Sahra Wagenknecht ist zu Recht beliebt bei vielen FR-Leserinnen und -Lesern, denn kaum jemand versteht es, die Kritik am neoliberalen System so treffend auf den Punkt zu bringen wie sie. Umso mehr verwundert es, dass Wagenknecht nicht in der Lage zu sein scheint, Kritik an Kanzlerin Merkel in Sachen Flüchtlingspolitik so zu formulieren, dass sie nicht nach AfD klingt. Auf die Kritik an sich komme ich gleich. Für mich stellt sich als erstes die Frage: Warum muss Wagenknecht Ressentiments bedienen? Warum stellt sie sich kurz nach den Terror-Attentaten von Würzburg und Ansbach hin und sagt, „dass die Aufnahme und Integration einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern zumindest mit erheblichen Problemen verbunden und sehr viel schwieriger ist als Frau Merkel uns das im letzten Herbst mit ihrem ‚Wir schaffen das‘ einreden wollte“? Einfach nur ein ungeschickt gewählter Zeitpunkt? Oder wollte sie sich die Aufmerksamkeit, die für das Thema Flüchtlinge wegen der Anschläge gerade herrschte, zunutze machen, um ihre Thesen nach vorn zu bringen? Genau das haben auch Protagonisten der AfD versucht, die Anschläge frisch im Nacken. Allerdings waren Poggenburg und Co. noch ein bisschen frecher mit ihren Tweets, welche direkte Wahlaufforderungen enthielten. Sahra Wagenknecht hat sich immerhin einen Rest von Stil bewahrt. Aber sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Angst vieler Menschen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, genau so, wie es die AfD-Leute machen.
Nicht so schlimm? Im Gegenteil. Wenn die Linke für sich in Anspruch nimmt, progressiv und emanzipatorisch wirken zu wollen, ist das Fischen in derart angstgetrübten Gewässern ein No-Go. „Angst essen Seele auf“ heißt ein Film von Rainer Werner Fassbinder, der bis heute treffend beschreibt, wie Angst die klare Sicht verstellt. Ich gehe mal davon aus, dass Sahra Wagenknecht ihn kennt. Wenn nicht: Angucken! Die Linke sollte daher das Spiel mit der Angst nicht mitspielen.
Das heißt nicht, dass sie keine Kritik an Merkels Politik mehr äußern sollte. Es heißt nur: „Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein“, wie es der Linke-Politiker Jan van Aken formulierte, einer der besten Köpfe der Linken. Inzwischen ist das „Missverständnis“ aber aufgeklärt und ausgeräumt: „Es ging mir weder darum, die Aufnahme von Flüchtlingen zu kritisieren, noch alle in Deutschland lebenden Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen», betonte Wagenknecht in einem schriftlichen Statement. Das habe sie weder gesagt noch gemeint. Vielmehr habe sie deutlich machen wollen, dass die Integration der Flüchtlinge eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre sei, Merkel dafür aber nicht die notwendigen Voraussetzungen schaffe.
Darüber kann und muss man reden, völlig richtig. Und dennoch bleibt ein Gschmäckle, weil diese Art, mit Thesen an die Öffentlichkeit zu gehen, exakt der Methode entspricht, die auch die AfD immer wieder wählt. Besonders deutlich wurde dies am Beispiel von Alexander Gauland, dem brandenburgischen Landeschef der AfD, der es verständlich fand, dass niemand Jerome Boateng als Nachbarn haben wolle. Da war ein rassistisches Statement in die Welt hinausposaunt, das Gauland Schlagzeilen und damit Aufmerksamkeit verschaffte, doch dann wurde mit teils abstrusen Begründungen zurückgerudert: Seine Interviewer hätten ihn hintergangen, sagte Gauland, in Wirklichkeit sei dieser Teil des Interviews informell gewesen, und im Übrigen kenne er Herrn Boateng gar nicht und habe auch nicht gewusst, dass dieser schwarz und Christ sei.
Nicht von der Linie der Fraktion gedeckt
Ähnliches Zurückrudern auch hier bei Frau Wagenknecht, die einfach zu klug ist, um nicht zu wissen, was sie da getan hat. Offenbar war sie von der Massivität der Rücktrittsforderungen dann doch ein wenig überrascht. Dies kommt ja noch hinzu: Sie sprach nicht nur für sich selbst. Als Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken spricht sie auch immer für diese Fraktion. Ihre Worte waren aber von der Linie der Fraktion nicht gedeckt.
Bei aller Begeisterung für Frau Wagenknecht: Ich wünsche so Mancher/-m, der/die uns hier einen LeserInbrief geschrieben hat, ein bisschen mehr Mut für ein bisschen mehr Differenzierung. Sahra Wagenknecht mag eine Ikone der Linken sein, aber mit Auftritten wie diesem tut sie sich selbst und der Sache der Linken keinen Gefallen. Merkel muss man anders stellen als mit populistischen Sprüchen. In der rechten Ecke ist schon jetzt zu viel Getümmel, dort ist außer der AfD auch noch die CSU und ihr wie immer trampelnder Vorsitzender Seehofer unterwegs. Wie aber sonst? Ich verweise auf den Leserbrief von Friedrich Gehring aus Backnang, der konkrete Vorschläge macht:
„Statt Sahra Wagenknecht innerparteilich zu rügen sollten die Linken sich um eine konsequent linke Argumentation gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin bemühen. Sie muss gegen CSU und AfD die Aufnahmebereitschaft der Kanzlerin loben, aber genauso ihr kopfloses wie irreführendes „Wir schaffen das“ skandalisieren. Sie muss das „Wir“ entlarven, mit dem sie den Ehrenamtlichen die Aufgaben der Integration zuschob, statt zu entscheiden, was „wir“ als Regierung zur Lösung der Probleme beitragen. Merkel hätte mit Schäuble mehr Geld für die Gemeinden bereitstellen müssen, die am Rand der Zahlungsunfähigkeit die Versorgung der Flüchtlinge stemmen sollen. Dazu ist die Umkehrung der neoliberalen Umverteilung zu fordern, speziell in der Regelung von Erbschafts- und Vermögenssteuer und gerade auch in Abgrenzung zur AfD und CSU.
