere im universitären Bereich. (https://www.youtube.com/watch?v=aZaBzeVbLnQ).

    Diese Einschätzung wird durch folgende Beobachtung erhärtet:
    „Werbebotschafter“, die (wie unter (1) ausgeführt) Sprache zum Zweck von Profitinteressen instrumentalisieren, sind psychologisch bestens ausgebildet. Sie hätten sich schon längst an die Spitze der Gendern-Bewegung gesetzt, sähen sie dabei nur den Hauch eines Nutzens. Der hier herrschende Dilettantismus wäre aber auch für ihre Zwecke kontraproduktiv.

    Dazu einige Hinweise:
    „Feministische Linguistik“, pseudo-wissenschaftliche Grundlage der Gendern-Bewegung, versteht sich nach Luise Puschs eigenen Worten als Anti-Wissenschaft, gekennzeichnet durch eklektische Methodik („Unbekümmertheit“), Vorurteile als Urteilsmaßstab und Prinzip („Subjektivität und entschlossene Parteilichkeit“) und extreme Zuspitzung bis zur Verzerrung („radikalfeministische Verve“). („Das Deutsche als Männersprache“, S. 10)
    Relevant wird dies bei der ideologisch bedingten Fehlinterpretation der Funktion des „generischen Maskulinums“. Diese basiert auf der Weigerung, Kontexte zum Sprachverständnis zu nutzen, und der Vermengung von konkreten Sprechakten mit Sprache als grammatischem System. Dies erst ermöglicht die bis zum Erbrechen wiederholte Behauptung, Frauen seien nur „mitgemeint“, in apokalyptischer Weise gesteigert zur „sprachlichen Vernichtung der Frau“ (ebd., S. 11).
    Das Feindbild „deutsche Sprache“ wird nur noch gesteigert durch Hassausbrüche gegen alle, die ihrer Prophetie einer „neuen Harmonie“, etabliert durch „die feministische Kongruenzregel“ nicht gebührende Reverenz erweisen. Sie begehen „geistigen Gynocid“, egal, wie „emanzipatorisch“ ihre Absichten sein mögen: „Den besagten Gynocid begehen sie alle.“ („Das Deutsche als Männersprache“, S. 30 und 107).

    Ideologiekritische Analyse entlarvt, dass Dilettantismus und Exzesse der Gendern-Bewegung nicht Randerscheinungen, sondern systembedingt sind.
    Die Illusion, „moderat“ gendern zu können, macht subjektive Willkür zum Prinzip, beseitigt aber nicht die Grundübel, insbesondere die radikale Sexualisierung des öffentlichen Sprachgebrauchs.
    Auch hier schütteln Werbepsychologen nur den Kopf. Sie wissen, dass Werbung, um Akzeptanz zu erreichen, unter permanentem Innovationsdruck steht: Sie muss immer wieder „originell“ erscheinen. Dass die Stupidität, mit der die Gendern-„Botschaft“ eingehämmert wird, das gerade Gegenteil bewirkt: immer massiver werdende Abwehr – und das sehr zurecht. Auch dies ist ein eindeutiges Indiz, dass die Gendern-Bewegung scheitern wird.

    Sicher stellt sich die Frage, was mit der deutschen Sprache passiert ( immerhin – noch – die Sprache der Philosophie), wenn öffentlich-rechtliche Medien (immer noch ihren Zuschauern verpflichtet) sich aus eigener Machtvollkommenheit zu Eigentümern „der Sprache“ aufwerfen, nach deren privaten Verständnis von „Sprache“ man sich zu richten habe, die nach eigenem Gusto Tausende von Wörtern im Orkus des Vergessens verschwinden lassen.

    Auf die verheerenden Auswirkungen für sprachliches Unterscheidungsvermögen durch die von Luise Pusch verordnete „gezielte Allergie gegen das Maskulinum“, auf die um sich greifende Manie, untadelige Wörter durch oft lächerliche substantivierte Partizipien vom Typ „Forschende“ oder „Demonstrierende“ (also auch „Querulierende“ statt „Querulanten“?) zu ersetzen, ist schon verschiedentlich hingewiesen worden.
    („Das Deutsche als Männersprache“, S.11)
    Auch hier ist das noch das unter c) genannte Korrektiv der Akzeptanz durch die Sprachgemeinschaft gefragt.
    Die Bewertung ist allerdings der in Hebels Glosse entgegengesetzt. Das dem Gendern sich entgegenstellende „Bollwerk“ hat nichts mit Weltanschauung, schon gar nichts mit „Deutschtum“ zu tun. Es resultiert schlicht aus der Erkenntnis, dass Sprache ein vor Übergriffen zu schützendes Gut ist, dass es „Eigentum“ der gesamten Sprachgemeinschaft ist, über das zu verfügen keine sich noch so elitär gebärdende Gruppe ein Recht besitzt.

    Entscheidender dürfte aber die Frage sein, welche gesellschaftlichen Auswirkungen eine solche ideologische Kampfansage an die deutsche Sprache nach sich ziehen kann: etwa in Form einer Spaltung der Sprachgemeinschaft, oder eines inszenierten Kulturkampfs im Geschlechterkampf-Modus.

    Was den Sachverhalt sicher nicht besser macht: All das erfolgt überwiegend nicht nur im Namen einer „gerechten Sprache“, sondern auch ausgestattet mit dem Impetus „linker identitärer“ Gesellschaftspolitik.
    Da müssten sich dann die Urväter der sozialdemokratischen Bewegung gründlich darin getäuscht haben, was „Gerechtigkeit“ und „Solidarität“ bedeuten.
    In der Schule der Gendern-Apologeten von heute wären denen viele Stunden des Nachsitzens zu verordnen: Müssten sie doch begreifen lernen, was aus ihren Idealen geworden ist, was Quer-Denken im 21. Jahrhundert bedeutet und wohin es führt:

    Die wirklichen Vertreter des nationalistischen „Bollwerks“ aber liegen längst auf der Lauer, um den ihnen von „links“ zugespielten Ball aufzugreifen und ihn in die rechte obere Ecke der Rückkehr in unselige Verhältnisse der Vergangenheit zu befördern.
    Nicht zuletzt auch „dank“ des Selbstbetrugs der Gendern-Bewegung.

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