Nein, das hat keinen Spaß gemacht! Ich bin wahrlich kein Fußball-Fan, aber durchaus bereit und in der Lage, bei einem spannenden Spiel mitzufiebern, wenn es um etwas geht. Zumal bei einer Weltmeisterschaft. Da geht es nämlich durchaus um etwas, z.B. um die Weltmeisterschaft. Und Weltmeister wollten sie ja eigentlich auch wieder werden, die deutschen Nationalkicker. Das spielerische Potenzial dazu war vermutlich vorhanden, doch es wurde nicht abgerufen. Während vorn ein paar junge Spieler wie Timo Werner, Jonas Hector und Leon Goretzka Dampf zu machen versuchten, stand hinten Sami Kedhira herum, so dass man sich fragte: Warum hat Bundestrainer Löw den aufgestellt? Auch Thomas Müller war eine Fehlbesetzung. Um einzelne zu nennen.
Doch abgesehen von einzelnen Spielerleistungen wirkte das Team insgesamt uninspiriert und saturiert. Zudem hatte die Fehlleistung von Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan hatten fotografieren lassen, für Negativschlagzeilen und für Pfiffe der Fans gesorgt. Das hat es wohl in der Form noch nie gegeben, dass ein Nationalspieler derart ausgepfiffen wurde wie Gündogan bei seinem Auftritt beim Testspiel gegen Saudi-Arabien. Unfair? Die Instinktlosigkeit – das war es mindestens – rächte sich, und es zeigte sich, dass Auftritte von Nationalmannschaften mehr sind als schlicht nur Fußballspiele. Da geht es um Befindlichkeiten, oft auch um Nationalismus in verschieden schweren Formen, aber auch schlicht um Freude am Spiel. Man möchte doch gern erleben, dass das Daumendrücken hilft. Diese Freude hat am Spiel hat uns die Nationalelf diesmal nicht vermittelt. Löbliche Ausnahmen waren bei den älteren Spielern Mats Hummels und Toni Kroos; die jüngeren habe ich schon genannt. Man hatte nicht den Eindruck, dass die Elf begriffen hatte, dass sie eine Weltmeisterschaft spielten.
Projekt Titelverteidigung ist in die Hose gegangen. Nun wird natürlich viel über die Verantwortung geredet: Muss Jogi Löw gehen? Wäre er Politiker, wäre dies keine Frage, aber hier geht es um Fußball – und wer sollte ihn beerben? Meine Meinung: Löw hätte gar nicht erst kommen dürfen. 2014, nach der gewonnenen Weltmeisterschaft, hätte er aufhören müssen. Mit damals 54 Lebensjahren wäre er jung genug gewesen, um noch mal was anderes zu machen – zum Beispiel hätte er eine große Integrationsfigur werden können, ein Idol, so wie es einst Franz Beckenbauer war. Daraus wird nun nichts mehr. Chance verpasst. Schlechte Karriereplanung. Schlechte Berater?
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte ist die deutsche Nationalmannschaft also in der Vorrunde ausgeschieden, und das auch noch als Gruppenletzter. Das ist nicht schön. Den blutenden Fanherzen landauf, landab möchte ich trotzdem sagen: Es ist nur Fußball. Eine schöne Abwechslung, gewiss. In zwei Jahren findet das nächste Großturnier statt, die EM, und in vier Jahren ist wieder WM. Dann sind unsere Kicker wahrscheinlich wieder mit dabei. Jetzt ist ihnen nur so etwas wie Normalität widerfahren: Auch andere große Fußballnationen sind schon mal in der Vorrunde ausgeschieden. Schade ist es trotzdem.
Die ersten Leserbriefe sind, Achtung, diesmal in Gedichtform!
Leserbriefe
Ursula Eisenberg aus Berlin:
… grüble, obwohl ich ́s nicht will:
Was ist ein Spiel?
Ein Spiel – hab ́ ich gedacht, wär frohes Toben,
gelassner Wechsel: Mitte, unten, oben,
ein freundlich-miteinander-Kräfte-Messen,
wo Siegen und Verlieren schnell vergessen,
ein Hin und Wider und ein Ab und Zu,
ein augenzwinkernd-nettes Ich und Du,
ein Zeitvertreib. Bei alledem
für Geist und Körper gut und doch bequem …
Dies gilt jetzt nicht für uns und alle Lande.
Hier ist Verlieren eine schlimme Schande
mit Folgen von nicht absehbarer Schwere.
Verachtung droht. Das Ende der Karriere.
Es ist vorbei mit Leichtigkeit und Spaß.
Nun siegen Schadenfreude, großer Hass
Es – das kommt öfter vor auf dieser Welt –
versiegt der reißend-breite Strom aus Geld.
Die Zeit ist reif, dass Du es endlich lernst:
Auch Spielen ist ein grauenvoller Ernst.
.
Gerd Kehrer aus Frankfurt:
(Alp-)Träume 2018
Zwei vermeintlich
Deutsche Tragödien
Mitten
Im Sommermärchen
In Berlin
Kämpft Oma Merkel
Immer noch ums
Politische Überleben
In Moskau
Liegen Jogi’s Jünger
0:1 gegen Mexiko
Bereits im Sterben.
.
Anna Hartl aus Frankfurt:
„Ich fühle mich zutiefst beschämt über die verächtlichen Reaktionen auf das Ausscheiden der Nationalmannschaft. Sowohl Özil betreffend, als auch die anderen Spieler die an der WM teilgenommen haben. Die Aktion mit Erdogan habe ich wie viele Andere nicht verstanden. Es wird mir auch niemand erklären, was sich die beiden Fussballspieler dabei gedacht haben, genausowenig wie mir die Erdogan Wähler in Deutschland erklären, warum sie dies tun. Was mich aber in keiner denkbaren Welt dazu berechtigt, ihnen Hass, Häme und Verachtung entgegenzubringen.
Ja, es tut weh, auf diese Art und Weise die WM zu verlassen. Ja es war schmerzhaft den Jungs beim Spielen zuzusehen. Ja, die Enttäuschung ist riesig. Keine lauen Sommerabende mit dem Anfeuern der Mannschaft zu verbringen, statt Jubel, Schmerz. Aber das gibt Niemandem, absolut Niemandem das Recht, sich so über die Spieler auszulassen, wie es gerade im Netz passiert. Die Emotionen werden ohne einen Funken Anstand, ohne Übernahme der Verantwortung für das, was dort von sich gegeben wird, ins Netz gestellt. Was ist das Netz? Ein Tollhaus an Hass und Verachtung?
Scham sollte jeder Schreiberling empfinden, der jede Grenze zur Menschenwürde derart ungehemmt übertritt. Sie verstehen nicht, dass sie damit eine Stimmung kreieren, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Vielleicht sollte jeder Mal darüber nachdenken, das gesagt, gesagt ist. Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Die Verantwortung liegt bei jedem Einzelnen. Mit Ihren Worten schaffen sie eine Welt. Möchten Sie in einer Welt aus Hass, Verachtung und ohne Menschenwürde leben oder können Sie sich das Leben auch noch anders vorstellen?“
Alfred Kastner aus Weiden:
„Noch nie ist eine deutsche Fußballnationalmannschaft bei einer WM schon nach der Vorrunde rausgeflogen. Deutschland ist jetzt nach Italien und Spanien schon der dritte amtierende Weltmeister, der nach der Vorrunde rausfliegt. Liegt über der Titelverteidigung etwa ein Fluch? Da die Fußball-WM alle 4 Jahre stattfindet, lässt es sich nicht vermeiden, dass alle 20 Jahre die letzte Jahresziffer auf eine „8“ fällt: 1938, 1958, 1978, 1998, 2018. Obwohl die deutsche Mannschaft bei Weltmeisterschaften bisher insgesamt erfolgreich abgeschnitten hat, schied sie bei diesen Turnieren jeweils vorzeitig aus.
