Die Botschaft: Mit uns ist kein Staat zu machen

Meine persönliche Einschätzung zum Thema „Wutbürger“ haben ich bereits nebenan abgesondert, daher spare ich hier eine inhaltliche Einführung und komme direkt zu den Leserbriefen, die mich auf die Kolumne „Wutbürger, nein danke“ von Götz Aly erreichten – und auf den Leitartikel „Nieder mit den Platitüden“ von Stephan Hebel, ein Text, der durchaus als Antwort auf Aly gelten kann.

Hermann Roth aus Frankfurt:

„Götz Aly erklärt uns unzufriedenen „Wutbürgern“, wie gut wir doch regiert werden, dass „die nicht besonders gut bezahlten“ Politiker nur unser Bestes wollen und dass wir doch sehr undankbare Untertanen sind. Ach wie schlicht und einfach ist doch die Welt des Herrn Aly – die Politiker als die guten, fürsorglichen Eltern und die Bürger als die egoistischen, verzogenen Gören. Es handelt sich hierbei um ein antiquiertes Politikverständnis mit der Vorstellung, der Bürger möge doch brav alle 4 Jahre wählen gehen und sich dann bitteschön nicht mehr einmischen. Und wenn sich der böse „Wutbürger“ dann doch mal einmischt (siehe Stuttgart 21), dann sollte er nicht mehr „verhätschelt“ werden, sondern mit „exekutiven Regeln gebändigt“. Wie diese Bändigung in Stuttgart ausgesehen hat, konnten wir „Wutbürger“ miterleben und wir haben Herrn Alys Botschaft verstanden : Mit uns ist kein Staat zu machen. Natürlich gibt es fragwürdige Initiativen, gibt es problematische Egoismen und die sich wehrenden Bürger sind nicht automatisch die besseren Menschen, aber es ist billige Demagogie jegliches bürgerliche und gesellschaftliche Engagement in einen Topf zu werfen, lächerlich zu machen oder nicht genauer zu analysieren, welche Interessen vertreten werden und damit demokratische Teilhabe völlig zu diskreditieren. Auch ich finde es nicht gut, dass der „Hamburger Wutbürger“ das wilhelminische Dreiklassenschulsystem erhalten will, aber noch schlimmer finde ich es, dass Götz Aly anscheinend das wilhelminische Obrigkeitsdenken wieder einführen möchte. Ich möchte mir jedenfalls nicht jede Entscheidung von der Politik (und den mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppen) abnehmen lassen und micht gerne einmischen. Ich verstehe mich als mündigen Bürger, nicht als braven, unmündigen Untertan.“

Ralf Brust aus Roßdorf:

„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann denken die beschriebenen Wutbürger vorwiegend an ihre Vorteile, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu wollen. Vielleicht haben sie auch Langeweile und denken: ‚Wogegen sind wir denn heute?“‚
Könnte es sein, dass die Wutbürger auch noch aus anderen als egoistischen Gründen wütend sind, die der Autor leider ‚vergessen‘ hat zu erwähnen? Etwa wegen des Bruchs des Atomausstiegsvertrags gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. Wer sich darüber aufregt, dass eine unmenschliche Technologie wiederbelebt wird, soll der auch in die Wutbürger-Schublade? Wer wütend ist, wenn die Lobbyisten unsere Gesetze schreiben, ist der ein Wutbürger? Wer von seiner Arbeit nicht mehr leben kann, ist der nur noch egoistisch? Es geht aber auch darum, die Bürger bei weit reichenden Entscheidungen angemessen zu beteiligen. Wer hat uns Bürger denn gefragt, ob wir die Atomkraft wollen, ob wir die Post und die Bahn pivatisieren wollen usw.? Diese ganzen Schandtaten kann man doch nicht mit einem einzigen Kreuzchen bei der Wahl rechtfertigen! Gegen die ‚Wutbürger‘ gibt es ein viel besseres Mittel als die Gerichte, vor die sie Herr Aly offenbar bringen will. Heiner Geißler hat es vorgemacht. Der Kabarettist Django Asyl hat es am Stuttgarter Beispiel so formuliert: ‚Da braucht’s a Präventivität – aber vorher!'“

Detlef Puhl aus Ettlingen:

„Eigentlich fand ich die Analysen von G. Aly bisher sehr treffend. Was er aber hier von sich gibt, ist schlichter Unsinn. Vr 80 jahren, genauer vor fast 78 Jahren, hat nicht die Volkswut in freiem Lauf die erste deutsche Republik abgeschafft, sondern die bürgerlichen Parteien, die der gehobene Mittelstand wählte. Das Gesetz „Zur Behebung der Not von Volk und Reich“ – das Ermächtigungsgesetz – konnte am 23. März 1933 nur mit den Stimmen der Abgeordneten dieser Parteien, den Vorläufern der Parteien der schwarz-gelben Koalition, verabschiedet werden. Die damit den Rahmen für das am wenigsten zivilisierte Leben in der deutschen Geschichte schufen – wie es G. Aly in vielen seiner Bücher beschreibt. Wie kommt dieser Mann dann zu diesem unsinnigen Kommentar?“

Werner Bernhardt aus Stolk:

