Was geht in der SPD nur vor? Die Parteispitze und die Unterhändler verhandeln in den Koalitionsgesprächen, um möglichst viele rote Inhalte in eine schwarz-rote Koalition einzubringen. So weit, so gut. Politik ist letztlich immer die Kunst des Kompromisses. Bleibt die Frage, wie nachgiebig man dabei sein darf, ohne sich den Verdacht der Selbstverleugnung einzuhandeln. Mutti Merkel lässt der SPD nämlich nicht viel Luft: Bis zum Parteitag am vergangenen Wochenende hatte sie ihr keinen einzigen nennenswerten Verhandlungserfolg gegönnt. Kein Wunder, dass die Parteiführung dafür vom Parteitag kräftig abgewatscht wurde.
Dieser Parteitag könnte als Menetekel gedeutet werden. Sigmar Gabriel stellt sich zwar hin und sagt kämpferisch, wenn es jetzt die Möglichkeit gebe, sozialdemokratische Inhalte umzusetzen, dann muss man diese Chance doch ergreifen wollen, himmelsakrakruziosmanennochmal! Aber das Fußvolk scheint nicht zu wollen. Es hat offenbar das Trauma der letzten GroKo noch bestens in Erinnerung und verspürt wenig Lust darauf, erneut von Merkel an die Wand gedrückt zu werden. Hat die Parteiführung also wirklich die richtige Antenne für die SPD-Basis, oder läuft sie offenen Auges in ihren eigenen Untergang? Denn sollte das Mitgliedervotum so ausfallen, wie es sich auf dem Parteitag angedeutet hat, dann kann Sigmar Gabriel hinterher nicht mehr Parteichef bleiben.
Manfred Kirsch aus Neuwied meint:
„Der Leipziger Parteitag könnte in die Geschichte als ein Parteitag der Widersprüche eingehen. Einerseits war deutlich sichtbar, dass die Delegierten es ernst meinten mit ihrem Nein zu allen Versuchen der Parteiführung, noch einmal „Basta-Politik“ nach dem Motto Gerhard Schröders durchzusetzen. Die Bedenken vieler Delegierter, die dem Auftrag der Parteibasis entsprechend bei den Wahlen der Führungsgremien gerade jenen Denkzettel verpassten, die wie Olaf Scholz zu den Protagonisten einer Großen Koalition gehören und in dem von ihm verantworteten restriktiven Umgang mit Flüchtlingen für eine unmoralische, den sozialdemokratischen Grundwert Solidarität missachtende Politik stehen, befinden sich in einem merkwürdigen Gegensatz zu der Tatsache, dass die Vertreter der Linken aus dem Vorstand flogen. Der zukunftweisende Beschluss, sich für Koalitionen auch mit der Linkspartei zu öffnen, zeigt das bei vielen Delegierten immer noch links schlagende Herz und dass getreu dem Motto Willy Brandts „links und frei“ immer noch Richtschnur vieler Basisgenossen ist. Man darf gespannt sein, welches Ergebnis der Mitgliederentscheid bringen wird. Die von Gabriel am Ende des Parteitags genannten Mindestanforderungen an eine vom Parteivorstand zu gebende Koalitionsempfehlung wie Mindestlohn und doppelte Staatsbürgerschaft sind jedenfalls zu wenig, um für Sozialdemokraten zustimmungsfähig zu sein.“
Richard Reschke aus Oberursel:
„Es ist schon erstaunlich, wie der SPD-Vorsitzende Gabriel mit „starken“ Worten den Parteitag abschließt: „Ohne Mindestlohn“ (wie hoch?), „ohne doppelte Staatsbürgerschaft“ wird es keinen Koalitionsvertrag geben!
Da war doch noch was!? Steuererhöhung bei „Besserverdienenden“ /Ausstieg aus der Atomindustrie/bezahlbare Stromkosten für den Normalbürger/Sicherung und Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung usw. Wo sind diese Wahlversprechen in den Koalitionsverhandlugen erkennbar, bindend zu finden? Nichts dergleichen! Es werden bereits Ministerposten „zugeteilt“, die sicherstellen, dass diese SPD-Wahlzusagen in der künftigen Merkel-Regierung zur Makulatur erklärt werden – zumindest mit dem Kanzlerin-Votum!
Postenverteilung: Energieminister soll der bekennende Atom-und Frackinglobbyist Oettinger werden!? Mit ihm würde quasi der Bock zum Gärtner gemacht und die Engagements der umweltbewußten Bürger von dieser künftigen Regierung – letzendlich SPD (Gabriel) – vera…albert. Erneuerbarer Energieausbau ade! SPD, wo bleiben Deine Wahlversprechen?