Mit einem schlechten Omen hatte das Ausscheiden bei dieser WM jedoch nichts zu tun. Für das Versagen der deutschen Mannschaft gibt es viele Gründe. Einerseits die Überheblichkeit einiger Weltmeister, andererseits wiederum Spieler, die ohne jegliches Selbstvertrauen agierten. Es hat sich bei diesem Turnier herausgestellt, dass reiner Ballbesitzfußball, wie ihn der Bundestrainer kreiert hat, eine brotlose Kunst ist.
Joachim Löw besitzt einen Vertrag bis zum Jahre 2022. Das Amt des Bundestrainers ist in Deutschland bekanntlich das wichtigste neben dem des Bundeskanzlers, Bundestrainer Joachim Löw und Kanzlerin Angela Merkel sind beide in der Krise. Deutschland befindet sich jedoch auch gesamtgesellschaftlich im Krisenmodus. Schlechter Fußball, miese Politik und eine Wirtschaft, der angesichts des drohenden Handelskrieges mit den USA schnell die Luft ausgehen könnte.
Politiker sonnen sich gerne im Glanze des Fußballs. Denn im Schatten des Erfolgs lässt sich so manche Krise für gewisse Zeit wegzaubern. Diese Option haben deutschen Spitzenpolitiker nun nicht mehr.
Nach schlechten Turnieren ist der deutsche Fußball jedes mal erstarkt zurückgekommen. Jede Krise ist auch eine Chance. Leider hatte sich in der Vergangenheit ein gewisses Maß an Überheblichkeit bei Spielern, Fans und Medien eingeschlichen. Vor dem Spiel gegen Südkorea schien es für manche geradezu peinlich zu sein, sich mit dem „Fußballzwerg“ überhaupt beschäftigen zu müssen. Hochmut kommt eben vor dem Fall! Demut und Bescheidenheit würde Deutschland auch mal ganz gut stehen. Im Fußball wie in der Politik.“
Hans-Georg Becker aus Frankfurt:
„Superschön, dass nun die massiv von den Medien gesteuerte Fußballhysterie ein so schnelles Ende gefunden hat! Bleiben uns so doch die aufdringlichen Bilder von heulende, besoffen grölenden und Autocorso fahrenden Fußballverrückten weitgehend erspart. Schön wäre es zudem, wenn einige Menschen durch diese Erfahrung die Einsicht gewinnen könnten, dass es sinnvollere Lebensinhalte als Fußballgucken gibt.“
Jürgen Malyssek aus Wiesbaden:
„Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende. Das Ausscheiden der deutschen Mannschaft war absolut verdient. Genau so der Sieg der Süd-Koreaner. Jetzt ist Zeit um das Ganze aufzuarbeiten. Denn was seit Wochen klar zu sehen war: Das deutsche Spiel ist statisch, langweilig und ohne jegliche Überraschungsmomente. Keine Flanken, keine Dribblings, keine kreativen Einzelszenen, kein Tempo, keine Torjäger, keine Typen, die das Heft mal in die Hand nehmen, keine „Hackordnung“ im Team. Es ist so, wie es Jan Christian Müller (26. Juni): Löws Pass- und Positionsspielmaschine habe etwas Staub angesetzt. Es sei Zeit Fahrtwind aufzunehmen und beschreibt: ein bisschen Taktik zugunsten etwas mehr Tempo zu opfern. „Das passt in den neuen philosophischen Ansatz des modernen Fußballs, der im Deutschen Fußball-Bund in der Talentförderung jahrelang vernachlässigt wurde und nun verstärkt verfolgt wird: Individualität fördern, Frechheit fordern, Mut zur Einzelleistung unterstützen.“
Letzteres kann man nicht drastisch genug fordern. Diese stromlinienförmige Taktikphilosophie hat einen vorläufigen Endpunkt erreicht, wenn die Variabilität und die Überraschungsmomente auf der Strecke bleiben, wie wir es jetzt eindrucksvoll in den drei Gruppenspielen Deutschlands gesehen haben, wo nur Timo Werner und Reus ansatzweise für diese letztgenannten Attribute standen.
Wer den Mut hatte, gestern Markus Lanz zu sehen, konnte die markigen Kommentare des alten Sportreporters, Gerd Rugenbauer, erleben: Ein Knalleffekt zur rechten Zeit, etwas Neues muss her! Kein Wille zu erkennen, Taktieren und „dieser unsägliche Begriff von Ballbesitzfußball – wir werden müde durch unser Spielsystem.“
Auch für den Fan, den Zuschauer haben das Ballgeschiebe und das eherne Positionsspiel vollkommen an Anziehungskraft verloren und eine einschläfernde Wirkung erzeugt. Fußball zum Abgewöhnen! Wie sich die Bilder von deutscher Politik und deutschem Fußball angeglichen haben!“
Hadi Geiser aus Oberursel:
„Löws Bitte „um Bedenkzeit“ macht mich sprachlos. Er hat das größte Desaster einer deutschen Nationalmannschaft seit dem 30jährigen Krieg zu verantworten und will jetzt erst mal bei ein paar Espressi in Ruhe räsonnieren?
Das ist genauso selbstgefällig und pomadig, wie seine Mannschaft gekickt hat. Högschte Zeit, dass der DFB einmal Entschlußkraft zeigt und Schönschwätzer Jogi (am besten zusammen mit seinem aalglatten Pendant Bierhoff) in die wohlverdiente Wüste schickt.
Klaus Stöcklin aus Schwalbach/Ts.
„Fiasko, als solches kann man das Auftreten unserer Milionäre bei der WM wohl trefflich bezeichnen. Bis auf ca. 30 Minuten in allen 3 Spielen waren sie grottenschlecht. Was ein Özil und Khedira in der Mannschaft sollen, bleibt uns ein Rätsel. Beide haben einen Spielradius von ca. 30 m. Von fehlender Schnelligkeit ganz abgesehen. Auch die Zeit von Müller ist abgelaufen. Warum nimmt das aufgeblähte Trainerteam nicht junge, hungrige Spieler in die Mannschaft. Es muss schnellstens ein kompletter Umbruch eingeleitet werden, sonst erlebt man bei der nächsten EM in zwei Jahren ebenfalls ein Fiasko. Hierzu zählt auch der Trainer Löw. „
Am besten haben mir die Gedichte von Ursula Eisenberg und Gerd Kehrer gefallen. Leichtigkeit mit Witz und Ironie und vor allem Gelassenheit sind doch die besten Wege, mit einem solchen Ereignis umzugehen.
Ganz so streng wie Hans-Georg Becker möchte ich mit den Fußballfans zwar nicht umgehen, aber diejenigen, die hier von Schande und Demütigung sprechen, möchte ich doch bitten, auf dem Teppich zu bleiben.
Im Übrigen wundere ich mich schon lange, welcher Stellenwert dem Sport, besonders dem Fußball, in der Öffentlichkeit und den Medien eingeräumt wird. Mit Ursula Eisenberg muss ich sagen: Es ist doch nur ein Spiel.
@ Brigitte Ernst
Es ist eben auf dieser Ebene nicht nur ein Spiel. Man muss sich auch nicht über den Stellenwert des Sports, besonders dem Fußball, wundern.
@ Hans-Georg Becker
Sicher gibt es andere vielleicht auch sinnvollere Lebensinhalte als Fußballgucken. sie vergessen oder verdrängen dabei, welche gesellschaftlichen und sozialen Möglichkeiten dieser Sport für viele viele Menschen bietet, auch weit abseits des großen Geschäfts.
Den großen Rummel muss man deshalb nicht mögen.
@ Jürgen Malyssek
„Man“ muss sich vielleicht nicht wundern, ich tue es trotzdem. Und zwar nicht über den Sport, den man selbst ausübt, sondern über den Hype, der von „Schlappekickern“ drum herum veranstaltet wird.