Linke müssen beim Amoklauf von München auf den Hartz-IV-Hintergrund hinweisen und fordern, dass die neoliberale Verarmungspolitik beendet und für Flüchtlinge wie für die von Mindestlohn Lebenden bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss. Dabei könnte Beschäftigung entstehen für gering qualifizierte Flüchtlinge ebenso wie für bisherige Langzeitarbeitslose. Die Linke müsste daran erinnern, dass 1932 in Deutschland Reichsmittel zur Verfügung gestellt wurden, um Arbeitslosen den eigenen Hausbau zu ermöglichen auf Grundstücken, die einen erheblichen Grad an Selbstversorgung gewährten. Mit solchen Maßnahmen würden speziell Flüchtlinge darauf vorbereitet, ihre Heimatländer wieder aufzubauen, wo all diejenigen leiden, die das Geld für die Schlepper nicht haben. Daraus entstünde eine realistische Strategie zur Integration einerseits und zur Entwicklungshilfe in den Katastrophengebieten andererseits. So müsste eine wahrhaft linke Kritik am kopflosen „Wir schaffen das“ der Kanzlerin aussehen.“
Friedrich Grimm aus Weinsberg:
„Ist es böser Wille oder nur Fahrlässigkeit die Herrn Decker zu so einem Artikel gegen S. Wagenknecht verleitet? Frau Wagenknecht sagt lediglich das, was im Grunde alle wissen müssten, was ich selber sofort nach Merkels „großem Satz“ gesagt habe. Nämlich wo bleibt nur der Hauch einer Anleitung zu dem „Wir schaffen das“? Und genau dieser Vorwurf ist aus der Aussage von S. W. herauszulesen. Doch hier geht es doch offensichtlich nur darum ein politisches Talent, das nach Auffassung bestimmter Kreise auf der falschen Seite steht, zu diskreditieren. Während Frau Wagenknecht es versteht kritisch zu analysieren, plaudert unsere Bundeskanzlerin einen werbewirksamen Satz, zumeist ohne jeden tieferen Sinn, nach dem anderen heraus. Und das Volk jubelt ihr zu.“
Manfred Kirsch aus Neuwied:
„Das was Sahra Wagenknecht jetzt wieder zur Flüchtlingspolitik verlauten ließ, ist in der Tat für Linke und andere den Menschenrechten verpflichtete Kritiker der aktuellen Politik der großen Koalition eine Zumutung und ein Schlag ins Gesicht all derer, die gemeint haben, linke Politik sei auch in der Flüchtlingsfrage dem Humanismus verpflichtet. Im Stil der CSU und des deutschen Stammtischs werden von Wagenknecht wieder Ressentiments gegen Asylbewerberinnen und Asylbewerber und Zuwanderer geschürt, die man eigentlich nur von den Rechtskonservativen hierzulande kennt. Es ist daher zumindest ein Zeichen für einen Rest von Moral der Linksfraktion, wenn der Linken-Fraktionsvorsitzende Jan van Aken die Funktion Sahra Wagenknechts als Fraktionsvorsitzende der Linken in Frage stellt. Es ist schlicht und ergreifend eine Anbiederung an die deutsche Rechte, wenn Wagenknecht davon spricht, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern sehr viel schwieriger sei als Frau Merkel uns das mit ihrem „wir schaffen das“ einreden wollte. Diese Scheinargumente sind bei AfD- und Pegida-Hetzveranstaltungen immer wieder zu hören und zeigen, dass Wagenknecht hier noch rechts überholen will. Die Partei Die Linke und deren Fraktion sollten daher nicht zögern, im Amt des Fraktionsvorsitzenden einen Personalwechsel vorzunehmen. Es geht hier auch um eine flüchtlingspolitische Richtungsentscheidung der Linken insgesamt. Wagenknecht sollte sich einmal überlegen, dass Fanatismus und Islamismus vor allem durch einen vitalen Humanismus bekämpft werden müssen. Eine Linkspartei, die es zulässt, dass derartige rechte Thesen von ihrer Fraktionsvorsitzenden unter das Volk gestreut werden können, ist für Demokraten und Antifaschisten nicht wählbar.“
Heidi Hecht aus Barsinghausen:
„Die Hetzjagd beginnt. Ich wünsche Sahra Wagenknecht viel Durchhaltevermögen und Kraft. Den Kritikern rufe ich zu: Fangt endlich an selber zu denken und tötet nicht weiter das Soziale in unsrem Leben, aber ihr wollt ja bequeme, gehorsame Arbeitssklaven die alles mit sich machen lassen und verblöden. Ein Hoch auf die Reiche, die die Armen ausbeuten. Mir ist übel.“
Engelbert Kuhn aus Dahn:
„Es ist schon erstaunlich, wie der Kommentator versucht, Sahra Wagenknecht als „nicht links“ darzustellen. Natürlich ist es traditionelle Linke Position, Menschen auf der Flucht Zuflucht zu gewähren. Es ist aber auch linke Tradition, dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen (wirtschaftlich, sozial, sicherheitstechnisch) für die hier lebenden Bürger wie auch für Flüchtlinge zu gewährleisten. Es sei allen „Superlinken“, die sich jetzt über Wagenknecht empören, empfohlen, das Thema Asyl nicht nur rein „verkopft“ und akademisch zu betrachten, sondern sich auch an den Bedürfnissen und Empfindungen des linken Fußvolks zu orientieren. Da besteht schon die Erwartung, dass der Staat aus Gründen der Sicherheit auch für die Flüchtlinge darauf schaut, wer ins Land kommt. Natürlich vertritt der nicht-akademische Linke auch die Auffassung, dass das Asylrecht kein Freibrief für alle möglichen Taten politischer, religiöser oder schlicht krimineller Natur bietet. Letztlich bedeutet Asyl, Gast in einem fremden Land zu sein, auch wenn das Asylrecht einen anderen rechtlichen Charakter hat, als das natürliche Gastrecht. Auch diese Aussage von Wagenknecht ist zu Recht erfolgt. Den „Superlinken“ sei deswegen empfohlen, etwas aus ihrem Elfenbeinturm herauszutreten und auch seinen Wählern auf’s Maul zu schauen.“
Uwe Mittelstädt aus Münster:
„Mittlerweile muss man sich fragen, ob alle Menschen, die meinen, dass das Flüchtlingsproblem nicht mit links gelöst werden kann, in die rechte Ecke gedrängt werden sollen. Man könnte meinen, auch die eher linke Presse sei zum Gehilfen der AfD geworden.
