„Das Schlimmste, sagte er, könne er nicht erzählen“

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich für mein Teil bin froh, „Unsere Mütter, unsere Väter“ überstanden zu haben. Nein, nicht überstanden; das ist das falsche Wort. Hinter mich gebracht zu haben? Es ad acta legen zu können? Nicht mehr dran denken zu müssen? Wenn ich froh bin, dass es vorbei ist – warum kaufe ich mir dann die DVD und werde sie mir sicher bald ansehen? Ich finde kein wirklich zutreffendes Wort. Vielleicht helfen Sie mir?

Der ZDF-Dreiteiler hat mich fasziniert und mitgerissen, er hatte fühlbar mit mir und meiner Geschichte zu tun, auch wenn meine Geschichte irgendwie „dazwischen“ ist. Mein Vater wurde als Junge ausgebombt, er war bei Kriegsende elf. Die Bombennächte müssen traumatische Erlebnisse für ihn gewesen sein, über die er aber nicht sprach. Meine Mutter wurde im Krieg geboren. Beide Großväter waren bei Kriegsbeginn zu alt für die Front, die Nazis griffen erst später auf sie zurück, als das Kanonenfutter knapper wurde. Der eine Großvater arbeitete in der kriegswichtigen optischen Industrie in Jena und kam erst an die Front auf dem Balkan, als in Jena nichts mehr kriegswichtig war, der andere, etwas jüngere war mit etwa dreißig Jahren an der Ostfront und geriet in russische Kriegsgefangenschaft, die er, kaum mehr als Haut und Knochen, überlebt hat. Über seine Fronterlebnisse hat er nie gesprochen. Ob er in Kursk dabei war, wie Wilhelm Winter, der junge Leutnant aus „Unsere Mütter, unsere Väter“? Ich weiß es leider nicht, aber es könnte sein. Ich weiß nicht einmal, wie er nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft zu seiner Familie zurückgefunden hat, die aus Hinterpommern, heute Polen, nach Schleswig-Holstein geflohen war.

Es ist natürlich Unsinn, wenn die Macher von „Unsere Mütter, unsere Väter“ sagen, sie wollten mit dem Dreiteiler noch einmal zu Gesprächen in den Familien anregen. Jene, die in den 40er Jahren an der Front waren, sind heute weit jenseits der 80 Jahre Lebensalter, wenn sie denn noch leben. Nun gut, vielleicht gibt es Fälle, in denen die drastischen Bilder des Films, aber mehr noch die Wandlungen der Charaktere das Fenster öffnen und Gespräche ermöglichen, auch mit Menschen, die vielleicht noch nie darüber gesprochen haben. Aber das würde voraussetzen, dass sich die ganze Familie vor dem TV einfände, so wie in den guten, alten Zeiten vor der Einführung des Privatfernsehens, als „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell ein Muss war. Wie realistisch mag dieses Szenario heute noch sein?

Der Film leistet etwas ganz anderes: Er setzt mich, mich persönlich, in eine Beziehung zu diesem Krieg, der so lange hinter uns liegt. Da bin ich wohl dem „naiven Realismus“, von dem BLZ-Feuilleton-Chef Harald Jähner in seiner Rezension schreibt, voll auf den Leim gegangen. Trotzdem: Für mich ging es in „Unsere Mütter, unsere Väter“ weniger darum, was meine Vorfahren, die nicht mehr leben, in diesem Krieg erlebt haben und wie es sie verändert hat, sondern es ging darum, was dieses Erleben mit mir gemacht hätte, wenn ich es hätte durchmachen müssen. Ich fand mich im ersten Teil des Dreiteilers eins zu eins in der Figur des Friedhelm Winter wieder, gespielt von Tom Schilling – und die Wandlungen, die gerade dieser Charakter unter dem Eindruck des Erlebten im zweiten und dritten Teil durchmacht, waren erschreckend. Würde ich einem russischen Bauernmädchen den Kopf wegpusten, weil sie angeblich zu einer Bombenlegerfamilie gehört? Würde ich einen fliehenden achtjährigen Jungen auf Befehl meines Kommandeurs hinterrücks erschießen?

