Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Zoobesuch? Ich weiß es nicht mehr wie gestern, denn dieser erste Zoobesuch ist in meinem Fall etwa 45 Jahre her, aber dieser Ausflug zu Hagenbeck in Hamburg war ein großartiges Erlebnis. In den 1970er Jahren hat man allerdings noch andere Begriffe gehabt. Von Tierschutz und artgerechter Haltung war noch nicht die Rede, sondern es kam darauf an, die Tiere vorgeführt zu bekommen. Sie waren exotische Sensationen.
Vorführen – dieses Wort ist hier mehrdeutig. Die Tiere waren einerseits eine Attraktion, ähnlich wie im Zirkus. Die Zoos verdienten Geld, indem sie Tiere vorführten. Dieser Vorführduktus haftet Zoos weltweit bis heute an, und es sieht nicht so aus, als könnten sie sich davon lösen. Wie auch, wenn es sich bei den vorgeführten Tieren zum Beispiel um große, gefährliche Raubkatzen handelt, die durch Sicherungsmaßnahmen, etwa breite Gräben, vom Publikum getrennt werden müssen? Dieser Vorführeffekt hat neben der Sensation aber auch einen pädagogischen Charakter, denn es ist etwas anderes, solche Tiere in einem Video/Tierfilm zu beobachten oder ihnen persönlich zu begegnen und vielleicht sogar zu erleben, wie sie auf einen Menschen reagieren. Kein Zweifel: Zoos bringen den Menschen Tiere nahe, denen sie sonst nie im Leben direkt begegnen würden. Zoos sind also Volksbildungsinstitute, prägen unser Verhältnis zum Tier und bilden dieses Verhältnis zugleich ab. Das beherrschte Tier ist in sicherer Distanz. Nur so können wir es in Ruhe anschauen. Nur so lässt es sich vorführen.
Zoos haben allerdings einen Bedeutungswandel durchlaufen. Heute sind sie vielfach Archen. Sie koordinieren sich miteinander und unterhalten Programme zum Schutz bedrohter Tierarten. Der Sensationscharakter hat sich geändert. Ging es vor 50 Jahren möglicherweise noch darum, dass große, wilde Raubtier zu präsentieren und dabei an auf Distanz gehaltene Ängste der Besucher zu rühren, so ist die Sensation heute das seltene, bedrohte Tier, das es draußen in der berühmten „freien Wildbahn“ kaum noch gibt. Im Frankfurter Zoo wird auf diese Weise auch eine eher unscheinbare Tierart wie der Schlanklori zur Sensation, ein bis zu 300 Gramm schwerer Primat, der zu den Feuchtnasenaffen gehört. In Zeiten des Artensterbens kommt Zoos damit eine große Verantwortung zu – nicht nur für die Erhaltung der Arten selbst, sondern auch für die Bildung der Menschen, die sich hier eine Vorstellung vom Artensterben und den davon betroffenen Tieren machen können.
Zoos spielen im Mensch-Tier-Verhältnis also eine hybride Rolle: Sie stellen aus, sie stellen vor. Zwei Seiten einer Medaille. Das kann man durchaus kritisieren, und es ist sicher richtig, die Zoos immer wieder an ihre gewandelte Aufgabe zu erinnern – wobei dieses Bewusstsein allerdings in den Direktionen ohnehin bereits präsent ist. Die Debatte, die kürzlich wegen der Großkatzenfütterung im Frankfurter Zoo begonnen hat, wird jedoch falsch geführt. Die Tierschutz-Organisation Peta kritisierte den Zoo, weil dort Fleisch von im Zoo geborenen Ziegen an die Großkatzen verfüttert wurde. Was ist daran falsch? Dass gesunde Tiere geschlachtet werden, um Löwen und Tiger zu ernähren? Stimmt – in der „freien Wildbahn“ würden die Großkatzen sich bevorzugt an die schwächsten Beutetiere der Gruppe halten, auf die sie es abgesehen haben. An alte oder sehr junge Tiere. Viel besser, nicht wahr? Blut fließt hier wie da. Macht es einen Unterschied, ob dieses Fleisch gewissermaßen aus hauseigener Produktion stammt oder zugekauft wird? Unsinn! Löwen und Tiger sind und bleiben Raubkatzen, die töten, um sich zu ernähren. Wie sie töten, das zeigen zahlreiche Videos und Tierfilme. Das muss uns im Zoo nicht vorgeführt werden. Das wäre falsch vestandene artgerechte Haltung. Diesen Raubtiercharakter sollte man allerdings auch im Hinterkopf haben, wenn man abends die Futterdose für die lieben heimischen Stubentiger öffnet. Woher dieses Fleisch wohl kommt?