Z.B. auch darüber, dass sich Menschen derart ernsthaft mit dem Spiel einer ihnen persönlich unbekannten Gruppe von Leuten, die zufällig unter dem Namen „Deutsche Nationalmannschaft“ auftritt, identifizieren können, dass sie heulen und deren Niederlage für eine nationale Katastrophe halten. Das ist für mich – mit Fähnchen oder ohne – primitiver Nationalismus!
@ Brigitte Ernst
Tut mir leid, aber beim Thema Fußball kriegen wir so keine Ebene. Wenn Sie das so einfach als primitiven Nationalismus bezeichnen und die Menschen bei ihrer Identifikation mit der Nationalmannschaft oder einer anderen Mannnschaft so abwertend hinstellen. Da stoßen Sie in dieser platten Weise bei mir auf harten Widerstand. So verkennen Sie die sehr vielen anderen wichtigen Bedeutungen dieses Sports, dieses Spiels.
Jedes Mannschaftsspiel gewinnt erst an Dramatik, wenn man mit einer Mannschaft mit fiebern kann. Das ist bei Schülermannschaften im Prinzip nicht anders als bei großen Vereinen. Hier kann Sport viel beitragen zu Fairness und Toleranz, und er tut es zum großen Teil auch.
In meiner Berliner Zeit habe ich einmal – als „Fan-Projekt“ – einen Wandertag ins Olympiastadion zur Hertha organisiert. Mit gezielten Beobachtungsaufträgen wie Objektivität, Fairness u.a., versteht sich. Ausgesprochen lehrreich, was die Schüler zur Reflexion eigenen Verhaltens anregte. Interessant, dass einige Mädchen sich sogar noch engagierter beteiligten als manche Junge. Diese Atmosphäre im Stadion zu atmen, war ihnen ein großes Bedürfnis.
Positiv auch die Erfahrung, dass „Kleine“ bisweilen durchaus etwas gegen „Große“ ausrichten können. Das verbindet. Der SC Freiburg etwa (mein Verein) muss nach jeder Saison aus finanziellen Gründen die besten Spieler abgeben. Und er schafft es dennoch, sich durch gute Jugendarbeit regelmäßig wieder hochzurappeln.
Zudem gibt es Vereine, die eine ausgesprochen wichtige soziale Funktion erfüllen, die weit über das Sportliche hinausgeht. Union Berlin etwa hat sich schon zu DDR-Zeiten als Verein der Oppositionellen herausgebildet, der sich gegen die „Stasi-Vereine“ (die „Dynamos“ aus Berlin und Dresden) behauptete und bis heute wichtige Integrationsarbeit leistet.
Wer sich arrogant über Fan-Verhalten generell lustig macht, hat nicht viel von der Bedeutung solch positiver Formen der Identifikation gerade für untere soziale Schichten verstanden.
Ein Gegengewicht solch „Kleiner“ ist gegenüber den großen Geldvereinen nötig, die den Fußball und Sport überhaupt korrumpieren. Ich freue mich z.B. immer, wenn PSG (Paris Saint-Germain), besonders nach dem widerlichen Nejmar-Deal, verliert. Dieser Verein ist zum FC Katar degeneriert und hat mit Paris nichts mehr zu tun. (Nicht anders bei der korrupten WM-Vergabe an Katar, wo in erster Linie Sarkozy mit einem widerlichen Flugzeug-Deal mit Katar seine dreckigen Finger im Spiel hatte.)
Im Prinzip gilt das Gleiche auch für Nationalmannschaften. Wobei hier positiv ist, dass das große Geld nicht die entscheidende Rolle spielt. Jedem, der sich über einen Sieg der deutschen Mannschaft freut, „Nationalismus“ zu unterstellen, ist auch eine Form von Intoleranz (oder umgedrehtem Nationalismus). Fans wohl ziemlich aller Länder würden sich solche Form der Belehrung – sehr zurecht – verbitten.
Wer mit solchen Klischees arbeitet, sollte sich mal rassistische Kommentare im Internet anschauen. So wurde, als Frankreich die WM gewann, von niemandem über die französische Mannschaft („multicolore“) so gehetzt wie vom Front National. Und die wirklich gefährlichen Chauvinisten, die einen Boateng (oder Özil) nicht als „Nachbarn“ ertragen, freuen sich am meisten über das Ausscheiden der deutschen Mannschaft und haben auch die entsprechenden Schuldzuweisungen parat. (Positiver Aspekt: Man braucht sich wenigstens nicht gemeinsam mit solchen erbärmlichen Typen zu freuen.)
Die Grenze zum Nationalismus ist dann überschritten, wenn Gegner nicht respektiert, etwa systematisch ausgepfiffen werden (das habe ich z.B. bei Spielen von Polen bei der dortigen EM beobachtet).
Nun habe ich generell mit Menschen, die sich von oben bis unten in Nationalfarben schminken, meine Probleme. Die vielen portugiesischen Fahnen an Fenstern in Luxemburg dagegen haben mich nie gestört. Da wusste man wenigstens, wer die Nachbarn sind. Und die Autokorsos – na, wenn’s ihnen Spaß macht. Mein Gott – es gibt Schlimmeres!
Sympathisch einige südkoreanische Fans, die sich auf einer Wange die koreanischen, auf der anderen die deutschen Farben aufgeschminkt hatten. Deswegen gönne ich ihnen auch den Sieg.
@ Jürgen Malyssek
Mir geht es nicht um ein Mitfiebern mit einer Mannschaft im Rahmen eines spielerischen Ereignisses, sondern um eine Überidentifikation und Überbetonung, die aus einer Niederlage im Spiel eine Demütigung für die gesamte Nation macht. Das müssten Sie, Herr Malyssek, der bereits das Fähnchenschwenken in fröhlicher Partylaune für anrüchig hält (siehe früherer Thread), doch nachvollzienen können.
Ein ganz anderes Thema sind die unbestrittenen Verdienste der Jugendarbeit der Sportvereine im Allgemeinen und des Fußballs im Besonderen bei der Erziehung und Integration. Aber hier wird selbst Sport getrieben und nicht nur zugeschaut.
Und wenn ein Fußballkind zum Ansporn oder als Vorbilder für die eigenen Träume große Sportler als Identifikationsfiguren braucht, warum müssen es dann unbedingt die der eigenen Nationalmannschaft sein? Diese Nationalisierung des Sports ist es, die ich hinterfrage. Warum kann man einen Sportler oder ein Team nicht wegen seiner Leistung bewundern und Fan sein, ganz unabhängig von seiner Nationalität?
Und Eintracht Frankfurt ist immer noch DFB Pokalsieger!!!!!
@ Brigitte Ernst
Liebe Frau Ernst, Ihre Abneigung gegen das Nationale bzw. den Nationalismus als übertriebenes Nationalbewußtsein, kann ich zwar verstehen. Aber Sie überspannen den Bogen, wenn Sie hinter jeder Massenbegeisterung etwa bei einem Fußball-Länderspiel oder eben jetzt bei einer Weltmeisterschaft, das Schlimmste wittern. Oder bei diesem Verhalten gleich auf ein festverankerten Verhalten der Zuschauer im normalen Leben schließen. Das kann so sein, muss es aber überhaupt. Es ist die Begeisterung, die Parteilichkeit, die dann gerade vorherrschende Identifikation, die in der Masse natürlich auch ansteckend ist.
Wittern Sie bitte nicht hinter jedem Ihnen fremden Verhalten gleich eine Überidentifikation oder grenzenlosen Fanatismus. So ist es auch wieder nicht.
Schauen Sie sich die letzten WM-Achtelfinalspiele von gestern und heute Abend an und dann sehen Sie mit welch einer Freude, Begeisterung, Ergriffenheit die siegenden Mannschaften, die Spieler danach sich bewegen und sich um den Hals fallen und weiß ich nicht alles. Aber keine der siegenden Nationalmannschaften vergaß den Respekt vor den Verlierern, ob das Kroatien (gegen Dänemark), Uruquay (gegen Portugal), Frankreich (gegen Argentinien oder schließlich Russland (gegen Spanien). Das gehört zum Fußball dazu, weil dieser Mannschaftssport bei klein und groß und unten und oben Emotionen freisetzt, die man nicht eindämmen kann und soll. Es ist halt auch eine WM.