Wenn also jemand sagt, dass die Lösung des Flüchtlingsproblems schwieriger ist, als Frau Merkel mit ihrem : „Wir schaffen das“ weismachen will, muss das jemand sein, der zur rechten Ecke gehört.
Dann werde ich mich mal outen: Ich habe mein ganzes, ziemlich langes Erwachsenenleben eher linke Parteien gewählt, auch schon die Linke. Wenn aber selbst die meint, durch Augen zuhalten das Problem lösen zu können, hat man nicht mehr viele Alternativen zu den Rechten. Ich hoffe standhaft genug zu sein, mich nicht dahin drängen zu lassen. Allerdings befürchte ich, dass der Stimmenanteil der rechts gerichteten Parteien steigen wird. Dann werden sich natürlich wieder alle anderen Parteien fragen, wo, um Gottes Willen, das den herkommen kann.
Glücklicherweise kann ich denen jetzt schon sagen, wo das herkommen wird: In der Politik wird noch mehr verniedlicht und gelogen, als früher. Lösungen für Probleme werden nicht angegangen sondern ausgesessen. Wo das hinführen wird, möchte man sich gar nicht ausmalen.
Und wenn mal eine Politikerin die Probleme nennt, wird von der eigenen Partei nur „absägen“ geschrien. So bringt man sich selbst um seine, eher geringen, Chancen. Dabei wäre doch jetzt die Möglichkeit, konstruktive Arbeit zu leisten und zur Lösung des Problems beizutragen. Aber wenn man schon Angst vor der Nennung hat wird das nichts.
Wenn ich Frau Wagenknecht irgendwo gelesen oder in Diskussionen gesehen habe, konnte ich jedes Wort von ihr unterschreiben. Leider wüsste ich keinen anderen Politiker, wo ich das sagen würde.“
Ich stimme Herrn Engelbert Kuhn voll zu, der wie Frau Heidi Hecht vor einer Hetzjagd auf Sahra Wagenknecht warnt.
Denn es ist nicht damit getan, zu sagen, „Wir schaffen das“, sondern es müssen auch die Voraussetzungen dafür geboten werden, insbesondere auf kommunaler Ebene.
Gerade den Städten und Gemeinden werden immer wieder Aufgaben aufgebürdet, ohne ihnen die notwendigen materiellen Möglichkeiten zu bieten. Und wenn die Städte finanziell ausbluten und soziale, sportliche und kulturelle Einrichtungen vernachläsigen oder gar schließen müssen, wendet sich doch der Ärger der Einheimischen gegen die Flüchtlinge und weniger gegen Merkel oder Schäuble, dem ausschließlich an seiner schwarzen Null sowie an einer Schonung der Reichen gelegen ist.
Und genau diesen wunden Punkt wollte Frau Wagenknecht deutlich machen.
Ich kann am ehesten dem Leserbrief von Manfred Kirsch zustimmen. Frau Wagenknecht ist nicht geeignet für den Posten der Fraktionsführerin. Ich finde es außerdem bezeichnend, dass viele linke Leser offenbar bei Frau Wagenknecht beide Augen zudrücken, auch wenn sie dasselbe sagt wie Frauke Petry. Markus Decker hat vollkommen recht mit seiner Kritik. Eine wie Frau Wagenknecht ist für mich nicht wählbar.
Frau Wagenknecht hat recht das mit der Aussage: Wir schaffen das noch kein Problem gelöst ist. Ihr Problem ist aber das es für die Integration von einer Million Flüchtlingen keine Lösung gibt. Heute steht auf Seite 2 und 3 in der FR ein Bericht über 6-700000 Rumänen und Bulgaren in D. die als EU Bürger einfach eingewandert sind und jetzt enorme Probleme haben über die Runden zu kommen. Derzeit fällt mir kein Grund ein warum es bei den Flüchtlingen anders laufen sollte. Forderungen nach Erbschaft und Vermögenssteuer u.s.w. stehen schon seit Jahren im Raum, auch von den Linken, sind aber nicht Mehrheitsfähig. Außerdem sollte man mit diesen Steuern erst mal die Finanzkrise bezahlen denke ich zumindest. Ich habe vor ein paar Wochen schon einmal geschrieben: Arbeitsplätze entstehen dann wenn ein Arbeitgeber erwartet mit diesem neuen Mitarbeiter soviel Wertschöpfung zu erzielen das ein Gewinn für ihn erreicht wird. Das wird bei den Flüchtlingen genauso gut funktionieren wie bei den Menschen vom Balkan von denen in der FR heute die Rede ist. Ich weiß nicht wo da der linke Ansatz sein soll. Das ist nur begrenzt eine Geldfrage. So hoch können die Steuern auf Vermögen gar nicht sein das man die Finanzkrise, die zugewanderten EU Bürger und die Flüchtlinge so gut bezahlen kann das sie nicht mehr Arbeiten wollen.
Die Linke Antwort, auf die ich sehr gespannt bin, betrifft nicht die Frage : Wie integriere ich 1 Million Flüchtlinge sondern: Wie gehe ich damit um das man ständig weniger Leute braucht um alle Güter und Dienstleistungen zu erbringen die Euroland benötigt. Es gibt ein Millionenheer an Arbeitslosen in der EU die bei dem bestehenden Wirtschaftssystem schlicht überflüssig sind und mit der Digitalen Revolution wird es nicht besser. Die Frage ist wie geht man damit um. Ich traue Frau Wagenknecht zu das ihr das genau so klar ist wie Frau Merkel. Weil sie keine wirkliche Antwort haben reden sie im allgemeinen. Es geht ja auch schon um die nächste Wahl. Wie ich hier gelernt habe sind die Wähler ja zu dumm für konkrete Fragen.
