Was kann man gegen die Rechten tun, wenn man sich vielerorts offensichtlich an sie gewöhnt hat? Im Juni der Übergriff auf die Theatergruppe in Halberstadt. Im August Mügeln. Jetzt Mittweida, wo einer jungen Frau ein Hakenkreuz in die Haut geritzt wurde. Der ganz normale Wahnsinn? Carolin Böhm aus Dresden hat Beobachtungen gemacht, die sie erschrecken:

„Als ich vor zwei Jahren wegen meines Studiums nach Dresden zog, war mir nicht klar, was mich hier erwarten würde. Dann musste ich mit Entsetzen feststellen, dass es hier so etwas wie einen „braunen Alltag“ gibt. Dieser fällt nicht durch tägliche Gewalttaten auf, sondern zeigt sich in der weit verbreiteten ausländerfeindlichen Grundhaltung der Menschen. Zum Beispiel werden hier grundsätzlich alle Menschen asiatischer Abstammung als „Fidschis“ bezeichnet, egal aus welchem Teil Asiens sie kommen. Meine Nachfragen wurde mit Verwunderung beantwortet, das sei hier ganz normal und natürlich nicht ausländerfeindlich gemeint. Es kommt auch vor, dass Menschen in der Straßenbahn demonstrativ aufstehen, wenn sich ein ausländisch aussehender Mensch neben sie setzt. Dieses erschreckende Verhalten macht mich wirklich wütend.
Ich bin in Frankfurt mit allerlei Nationen vom Kindergarten an aufgewachsen und habe auch jetzt noch viele Ausländer im Freundeskreis. Ich betone, dass ich nicht alle DresdnerInnen in einen Topf werfe. Ich weiß, dass es hier viele weltoffene Bürger gibt.
Nach dem Vorfall in Mügeln habe ich mich entschlossen, mit meinen Mitteln ein Zeichen gegen die rechte Gewalt zu setzen: Ich werde das Thema „Rechtsradikalismus in Sachsen“ in meinem Vordiplom behandeln und mich diesem Thema auch bei meiner späteren Berufswahl widmen. Ich fühle mich einfach verpflichtet, etwas zu tun.“

Das was dagegen tun? Korinna Schneider aus Frankfurt meint:

„Ich bin keine Leserbriefschreiberin, aber allmählich bricht sich bei mir eine große Wut Bahn, die raus muss. Die Übergriffe von „Braunen“ entsetzen mich. Noch entsetzter bin ich allerdings über das Maß an Duldung und Wegsehen! Warum lassen wir uns von braunen Glatzen einschüchtern? Warum akzeptieren wir „No-Go-Areas“, wo sich Menschen tummeln, die unter einer freiheitlich-demokratischen Gemeinschaft verstehen, dass sie Minderheiten drangsalieren und sich dann (endlich mal!) stark fühlen können? Wir alle machen uns schuldig, wenn wir wegsehen oder solche Taten womöglich sogar still dulden!
Mit Verboten allein ist es nicht getan: Es muss eine Perspektive her für die, die ohne schulische/berufliche Qualifikation lieber der Stammtischhetze erliegen. Ich sehe bei vielen Deutschen einen verhängnisvollen Drang zum Mitläufertum. Wir alle können nicht wollen, dass wir aus Bequemlichkeit (!) in Zustände zurückfallen, die wir überwunden geglaubt haben!“

Auch im Westen gibt es rechte Gewalt. René Christer aus Braunschweig:

„Ich bin schockiert, mit welcher Voreingenommenheit wieder mal nur Beispiele aus Ostdeutschland genannt werden. Ich bestreite nicht, dass es sie gibt, auch ich bin enttäuscht darüber, wie so was möglich ist. Aber die Vorfälle in den alten Ländern existieren in ihren Augen anscheinend nicht! Vielleicht wollen Sie es auch nicht sehen. Ich wehre mich entschieden dagegen, dass hier mal wieder Meinungsmache betrieben wird.
Ich kann aus Erfahrung sprechen, dass rechte Gewalt und ihr schweigendes Hinnehmen nicht nur im Osten, NEIN, erst Recht im Westen existiert! Ich bin vor sechs Jahren aus Mecklenburg nach Niedersachsen gezogen. Hier in Niedersachsen habe ich mehr rechte Erscheinungen, Gewalt erlebt, als in M-V! Hier spricht keiner darüber, es steht nichts in der Zeitung!
Glauben Sie mir, ich möchte nichts beschönigen. Aber so ist das leider in unserer Gesellschaft: Solange kein größerer Schaden auftritt, unternimmt niemand was. Es werden lediglich Schuldzuweisungen von West nach Ost und von Ost nach West verteilt.“