Ich weiß nicht, wo ich das so geschrieben habe, aber anrüchig halte das Fähnchenschwenken und fröhliche Partylaune nicht. Ich bin da generell reservierter und brauche keine Partystimmung und merke, wenn es übertrieben ist. Aber ich schmeiße das jetzt nicht in einen Topf mit der Identifikation und der Begeisterung, die der Fußball, das Fußballspiel auslösen kann.
Also, da kann man auch mal den Ball flach halten und nicht gleich mies machen.
Jedenfalls ziehe ich ein spannendes Bundesligaspiel oder von mir aus auch ein Länderspiel (letztere habe ich in meinem Fußballerleben mal gerade dreie live gesehen) x-mal mehr vor als auch nur eine Stunde einen Besuch auf dem Münchener Oktoberfest, um mal ein anderes Beispiel von Massenveranstaltung anzuschneiden.
Mal abgesehen von dem speziellen Thema der ganz unterschiedlichen Fan-Gruppen bis hin zu nicht zu tolerierenden Ausschreitungen – wer sagt denn, dass nicht auch die Zuschauer eines Fußballspiels nicht auch selbst Sport machen?
Wer sagt denn, dass junge Fußballer ihre Identifikationsfiguren nur bei der eigenen Nationalmannschaft suchen? Ich sehe manchmal mehr Kids mit MESSI und RONALDO oder POGBA auf dem Trikot als manch deutschen Nationalspieler.
Also, das ist alles so in Ordnung. Sie können aber eine nationale Identität nicht verhindern. Muss man auch nicht, wenn es nicht anfängt total spinnert zu werden. Dann schlägt sie Stunde der Erwachsenen. Und die können im Jugendbereich durchaus problematisch sein, mit ihrem übertriebenen Leistungsdruck und und ihrem eigenen destruktiven Fanatismus. Da muss man halt aufpassen.
Wenn man Leistung im Sport bewundert, dann kann es nationale Identität stiften, aber es kann auch ein Verein aus der Kreisliga sein. Deshalb sollte man die berühmte Kirche im Dorf lassen, ohne unkritisch zu werden.
@ hans
Und das ist gut so!
@ Jürgen Malyssek
Weder wittere ich hinter jeder Massenbegeisterung bei einem Fußball-Länderspiel oder einer Weltmeisterschaft das Schlimmste noch schließe ich bei einem solchen Verhalten gleich auf ein fest verankertes Verhalten der Zuschauer im normalen Leben. Warum überinterpretieren Sie meine Worte derart? Ich kritisiere eine Überidentifikation, die in einem verlorenen Spiel eine nationale Katastrophe, eine Demütigung sieht – und diese, wie es in der Presse und den sogenannten sozialen Netzwerken geschieht, noch tagelang beklagt. Eine solche Überbewertung solcher Sportereignisse kann bei Enttäuschung dann leicht zu Hasskommentaren führen, wie sie Frau Hartl in ihrem Leserbrief beklagt. Es ist die Überbewertung, die Verbissenheit, die ich ablehne.
Aber wenn Ihnen das akzeptabel erscheint, ist das natürlich Ihre Sache.
Zum Nationalbewusstsein und Fähnchenschwenken haben Sie sich am 16. Juni um 12:20 im Thread „Erdogans Unterstützer“ etwas anders geäußert:
„Es ist ja auch auffallend, dass in Deutschland das nationale Bewusstsein mit Fahnenschwenken und so (…Schland) immer bei einer WM oder EM ihren Höhepunkt erreicht. Das hat ja auch etwas Unausgegorenes.
Ich bin auch der Meinung, dass aufgrund unserer speziellen Geschichte uns eine ,vornehme Zurückhaltung‘ durchaus gut zu Gesicht steht.
Im Übrigen wird das Fahneschwenken bei solchen Sportereignissen nicht „verspottet“. Aber viele – meine Wenigkeit eingeschlossen – finden es nicht sehr überzeugend, Massensog… Ich kann damit leben, aber mein Ding ist es nicht. Diese Art Nationalgefühl ist mir fremd.“
@ Brigitte Ernst
Das muss ich Ihnen wirklich lassen: Ihnen entgeht aber auch nichts. Und trotzdem kann ich Ihnen Paroli bieten:
Zu meinen beiden Aussagen, sowohl am 15. Juni (nicht 16.) als auch von gestern kann ich stehen. Zum Einen ist der Kontext im Juni ein anderer ((Gündogan, Özil). Am 15. Juni sind wir beim Absingen der Nationalhymne und dem Fähnchenschwenken anderer Länder gelandet und ich bin darauf eingegangen. Jetzt waren wir beim WM-Aus der Deutschen und auch bei dem (übertriebenen) Nationalismus.
Ich habe im Grunde bei beiden nichts anderes gesagt, als dass ich persönlich wenig mit Fahnenschwenken und dieser plötzlichen Fußballbegeisterung bei den großen Ereignissen am Hut habe. Beim Public Viewing wird’s deutlich. Das Fußballspiel und die Qualität des Spiels sind mir am Wichtigsten. Und ich lasse mich, je nach dem, auch mitreißen.
Ich unterscheide auch zwischen Stadionstimmung und Public Viewing und dem Drumherum. Zumal der Fußball oft nur ein Ventil ist.
Einerseits beklagen Sie, Frau Ernst, einen übertriebenen Nationalismus bei den großen Spielen und andererseits sagen Sie am 17. Juni („Guendogan“), dass auch eingebürgerte Spieler die Nationalhymne singen sollten. Das ist doch auch nicht frei von Widerspruch! 1974 bei der WM in Deutschland hat auch kein Spieler beim Abspielen der deutschen Nationalhymne den Mund bewegt. Keinen hat’s gestört.
Da wird doch heute viel mehr Tamtam draus gemacht.
Dass ich dann bei Ihren Aussagen vielleicht eine Note zuviel hinein interpretiert habe, das kann schon sein. Aber Sie lassen ja auch nicht locker mit dem Nationalismus und „Überbewertung solcher Sportereignisse“.
Das, was in den unsozialen Netzwerken passiert (Häme, Demütigung, Hass) und was Frau Hartl auch beklagt, ist ja berechtigt. Aber ich spreche nicht von den unsozialen Netzwerken, die mir in diesem ganzen Kontext gestohlen bleiben könnten. Die Printmedien berichten doch ganz anders und fachlich überaus gut (eben auch die FR). Wenn Sie die Verbissenheit in diesen Netzwerken ablehnen, bin ich ganz bei Ihnen (Politsprech). Aber ich bin lieber beim Leben draußen.
Außerdem habe ich Ihnen bei allen jetzt stattgefunden WM-Achtelfinalspielen die Beispiele genannt, wo Enthusiasmus, Nationalstolz und RESPEKT vor dem Gegner, dem Matchverlierer des anderen Landes ganz deutlich praktiziert wurde. Und das ist doch was, angesichts der Feindseligkeiten, die sich im Politischen zwischen den Ländern gerade abspielen!!!
Ich sehe im Spiel viel Kampf und Einsatz und Leidenschaft (das gehört zum Fußball auch dazu). Aber ich sehe AUF DEM PLATZ keinen übertriebenen Nationalismus, jedenfalls nicht bei dieser WM.
Ja, das habe ich gesagt: „Es ist ja auch auffallend, dass in Deutschland das nationale Bewusstsein mit Fahnenschwenken …bei einer EM und WM ihren Höhepunkt erreicht. Das hat auch etwas Unausgegorenes …“. Ja, das hat es auch, weil halt so von null auf eins passiert. Dazwischen ruht still der See. Das ist schon typisch deutsch. Das hat was von historischen Hinterlassenschaften (kollektive Scham???). Bei vielen anderen Ländern ist das so natürlich und echt. Jedenfalls meine Empfindung und Wahrnehmung.