Bediente sich Sahra Wagenknecht rechter Phrasen oder versuchen AfD und andere Parteien des braunen Spektrums genuine linke Argumente zu kopieren und ihnen eine gegenteilige Bedeutung zu geben? Nach meinem Eindruck trifft letzteres zu. Solche Manipulationsversuche durch Umdeutung haben in der deutschen Geschichte leider Tradition.
Bereits im Verlauf der missglückten November-Revolution von 1918 haben reaktionäre Gruppen die sozialen Forderungen der linken Parteien, vor allem die der USPD, des Spartakus-Bunds und der KPD, scheinbar übernommen, ihnen jedoch nationalistisch-rassistische Untertöne hinzugefügt (nachzulesen beispielsweise in Alfred Döblins vierbändigem Dokumentarroman „November 1918“). Otto Strassers „sozialrevolutionärer“ Flügel der NSDAP versuchte später daran anzuknüpfen. Nach dem Röhm-Putsch von 1934 (und dem Mord an Strassers Bruder Gregor) verlor diese Fraktion jedoch endgültig an Einfluss – denn die NSDAP war und blieb bis zum bitteren Ende des NS-Staats eine Partei des imperialistischen Kapitalismus.
Aber auch die Grünen erlebten 1980 unter dem Siegel des so genannten Lebensschutzes eine offizielle Unterwanderung von rechts, als sich die national-konservative „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher AUD“ (die u.a. vom ehemaligen Reichsleiter der Hitler-Jugend Wolf-Rüdiger Schenke geprägt war) auflöste und relativ geschlossen der neuen Umweltpartei beitrat. Bereits bei den Bayerischen Landtagswahlen 1978 war sie ein Wahlbündnis mit Herbert Gruhls „Grüner Aktion Zukunft“ eingegangen – unter dem Namen »Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher – Die Grünen«. Denn Ökologie eignete sich hervorragend dazu, völkisch-rassistische Ziele zu verschleiern und einen neuen Sozialdarwinismus zu begründen. Auch die Unterstützung durch den Künstler Joseph Beuys machte aus diesem rechten bis rechtskonservativen Bündnis trotz anderslautender Parolen keine linke Partei. Und soziale Fragen werden bei den Grünen bis heute eher ausnahmsweise gestellt – siehe Hessen und Baden-Württemberg.
Man sollte also vorsichtig sein mit allzu schnellen Etikettierungen; denn was ähnlich klingt, ist nicht in jedem Fall das Selbe.
Als viel wichtiger erscheint es mir im konkreten Fall, Sahra Wagenknechts Kritik an Angela Merkels „Wir schaffen das“ zu analysieren. Und tatsächlich erlebe ich dort, wo mir Einblicke möglich sind, ein Desaster ähnlich der Beschreibung Wagenknechts. Sowohl hinsichtlich der behaupteten Integrationsziele als auch bei deren unzulänglicher organisatorischer Umsetzung. Bereits jetzt ist erkennbar, dass der mittelfristige Finanzbedarf an die Schwelle von 50 Milliarden Euro kratzt. Aufzubringen ist das Geld vom Steuerzahler. Verschont werden hingegen die ursprünglichen Verursacher, also jene, die mit dem Tod weltweit ein Geschäft gemacht haben und es noch machen.
Wenn es zutrifft, dass der finanzielle Aufwand für die Betreuung eines unbegleiteten jugendlichen Flüchtlings bei jährlich 25.000 Euro liegt (die Information entnahm ich einer Reportage des HR-Fernsehens), läge dieser Betrag deutlich über dem, den ein männlicher Durchschnittsrenter aus der Deutschen Rentenversicherung 2014 nach einem Arbeitsleben ausgezahlt bekam. Laut Statistischem Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland waren das jährlich 11.748 Euro in den alten und 12.120 Euro in den neuen Bundesländern.
Selbstverständlich muss ein Schutzsuchender, der im Lande bleiben möchte und eine ernsthafte Integrationsbereitschaft erkennen lässt, gefördert werden; denn andernfalls setzte sich das Elend, das er in seiner Heimat erfahren musste, hier unter anderen Vorzeichen fort. Und es führte zu neuer Enttäuschung und Frustration, die im Extremfall Gewalt nach sich ziehen könnte.
Aber auch die hier Geborenen und die vor Jahrzehnten Zugewanderten haben Anspruch auf soziale Standards, die über ein Existenzminimum hinausgehen. Und diese unverzichtbare, auf einem gesamtgesellschaftlichen Konsens beruhende Solidarität kann ich in Angela Merkels Politik nicht erkennen. Vielmehr lässt ihre Große Koalition einer ungehemmten Ausbreitung sozialer Ungerechtigkeit freie Bahn. Letztere ist ein typisches Wesensmerkmal der Rechtspopulisten, die Wein predigen (Sicherung der sozialen Errungenschaften) und Wasser (umfassende Entsolidarisierung) verabreichten, würde man sie lassen.
@hans
„Wie gehe ich damit um das man ständig weniger Leute braucht um alle Güter und Dienstleistungen zu erbringen die Euroland benötigt.“
Das ist die Kunst. Kosten für Arbeitslose sind Produktionskosten. Hat nur noch keiner gemerkt.
@Klaus Philipp Mertens
„Man sollte also vorsichtig sein mit allzu schnellen Etikettierungen; denn was ähnlich klingt, ist nicht in jedem Fall das Selbe.“
Das gilt auch wenn man Betreuungsaufwand mit Rente in Beziehung setzt.
zu @ BvG
Kosten für Arbeitslose waren schon immer sozialisiert und werden es wohl bleiben. Obwohl eine Arbeitslosenversicherung aufgebaut wie die Unfallversicherungen der Berufsgenossenschaften wäre eine spannende Angelegenheit, die aber nicht in die Welt der Gewinnmaximierer passt. Kosten sozialisieren Gewinne privatisieren hat zwar nicht viel mit Marktwirtschaft zu tun aber das stört doch die Gewinne nicht.
Mir ist nicht ganz klar , worum es eigentlich geht , wo ist denn der Unterschied zwischen Ws Aussagen und dem Leserbrief von Friedrich Gehring?
Natürlich gibt es Probleme , was denn sonst ?