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9 Kommentare zu “Ganz normaler Wahnsinn

  1. „Was kann man gegen die Rechten tun“? – So der Beginn des Einleitungs-Textes.

    Darauf gibt es keine allgemein gültige Antwort, sondern ein jeder wirke an seinem Platz. Als Orientierung für FR-Print und FR-Blog bedeutet dies:

    1. Einen Blogger mundtot machen, indem man seine kritischen Interventionen als Nörgelei diskreditiert, mit denen er zu bedenken gibt, man könne hier vielleicht etwas gegen die Rechten tun, indem man gestandene Faschismus-Theoretiker und Antifaschisten, die seit Jahrzehnten mit dem Rechtsradikalismus theoretisch und praktisch befasst sind, mit ihrer Einschätzung der Öffentlichkeit zu Gehör bringt.

    2. Stattdessen ausgiebig Kolumnisten zu Wort kommen lassen, die sich konsequent gegen Rechts wenden, indem sie z.B. dafür plädieren, Holocaust-Leugnung nicht zu kriminalisieren, weil sonst die gewalttätigen Rechtsradikalen einen schlechten Eindruck von unserer demokratischen Kultur bekommen könnten, oder dafür, endlich einmal das Nachdenken darüber besser zu pflegen, was am und im 3. Reich so alles gut und richtig gewesen sei.

  2. Welche Auffassungen zur Behandlung von Wahnsinn bestehen, das könnte die FR ja mal in den zugelassenen, gewählten Parteien recherchieren und berichten.

  3. „Was kann man gegen die Rechten tun“?

    Nun, zum Beispiel kritischer und entschiedener berichten und kommentieren, wenn an der Marburger Universität jetzt gegen den Protest der Studierenden der Abendroth-Lehrstul abgeschafft worden ist, als es die FR in zwei winzigen Meldungen, eine in der Südhessenausgabe auf Seite R23, eine in der Deutschlandausgabe auf Seite D4 am 30.11.2007 tat. Hier genügte der FR ein Redakteur gec, der Agenturmeldungen zusammenschrieb, statt Hintergrundsarbeit zu leisten und zu kommentieren.

    Auf diesem so unverteidigt gebliebenen Lehrstuhl könnte weiter gelehrt worden sein, was den „Wahnsinn“ verhindert, so haben wir jetzt einen Leerstuhl mehr.

  4. Mit „Marx“ bekämpft man nicht die braune Brut und ist letztendlich nur ein chameleonsches Farbenwechselspiel, im praktiziertem Ergebnis vom Regen in die Traufe. Zu „Abendroth-Lehrstul“ schafft Google nicht mal das Dutzend an Hinweisen. Nicht mal die Bloggerwelt, die ja angeblich das Sprachorgan des Internets ist, bringt da was zuwege. Also, schön die Finger still halten, und das Printprodukt FR nicht anklagen. Deine Ecke ist gefragt – und da sehe ich außer wiederholungen nichts; was Google mir da reicht.

    Als hier in Frankfurt Demo gegen die Nazis war, die gegen die Moschee in Hausen aufmarschierte, habe ich die vermißt, die gegen Kurden losgezogen sind und das Zeichen der Wölfe dem deutschen Volk zeigten.

    Ich wander aus, ob türkische Nationalisten mit Sozialhilfe, ob deutsche Nationlisten mit und ohne Nationalisten, so manchmal denke ich, so ein kleiner Adolf wäre nicht verkehrt. Die, die heute nach ihm rufen, würden produktiv für Vater Staat Autobahn bauen oder sonstwie sich nützlich erweisen. Aber da rumlaufen oder abständige Bürger vermöbeln, gar Mütter des deutschen Reiches verzieren… man muß nun nicht ausführen, wo sie eingestellt worden wären.

    aber das ist der Preis der Demokratie, nur sollte sich die Demokratie auch wehren – knallhart. aber dazu sitzen zuviele braungesinnte in den eigenen Reihen.