Winkende Kinder aus Kobaltminen des Kongo
Zoos scheinen wichtig zu sein. Ein Ort an dem unsere Kinder schnell und unterhaltsam an die Allmachtsphantasien ihrer Art herangeführt werden. Nur an diesem Ort, an dem Tiere aus allen Herrenländer bestaunt werden können,zeigt sich, dass der Mensch mit der absoluten Macht über alle anderen Lebewesen ausgestattet ist. Nur wenige wehren sich da noch erfolgreich, meist sehr kleine. Listerien, Salmonellen oder EHEC Bakterien entziehen sich regelmäßig unserem Zugriff. Wir arbeiten daran. Nur fehlt es an der notwendigen Konsequenz im Bildungsauftrag.
Es gilt aufzuzeigen, dass Allmacht nicht immer an der Artengrenze haltmacht. Damit unsere Kinder auch dies lernen, wäre es dringend geboten, das Begaffbare auszuweiten. Zum Beispiel auf Paketboten, Pflegekräfte, ein paar Hartz-IV-Bezieher, Lohnsklaven aus Bangladesch könnten ausgestellt werden. Kinder aus den Kobaltminen des Kongo können fröhlich mit Smartphones winken, Kinder aus der Türkei mit Haselnusscreme-Gläsern. Das bringt auch den notwendigen exotischen Kitzel, damit die Eltern den Spaßfaktor erkennen. Zoos sind wichtig, aber bitte konsequent.
Joachim Klüver, Frankfurt
Zoos sind sinnvoll zur Bewahrung bedrohter Arten
Wo ist der Unterschied, ob selbst aufgezogene Tiere geschlachtet und verfüttert werden oder zugekauftes Futter? Das ist etwa so logisch wie Tierfreunde, die nicht auf ihre tägliche Fleischmahlzeit verzichten können. Ich finde das Thema völlig verfehlt. In meinen Augen ist der Zoo ein übles Tier-KZ, das so bald als möglich geschlossen werden sollte. Die Haltung der Menschenaffen ist ein Skandal. Das Nashorn und der Tiger sind erbärmlich anzusehen. Wenn Frankfurt wirklich einen Zoo braucht, dann bitte als Neugründung mit genügend Platz für eine einigermaßen artgerechte Haltung. Es gibt genügend Medien-Material, um über Leben und Lebensraum von Tieren zu lernen, so dass Zoos bzw. Tierschauen nicht mehr benötigt werden. Lediglich zur Bewahrung gefährdeter Arten machen Zoos Sinn.
Früher haben wir Indianer*innen und schwarze Menschen in Zoos ausgestellt. Heute ’nur‘ noch die anderen Tiere. Wann entwickeln wir uns endlich weiter???
Tierschutz, wenn nötig in dem Lebensraum der Tiere. Wir haben kein Recht andere einzusperren die nichts verbrochen haben außer nicht zur Spezies Mensch zu gehören. Speziesismus beenden ! Zoos schließen !
Das ist aber nun wirklich Unsinn, Frau Muth. Die Zoos HABEN sich weiterentwickelt. Das zum einen. Und wenn man die Zoos schließen würde, wäre das eine ganz große Tierquälerei und Sauerei. Die meisten der Zootiere wären überhaupt nicht in der Lage, in der Natur zu überleben, wenn man sie aussetzen würde. Und das müsste man ja wohl, wenn man die Zoos schließen will. Aber in der Natur wären die meisten Zootiere in Nullkommanichts am Ende. Die kennen nichts anderes als den Zoo. Feine Tierschützer sind das, die so etwas fordern! Am Ende kommt es noch so weit, dass sich niemand mehr ein Aquarium in die Wohnung stellen darf. Denken Sie die Sache mal zu Ende!