Wer das negiert , kann gleich einpacken , nur wer bereit ist , das zu akzeptieren , und dann immer noch für die Aufnahme von Flüchtlingen eintritt , verhält sich realistisch – und links.
Da scheint es mir einmal mehr darum zu gehen , nur ja keinen falschen Huster in Richtung Migranten zu machen , mit dem Ergebnis , daß dann genau das geschieht , was man doch so gerne vermeiden möchte , das Erstarken der Rechten .
Ein schon älterer Spruch besagt
„Weil auch Hitler zugestimmt hätte , daß zwei und zwei vier ergibt , ist das kein Grund , die Mathematik zu ändern“
Wer jede stinknormale Aussage für rechts erklärt , merkt gar nicht , welch großen Gefallen er den Rechten damit tut.
Lafontaine hatte früher wenig Manschetten , in die populistische Kiste zu greifen und hat dabei gern auch mal ein bißchen im Trüben gefischt .
Ob Wagenknecht ein bißchen ähnlich denkt und glaubt , mit , sagen wir , sehr direkt platzierten Äußerungen punkten zu wollen , ist nicht prinzipiell ausgeschlossen.
Ist man dieser Meinung , sollte man das kritisieren , die Inhalte aber wären in diesem Fall ein falscher Ansatzpunkt.
@hans
Die wirtschaftlichen Eliten behaupten von sich, daß sie der Motor der Wirtschaft sind. Ich unterstütze diese Ansicht teilweise. Sie sind es tatsächlich.
Aber hier wie überall ist ein Motor, der ineffizent arbeitet, ein schlechter Motor.
Die Eliten überschätzen ihren Wirkungsgrad erheblich, denn wenn mehr Abgase produziert werden, als Leistung, ist man ein Versager…
Ein Kapitalist, der die Unbeschäftigten nicht als Ressource begeift, ist ökonomisch blöd. Die meisten sind so blöd, aber der Staat fängt deren Blödheit auf. Das freie Spiel der Kräfte ruht sich halt gern mal auf dem Sozialismus aus…
Ist schon die größte Peinlichkeit der Liberalen, daß sie ohne Sozialismus gar nicht überlebensfähig wären…
„Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein“!
So weit so gut. Es ist mir nur schleierhaft, was an der Aussage von Frau Wagenknecht denn nun genau „rechts“ gewesen sein soll.
Sie benennt in meinen Augen lediglich eine Tatsache und Tatsachen an sich sind nicht politisch nach der Gesäßgeographie zu verorten.
Die Integration von Flüchtlingen ist faktisch eine große Aufgabe, die nicht mit einem freundlichen Satz alleine zu bewältigen ist. „Wir schaffen das“ bedarf notwendigerweise doch der Ergänzung und genau diese liefert weder die Regierung noch Frau Merkel.
Und dass sich viele Menschen, grade bei denjenigen, die wenig haben, aus Erfahrung (!) Sorgen darum machen, dass es im wesentlichen sie sind, die etwas zu schaffen/zu teilen haben, sollte allgemein bekannt sein.
Solange Frau Merkel aber nicht sagt, wer genau denn wie die Intergation bezahlen soll (denn diese wird eine sehr große Summe Geld kosten), besteht der Verdacht, dass es wie üblich nicht die Vermögenden trifft sondern eben wieder die sozial schwachen, die die Integrationsleistung sowohl faktisch (mit wem konkurrieren denn die Flüchtlinge um den knappen bezahlbaren Wohnraum in den Städten oder um die ebenfalls immer knapper werdenden Arbeitsplätze in den weniger qualifizierten Berufen?) als auch finanziell (wer wird denn, wenn die Kosten mal auf dem Tisch liegen, „den Gürtel enger schnallen müssen“) erbringen müssen.
Das zu artikulieren ist nicht „rechts“ – und es wird auch nicht dadurch „rechts“, dass man das nach teilweise von Flüchtlingen begangenen Verbrechen sagt.
Es wäre im Gegenteil ein schwerer Fehler, nicht auszusprechen, was ist, denn genau damit würde man das Feld denjenigen überlassen, die jeden zweiten Satz mit „Man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass…! überlassen.
Dass Markus Decker offenbar ein veritables Problem mit Frau Wagenknecht hat, dürfte jedem bekannt sein, der die FR schon länger liest; bedauerlich finde ich nur, dass nun auch Herr Hebel die Kritik in der Sache (Frau Merkel muss doch mehr Fleisch an den Satz „Wir schaffen das“ geben)mit Kritik an Flüchtlingen ganz allgemein verwechselt.
Man muss doch auch Kritik üben dürfen ohne sich vorher wortgewaltig zu exkulpieren indem man jedesmal ausdrücklich sagen muss, dass man nichts gegen Flüchtlinge genrell habe und selbstverständlich nur eine verschwindend geringe Minderheit der Flüchtlinge (wenn überhaupt) möglicherweise kriminell sei. Wenn die wirklich Rechten im Lande es geschafft haben, sich auf diese Art und Weise ein Monopol auf Kritik zu besorgen, indem jeder, der welche Kritik auch immer äußert, gleich in die rechte Ecke gestellt wird und sich so niemand außer der AFD mehr traut, diese Kritik zu äußern, dann sind deren zukünftigen Wahlsiege schon vorab gesichert.
Herr Bronski schreibt „Ich wünsche so Mancher/-m, der/die uns hier einen LeserInbrief geschrieben hat, ein bisschen mehr Mut für ein bisschen mehr Differenzierung.“
Das kann man so auch den Kritikern an dieser Äußerung zurückgeben- zuallererst Herrn Decker, der ja auch gestern nochmal einen Artikel nachgeschoben hat. Und aus der Partei melden sich eigentlich auch immer nur die „üblichen Verdächtigen“, wenn es darum geht, Frau Wagenknecht zu kritisieren (Leder, Liebich, Wawrzyniak, inzwischen auch Kipping).
Man sollte sich tatsächlich die Frage stellen, ob diese Leute sich nicht zu „nützlichen Idioten“ derjenigen machen, die die Linkspartei am Boden sehen wollen, denn für mich steht ohne Zweifel fest, dass eine Linkspartei, die nur aus Leder, Liebich, Wawrzyniak und Kipping besteht weit hinter den früheren Wahlergebnissen zurückfällt- es geht eben genau NICHT ohne Frau Wagenknecht, Herr Decker!