Verteidungsminister: T. de Maiziére bleibt Verteidungsminister – wie das, sind seine Ausgabenaffären und fehlende Aufsichtskompetenz schon wieder vergessen?
Ich wage vorauszusagen, nach dieser „Koalition“ wird die SPD bei der nächsten Bundestagswahl ihr Waterloo erleben – und darauf wettet mit Sicherheit Frau Merkel bereits heute. Die sogenannten Rechts- und Linksradikalen werden Zulauf erleben – fünf Prozent kein Problem.
Ich appelliere an die Vernunft aller verantwortlichen SPD-Mitglieder, dieses Gabriel-Vorhaben einer „großen“ Koalition zu verhindern. Beeinflusst alle positiven, politischen Entscheidungen mit einer starken Oposition.Mit der neuen Hannelore Kraft ist der Weg, lieber Herr Hebel, zu Schwarz-Rot kürzer geworden. Der Sprung über das letzte Hinder´nis der Nein-Sager in der SPD ist leicht zu nehmen. Nur kein Fragebogen mit einer Antwort „Ja oder Nein“.“
Michael Maresch aus München:
„Irgendwie muss man den Koalitionären in Berlin fast dankbar sein: arbeiten sie doch Stück für Stück und Dissens für Dissens heraus, dass da echte Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD sind. Vor der Wahl hatte man den Eindruck dieser Unterschied bestände ausschließlich bei Merkel, Maut und Steuererhöhung.
Weil die Unterschiede jetzt so sauber auf dem Tisch liegen, meine ich, können die SPD Mitglieder nun mit gutem Gewissen nein zum Koalitionsvertrag sagen: mit einem Streich wären sie die alte dauerhaft wahlverlierende Schröderseilschaft los, die SPD wäre bei den darauffolgenden Neuwahlen wie neugeboren und wir, das Volk, wären die Merkel los.
Also auf, Genossen, zur Tat, zur Mitgliederentscheidung: NEIN!“
Kurt Kress aus Kapstadt (ZA)
„Dass auf ihrem Parteitag die SPD-Granden nach vielen Koalitionsverhandlungen deutlich Prozentpunkte verloren haben, weist auf einen Trend hin, der mich hoffnungsvoll stimmt, denn er zeigt, dass, zwar langsam aber sicher, immer mehr Genossen erkennen, dass Parteien, die von derart unterschiedlichen Welt- und Menschenbildern ausgehen, und daher zu völlig gegensätzlichen Programmen gelangen, nicht versuchen sollten, eine Koalition zu bilden. Eine solche setzt doch voraus, dass die Parteien viele ihrer Grundsätze, wenn nötig, bis zur Unkenntlichkeit verwässern oder sie gar aufgeben. So lehnte die SPD vor der Wahl die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr grundsätzlich ab, während sie jetzt, um diese Koalition zu ermöglichen, klein beigibt und deren Kauf nicht mehr ausschließt. Wegen ihrer Grundsätze wurden die Parteien schließlich von uns gewählt. Deshalb wäre eine solche Koalition ein grandioser Wählerbetrug.