  5. an S.i.T:

    „Ergebnisse 1 – 10 von ungefähr 107.000 für Wolfgang Abendroth“

    Dass Sie nicht einmal googlen können, geschweige denn werden, wer Abendroth war, wäre ja vielleicht noch verzeihlich, aber Ihre unterirdische Unbildung zusammen mit Ihrem kryptofaschistische Geschwätz, das Sie da absondern, gar als antifaschistisch selbst ausgeben, ist es nicht.

  6. Lieber Kritiker,

    es geht doch um den Lehrstuhl, oder nicht? Ihr wolltet ihn behalten, und nicht den Wolfgang aus einem Loch ausgraben, oder? Und zu „Abendroth-Lehrstuhl“ – lesen und lesen – erzählt mir Google:
    Um Ihnen nur die treffendsten Ergebnisse anzuzeigen, wurden einige Einträge ausgelassen, die den 7 bereits angezeigten Treffern sehr ähnlich sind.

    Ich wollte wissen warum der Lehrstuhl so wichtig ist, und da finde ich nun keinen Aufschrei aus Ihrer Umgebung. Recht stille in und um Marburg. Dann kann der auch nicht soo wichtig sein, muß die FR auch keine Protesttitelseite drucken. Einfache Rechnung.

    Und der Rest bestätigt doch nur – besser wirds dadurch auch nicht, ob braun oder dunkelrot, Arbeit für Alle, das Kapital bleibt bei uns. Was lehrte Marx? Andere Ideologien sind nicht sonderlich erwünscht oder so ähnlich. Rote Diktatur.

  7. Lieber S.i.t

    es geht nicht nur um einen Lehrstuhl, sondern um die Art und Weise wie Linke Theorie allgemein und Marxismus im Besonderen in der BRD heute offiziell noch/nicht mehr wahrgenommen werden , bzw. in den Medien nicht/kommuniziert werden.

    Die gegen den Willen der Studentenschaft durchgepowerte Abschaffung des Lehrstuhls, wäre für eine sich offiziell als linksliberal einstufende, überegionale Qualitätstzeitung ein prädestinierter Anlass gewesen, darüber tiefgreifend zu berichten, zu kommentieren und zu analysieren. Das abgeschaffte Forum Humanwissenschaften inder FR war dafür einmal so ein Platz.

    Dass ich nach Abendroth zu googlen aufforderte hat den Grund, sich über die Bedeutung dieses Mannes, seiner Tradition in Marburg umfassend zu orientieren, bevor man leichtfertig, aus durchsichtigen Gründen die Abschaffung des Lehrstuhls befürwortete, oder eine nicht gegebene Unbedeutendheit postulierte, wie Sie es zu tun scheinen; dies ganz im Sinne der Negierung Linker Theorie und Politik in der BRD.

    Zu Ihrem früheren Satz „Mit „Marx“ bekämpft man nicht die braune Brut und ist letztendlich nur ein chameleonsches Farbenwechselspiel, im praktiziertem Ergebnis vom Regen in die Traufe.“ kann ich hier nur sagen, dass Sie sich über den Irrtum einer im kalten Krieg verwurzelten Totalitarismustheorie scheinbar immer noch nicht erhoben haben. Wer den Marxismus glaubt als komplett bedeutungslos abzutun, entgegen der möglichen Einsicht, dass z.B. die Verelendungstheorie durchaus Erkenntnisse böte, nicht nur den verschleiernden Sprachgebrauch vom „Prekariat“ auf unideologischere Füße zu stellen, kann niemanden mit Bildung überzeugen.

    Mit „launigen“ Texten wie den Ihren, bei denen man mehr über Ihre Trinkgewohnheiten beim Bloggen, bzw. die verdeckten Namen ihrer Blogpartner (billiges names dropping) erfährt, als dfass Sie substantiell dikutierten,halte ich übrigens für absolut nicht sinnvoll.