Vielleicht lässt ja auch die Tatsache, dass bis vorgestern ganze 117 Mitglieder der Linkspartei (von wievielen nochmal?) den Aufruf „Sahra, es reicht“ unterschrieben haben, diejenigen innehalten, die eben genau das machen, was (und auch da kann ich Frau Wagenknecht nur zustimmen) eben auch nicht links ist. Die Augen vor den Problemen verschließen“ (und ich füge hinzu: und aus lauter Angst, reflexhaft in die rechte Ecke gestellt zu werden, dann lieber den Mund halten)!
Das hilft den Flüchtlingen in keiner Weise- im Gegenteil!
Noch ein kleiner Nachtrag:
Herr Decker hat ja gestern nochmal einen Artikel in der FR zur „Causa Wagenknecht“ nachgeschoben und darin behauptet, dass „große Teile der Linken“ das Gefühl haben, „Wagenknecht rücke sie in die Nähe der AFD.“
Als Beleg führt er die Tatsache an, dass sage und schreibe 117 Mitglieder der Linken den Aufruf „Sahra, es reicht!“ unterschrieben haben. Sind das wirklich „große Teile“ der Linken Herr Decker? Oder sind das die Teile der Linken, denen gut gemeintes aber dennoch dogmatisches Handeln nach der reinen Lehre über Erfolge bei Wahlen und damit der Möglichkeit, politisch zu handeln, geht?
Anders gefragt: Muss eine Politikerin (und eine solche ist Frau Wagenknecht ja) nicht ab und zu einmal deutlich werden, um die Bürger des Landes auch zu erreichen.
Ist es guter Journalismus, eine Äußerung wie die von Frau Wagenknecht, ohne ihre sonstigen Äußerungen auch nur zu beachten (grade ein paar Tage vorher hat sie im ZDF-Sommerinterview des ZDF das Asylrecht noch vehement verteidigt) als Beweis für ihre „bösen Absichten“ heranzuziehen oder ist Herr Decker nicht einfach nur im „Jagdmodus“, wie Lutz Herden in einem sehr guten Debattenbeitrag im FREITAG darlegt (https://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/im-jagdmodus)?
Im Internet gibt es übrigens inzwischen auch einen „Gegenaufruf“ (http://wir-für-sahra.de/wir-stehen-zu-sahra). Dieser hat in kürzester Zeit ein Vielfaches an Unterschriften erhalten, derzeit mehr als 3.300- darunter auch eine Vielzahl von Mitgliedern und Funktionsträgern der „Linken“.
Ich würde mir jedenfalls eine differenziertere Berichterstattung der FR in dieser Sache wünschen- aber ob Herr Decker die nochmal hinbekommt?
Guten Morgen !
Den oben genannten Aufruf pro Sahra Wagenknecht haben inzwischen mehr als 6.700 Menschen unterzechnet- darunter mit Sicherheit (ich habe sie aber nicht gezählt) deutlichst(!!) mehr als 117 Parteimitglieder der Linken.
Da wäre dann an Herrn Decker die Frage zu stellen, ob er mit seiner Vermutung, dass ein „großer Teil der Linken“ Frau Wagenknecht kritisiert, nicht schlicht und ergreifend danebenliegt? Ist es nicht vielmehr so, dass ein „größerer Teil der Linken“ die ständigen Angriffe bestimmter Parteimitglieder (und Journalisten) auf Frau Wagenknecht satt sind?
Ich bin mal gespannt, ob Herr Decker bzw. die FR auch über diesen Aufruf berichtet (die SZ hat es in ihrer heutigen Ausgabe schon getan), um ein möglicherweise schiefes bzw. falsches Bild zu korrigieren.
Wohlgemerkt, ich habe kein Problem damit, wenn ein Autor der FR auf der Kommentarseite seine Meinung kundtut (dass man da nicht immer einer Meinung ist, liegt in der Natur der Sache). Mich stören „nur“ nicht als Kommentar gekennzeichnete Berichte, in denen man nur die Fakten präsentiert, die zur eigenen Auffassung passen, um damit eben eine bestimmte Stimmung zu erzeugen.
Noch eine kleine Ergänzung: Ich weiß nicht, wie die Forummitglieder das einschätzen (würde mich aber mal interessieren): Ich persönlich bin der Auffassung, dass, falls Herr Deckers „Traum“ wahr werden und man Frau Wagenknecht aus der Fraktionsspitze entfernen würde, die reale Gefahr besteht, dass sich die Linke aufspaltet- in einen Teil um Ramelow, Leder, Liebich etc. die eher regeierungsgeneigt sind und in einen Teil um Wagenknecht, Lafontaine, Dagdelen, die einer Regierungsbeteiligund nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen würde (dass die beiden Lager im wesentlichen identisch sind mit den beiden Lagern, die sich nach der in Rede stehenden Äußerung von Sahra Wagenknecht gebildet haben, ist mMn auch kein Zufall).
Einen schönen Tag noch allerseits.
Es ist wirklich erstaunlich, aber manche Menschen schaffen es offenbar nicht, einen einfachen Text zu lesen, wenn es um Sahra Wagenknecht geht. Wagenknecht wird vor allem darum kritisiert, weil sie den Zeitpunkt kurz nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach genutzt hat, um gegen Merkel zu polemisieren. Sie hat die Angst der Menschen ausgenutzt. Das ist Populismus pur. Das ist unanständig. Das gehört sich nicht. Darum hat Herr Decker absolut recht mit seiner Kritik. Und es kommt noch etwas hinzu: Wagenknecht ist Fraktionsvorsitzende. Bronski hat es oben auch geschrieben. Was sie da gesagt hat, entspricht aber nicht der Linie der Fraktion. Das heißt, sie ist ungeeignet für diesen Posten, weil sie sich persönlich zu profilieren versucht. Das ist es doch, was hier in diesem Blog den Politikern so häufig vorgeworfen wird. Angeblich handeln sie aus reinem Egoismus und Profilsucht. Was bei Söder und Konsorten schlecht ist, ist bei Wagenknecht plötzlich gut? So was nenne ich Doppelmoral.