Es bleibt zu hoffen, dass die SPD-Basis das langsam einsieht, den Unsinn dieser Koalitionsverhandlungen beendet, mit mehr Wagemut auf die bestehenden Alternativen verweist und sich daran erinnert, dass CDU und CSU nur 311 Sitze, die Opposition (SPD, Linke, Grüne) aber 320 Sitze erreichten.“
Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:
„Die symbolische Ohrfeige für die SPD-Führung verdient leider ihre Berechtigung. Denn wenn eine Partei die zweite verheerende Niederlagenacheinander bei einer Bundestagswahl einfährt und man danach immer noch nicht sowohl einen personellen als auch inhaltlichen Neuanfang erkennen kann, dann stimmt etwas mit der Selbstreflexion der Spitze nicht. Weswegen die Sozialdemokraten gut daran tun, wenn sie sich am Ende entgegen dem an der Basis weit verbreiteten Wunsch doch für eine große Koalition entscheiden, dann zumindest keine Ministerposten mit Personen zu besetzen, die in den letzten acht Jahren schon in irgendeiner Form eine besondere Verantwortung in Berlin getragen haben. Da man mit „Business as usual“ und den alten, für Stillstand und Visionslosigkeit stehenden Gesichtern in einer Krise kein Vertrauen zurückgewinnen kann“
Carsten D. Brink aus Gauting
„Der Widerspruchsgeist treibt mich voran! Im Bericht vom SPD-Parteitag in Leipzig fällt mir besonders der eine Satz auf: „Seine (Gabriels) Folgerungen klingen teilweise diffus und widersprüchlich.“ Gemeint sind Gabriels Folgerungen aus der Wahlniederlage bei der letzten Bundestagswahl. Ich kann die dann folgenden Zitate sehr wohl einordnen, denn ich glaube, Sigmar Gabriel hat an die Wirkung der Politik der SPD in den letzten Jahren auf die Basis gedacht. Seit Gerhard Schröder die SPD „übernommen“ hat, ist die Basis der SPD davongeschmolzen wie Butter an der Sonne. Sigmar Gabriels Äußerungen sind die ersten eines amtierenden SPD-Vorstands, die sich an „davongeschmolzene“ Mitglieder wenden. Der Leipziger Parteitag stützt diese „These“ mit dem Beschluss zur Koalitionsfähigkeit auch mit der Linken auf Bundesebene (ab 2017). Damit hat der Parteitag den Nasenring abgestreift, an dem die bürgerlichen Parteien die SPD seit der Wende herumgeführt haben! Ich gebe der SPD dann noch den Rat mit auf den Weg, spende nicht der CDU/CSU deinen Einfluss im Bundesrat, toleriere lieber eine Alleinregierung der ach so starken Konservativen. Es kann, wie in andern Ländern auch, mit wechselnden Mehrheiten regiert werden, wobei man sich auf das Wesentliche konzentriert“
Rita Betz-Taubel aus Frankfurt:
„Es ist schon ein starkes Stück, wie sich die eigentlich regierungs(un)abhängige Deutsche Presse Agentur (dpa – Berlin) mit ihren Kommentaren und Artikeln immer wieder m.E. verrät, denn sie versucht Stimmung gegen die „Linke“ und eine eventuell anderen Zusammensetzung der von vielen Kräften gewollten zukünftigen Regierung zu machen. Selbst in diesem Artikel – der wohl Menschen ansprechen soll die vielleicht nur Überschriften lesen (und die gibt es sicher genau so viele wie Nichtwähler), dass hier die Linken (die Bösen) wieder irgendwo rausgeflogen sind. Gibt es eigentlich noch eine Stelle bei der Presse die gegen das amtierende Regierungssystem rebelliert oder sind sie mittlerweile alle bereits zu Mitläufern geworden?
M.E. sollten von den unabhängigen Tageszeitungen (wenn es diese noch geben sollte!) keine Artikel der „dpa“ mehr abgedruckt werden, sondern eigene intensive Recherchen der unabhängigen Journalisten vor Ort für die Leser vorgenommen werden, um sog. regierungstreue Journalisten zum Teufel zu jagen. Vielleicht würde sich dann auch der allgemeine Journalismus wieder ändern.
Wer in diesem o.g. Artikel bei dem Bundesparteitag der SPD abgestraft wurde, ist ausschließlich der Bundesvorstand der SPD, der wahrscheinlich wiederholt wie zu Steinmeiers Zeiten bereit sein wird die SPD für die eigens zu erwartenden Ministersessel und die damit verbundene persönliche Absicherungen zu verkaufen.
Ich hoffe nur, und das sieht man auch an dem Wahlergebnis für Thorsten Schäfer-Gümbel, der sich hier in Hessen bisher sehr offen zeigte für eine Koalition mit den Grünen und Linken, dass sich die Sozialdemokraten in der Partei daran erinnern für was sie stehen und wofür sie gewählt wurden. Eine 2. CDU im sog. (rechten) Mittelfeld brauchen wir nicht, weder in Hessen noch Bundesweit. Sollte es anders kommen, sehe ich die SPD bei den nächsten Wahlen dort wo sie dann auch hingehören wird, und zwar ganz weit unten.
Entsetzt bin ich derzeit allerdings, wie man seitens der Medien versucht dem Bürger als Hörer, TV-Seher und Leser durch eine (politisch instrumentalisierte) Meinungsbildung und sog. Befragungen (Fernsehen/Radio/Tageszeitungen) zu suggerieren, was vom Bürger gewünscht wird. Ich frage mich immer nur wie diese sog. ERGEBNISSE zustande kommen?“
Frederike Frei aus Berlin:
„Die Schlagzeile vom 15. November widerspricht sich selbst. Sie heißt DER NACHDENKLICHE und wird mit dem Satz untertitelt: SPD-Chef Gabriel wirbt beim Parteitag in Leipzig für eine große Koalition. Ich denke, wenn man nachdenkt, dann warnt man eher davor, als dass man dafür wirbt.