Ich schnaufe kurz durch und mache mir bewusst: Nichts an diesem Film ist dem Zufall überlassen. Er ist durchkalkuliert wie Star Trek. Acht Jahre lang wurde an dem Drehbuch gefeilt – und das merkt man auch. Jeder Dialog sitzt, und Jede/-r wird in der einen oder anderen Figur ein Stück Projektionsfläche finden, in der sie/er sich spiegeln kann. Dieses Durchkalkulierte macht einen solchen Film massenkompatibel und -wirksam. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein. Aber wenn ich, die Bilder des Films noch bei mir, rausgehe, und sei es nur zum Einkaufen nach nebenan, und diese schlaksigen, unfertigen Jungmänner sehe, die sofort eingezogen werden würden, wenn Krieg wäre, dann ist das – naiver Realismus hin oder her – einfach gruselig. Auch ich war mal so ein unfertiger Schlacks. Ach ja, die Gnade der späten Geburt.

Daher sind meine Gedanken am Ende dieses Texts bei all den jungen Menschen, die kürzlich von Krieg deformiert wurden oder die diese Deformationen vielleicht jetzt gerade, in dieser Minute durchmachen. Sei es in Syrien, im Irak, Afghanistan, Pakistan, Libyen, Südsudan, in Mexiko, Nigeria, Kongo, Jemen oder Mali.

*

Nun zu den Leserzuschriften. Zunächst ein Leserinbrief, der eingesandt wurde als Reaktion auf die Vorberichterstattung, jedoch wohl unter dem Eindruck der ersten Folgen geschrieben wurde. Silvia Friedrich aus Kleinmachnow meint:

„Mich interessieren keine Marktanteile und Vergleiche mit amerikanischen Fernsehserien. Ich will nicht hören, wie nachgeborene Feuilletonisten nach Haaren in der Blutsuppe des Dreiteilers ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘ suchen. Ich will mich nicht einreihen bei denen, die da fragen, ob es keine anderen Themen als den Zweiten Weltkrieg gäbe? Ich will endlich Antworten. Die, die mir mein Vater nicht geben konnte.
‚Warum guckst du das?‘, fragte mein Partner. ‚Warum guckst grade du so etwas, die du schon heulen musst, wenn es bei Harry Potter zu heftig zugeht.
Ich suchte nach einer Antwort und musste nicht lange überlegen. Mein Vater ist da zu sehen. Ja, mein Vater ist einer von den Fünfen. Er ist der Stille, der sich für Musik und Kunst interessiert. Der nichts zu tun haben will mit Krieg und Massenmorden. Der mit hinein geworfen wurde, obwohl er zuhause grade Vater wurde und eine ganz junge Frau geheiratet hatte.
Mein Vater war gebrochen, als ich 10 Jahre nach dem Krieg geboren wurde. Er war zerstört für immer. Nur, wenn er getrunken hat, konnte er von dem erzählen, was damals passiert ist und er hat es niemals überwunden. Und er war hart und gemein geworden und verschlossen. Ich habe sehr unter ihm gelitten. Als Kind schon erfuhr ich Dinge, die kein Kind hören sollte.
Von so unsagbar grausamen Dingen, die kein Mensch auf der Welt verstehen kann. Er, der Stille, der Friedhelm unter den Fünfen, mein Vater, verstand es auch nicht. Er hatte so unsägliche Schuld auf sich geladen und konnte damit nicht leben. Er erzählte, wie die Frauen, die sie erschießen mussten, schrien. Er erzählte von den russischen Jungen, die ihr Grab schaufeln mussten. Und ich hörte zu und weinte. Und er erzählte von verbrannten Soldaten und von Bauchschüssen und seiner maßlosen Angst, auch in den Bauch getroffen zu werden, so dass er sich immer ein Bündel davor hielt. Und ich saß dabei und weinte. Ich war zu klein. Aber, er merkte nicht, dass er einem Kind sowas nicht erzählen darf. Er merkte nichts mehr.
Und das Schlimmste, sagte er, könne er nicht erzählen. Und ich hörte zu, konnte kaum noch atmen und frage mich seitdem, was das Schlimmste für ihn war. Mein Vater lebt nicht mehr. Ich bekam keine Antworten.
Jetzt sitze ich vor dem Dreiteiler und warte. Werde ich erkennen, warum mein Vater schwer depressiv wurde? Werde ich sehen, warum er so hart und unerbittlich war mit mir und meinen Geschwistern? Werde ich erkennen, warum er keine einzige Stunde nach dem Krieg noch fähig war, Glück zu empfinden?
Ich sitze vor dem Fernseher und warte auf eine Antwort. Und ich glaube, ich werde sie bekommen.“