Liebe Frau Muth, wann waren Sie zum letzten Mal in einem Zoo? Das muss sehr lange her sein. Ganz offensichtlich sind Sie völlig ahnungslos darüber, wie seriöse Zoos heute geführt werden. So gut wie ausschließlich sehen Sie dort gezüchtete Tierem, die nie in freier Wildbahn lebten. Wildfänge gibt es meines Wissens nicht mehr. Besuchen Sie doch mal den Zoo in Leipzig. Das wäre für Sie eine großartige Erfahrung. Tiere werden keineswegs mehr gnadenlos zur Schau gestellt. Im Frankfurter Zoo müssen Sie schon Glück haben, z. B. Tiger zu sehen. Die Elefantenhaltung wurde dort längst aufgegeben. Für Nashörner und Flusspferde ist eine komplette Neuanlage in Planung.
Die Hauptaufgabe moderner Zoos liegt in erster Linie bei der Erhaltung bedrohter Arten. Viele würden ohne die Arbeit von Zoos nicht mehr existieren. Dennoch, oder gerade deshalb, kann ein Zoobesuch eine sehr sinnvolle Freizeitgestaltung darstellen.
Prof. Grzimek dürfte in seinem Grab rotieren, würde er Ihre Ausführungen zum Thema Zoo lesen müssen. Gerade ihm ging es um Artenerhaltung, auch und vor allem in freier Wildbahn.
Wer Zoos mit KZs vergleicht, sollte sich lieber mit seiner eigenen politischen Bildung beschäftigen als mit Zoos. Und wenn es denn Tiere sein müssen: Wie wäre es mit Massentierhaltung in der Landwirtschaft oder aber der unsachgemäßen Tierhaltung in Privathaushalten – beides selbstverständliche Bestandteile unserer Gesellschaft?
Lieber Herr/Frau Napez,
ich möchte gerne anstelle von Frau Muth antworten den ich habe in diesem Jahr die Tour Zoos in Berlin/Hamburg/Frankfurt gemacht und sehr viel Elend gesehen und fotografiert. Das Arten Argument ist auch nur ein Scheinargument. Wenn wir Arten keinen natürlichen Lebensraum lassen, in dem sie ein artgerechtes Leben, leben können, dann brauchen wir diese auch nicht mehr gefangen „erhalten“. Es ist nicht notwendig zu begaffen, was in der Menschenwelt keinen Platz mehr hat. Welches Informationsschild wolle sie vor deren Käfig anbringen? Meine Tour hat mich darin bestärkt. Artgerecht ist nur die Freiheit. Was sie unter „auch und vorallem“ verstecken ist unwürdiges zu Schau stellen. Für den Frankfurter Zoo hat Grzimek, nach meiner Meinung, nicht den Preis „Tierfreund“ verdient.
Mit Verlaub, Herr Klüver, Ihr Eintreten gegen das „Arten-Argument“ ist komplett absurd. Im Prinzip steht dahinter der Gedanke: Wenn der Stärkere siegt, kann der Schwächere ruhig verschwinden, denn er wird ja offenbar nicht mehr gebraucht. Mit dieser Art von Sozialdarwinismus ist in der Vergangenheit viel Schindluder getrieben worden. Die „Freiheit“ ist für viele Tierarten heute gleichbedeutend mit dem Aussterben. Ich finde es gut, wenn Zoos als Archen dagegen was zu tun versuchen, auch wenn diese Versuche eher Ausdruck von Hilflosigkeit sind.
Ich bin mit meinen Kindern oft in den Zoo gegangen, um ihnen ein Gefühl dafür zu vermitteln, dass wir Menschen mit diesen Tieren zusammenhängen. Die Zoos informieren ja über diese ökologischen Zusammenhänge. Ansonsten bekommt man solche Tiere ja nicht zu Gesicht.
Lieber Herr Briem, sie mögen da vielleicht eine Ausnahme sein und den „Bildungsauftrag“ im Zoo ernster zu nehmen. Meine Beobachtungen zu den meisten anderen Eltern haben das so nicht offenbart. Die Kinder hätten den realen „Sozialdarwinismus“ vermittelt bekommen, wenn leere Käfige mit einem fetten Kreuz in der Mitte und einer Infotafel sie zu Fragen verleitet hätten. Wir brauchen keine Archen, sondern den Respekt davor unseren Mit-Tieren den Lebensraum zu lassen, der ihnen zusteht. Das machen Zoos aber nicht, denn die Eltern würden nicht mehr kommen und ihren Kindern den real stattfindenden „Sozialdarwinismus aussetzen“, um dann deren Fragen beantworten zu müssen. Beschönigungen und „heile Welt“ Spielchen, werden das Aussterben der Arten nicht ändern und Zoos sind keine Artenschutzmaßnahme, sondern Freizeit Industrie.