Mein Blick auf diese Phänomene bleibt kritisch. Aber ich kann die nationale Identifizierung und diesen (unterdrückten?) Wunsch nach Zugehörigkeit auch verstehen.
Wenn es nicht gerade diese Welle der nationalistischen Blut- und Boden-Bekenntnisse der rechten Brut ist. Das ist verheerend und unappetitlich.
Soweit für heute, damit es nicht im falschen Thread landet.
@ Jürgen Malyssek
Tja, lieber Herr Malyssek, noch habe ich ein gutes Gedächtnis :).
Im Grunde habe ich den Eindruck, dass wir mit unserer Ansicht gar nicht so weit auseinander liegen. Ich bin ja auch eher für einen lockeren Umgang mit nationalen Symbolen und verfolge selbst am Fernsehschirm die WM. Der Bohei allerdings, der nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft gemacht wurde, ging mit dann doch über die Hutschnur. Da haben wir eine Regierungskrise und Menschen ertrinken im Mittelmeer, aber Schland flennt wegen eines verlorenen Fußballspiels! Wenn sich da die Relationen nicht reichlich verschoben haben!
Für mich bleibt Spiel doch immer noch Spiel und die wahren Probleme sind woanders angesiedelt.
Wenn ich so darüber nachdenke gilt das, was ich im Leserbrief geschrieben habe, auch für viele andere Bereiche im Netz. Die FR weiss ein Lied davon zu singen, in welcher Sprache dort geschrieben wird und wie dort „Meinung gemacht“ wird.
Mich hat an diesem Tag einfach interessiert, was „Deutschland“ so denkt über das Ausscheiden der Nationalmannschaft. Vielleicht hätte ich es lassen sollen, denn ich war entsetzt. Einerseits über das Vokabular, andererseits über das, was hineininterpretiert wurde.
Ich habe keine Ahnung, ob die Jungs satt, überheblich oder unlustig waren. Die Teile der Spiele die ich sah, bringe nicht genügend Interesse für das Spiel auf, um eines ganz zu verfolgen, empfand ich als leidenschaftslos und der Wille zum kämpfen hat mir gefehlt. Das Warum, keine Ahnung.
In Berührung kam ich mit Fussball, als die WM in Deutschland war. Die Leinwand auf dem Main, die vielen unterschiedlichen Nationen die sich dort zusammenfanden waren für mich ein ah-Erlebnis.
Alle Fans bunt durcheinandergewürfelt. Jeder litt und freute sich für “ seine“ Mannschaft aber das Verbindende, das gemeinsam erlebte, blieb erhalten, war spürbar.
Das möge der Bessere gewinnen kommt zum Schluss, wenn man dem Gegner die Achtung und den Respekt erweist. Vorher bzw. während des Spiels bin ich parteisch.
Fahnen besitze ich keine und auch sonst mangelt es an all den Dingen, die ein Fan so mit sich rumschleppt. Ich hatte schon Probleme damit, mir bei der Heim-WM ein Fähnchen auf die Wange zu malen. Mein Sohn ging im Trikot einer der großen spanischen Fussballer.
Aus heutiger Sicht schmerzt dieses völlig verkrampfte Verhalten zur eigenen Nationalität.
Frage mich gerade, ob das heutige Überzeichnen der Nationalität nicht auch ein Produkt des gestörten Verhältnisses dazu ist.
Es scheint keine Nation ausser der deutschen zu geben, die sich selbst aufgrund ihrer Geschichte so kasteit. Ein Nationalbewusstsein schließt für mich nichts aus. Sowohl die Kenntnis der Geschichte als auch die Freude an einem „Kräftemessen“ während einer WM.
Das die Eintracht den Pokal gegen Bayern geholt hat ist wunderbar. Das der Gegner es an Respekt hat fehlen lassen und in der Kabine verschwand ist was?
@ Brigitte Ernst
ja, so können wir’s erst einmal stehen lassen. Ob Jubel oder Trauer beim Fußball: Sicher liegen die wahren Probleme ganz woanders. Dennoch bleibt der Fußball ein starkes Symbol.
Sehen Sie, liebe Frau Ernst: Jogi Löw bleibt, Seehofer bleibt, Merkel bleibt, Krise bleibt. Hat doch was, oder?
Wahrscheinlich ist der Fußball und so ein großes Ereignis wie die WM, auch eine Art Erholung für uns Erdenbürger von dem desaströsen politischen Geschäft, wo man sich zwischendurch fragen kann: Warum tue ich mir das noch an?
Die Menschen würden sich vielleicht reihenweise aus dem Fenster oder ins Wasser stürzen, wenn es König Fußball nicht gäbe?
@ Anna Hartl
Es hat Sie interessiert, was „Deutschland“ so denkt nach dem Aussscheiden der Jogi-Elf. Scheinbar müssen Sie sich auch von dem Blick ins „Netz“ etwas versprochen haben. Da empfehle ich außer dem Blick in die Tagespresse doch einfach das Fachmagazin, den „Kicker“. Ganz ehrlich, das ist gute Qualität! Das Netz gleicht einer Jauchegrube.
Ansonsten lese ich ja, dass Sie sich schon vom Fußball haben anstecken lassen und Ihr Sohn trug das Trikot mit dem Namen eines großen spanischen Spielers (Messi?). Das ist doch prima.
Zu diesem „völlig verkrampften Verhalten zu eigenen Nationalität“, fragen Sie sich, ob das heutige Überzeichnen der Nationalität nicht auch ein Produkt des gestörten Verhältnisses dazu sei. Mir scheint dies durchaus naheliegend.
Man kann inzwischen den Fußball nicht mehr ganz von Politik und Gesellschaft trennen. Zu viele Parallen …
Mal abgesehen von meinem persönlich nicht stark ausgeprägten Nationalbewusstsein, bin ich Anhänger des 1. FC Kaiserslautern (nicht der Eintracht, der gelten nur meine Sympathien). Rational ist das nicht zu erklären. Es ist einfach so. Bestimmte Vereine sind mir insgesamt wichtiger als die Nationalmannschaft.
Gute Nacht!
@Juergen Malyssek
Danke für den Tip mit dem Kicker und es war das Trikot von Iniesta.
Ich war einfach nicht darauf vorbereitet, einem derartigen Müll zu begegnen. Hatte bisher nur in anderen Bereichen davon gehört und mich davon ferngehalten. Die sogenannte Verrohung der Sprache. Ich bin davon ausgegangen, dass vor dem Sprechen das Denken kommt und frage mich, in welchen Bereichen seiner selbst sich ein Mensch bewegt, um sich derart auszudrücken.
Im eigentlichen Sinn bin ich kein Fan irgendeiner Mannschaft. Ich verfolge was die Eintracht so macht und hege eine leise Liebe für Leverkusen. Kann ich auch nicht erklären. Ansonsten hat mich bei der WM 2006 einfach etwas berührt.
Schön haben Sie das gesagt „Erholung für die Erdenbürger“. So empfinde ich das. Es ist wohltuend, sich für kurze Zeit aus „dem Wahnsinn“ dieser Welt zu entfernen. Gut, es gibt auch andere Möglichkeiten als den Fussball, aber wo kann man so herrlich mitleiden und sich freuen vor allem gemeinsam. Handball? Eishockey? Beachvolleyball zu sehen macht auch Spaß.
Wenn’s bei mir ganz schräg läuft, schwinge ich mich aufs Rad und fahre solange, bis ich mich meinem inneren Gleichgewicht wieder angenähert habe.