Wagenknecht kümmert sich nicht um das Parteiprogramm der Linken, das etwas anderes sagt als sie. Auch Parteibeschlüsse sind ihr egal. Das einzige, wofür Wagenknecht steht, ist Wagenknecht. Damit hat Herr Decker völlig recht. Auch eine Anlayse in der FAZ kommt zu diesem Ergebnis.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sahra-wagenknecht-und-das-nationalbolschewistische-kalkuel-14367446-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Ich finde solche Eröffnungen wie „Manche Menschen schaffen es offenbar nicht, einen einfachen Text zu lesen, wenn es um Sahra Wagenknecht geht“ immer etwas deplatziert, weil das impliziert „Alle doof außer ich!“.
Vielleicht könnten Sie kurz mal erläutern was an dem Satz, dass die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern nicht mit einem einfachen Satz erledigt ist, rechts ist?
Ist diese Feststellung unwahr? Wird diese Feststellung deshalb unwahr, weil sie in Zusammenhang mit von Flüchtlingen/Zuwanderen begangenen Taten gefallen ist?
Es wäre etwas anderes, wenn Sahra Wagenknecht aus dieser Feststellung den Schluss gezogen hätte, dass das Asylrecht eingeschränkt werden oder sämtliche Flüchtlinge abgeschoben werden müssten (das wäre dann tatsächlich AFD-Sprech gewesen). Hat sie aber nicht gemacht!
Im Gegenteil hat sie noch ein paar Tage vorher im ZDF-Sommerinterview darauf hingewiesen, dass das Asylrecht nicht beschränkt werden darf. Soweit ich weiß hat Frau Wagenknecht auch sonst NIE irgendeinen rassistischen Standpunkt vertreten! Das sollte auch ein Journalist wissen.
Es ist daher gradezu widersinnig, einer derartigen Politikerin Nähe zu rechten Parteien zu unterstellen.
Es ist doch mit den Händen zu greifen, dass große Teile der Bevölkerung (und auch bzw. erst recht) große Teile des linken Wählerspektrums durch die Zuwanderung verunsichert sind und zwar vor allem deshalb, weil Frau Merkel und die Regierung bis auf den Satz „Wir schaffen das!“ noch nicht sehr viel konkretes gesagt hat- insbesondere nicht zur Finanzierung oder zur sozialen Einbindung (Stichwort Wohnungs- und Arbeitsplatzkonkurrenz)der Flüchtlinge.
Ist es dann nicht grade die Aufgabe einer verantwortlichen Politikerin der Linkspartei den Finger grade dann in diese Wunde zu legen, wenn die Verunsicherung vielleicht grade durch die Taten in Bayern noch weiter ansteigt? Oder was hätte sie Ihrer Meinung nach sagen sollen? Alles wird gut- die Integration läuft, die Konzepte sind hervorragend, machen sie sich keine Gedanken? Wäre das nicht eine Verhohnepipelung der real existierenden Ängste eines Teils der Bevölkerung und würde man diese dann nicht der AFD bewusst in die Arme treiben, wenn man (nachvollziehbare) Kritik an der Flüchtlingspolitik nur dieser Partei überlässt?
Frau Wagenknecht hat eben nicht die „Angst der Menschen augenutzt“, wie Sie schreiben, sie hat die Angst der Menschen ernstgenommen- genau das, was ein verantwortlicher Politiker tun sollte!
Die AFD interessiert sich recht wenig für eine sozial gerechte Verteilung der Lasten aus der Zuwanderung- sie möchte die Zuwanderung nämlich gerne rückabwickeln bzw. bestenfalls dafür nutzen, den Mindestlohn auszuhebeln.
Frau Wagenknecht macht doch mit ihrer Aufforderung an die Bundeskanzlerin nun auch einmal etwas konkreter zu werden bei der Frage „Wie schaffen wir was?“ genau das Gegenteil.
Wo sie da, wie von Ihnen behauptet gegen ein Parteiprogramm verstößt, ist mir rätselhaft. Wo sagt denn das Parteiprogramm der Linken, dass mit dem Satz „Wir schaffen das“ eine notwendige Politik zur Integration der Flüchtlinge hinreichend konkretisiert ist? Meines Wissens nach 8aber ich bin kein Parteimitglied) hat die Linkspartei ein recht konkretes Integrationsprogramm mit verschiedenen Forderungen aufgelegt- im Grunde nichts anderes als die Aussage, mit dem Satz „Wir schaffen das“ ist es nicht getan in Programmform gegossen.
Unanständig ist in dem Zusammenhang daher mMn nicht die Tatsache, dass Frau Wagenknecht Frau Merkel Tatenlosigkeit vorwirft, sondern eher die Tatsache, dass die ewig gleichen Kreise innerhalb und außerhalb der Partei inzwischen jede Gelegenheit nutzen, um wieder einmal Sahra Wagenknecht zu kritisieren und zu versuchen, sie aus Führungspositionen herauszuschießen. Ist es vielleicht doch nur, wie Lutz Herden in dem oben verlinkten Artikel im FREITAG gemeint hat, „präventive Personalpolitik der Linken“?
Was der Linie der Fraktion entspricht und was erst recht der Linie der Partei entspricht, wird man ja sehen- ich verweise noch einmal darauf dass der „Contra Wagenknecht Aufruf“ am Montag grade mal 117 Unterschriften gesammelt hatte, der „Pro-Wagenknecht-Aufruf“ aber jetzt schon 7.200 Unterschriften- davon zahlreiche Mitglieder und Funktionsträger der Linken- übrigens auch eine Reihe von MdBs (u.a. Sevim Dagdelen).
Dass die FAZ der Linken nicht wirklich nahesteht und sich klammheimlich darüber freuen dürfte, dass es in der Linkspartei Stunk gibt- geschenkt (lustig in dem Zusammenhang auch der Ausdruck „Wagenknecht-Versteher“ in dem Artikel- bisher kannte ich den nur in Zusammenhang mit Putin;-).