„Eigentlich verdient das dümmliche Polemisieren des Herrn Aly nicht einmal eine Karikatur, um den kleinbürgerlichen Geist hinter diesen Zeilen deutlich werden zu lassen, aber das Gebrüll dieses Autors, der schon im Zusammenhang mit seinen Ergüssen zu den Wurzeln des Nationalsozialismus unter Beweis gestellt hat, dass es nur ein Missverständnis sein kann, ihn als Historiker zu bezeichnen, ist ja nicht nur krude Provokation, sondern zugleich der perfide Versuch autoritätssüchtig den Citoyen zu diskreditieren. Wer also ist dieses merkwürdige Wesen? Was bildet er sich ein? Götz Aly will keine Menschen auf den Straßen, die ihre Interessen lautstark kundtun, er will keine Kritik am Parteienstaat und den längst von ihren Wählern entfremdeten Politikern, er will auch keine Gesellschaft, in der es sehr wohl ganz und gar widersprüchliche Interessen und auch Rück-Schritte gibt , er will schon gar nicht eine transparente Demokratie, an der sich die Bürger als Freie öfter als zu den Wahlgängen beteiligen, er will sie bändigen, die Bürger, die sich zu Wort melden, am besten mit „Gesetzen und Gerichten“ und am wirkungsvollsten mit „exekutiven Regeln“, vielleicht mit Versammlungsverboten ab drei Personen aufwärts. Kurzum : Da es immer mehr werden, sperrt sie in die Fußballstadien, das hat woanders auch geholfen! Statt den Ruf nach Volksentscheiden zu verstärken, sollten wir lieber mit Götz Aly ein Lied auf die Politiker anstimmen, sie preisen und loben für ihren Mut und ihre kluge Entschlossenheit die sogenannten Kompromisse zu erzielen, die sie uns dann als unser Gemeinwohl verkaufen. Wir sollten mit diesem Autor erkennen, dass der Staat, von dem er träumt, wirklich nicht mit solchen Leuten zu machen ist, die sich nicht mehr für dumm verkaufen lassen.“

Carsten Dietrich Brink aus Gauting:

„Die Auslassungen von GA zum Thema „Wutbürger“ erfüllen für mich den Tatbestand der üblen Nachrede! Sonst ist nichts zu sagen. Vielleicht das noch, am Ende von GAs Kolummne bin ich fast ausgerutscht auf dem Schleim, den er abgesondert hat für ‚unsere Politiker‘, die uns ‚H(sic)underte von Entscheidungen‘ abnehmen.“

Karlheinz Hieb aus Neuhofen:

„Endlich nimmt sich Herr Götz Aly der armen, verkannten und verleumdeten Politiker an, die ‚Tag für Tag an Kompromissen arbeiten, in denen unsere Interessen halbwegs aufgehen und die die blanke Selbstsucht verhindern‘, Nur die aufgeblasenen ‚Wutbürger‘ wollen das nicht einsehen. Schön gesagt bzw schöngeredet. Die Realität sieht aber anders aus. Ist so schnell alles vergessen? Dass man nicht daran denkt, die asozialen Machenschaften auf den Finanzmärkten abzustellen und den normalen Bürger mit Kind und Kindeskindern in Haftung nimmt. Die Finanzkrise in eine Schuldenkrise der Staaten umgedeutet hat , an der die normalen Bürger mit ihren übersteigerten Ansprüchen schuld seien. Dass zuerst die Klientel mit Milliardengeschenken bedacht und dann das Haushaltsdefizit und die Verschuldung beklagt wird, weswegen den Armen der Gürtel noch enger geschnallt werden müsse. Oder die Hetze a la Westerwelle gegen die Verlierer unseres vom Egoismus getriebenen Wirtschaftssystems, in dem der blanke Egoismus der Starken als gemeinnützige Tat verklärt wird. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Die Politiker müssen sich ändern, das Gemeinwohl glaubhaft vertreten und ihre Alibireden, mit denen sie das Wahlvolk für dumm verkaufen wollen, einstellen. Nur dann werden sie wieder Anerkennung beim Normalbürger finden. Übrigens gibt es sicher auch die verantwortungsvollen Politiker. Aber sie sind in der Minderzahl und ohne ausreichenden Einfluss.“

Wolfgang Hahn aus Dreieich:

„Es ist ein Vergnügen, Herrn Hebels schwierigen Versuch zu verfolgen, für sein Weltbild genügend Schubladen zu finden, in die er alle die verschwinden lassen kann, denen er argumentativ nicht gewachsen ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Hebels Thesen verbietet sich geradezu, da auch er politischen Protest nur als solchen anerkennt, wenn dieser die Hebel’schen Kriterien erfüllt. Lustig. Ernsthaft sind sicherlich bei dem Problem Islamismus viele Ansätze denkbar, z. B. in den Zuwanderungs- und Asylgesetzen, die einer Bedrohung durch radikale Ideologien (und seien sie auch als Religion getarnt) entgegenwirken könnten. Man stelle sich nur den Hebelschen Aufschrei vor, käme jemand aus der ‚rassistischen Ressentiments‘-Ecke mit Vorschlägen für solche Gesetzesänderungen.
Der Herr Sarrazin wollte den Sinn für die Bedrohungen der demokratischen Gesellschaft erst einmal wecken. In S21 hat sich der ‚verantwortliche Protest‘ schließlich auch erst nach Erkennen der Bedrohungen in der Zukunft gebildet.“

Jürgen vom Hedt aus Frankfurt:

„Glückwunsch zu diesem aufklärenden Leitartikel, der eine Pflichtlektüre sein sollte. Für welche Personen, sollte diesen dann danach klar werden.“

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Ein Kommentar zu “Die Botschaft: Mit uns ist kein Staat zu machen

  1. Doch!

    Mit solchen Kalibern wie Herrn Aly i s t Staat zu machen. Irgendwo zwischen Carl Schmitt und Nordkorea…

    Wohin er auch gerne sofort verschwinden darf; Verfassunggegner haben wir hier genug.

    Wie heißt es doch:“..die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit…“, nicht:“..die Parteien bestimmen die pol. Willensbildung“.

    MfG Karl Müller

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