Eigentlich ist der Ausdruck „Verrohung der Sprache“ nicht ganz richtig und bleibt damit an der Oberfläche, denn vor dem Ausdruck in Sprache kommt das Denken und davor das Empfinden. Was trifft da auf was? Sind es ungehinderte, unreflektierte Emotionen, die keinen Raum mehr für denken lassen und so in die Welt gebrüllt werden? Ist der Topf der eigenen Emotionen so voll und so viele Verletzungen vorhanden, dass es in einen rücksichtslosen Sprachgebrauch mündet? Fühlt man sich selbst so missachtet, dass Achtung und Respekt für andere nicht mehr leistbar sind?
Hatte immer die Vorstellung, das mit zunehmendem Alter mehr Verstehen und Einsicht kommt, stattdessen habe ich immer mehr Fragen.
@Juergen Malyssek
Ich bin nicht sehr am Fußball interessiert und habe noch kein Spiel gesehen. Mich interessiert nur, ob Werder ein Heimspiel hat, weil ich dann den Regionalzug meide.
„…eines großen spanischen Spielers (Messi?).“
Aber das Sie als Fußballfan aus dem Argentinier Lionel Messi einen Spanier machen wollten, überrascht mich schon sehr.
Ich habe 1993 das Buch „Die Erlebnisgesellschaft“ von Gerhard Schulze (zum Teil) gelesen. Dort heißt es, dass sich seit der Nachkriegszeit das Verhältnis der Menschen zu Gütern und Dienstleistungen kontinuierlich verändert hat. Man sieht es besonders in der Werbung. Nicht mehr der Gebrauchswert wird beworben, sondern der Erlebniswert. Das Leben schlechthin ist zum Erlebnisprojekt geworden. Erlebnisorientierung ist die unmittelbarste Form der Suche nach Glück.
Natürlich hat die Industrie diesen Trend erkannt und verkauft uns nun Erlebnisse, Ihnen die Fußballweltmeisterschaft und mir die Tour de France. Anderen verkauft sie Opernstars oder Rolling-Stones-Konzerte. Es geht nur in zweite Linie um den Inhalt, es geht um das Erlebnis. Interessanterweise entscheiden wir bereits im Voraus, dass es ein großes Erlebnis sein wird. Von dieser Einstellung sind wir nur schwer wieder abzubringen. Da kann das Spiel noch so grottenschlecht sein, ein großes Erlebnis war es doch.
Dass es sich dabei um Nationalmannschaften oder Sport geht, ist m. E. nebensächlich.
Bei manchen politischen Demonstrationen frage ich mich, ob da der Erlebnischarakter bei einigen Teilnehmern nicht doch im Vordergrund steht. Ich traue meinen Erinnerungen an 1968 nicht (ich war vierzehn.), aber ich weiß, dass ich an einer Demonstration teilgenommen habe. Wofür oder wogegen habe ich vergessen (oder nie gewusst), aber es war ein Erlebnis.
@ Henning Flessner
Au Backe! Da haben Sie mich kalt erwischt. Meine Kurzschluss-Assoziation auf „großer spanischer Fußballer“ zu FC Barcelona (deren Trikot Messi hauptberuflich trägt) hat diesen Fehltritt gebracht. Das durfte nicht passieren. Trotzdem glaube ich, meinen Fußballsachverstand noch behalten zu haben und Sie mir weiter vertrauen können. Beim Argentinier Messi durften Sie auf jedenfall überrascht reagieren.
Beim Thema „Erlebnisgesellschaft“ sehe ich das so wie Sie und der Autor Gerhard Schulze.
Das Einkaufen in den Fünfzigern und weitestgehenden Sechzigern beschränkte sich auf das, was man tatsächlich für Ernährung und Alltag benötigte. Inzwischen ist Einkaufen, Shopping zum Erlebnis geworden. Besser gesagt, es ist in der Konsum- und Warengesellschaft zu einer Freizeit- und Erlebniswelt (Event!)hochgepuscht worden: „Kauf dich glücklich!“
Fußballweltmeisterschaften oder die Tour de France passen sicher in diese industriellen Verkaufsmuster von Mega-Events. Der dann entwickelte Erlebnishunger ist dann schwerlich zu stoppen.
Trotzdem würde ich einen speziellen Unterschied machen zwischen Sport, Fußball oder Tennis oder … Aber das wäre hier nicht das passende Thema.
Um kurz auf 1968 zu kommen: Wenn Sie das bewusst und politisch angefixt mitgemacht haben, bleibt doch etwas Anderes zurück als das pure Erlebnis. Abgesehen davon, dass es auch ein Erlebnis war.
@ Anna Hartl
Das haben Sie mit dem „Spanier“ Messi jetzt mitgekriegt. Iniesta, natürlich!!!
Zum Müll im „Netz“:
Die „verrohte Sprache“ folgt sicher der Unordnung und Schlichtheit im Kopfe des Twitterers (oder wie die Netzschreiber heute so genannt werden).
Aber Sie sehen auch, dass aus dem politischen Jargon und den Mäulern der Herrschenden mit „Deckworten“ eine unglaubliche Meinungs-Manipulation betrieben wird, die in ihrer Wirkung auf das „gemeine Volk“ eine ebenso verheerende Wirkung hat (s. FR-Thema des Tages heute).
Bei der „Liebe zum Fußball“ schildern Sie nichts anderes, als das, was einem – und eben auch mir – so passiert, wenn man seine Leidenschaft zu diesem Sport entwickelt und schwerlich davon loskommt. Kann auch Handball, Tennis oder Beachvolleyball sein. Dennoch ist der Fußball der König.
Übt man diesen Mannschaftssport aus bzw. hat ihn lange ausgeübt, kann man auch lernen, damit vernünftig umzugehen, auch mit den gesellschaftlichen Erscheinungen.
Zum Schluss noch diesen kleinen Schlenker zur Politik: Ist doch interessant, wie sich jetzt wieder die Bilder gleichen: Löw bleibt, Seehofer bleibt, Merkel bleibt, trotz des Scheiterns!
Die TAZ titelte (aus dem Gedächtnis): „Bleiberecht für alle“ – mit den drei Obengenannten abgebildet.
Und dann lasse man sich die Ergebnisse des Asylstreits durch den Kopf gehen!
Ich muss es gestehen: die Fußballbegeisterung, erst recht bei diesen Mega-Events, ist mir ziemlich fremd. Weder die riesigen Menschenansammlungen noch der Krach, der von ihnen ausgeht, gereichen mir zur Beglückung. Für mich gibt es andere Erlebnisse, die mir eine Auszeit vom Frust des Alltags und der deprimierenden Nachrichten, von denen wir ständig überschwemmt werden, verschaffen.
Ich besuche eine Kunstausstellung, möglichst Im- oder Expressionismus, entweder am Heimatort oder nach einer Bahnfahrt in einer anderen Stadt, und tauche in einen Farbenrausch ein. Meist velasse ich das Museum vom Augenschmaus beflügelt.
Oder ich setze mich selbst an den Malblock und erlebe, dass mit der Konzentration auf die Bildproduktion der Kopf für ein bis zwei Stunden von allem, was mich sonst so verfolgt und belastet, leer gefegt wird.
Lärm und Menschenmassen hatte ich 40 Jahre im Beruf, das brauche ich nicht mehr.
@ Jürgen Malyssek
Lionel Messi hat auch die spanische Staatsbürgerschaft. Sie sind rehabilitiert.
Jürgen Malyssek,4. Juli 2018 um 0:22
„Jogi Löw bleibt, Seehofer bleibt…“
Aber Herr Malyssek! Das sollten wir Jogi Löw nun wirklich nicht antun, in einem Atemzug mit Seehofer genannt zu werden!
Ich habe keine Probleme damit, dass er bleibt, im Fall Seehofer dagegen erhebliche. Wer so viel geleistet haben wie Jogi Löw, der darf auch mal versagen oder Pech haben – je nachdem. Ich wüsste dagegen nicht, was einem Seehofer als Leistung anzurechnen wäre.
Meine vielleicht nicht ganz fachmännische Einschätzung zum WM-Aus:
Wenn man die enormen Schwierigkeiten aller Favoriten mit „Kleinen“ berücksichtigt, ist dies gar nicht so verwunderlich.