Im übrigen würde ich den Untertitel noch um folgenden Halbsatz ergänzen mögen: …weil er selbst dazu gehören möchte. Denn wäre er nicht dabei, würde er mit Sicherheit nicht dafür werben.“
Freier Journalimus braucht offenbar von Zeit einen katastrophalen Zusammenbruch , um sich für eine Zeitlang so halbwegs halten zu können , bleibt dieser Schock „zu lange“ aus , setzen sich wieder jene Speichellecker durch , die man bekanntlich nicht mal kaufen , sondern nur einladen muß , die dpa ist da in der Tat ein Paradebeispiel.
Umso lobenswerter allerdings diejenigen Medienleute , die trotz des massiven Drucks der Wirtschaft nicht umgekippt sind und ihren Job weiterhin ernst nehmen ,sowie diejenigen , die das versucht haben und als „Belohnung“ dafür herausgedrängelt wurden.
Mindestlohn durchgesetzt , das könnte sogar als Feigenblatt empfunden werden , ein paar Brocken für den Pöbel , ein grundsätzlicher Richtungswechsel ist das noch lange nicht , als ob der Mindestlohn etwas Nennenswertes ändern würde am faktischen Druck auf Arbeitnehmer , an Hartz 4 , an der immer stärkeren Ökonomisierung aller Lebensbereiche , an der extremen Schieflage bei Einkommen und Vermögen…
in diversen Interviews und auch Artikeln in der FR hat sich Herr Doemens als ausgewiesener Befürworter einer Großen Koalition hervorgetan. Ginge sie eine solche nicht ein, stünden wohl Neuwahlen an und die SPD am Abgrund. So äußerte er sich auch in seiner Situationsbeschreibung vom 21.11.2013 über den Ablauf der SPD-Mitgliederbefragung. Wie begründet ist eigentlich diese Meinung? Hält er die Alternative Minderheitsregierung für unmöglich? Wenn ja warum? Wie oft muss noch betont werden, dass das, was z.B. in skandinavischen Ländern immer wieder gut funktioniert, in Deutschland ebenfalls möglich sein kann (siehe besonders Dänemark, das politisch Skandinavien zuzurechnen ist)? Und hat er die Signale der Grünen an die Union für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen mit der SPD überhört? Diese Alternative ist noch immer nicht vom Tisch… Außerdem erschließt sich mir nicht seine Aussage, der größte Teil der SPD-Führung müsse im Falle eines Scheiterns dieser Verhandlungen zurücktreten. Mir stellt sich die Sache anders dar: Die SPD-Führung entzieht sich nicht der politischen Verantwortung die aus dem Wahlergebnis zu ziehen ist. Aber unter allen Umständen in eine Große Koalition einzutreten -ggf. unter Preisgabe formulierter politischer Ziele- ist nicht zwingend erforderlich. Die erzielten Verhandlungsergebnisse werden der Parteibasis vorgelegt und diese bestimmt, wo die Position der SPD in der nächsten Legislaturperiode zu sein hat. Meiner Meinung nach und im Moment wohl auch dem größten Teil der Mitglieder nach nicht in einer Großen Koalition sondern lieber in der Opposition. Wie dies zum Schaden der Partei geraten könnte, müsste der Öffentlichkeit noch erklärt werden.
Ich bin immer noch der Meinung das man einen noch nicht ausgehandelten Koalitionsvertrag noch nicht kritisieren sollte. Erst einmal abwarten was drinnen steht, aber auch keine utopischen Erwartungen daran knüpfen. Man kann viel für den kleinen Mann erreichen auch ohne die komplette Richtung zu ändern, was mit der CDU wohl nicht geht. Das Wahlergebnis ist halt so wie es ist, und eine Mehrheit hat sich aus freien Stücken vor die oberen 10% geworfen, das muss man einfach erst einmal so hinnehmen.
Wenn ich die Aussagen von maßgeblichen Leuten auf dem zur Zeit stattfindenden Parteitag der CSU – Merkel war auch da – richtig verstanden habe, werden die Hürden für die SPD gerade bei den Hauptthemen noch höher gelegt.
Da wird das Zustandekommen einer großen Koalition eher unwahrscheinlicher. Denn ein derart miserables Ergebnis, wie es sich damit abzeichnet, kann weder die SPD-Führung geschweige denn die Mitglieder gut heißen.