*

Auf die oben bereits einmal verlinkte Jähner-Rezension des Dreiteilers erreichte mich die Zuschrift von Margitta Köhler aus Frankfurt:

Danke Harald Jähner! Ich habe alle Medien durchsucht, ob es nicht doch eine kritische Stimme gibt, die dieses Epos nicht als großen Wurf sieht.
Als ich die ersten Szenen der hochgejubelten Filmproduktion sah, stellte sich sehr schnell ein schales Gefühl ein: Was ist das? Klischeehaft: die netten Brüder, der böse autoritäre Vater, die naiven Mädels, der jüdische Freund, dessen Vater im Ersten Weltkrieg gedient hatte und die offensichtlichen Zeichen ignoriert. Dazu die überaus banale Filmmusik, die Böses ahnen lasst und dann gleich die martialischen Bilder und das nicht enden wollende Getöse der Geschütze. Der böse Nazi in Zivil, der zur Türe reinkommt und sofort „riecht“, dass hier die verbotene Musik gehört wird und die Rolle des Superschweins einnehmen darf, der trotz seiner offensichtlichen Nazivergangenheit den Befreiern als Werkzeug für den Aufbau dient und ungestraft davonkommt.
Wer soll hier welche Erkenntnisse gewinnen? Meine Generation der 50erJahre, deren Eltern diesen Krieg erlebten und die befragt wurden von uns, die antworteten oder auch gerne von selbst erzählten oder die auch schwiegen, weil sie nicht in der Lage waren über das erlebte Grauen zu sprechen. Diese heute 60Jährigen haben sich in der Regel mit den Vätern und Mütter und der Nazizeit oft schmerzhaft auseinandergesetzt.
Die jungen Menschen, deren Großeltern diesen Krieg erlebt haben, schauen diesen Film nicht an, sie gucken andere Sender und wenn, was würde man Ihnen mit diesem Werk mittteilen wollen? Wie grausam der Krieg war, welche furchtbaren Dinge Menschen tun können?
Eine 20jährige, mit der ich über den Film sprach, sagte mir:“ Wir sind da bereits abgebrüht durch viele Horrorfilme, da kann uns nichts mehr schocken.“ Man kann es als „Story“ ansehen, in der rundum gestorben und krepiert wird, aber die fünf „Guten“ überleben lange Zeit, auch wenn Sie einen Herzschuss bekommen, sie können entkommen, auch wenn sie schon in einem Viehwagen Richtung Ausschwitz eingepfercht sind, sie werden nicht als Deserteure hingerichtet, sie treffen sich – oh Wunder – alle irgendwo an der Front als eines der Mädels als Greta-Garbo-Verschnitt einen Auftritt hat.
Der dritte Teil ist der beste, er zeigt mehr Facetten, aber die zum Schluss offensichtlich unsinnigen Tode von zwei der fünf Freunde sind aufgesetzt. Dieses zufällige Treffen der drei Überlebenden in der zerstörten Kneipe wirkt hölzern und – nach den zum Teil sehr drastischen Szenen vorher – unglaubwürdig.
Trotz der Kritik an der filmischen Aufarbeitung dieses dunkelsten Themas der deutschen Geschichte, könnte der Film neue Anstöße zu einer Auseinandersetzung in der Gesellschaft geben und vor allem die wirklich wichtige Frage immer wieder aufwerfen, wie es soweit kommen konnte.“

Barbara Cloos aus Bad Homburg zu dem Interview mit ZDF-Fiction-Chefin Heike Hempel:

„Das erklärte Ziel der Filmemacher, mit dem Film ‚den Dialog zwischen den Generationen und in der Familie anzuregen‘ (Heike Hempel) kann allerdings in den wenigsten Fällen erreicht werden, denn von den damals (1941) Zwanzigjährigen leben heute nur noch wenige, um von ihren Erlebnissen, Einstellungen und Gefühlen in der Nazi- und Kriegszeit erzählen zu können und in einen Dialog zu treten. Den Film finde ich zwar wichtig, insbesondere um der jungen Generation zu vermitteln, dass unserer Demokratie und die daraus resultierende lange Friedenszeit in großen Teilen Europas keine Selbstverständlichkeit darstellen, sondern dass man sich dafür einsetzen und wachsam sein muss. Aber für die Auseinandersetzung zwischen den Generationen kommt er ca. zehn bis zwanzig Jahre zu spät.“

