Jürgen Walter fährt schwere Geschütze auf. Nein, er will sich nicht einfach nur gegen den Parteiausschluss aus der hessischen SPD wehren, ganz offensichtlich will er eine Rechnung mit seiner Partei begleichen – und mit Andrea Ypsilanti. So behauptet er jetzt, dass „die hessische CDU nach der Landtagswahl angeboten hatte, eine große Koalition unter einem Ministerpräsidenten Volker Bouffier und ohne Roland Koch zu bilden“. Ein Angebot, von dem außer Walter niemand nichts Genaues zu wissen scheint. Möglicherweise stellt die hessische SPD das Ausschlussverfahren nun schnell wieder ein – um ihm kein Forum zu bieten?
Dazu meint Werner Decker aus Melsungen:
„Jürgen Walters Aussagen zum Parteiausschluss sind an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Die Landesvertreterversammlung hat Frau Ypsilanti in einer demokratischen Wahl 2006 zur Spitzenkandidatin gewählt und nicht Herrn Walter. Eine Mitgliederbefragung ist nach dem hessischen Wahlgesetz dazu nicht befugt, und daher nur eine unverbindliche Stimmungsabfrage. Das hat der Jurist Jürgen Walter wohl nicht begriffen.
Herr Walter regt sich über das gebrochene Wahlversprechen Ypsilantis auf. Wo war Herrn Walters Protest, als die SPD die Mehrwertsteuer (Merkelsteuer) entgegen ihrer Wahlaussage erhöhte? Da hat man von seinem Gewissen nichts gehört. Der SPD-Führung wirft er vor, dass ihr Demokratieverständnis mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Ich glaub ich hör nicht recht. Das wäre ja ein Fall für das Bundesverfassungsgericht.
Herr Walter lügt sich die Wirklichkeit so zurecht, wie es ihm in den Kram passt. Wie gut, dass uns dieser aufrechte Demokrat in Zukunft erspart bleibt.“
Jochen Böhme-Gingold aus Melsungen:
„Jürgen Walter heuchelt. Er und Frank Kaufmann von den Grünen haben den Text zum Frankfurter Flughafen im Koalitionsvertrag ausgearbeitet. Und dann stellt sich Jürgen Walter auf dem SPD-Parteitag hin und sagt, er könne den Koalitionsvertrag nicht mittragen wegen der darin enthaltenen Aussagen zum Flughafen. Das ist doch der Gipfel der Verlogenheit.
Übrigens: Walter ist freiwillig in der SPD. Diese freiwillige Mitgliedschaft schließt aber ein, dass er sich den Regeln der Partei unterwirft und Parteitagsbeschlüsse mitträgt. Wenn er das nicht kann, sollte er ebenso freiwillig die Partei wieder verlassen. Das wäre eine aufrichtige Gewissensentscheidung. Jürgen Walter aber will aus seinem parteischädigenden Verhalten ein Tribunal gegen die SPD machen. Da frage ich mich doch: In wessen Auftrag?“
Maria Gruber aus Dietzenbach:
„Das ist sicher eine ideale Konstellation. Schiedskommission/Parteigericht urteilt gegen Walter/Evers/Tesch, und dann wird das bis zum Verfassungsgericht ausgetragen. Für Demokraten einfach der Traum. Ja, wenn die Position der Abgeordneten so gestärkt und die Parteien in ihre Schranken gewiesen würden, das täte unserer Demokratie gut. Und den Fanatikern in den Parteien wäre es eine Lehre. Hoffentlich wird die Partei mal richtig vorgeführt.“
Wilhelm Rott aus Ranstadt:
„Koch hält nicht was er verspricht (Flughafen). Frau Ypsilanti auch nicht. Wer das nicht gut heißt, bekommt ein Verfahren. In welchem ‚Staat‘ leben wir denn? Ich bin eigentlich etwas ‚rot angehaucht‘, aber für mich macht sich die SPD mit diesem ‚Prozess‘ lächerlich.“
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:
„Im Zusammenhang mit den – wie die Schweizer sagen würden – ‚hängigen‘ Ordnungsverfahren in der hessischen SPD kann man sich nur wundern, dass solche ernsthaft betrieben werden. Wie auch jeweils der Ausgang ist: Beide Seiten, die betroffenen (Noch-) Parteimitglieder wie aber auch die Partei selbst, werden zwangsläufig beschädigt. Es gibt nun einmal Lebensbereiche, die sich nicht für eine Justizialisierung eignen. Zu diesen gehört ganz offenbar auch das Verhältnis Parteimitglieder zur Partei unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit. Parteien sind nun einmal – wie Kirchen – ‚Tendenzbetriebe‘. Aber das bedeutet für den einzelnen Abgeordneten dann doch noch keineswegs einen Unterwerfungszwang.
Immerhin darf aber das Offenlegen unterschiedlicher Meinung mehr Respekt einfordern als verdecktes Agieren in geheimer Abstimmung ( wie im Falle von Heide Simonis mißglückter Wiederwahl als Schleswig-Holsteinische Ministerpräsidentin). Was bei den drei SPD-Abweichlern allerdings auch zu monieren ist (Dagmar Metzger’s Fall ist bekanntlich anders zu sehen), das ist, dass die drei sich erst so extrem spät geoutet haben… und dies dann auch noch mit angeblichen Gewissengründen belegen wollten.“
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
„Die SPD vermittelt erneut den Eindruck von Hilflosigkeit. Und allem Anschein nach hat sie ihre politischen Ziele nach wie vor nicht eindeutig definiert und findet demzufolge keine Wege zurück zur politischen Macht.