Erwartungsgemäß zerfällt das Kommmentargeschehen in pro und kontra. Es ist aber vielschichtiger als hier dargestellt. Gerade für Kinder sind Besuche in Zoos wichtig,erzeugen sie doch das nötige Interesse an wilden Tieren, und hier liegt doch der eigentliche Grund für Zoos überhaupt, er hat einen Bildungsauftrag. Dass wir hier in unserem Land Schindluder treiben mit der Natur ist zwar Fakt, aber wen interessiert das schon ?Hier, nördlich von Frankfurt, ist es der konventionellen Landwirtschaft gelungen, so ziemlich alles auszurotten, Rebhuhn, Kiebitz, die meisten Kleinvogelarten, ja selbst Wespen und Mücken werden rar. Wo,wenn nicht in Zoos sollen denn Kinder etwas über Tiere kennen lernen. Sagen sie jetzt nicht im TV, so ein klein wenig Realität wäre doch auch ganz schön. Wie weit der Mensch sich von der normalen Umwelt entfernt hat ist einfach unglaublich, früher hatten viele Menschen ein Aquarium, heute nur noch ein Bruchteil, früher musste man als Junge angeln, heute ? Da fing man Schmetterlinge, ja, und spießte sie auf, heute fällt das weg mangels Schmetterling. Ja die Jugend hat das Interesse an der natürlichen Umwelt verloren, die Pseudowelt der bits und Bytes hat sich überall durchgesetzt. Dass es für die Tiere in Zoos nicht immer gut bestellt ist, ist die eine Seite, aber wir sollten jede Chance nutzen, um den Kindern so etwas wie Fauna und Flora näherzubringen, sonst verkümmern wir Menschen noch mehr als jetzt schon.
Lieber Herr Klüver, ich habe keine Ahnung, welche traumatischen Erlebnisse Sie in den genannten Zoos, die ich alle drei kenne, gehabt und fotografiert haben. Insbesondere den Frankfurter Zoo kenne ich dank Jahreskarte schon lange und gut. Ja, die Haltung des einzig verbliebenen Flusspferdes ist grenzwertig. Aber das hat die Zooleitung längst erkannt und plant Abhilfe. Gleiches gilt für die Nashornhaltung. Beide damals noch vorhandenen Spitzmaul-Nashörner waren für die Auswilderung vorgesehen. Dies ist wohl aus finanziellen Gründen gescheitert. Auch die Giraffenhaltung ist, platzbedingt, suboptimal. Erschreckend finde ich das aber nicht, zumal die dort lebenden Tiere in Gefangenschaft geboren wurden, also das „freie“ Leben nicht kennen. Schauen Sie sich mal den Zoo in Leipzig an, derzeit wohl einer der modernsten. Tiere werden heute in keiner Weise mehr „zwangsprostituiert“, sondern sie bekommen eine ihren Anforderungen möglichst optimale Unterbringung und Ernährung. Zoos wie Frankfurt haben neben den finanziellen Restriktionen auch ein Raumproblem. genau deshalb hat Frankfurt die Elefantenhaltung vor vielen Jahren aufgegeben.
M. E. haben moderne Zoos so etwas wie einen Bildungsauftrag und dienen als Naherholungsgebiet. Sie dienen aber auch der Arterhaltung. Eine bestimmte Dammhirschart im Opelzoo wird regelmäßig in ihren Ursprungsgebieten ausgewildert. Dafür gibt es sicher noch etliche Beispiele.
Noch ein Wort zu Prof. Grzimek. Ihm die Tierfreundschaft abzusprechen ist schon dreist. Grzimek hat neben seinen Verdiensten um den Erhalt der Serengeti u. a. maßgeblichen Anteil an der Abschaffung der Käfighaltung von Hühnern und dem Abschlachten von Babyrobben, um nur zwei Dinge zu nennen. Er hat den Frankfurter Zoo gerettet, und er war sicher nicht von den anfänglichen Haltungsbedingen begeistert. Er hatte aber zu seiner Zeit keine finanziellen Möglichkeiten. Grzimek wollte durch den Zoo das Verständnis für und das Interesse an Wildtieren stärken. ich denke, das ist ihm gelungen.
Lieber Herr Klüver, Sie mögen keine Zoos, das ist Ihr gutes Recht. Daran werde ich auch nichts ändern können. Aber denken Sie über Ihre Haltung gelegentlich einmal nach. Die Hoffnung stirbt zuletzt.