Jörg Brauns aus Hanau:

„Auf die Frage ‚Worum ging es Ihnen mit dem Dreiteiler?‘ antwortet Frau Hempel: ‚Unser Ziel war es, den Dialog zwischen den Generationen in der Familie anzuregen…‘
Hat Frau Hempel eigentlich nicht daran gedacht, dass dieser Dialog nur noch in ganz wenigen Fällen überhaupt möglich ist, weil die Generation, die den Krieg aktiv erlebt hat zu 99,… Prozent gestorben ist. Wer am Ende des Krieges 20 Jahre alt war ist heute 88 Jahre alt und entweder schon tot oder nicht mehr in der Lage zu diskutieren. Wir haben diese Diskussion mit unseren Müttern und Vätern vor mehr als 40 Jahren versucht und sind in den meisten Fällen kläglich gescheitert. Das lag nicht daran, dass wir Jugendlichen damals zu wenig Informationen über die NS- Zeit und den Krieg hatten. Unsere Eltern wollten nicht darüber reden was sie erlebt hatten und wie sie sich in dieser Zeit verhalten haben. Wer gibt schon gerne zu, dass er Angst hatte? Wer outet sich schon gerne als Mitläufer und Kriegsverbrecher. Und wir sollen heute nicht so tun als ob wir in solchen Situationen mehr Mut hätten und dem Gruppendruck widerstehen könnten.
Ich selbst habe versucht mit meinem Vater zu diskutieren, weil ich damals Kriegsdienstverweigerer war und nach einem dreistündigen Verfahren anerkannt wurde. Mein Vater unterstützte mich nicht, obwohl er selbst schwer kriegsbeschädigt war und sein jüngerer Bruder im Krieg gefallen war.
Und noch etwas: Realistische Darstellungen von Kriegsszenen wirken bei Jugendlichen nicht so, wie es sich die Macher gerne einreden. Schon der hochgelobte „Antikriegs „-Film „Die Brücke“ von Bernhard Wicki (1959) hatte bei meinen Schulkameraden ganz andere Folgen als es sich die Filmkritik einredete. Wir waren damals 16 bis 18 Jahre alt. Und meine Freunde fanden es ganz toll, wie diese jungen Soldaten im Film mutig auf verlorenem Posten kämpften. Einige meiner Kameraden kauften sich Schreckschusspistolen und meldeten sich dann freiwillig bei der Bundeswehr.“

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31 Kommentare zu “„Das Schlimmste, sagte er, könne er nicht erzählen“

  1. Bilder haben auf mich eine sehr unmittelbare Wirkung, schon einfache Effekte, 1000 mal gesehen, können zumindest Aufregung in mir erzeugen. Darum sehe ich mir normalerweise keine Kriegsfilme an. Von diesem 3-Teiler habe ich mir immerhin den 2. und 3. Teil zugemutet und durchgehalten. In meiner Kindheit waren Krieg, Flucht und Grauen unter den Erwachsenen ein sehr häufiges Thema. Viele waren ja auch körperlich gezeichnet und sichtbar durch den Krieg verkrüppelt. Niemand sprach aber von seinen eigenen grausamen Taten. Dass ein Krieg die Menschen entmenschlicht war mir immer klar. Als ich Anfang zwanzig war, durften wir in einem Seminar Filme sehen, die der Öffentlichkeit nicht leicht zugänglich waren. Dazu gehörten NS-Propagandafilme aus dem Warschauer Ghetto, die zeigen sollten, dass Juden wie die Tiere lebten, um ihr Untermenschentum zu dokumentieren. Diesen Film hat man den Deutschen dann doch nicht gezeigt, aus Angst, er könne eher Mitleid und Zorn erregen und damit seinen Zweck verfehlen. Als ich aus diesen Filmseminaren kam war ich ziemlich verstört und sah in jedem älteren Mann einen potentiellen Kriegsverbrecher.