Dass es in einer linkeren Zeitung, wie die FR eine ist, mit Herrn Decker einen ausgewiesenen „Wagenknecht-Nichtversteher“ (der sich auch offensichtlich nicht darum bemüht) gibt, finde ich da persönlich schon bedauerlicher.
Wie wäre es denn mal wieder mit der Grundsatzfrage, warum überhaupt soviele Menschen aus anderen Ländern nach Europa, und demzufolge auch nach Deutschland, wollen? Wer zerstört und womit ihre Lebensbedingungen? Durch Waffenhandel, Raubfischerei, Unterstützung multilateraler Konzerne, usw. usf.? Wer verdient, und wer zahlt? Und wer zahlt, wenn die Geflüchteten dann bei uns, so Gott, oder welch großer Geist auch immer, es will? Welche gesamteuropäische Wirtschafts-, Steuer- und Menschenrechtspolitik wird, nicht nur verkündet, sondern auch angewandt? Daher war das Merkelsche „Wir schaffen das“ auch für den Ofen. Erinnert an einen, der in der Kneipe zu einer Lokalrunde einlädt, dann aber durch den Hinterausgang verschwindet.
Wahrheiten auszusprechen, ist weder rechts, noch links, sondern in diesem Falle human. Und ich halte Wagenknecht für eine Humanistin. Und alle Anwürfe gegen sie dienen letztendlich nur einem Ziel: sie aus zu manövrieren, weil viele Linke, oder Pseudo-Linke, inzwischen nach den Senf-Töpfen der Macht schielen. Da lauert das Versprechen von rot-rot-grün, auserdacht damals von Gregor Gysi. Da wird dann, entgegen jedweder Biologie, der Schwanz mit dem Hund wedeln. Und das wird dann die Linke, mit SPD und Grünen, den Hartz-Erschaffern, Reichen-Steuer-Begünstigern, Armuts-Sektor-Stabilisierern durch Augenwischereien wie „Mindestlohn 8,50“ so kleine Brötchen backen, das sie bequem in jede Zahnlücke passen. Und dann werden Kipping, und van Akeren mit den Schultern zucken, und sagen: „mehr war eben nicht drin“. Und dann ihren coolen Job in einer Stiftung oder Mittelstandsvereinigung antreten.
Sorry, aber ich bin zu alt geworden, um – noch – optimistisch zu sein.
Selbstverständlich sind die Positionen, die Frau Wagenknecht vertritt, der verzweifelte Versuch, sich an rechte Positionen anzubiedern. Leser Manfred Schweres sieht das anders, aber auf die Urteilskraft eines Leserbriefautoren, der einen Zusammenhang herzustellen versucht zwischen dem hohen Migrantenanteil in Duisburg und „vergammelnden Altbauten“ gebe ich nicht viel.
Frau Wagenknecht versucht, mit altbekannten linkspopulistischen Methoden Wähler von rechten Parteien zu ködern. Hierin erkennt ein kritischer Geist eine Tradition die zurückverweist auf den Deutschnationalismus der KPD der Dreißigerjahre in der Weimarer Republik, die mit ähnlichen Methoden versuchte, den Nationalsozialisten Stimmen abspenstig zu machen. Dies scheiterte, und ebenso wird ein Linkspopulismus der „Partei-Linken“ scheitern. Flüchtlinge genießen kein Gastrecht. Sie sind keine Gäste, sondern Mitbürger. Und Menschen die vor Krieg und Terror fliehen sind keine Protagonisten einer „masssenhaften, ungesteuerten Zuwanderung“, sondern Weltbürger, die sich das Recht nehmen, in die Länder zu fliehen, die Mitverantwortung an ihrem eigenen Elend haben. Ich freue mich über jeden Geflüchteten, denn er/ sie lässt mich nicht allein in diesem Staat mit den dumpfen Nationalisten und Stammtischverstehern jedweder Partei.
Herr Decker kanns aber nun wirklich nicht mal gut sein lassen.
In einem Artikel voller „Hörensagen“ „Unterstellung“ und „Vermutung“ über Oskar Lafontaine nimmt sich Herr Decker auch nochmal seine „Lieblingslinke“ Sahra Wagenknecht vor (ich hoffe, er träumt nicht auch noch von ihr:-).
Man munkelt, dass Oskar Lafontaine großen Einfluss auf sie hat und ihr Agieren taktisch beeinflusst. Na wenn das keine Meldung ist.
Leider vergisst Herr Decker dann aber die eigentlich notwendige Recherche und weist am Schluss des Artikels nochmal darauf hin, dass im Internet „mittlerweile zwei Aufrufe“ kursieren. Einmal sein Lieblingsaufruf „Sahra, es reicht!“ und dann noch „Wir für Sahra!“.
Peinlich nur, dass der Aufruf gegen Sahra Wagenknecht eben nicht mehr im Internet kursiert sondern von den Organisatoren aus dem Netz genommen wurde und dass der Aufruf, in dem Sahra Wagenknecht ausdrücklich unterstützt wird, ein Vielfaches an Unterschriften erhalten hat (auch aus der Linkspartei).
Eine unvoreingenommene Berichterstattung, die den Leser informieren und nicht beeinflussen möchte, hätte das aber sicher berichten müssen, zumal wenn man vorher sinngemäß behauptet hat, dass große Teile der Linkspartei gegen Sahra Wagenknecht „rebellieren“.
Nochmal: Jeder Journalist darf und soll seine Meinung in einem Kommentar kundtun (auch wenn der nicht so plump einseitig sein muss, wie der von Herr Decker zum Thema „Saarland und Lafontaine“) aber in einem Bericht haben zweckgerichtete Auslassungen und Behauptungen einfach nix zu suchen.
Die Verantwortlichen der Frankfurter Rundschau sollten sich mMn überlegen, ob sie Herrn Decker weiterhin eine Plattform für seinen persönlichen Feldzug gegen Teile der Linkspartei bieten wollen.
Wenn man in der FR einen Artikel von Herrn Decker über die Linkspartei findet, muss man den eigentlich gar nicht mehr lesen, um zu wissen, was er schreibt- und so etwas macht eine Tageszeitung langweilig und schadet ihr.