  8. Der Paradigmenwechsel der Politikwissenschaft von damals zu heute zeigt sich wohl exemplarisch daran, dass hier in einem anderen Thread jemand auftritt, die angibt, das Fach studiert zu haben und es umstandslos als „gesamtgesellschaftliches Problem“ postuliert, dass der Staat ein Konzept für die entsprechenden Absolventen haben solle, da sie doch zur „Bildungselite“ gehörten und „die zukünftigen Arbeitgeber von morgen“ seien.

    Der Schreiber dieser Zeilen hat als junger Student Wolfgang Abendroth in Marburg noch erlebt und dann bei seinen Nachfolgern im Fachbereich, zumal dem Faschismusforscher Reinhard Kühnl, studiert.
    Dort ist ihm allerdings ein ganz anderer Begriff von gesamtgesellschaftlichen Problemen und vom Denken des Politischen als Emanzipation, nicht als Herrschaftswissen, nahegebracht worden.
    Beide, Abendroth wie Kühnl, auch Frank Deppe, dessen Lehrstuhl nun nicht wieder besetzt werden soll, und Georg Fülberth, der ausgebootete FR-Kolumnist, waren akademische Lehrer ersten Ranges, die den Studierenden den Gegenstand sinnfällig zur Anschauung zu bringen wussten, wie ich es sonst, eher durch das Lesen von Büchern als über das Besuchen von Seminaren mich bildend, an der Universität selten erlebt.

    Reinhard Kühnl habe ich mit guten Gründen und Argumenten mehrfach versucht, dem offenbar entweder Beratungs-resistenten oder darin nicht kompetenten Bronski als positive Alternative zu den fragwürdigen Kolumnisten zu empfehlen, die in der FR als „Experten“ in Sachen Faschismus und Rechtsradikalismus zu Wort kommen, leider ohne Erfolg. Ich wiederhole aber, solche Leute zu befragen oder zu Gehör zu bringen wäre – um zum Blog-Thema zu kommen – das Geringste, was die FR gegen den Rechten unternehmen könnte.

    Zu einem der Artikel über die Auseinandersetzungen um den Lehrstuhl, über die in der FR sehr wohl berichtet wurde, hier mein Leserbrief zur Kenntnis, in etwas korrigierter Form und ergänzt durch die restlichen Verse von Brechts „Lied von der Moldau“:

    Es zeigt sich in der Auseinandersetzung um den Lehrstuhl für Politische Wissenschaft das Politische der Wissenschaft.
    die Auseinandersetzung spiegelt die gegenwärtigen politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen überhaupt.
    Wer eine erste Idee davon bekommen möchte, welchen Erkenntniswert die Schriften von Marx auch für uns Heutige noch haben könnten, braucht nur einmal zu seinem vor nahezu 160 Jahren verfassten Werk mit dem Titel „Das kommunistische Manifest“ zu greifen. Es liest sich wie ein aktuell verfasstes „Handbuch der Globalisierung“.

    Wissenschaftlern wie Abendroth kommt das Verdienst zu, diese Schriften aus den Giftschränken der Bibliotheken, in welchen sie bis in die 60er Jahre verschlossen waren, befreit und dem Studium zugänglich gemacht zu haben.
    Diese Befreiung soll nun rückgängig gemacht werden, „Marx“ ist hier wie überhaupt die Chiffre für die konsequente Linke, gegen welche auch der Kampf der moderaten, in die Mitte gerückten Linken gerichtet ist. Die Rechte wird es ihr danken, wenn sie deren Geschäft erledigt hat, wie schon so oft in der Geschichte, und in die Bedeutungslosigkeit entlassen werden kann, zu unser aller Besorgnis.

    Der Höhepunkt der marxistischen Politikwissenschaft „liegt aber nicht in der Zukunft“, weiß Unipräsident und Prophet Nienhaus. Ihm sei mit Brecht die Antwort gegeben:

    Am Grunde der Moldau wandern die Steine,
    es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
    Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
    Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

    Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
    der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
    Und gehen sie einher auch wie blutige Hähne,
    es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.

  9. Hier der Artikel zum Leserbrief

    und natürlich sollte es heißen: „das Geringste, was die FR gegen d i e Rechten unternehmen könnte.“

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