Jürgen Walter und seine Gefolgsfrauen Metzger, Evertz und Tesch haben in Hessen entgegen dem Wählervotum von 2008 eine Landesregierung unter Führung der Sozialdemokraten verhindert. Und damit auch beste Voraussetzungen für eine Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl geschaffen. Eine Partei, die darauf lediglich mit halbherzigen Parteiordnungsverfahren reagiert, besitzt kein Selbstwertgefühl.
Ein hartes Vorgehen gegen jene Vier, die sich objektiv betrachtet als Agenten des politischen Gegners betätigt haben, wäre das Gebot der Stunde und würde überall als klare Ansage verstanden. Aber stattdessen behaupten sich die Bedenkenträger, die bei einem Parteiausschluss negative öffentliche Reaktionen erwarten. Womit sie die Stimmen des schwarz-gelben Politkartells höher bewerten als jene aus dem Kern der Mitglieder und traditionellen Sympathiesanten.“
Henning Gabel aus Frankfurt:
„Wie dem aufmerksamen Leser der Beiträge in der medialen Schlacht des Jahres 2008 um die Duldung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen durch Die Linke auffallen musste, haben Herr Walter und die anderen beiden Abgeordneten ihre Entscheidung gegen diese Option nach einer Monate langen Prozedur zur Meinungsfindung bzw. Vorabstimmung in der hessischen SPD erst im allerletzten Moment deutlich gemacht. Dabei war das Ziel der großen Mehrheit der Hessen-SPD – nämlich eine Duldung durch Die Linke zu versuchen – schon Monate davor klar erkennbar. Die drei Abgeordneten hätten sich also viel früher ‚outen‘ müssen und können – schließlich waren sie ja durch die Gewissensfreiheit des Abgeordneten geschützt. Sie hätten dadurch erreicht, dass die o.g. Prozedur schnell abgebrochen worden wäre, der Landtag sich aufgelöst hätte und viel früher Neuwahlen stattgefunden hätten. Weil sie das nicht getan haben, haben sie Hessen eine unnötige Hängepartie ohne eine regierungsfähige Mehrheit und damit ohne Landesregierung zugemutet. Das ist demokratisch gesehen ein Skandal und stellt ihre Eignung als Abgeordnete in Frage.
Der unnötig späte Zeitpunkt der Statements der drei Abgeordneten war nicht nur für die hessischen Wähler eine Zumutung sondern hat der SPD in Hessen einen viel größeren Schaden zugefügt als ein möglicher früher Zeitpunkt, weil viele Wähler die lange Hängepartie der SPD angelastet haben (‚hessische Verhältnisse‘). Muss eine Partei Mitglieder in ihren Reihen dulden, die ihr so geschadet haben ? Das kann nur der politische Gegner wollen – und das auch nur, wenn ihm Fairness im Parteienwettbewerb egal ist.
Warum sollte Herr Koch übrigens bereit gewesen sein, für eine Koalition mit der SPD auf das Amt des Ministerpräsidenten zu verzichten, wenn ein Abwarten in dieser medialen Schlacht der schwarz-gelben Option nur Vorteile bringen würde? Insofern ist diese Aussage des Herrn Walter nun wirklich nicht nachvollziehbar und wäre eine nachträgliche Bezeugung dieser Aussage durch ihre Profiteure wenig glaubwürdig.“
Hans-Achim Teichert aus Dreieich:
„Dafür, dass die SPD seinerzeit gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat,
wurde sie später gelobt (Meinung gegen den Mainstream). Dafür, dass sie heute glaubt, Beschlüsse fassen zu müssen, ob Mitglieder mit abweichenden Meinungen evtl. ausgeschlossen werden sollen, wird sie bestraft; nicht erst später, heute schon.
Frau Y. hat nichts zurückzunehmen oder zu geloben?! Verkehrte Welt! Arme SPD, heute nur noch eine Kaderpartei!
Es war mal meine Partei (keine Einzelmeinung)!“
Fridgunt von Eichendorff aus Kassel:
„Die Einlassungen des vormaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im hessischen Landtag anläßlich des anberaumten Parteiausschlussverfahrens gegen ihn belegen noch einmal nur zu gut, wes Geistes Kind Herr Walter ist: ein trickreicher, zwielichtiger Mann, für den das Wort ‚Anstand‘ ganz offenbar ein Fremdwort zu sein scheint. Die hessische SPD kann über diesen Mann guten Gewissens ohne großen Aufwand hinweg gehen, da er es nicht verdient, anläßlich seines schäbigen Politikverständnisses auch noch öffentlich ernst genommen zu werden. Angesichts dessen, weshalb andere wegen angeblicher ‚Loyalitätsverstöße‘ aus der Partei gewiesen wurde, ist der Parteiausschluß das mindeste, was Herrn Walter passieren sollte;vielleicht kommt Herrn Walter vielleicht auch noch der naheliegende Gedanke, selbst zu gehen.
Eine Partei, die Leute wie Herrn Walter weiterhin einen Platz in ihren Reihen einräumt, werde ich zukünftig meine Stimme nicht mehr geben.“
Ein klassisches Dilemma. Wie auch immer es weitergeht, es schadet der SPD.
Natürlich kann es keine Partei zulassen, dass eigene Abgeordnete die Wahl der eigenen Vorsitzenden in ein Regierungsamt ablehnen. Wer derartiges toleriert, der hat nur noch die Status eines Kasperlestheaters.
Dem steht jedoch die vielgepriesene Freiheit des Mandats entgegen.
Am besten für alle Beteiligten wäre es, wenn Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts aus der SPD austreten. Sie würden nicht weiter die eigene Partei beschädigen und könnten ausserhalb der SPD weiter für ihre politischen Positionen werben.
Ich möchte den ersten Satz dick unterstreichen.
Von den Dreien Edelmut und leises Austreten zu erwarten ist utopisch.
Das Ganze ist nur noch peinlich und traurig.