Ich habe das Spiel der deutschen Mannschaft (zumindest seit 2006) geschätzt, weil sie (ähnlich wie Spanien) erfrischenden Angriffsfußball bot, dem man gerne zusieht. Diese Ära ist offenbar vorbei, seit viele „Kleine“ bemerkt haben, dass man auch ohne besondere technische Fähigkeiten mithalten kann, wenn man das Tor verrammelt und rennen kann bis zum Umfallen. Mir macht das keinen Spaß mehr, und wo das Tor fällt, ist auch mehr oder weniger Zufall.
Bei dieser WM meine ich, nur ein schönes Spiel gesehen zu haben, und das war Frankeich gegen Argentinien. Ich drücke den Franzosen deshalb nun auch die Daumen.
Diese Entwicklung mag zwar insofern begrüßenswert sein, als auch „Kleine“ ihre Chance erhalten, vom Spielerischen her ist das aber bedauerlich.
Bisher hat es meiner Meinung nach noch keine Mannschaft geschafft, gegen dieses (für mich grässliche) „Catenaccio“ eine überzeugende Strategie zu finden. Vielleicht findet das ja Jogi Löw. Ich würde es ihm durchaus zutrauen.
Zum Problem Fußball und „Nationalismus“ ist wohl genug gesagt worden. Aus meiner Sicht nur noch so viel:
Wenn man den zunehmenden Hang zu purer Destruktion und Aggression in Betracht zieht, finde ich es durchaus positiv, wenn Menschen sich überhaupt noch für irgendetwas begeistern können – und sei es auch nur passiv.
Wenn man ihnen solche „Spielwiesen“, Möglichkeiten eher harmloser Leidenschaften und Identifikationen wegnimmt, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass an deren Stelle weit problematischere Identifikationsmuster treten. Wie die aussehen, kann man z.B. bei den „Identitären“ einsehen.
Henrik Ibsen sagte einmal (und führte es an der „Wildente“ aus), dass der Mensch ohne seine Lebenslüge nicht überleben kann.
@ Matthias Aupperle
Sie haben mich gerettet! Ich gebe Ihnen einen aus. Wie heißt Ihr Stammlokal und wo ist es?
@Juergen Malyssek
Schön dass das mit Messi jetzt „geklärt“ ist?.
Der TAZ Titel erfreut mich. Frage mich bei Seehofer, ob es alleine die Landtagswahl ist, die ihn „so umtreibt“. Das letzte Aufbäumen vor der Rente? Verletzte Eitelkeit? Er hat sich jedenfalls bis auf die Knochen blamiert und aus Politik ein Schmierentheater gemacht.
Bei Jogi Löw bin ich mir nicht ganz sicher, ob es im Moment nur keinen „besseren“ für den Job gibt. Mein Eindruck war, dass er nicht verstanden hat, was in der Mannschaft vor sich geht, bzw. kein Mittel gefunden hat, damit umzugehen und sportlich braucht es neue Impulse. Der Ballbesitzfussball ist Vergangenheit.
@ Brigitte Ernst
Kunst ist auch ein gutes Mittel, um in eine andere Welt einzutauchen. Haben Sie zufällig die letzte Ausstellung in der Schirn gesehen? Basquiat? Ich fand seine Werke inspirierend. Mein Kühlschrank ist in Gefahr ein neues Äußeres verpasst zu bekommen.
Was den Fussball betrifft hat mich 2006 die Stimmung berührt, in der soviele unterschiedliche Nationen gemeinsam am Main ein kleines Fest gefeiert haben und die Frankfurter den öffentlichen Raum für sich entdeckt haben.
Für mich fand da eine Öffnung statt, eine gelebte Toleranz. Kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es wie in Russland eine Diskussion darüber gab, ob Frau zu freizügig mit den Gästen umgeht!
@Werner Engelmann
Sie sprachen von harmloser Leidenschaft und Identifikation. Mein Eindruck war, dass es der vielleicht „einfachste Nenner“ war, der es den Menschen ermöglicht hat etwas gemeinsam zu erleben, gemeinsam zu feiern in einer Zeit, wo die Vereinzelung vorherrscht.
@ Anna Hartl, 5. Juli 2018 um 8:37
„Mein Eindruck war, dass es der vielleicht „einfachste Nenner“ war, der es den Menschen ermöglicht hat etwas gemeinsam zu erleben, gemeinsam zu feiern in einer Zeit, wo die Vereinzelung vorherrscht.“
Exakt.
Vereinzelung, ja. Doch kombiniert mit Ängsten, massiver Verdrängung, Wirklichkeitsflucht, die – wenn mit der Realität konfrontiert – jederzeit in Aggression umschlagen kann.
Beispiel:
Ich verlinke hier einen Artikel der SZ über einen Faktenchecker der „Washington Post“, der seit Amtsantritt von Trump über 3200 Lügen nachgewiesen hat, Spitzenwert an einem Tag: 77 Lügen. Völlig ohne Bedeutung bei seinen Bewunderern, diese Lügen aufzudecken und zu belegen. Das schafft höchstens Aggressionen, da sie so aus ihrer Scheinwelt herausgerissen werden, die sie keinesfalls verlassen wollen. Trumps Lügen sind unglaublich attraktiv, geben für den, der sich in sie hineinsteigert, wenigstens für Momente ein Gefühl der Sicherheit, von dieser Welt verschont zu werden. Grausam wird es allerdings, wenn diese Wirklichkeit einen dann doch einholt.
(http://www.sueddeutsche.de/medien/interview-am-morgen-trumps-luegen-es-ist-deprimierend-1.4035989)
Zur Fußball-Begeisterung:
Natürlich ist auch das eine Form der Wirklichkeitsflucht. Aber zumindest weiß man, dass es sich um ein Spiel handelt. Dass das die Realität völlig verdrängt, ist unwahrscheinlich.
Dazu meist eine schöne Form der Flucht, die auch Gemeinschaftsgefühl stiften kann: sich gemeinsam zu freuen und zu trauern.
Menschen brauchen solche „Fluchten“, wenn sie nicht verrückt werden sollen.
Ich erinnere mich oft an meinen Zimmerkollegen der Studentenzeit in Tübingen (1966). Ich Student der Mathematik und Physik im 1. Semester, (eigentlich Studium generale: Literatur, Geschichte, Philosophie, Psychologie – was man so alles mitnehmen konnte), er Mediziner im 11. Semester. Wir verstanden uns prächtig, und er brauchte das auch, mehr als ich. So, wenn er mir erzählte: „Heute haben wir den kleinen Jungen seziert, mit dem ich mich gestern noch unterhalten habe.“
Es war die Zeit, als die Beatles aufkamen und überall auf dem Land in irgendwelchen Schuppen nächtelang Beat-Festivals gefeiert wurden.
Mein Zimmerkollege dazu: „Prima, das erspart den Psychotherapeuten.“
Wie Recht er doch hatte!
Vielleicht hat auch Fußballbegeisterung eine ähnliche Funktion. Wenn man die üblen Begleiterscheinungen von gezielter Randale in den Griff bekommt. Die freilich mit Fußball nichts zu tun haben, da hier nur die Masse für den „Kick“ von Gewaltexzessen gesucht wird, egal wie und wo (Beispiel Hamburg).
Im Vergleich zu dem, was Nationalismus (besser: Chauvinismus) sonst anrichten kann, erscheint aber selbst das vergleichsweise harmlos.
@ Anna Hartl, 5. Juli 2018 um 8:37
„Mein Eindruck war, dass es der vielleicht „einfachste Nenner“ war, der es den Menschen ermöglicht hat etwas gemeinsam zu erleben, gemeinsam zu feiern in einer Zeit, wo die Vereinzelung vorherrscht.“
Exakt.
Vereinzelung, ja. Doch kombiniert mit Ängsten, massiver Verdrängung, Wirklichkeitsflucht, die – wenn mit der Realität konfrontiert – jederzeit in Aggression umschlagen kann.
Beispiel:
Ich verlinke hier einen Artikel der SZ über einen Faktenchecker der „Washington Post“, der seit Amtsantritt von Trump über 3200 Lügen nachgewiesen hat, Spitzenwert an einem Tag: 77 Lügen. Völlig ohne Bedeutung bei seinen Bewunderern, diese Lügen aufzudecken und zu belegen. Das schafft höchstens Aggressionen, da sie so aus ihrer Scheinwelt herausgerissen werden, die sie keinesfalls verlassen wollen. Trumps Lügen sind unglaublich attraktiv, geben für den, der sich in sie hineinsteigert, wenigstens für Momente ein Gefühl der Sicherheit, von dieser Welt verschont zu werden. Grausam wird es allerdings, wenn diese Wirklichkeit einen dann doch einholt.
(http://www.sueddeutsche.de/medien/interview-am-morgen-trumps-luegen-es-ist-deprimierend-1.4035989)
Zur Fußball-Begeisterung:
Natürlich ist auch das eine Form der Wirklichkeitsflucht. Aber zumindest weiß man, dass es sich um ein Spiel handelt. Dass das die Realität völlig verdrängt, ist unwahrscheinlich.
Dazu meist eine schöne Form der Flucht, die auch Gemeinschaftsgefühl stiften kann: sich gemeinsam zu freuen und zu trauern.
Menschen brauchen solche „Fluchten“, wenn sie nicht verrückt werden sollen.
Ich erinnere mich oft an meinen Zimmerkollegen der Studentenzeit in Tübingen (1966). Ich Student der Mathematik und Physik im 1. Semester, (eigentlich Studium generale: Literatur, Geschichte, Philosophie, Psychologie – was man so alles mitnehmen konnte), er Mediziner im 11. Semester. Wir verstanden uns prächtig, und er brauchte das auch, mehr als ich. So, wenn er mir erzählte: „Heute haben wir den kleinen Jungen seziert, mit dem ich mich gestern noch unterhalten habe.“
Es war die Zeit, als die Beatles aufkamen und überall auf dem Land in irgendwelchen Schuppen nächtelang Beat-Festivals gefeiert wurden.
Mein Zimmerkollege dazu: „Prima, das erspart den Psychotherapeuten.“
Wie Recht er doch hatte!
Vielleicht hat auch Fußballbegeisterung eine ähnliche Funktion. Wenn man die üblen Begleiterscheinungen von gezielter Randale in den Griff bekommt. Die freilich mit Fußball nichts zu tun haben, da hier nur die Masse für den „Kick“ von Gewaltexzessen gesucht wird, egal wie und wo (Beispiel Hamburg).
Im Vergleich zu dem, was Nationalismus (besser: Chauvinismus) sonst anrichten kann, erscheint aber selbst das vergleichsweise harmlos.
@Werner Engelmann
Danke für den Artikel über den Faktenchecker.
Kann mir sogar vorstellen, dass er mit seiner Einschätzung recht hat. Trump glaubt wohl wirklich in dem Moment was er sagt. Auch dass Menschen eher das glauben, wovon sie schon vorher überzeugt waren. Ja und Urlaub ist auch eine schöne Form von Auszeit.
Ob Herr Höcke auch all das wirklich glaubt, was er in seinem „Büchlein“ so von sich gibt, wie Katja Thorwarth heute in der FR geschrieben hat?
Es ist so absurd, dass ich laut gelacht habe, obwohl es nicht wirklich zum Lachen ist. Es bedient nur die Denkfaulen. Ist es denn wirklich ein Lebensmodell sich den daemlichsten Aussagen anzuschließen? Macht es das Leben einfacher? Zunächst wahrscheinlich ja. Keine Auseinandersetzung mit was auch immer. Irgendwer wird schon erklären, warum die Dinge so laufen? Je blöder und platter, desto besser?
An die Beat-Schuppen kann ich mich erinnern. Auch eine gute Art der Auszeit.
Mediziner hab ich nie verstanden. Für mich ist es unvorstellbar wie ein Mensch mit einer derartigen Situation klarkommt. An einem Tag das Gespräch, am anderen das Sezieren. Hat der Beat-Schuppen dabei geholfen?
@ Werner Engelmann
Guten Tag, Herr Engelmann, eigentlich habe ich Löw und Seehofer nicht auf eine Stufe stellen wollen, wobei die Ausgangsidee die von der TAZ war „Bleiberecht für alle“).
Dennoch eine gewisse Nähe ist trotzdem gegeben, nämlich zu dem Am-Posten-Kleben. Und Löw und Merkel sind im Grunde sportlich-politisch kaum voneinander zu trennen.
Über die Qualität des deutschen Spiels vor und bei der WM habe ich das Wesentliche gesagt.
Spanien hat übrigens genau so einfältig gegen Russland gespielt wie die Deutschen(Ballgeschiebe), nur mit etwas mehr Tempo.
Ich glaube nicht, dass Löw sich einen Gefallen mit dem Weitermachen getan hat. Es wäre – ohne Gesichtsverlust – der richtige Zeitpunkt gewesen, die weitere Verantwortung in neue Hände (Füße, Köpfe) zu geben.
Man muss den Instinkt haben, den richtigen Moment des Aufhörens zu erkennen und wahrzunehmen. Das ist nicht passiert, obgleich ich den Ehrgeiz von Bundes-Jogi durchaus verstehen kann, die Scharte auswetzen zu wollen und einen Umbau anzustreben. Ich habe keine wirklichen fachlichen Probleme damit, aber es ist der falsche Schritt von ihm. Die schnelle Klärung fürs Weitermachen und der Gedanke, er könne jatzt in Ruhe wenigstens bis 2022 arbeiten, dass wird nicht eintreffen. Mit Argus-Augen werden die Fachleute und Laien beäugigen, was funktioniert und was nicht. Zumal die mediale Öffentlichkeit und die Fangemeinde gnadenloser im Urteil geworden sind.
Langzeittrainer wie Rehagel, Finke oder auch Herberger und Schön als Nationaltrainer, das ist zu 90 Prozent vorbei. Das gibt der große Fußball nicht mehr her.
Selbst im Amateurbereich treten die Abnutzungserscheinungen viel früher auf als noch zu alten treuen Ringelstutzen-Zeiten.
Also, ich traue Jogi Löw schon was zu, aber als Bundestrainer hatte er seine Zeit!
Sie sprachen das ganz gute Spiel Frankreich gegen Argentinien an. Stimmt. Aber auch Uruguay-Portugal und Brasilien-Mexiko hatten Qualität. Ich stehe jetzt erst einmal auf der Seite der Schweden und der Urus. Zwei ganz unterschiedliche Temperamente.
„Wenn man den zunehmenden Hang zu purer Destruktion und Aggression in Betracht zieht, finde ich es durchaus positiv, wenn Menschen sich überhaupt noch für irgendetwas begeistern können – und sei es nur passiv.“
Volle Zustimmung!
Wenn man, wie es bei mir ist, seit weit über 60 Jahren vom Fußball nicht losgekommen ist, dann muss man ja auch etwas bekloppt sein.
@ Anna Hartl
Zu Seehofer: Dieser Mann hat längst den Zeitpunkt des Aufhörens verpasst. Trotz seiner Hartnäckigkeit und seiner Arroganz der Macht, ist er politisch nicht mehr zu halten. Merkel hätte ihn rausschmeissen müssen, aber das war in der Tat leichter gesagt als getan.
Seehofers politisches Ende ist trotzdem jetzt nur noch eine Frage der Zeit.
Zu Jogi Löw habe obenstehend was gesagt (-> Werner Engelmann).
@ all
Kleiner Hinwweis: Die Debatte über Seehofer und seine Zukunft sollten wir in der dafür zur Verfügung stehenden Diskussion führen. Dorthin geht es HIER.