    Es ist noch nicht so lange her, da besuchte mich einer unserer ehemaligen Auszubildenden, den man nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien in eine Uniform gesteckt und in den Krieg geschickt hatte. Ich kannte ihn als fröhlichen Leichtfuß, voller Lebenslust. Wenige Jahre später saß da ein gebrochener Mensch, der bekannte getötet zu haben, auch Kinder und alte Frauen, „denn man wusste ja nicht, was sie unter ihren Röcken verbargen“.

    Ja, und nun dieser Film. Nehmen wir ihn nicht nur als Beitrag zur Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit sondern als Mahnung, dass wir unsere jungen Menschen nicht in den Krieg schicken dürfen, nicht nach Afghanistan nicht nach Mali oder Syrien. Als Mahnung, dass gerade wir Deutschen alle, wirklich alle Friedensanstrengungen unternehmen müssen, zu denen wir fähig sind, um Kriege zu verhindern und zu beenden. Und auch unsere Waffenlieferungen einstellen, auch wenn das Arbeitsplätze kostet. Ja, ich weiß, dass dies ein Wunschdenken ist. Aber nur dann hätte der Film seinen guten Sinn erfüllt.

  2. Natürlich kam dieser Dreiteiler viel zu spät. Die, die er hätte wirklich ankratzen können, sind praktisch alle tot. Aber der Rest der Zuschauer ahnt wenigstens etwas von der Deformation, die man in solchen Situationen erfährt, auch wenn die Fragen, die Sie, Bronski sich stellen, nicht wirklich treffen, weil Sie es nie hätten gewesen sein können, der da in Friedhelms Anzug steckte. Nicht nur, dass Sie genetisch jemand anders sind, sie sind – viel wichtiger – Jahrzehnte später sozialisiert, von Eltern, die das Spätwilhelminische nur noch bruchstückhaft erfahren haben und das, wie auch die Generation, die 45 angefangen hat zu erziehen, nur noch bruchstückhaft weitergegeben hat, in dem Bewusstsein oder Gefühl, dass es die Barbarei nicht hat verhindern können.

    Die berühmten 68er, die immer so gerne gescholten werden, waren ja viel weniger Akteure, als vielmehr selbst Symptom eines Kulturbruches, der die logische Folge des 2. Weltkrieges war, eine Folge der häufig nicht einmal eingestandenen kollektiven Scham.

    Ich gehöre noch zu diesen Nachkriegskindern, mein ältester Bruder wurde 44 geboren, mein Vater war 45 Oberleutnant und meine Mutter Schwesternhelferin. Der Krieg war bei uns ein Tabu, das nur selten gebrochen wurde. Ich fand die Reaktionen meines Vaters bei diesen Tabubrüchen immer interessant, weil wir uns ähnlich genug waren, dass ich in ihm bei aller Verschiedenheit ein Modell meiner selbst sah. Wo wir uns unterschieden, war das durch seine Unsicherheit in der Weitergabe seiner alten Ideale, an denen er selbst noch festhielt: Der Mord am Vorgesetzten durch Wilhelm, den ich in der Szene praktisch „souffliert“ habe, wäre für ihn wegen oder trotz? all seiner Bildung und seiner humanistischen Ideale eine Unmöglichkeit gewesen, so sehr, wie für ihn ein Eid noch bindend war. Das in Verbindung mit einem Christentum, das eine Sinnlosigkeit dieser ganzen Katastrophe für ihn ein Ding der Unmöglichkeit war, hat sowohl damals seine Aufnahme als auch später die Konstruktion in der Erinnerung so gefiltert, dass alles einen Sinn erhielt. So war er als Soldat am Überfall auf Polen direkt im Fall Weiß beteiligt und hat nur wahrgenommen, dass sie sich verteidigt haben. Alles andere kam nur von Leuten, „die nicht selbst dabei gewesen waren“. Dabei wurde dann z.B. das Massaker von Bromberg mit als Begründung für den Polenfeldzug genommen, und mein Vater war zwei Wochen krank, bis er sein Geschichtsbild wieder restauriert hatte, nachdem ich ihn auf das Datum dieses Massakers aufmerksam gemacht hatte (Es fand statt, aber bereits beim Rückzug der Polen, konnte mithin nicht Grund für den Einmarsch gewesen sein).

    Ich bin boshaft genug, dass ich neugierig gewesen wäre, was dieser Streit um den Sinn zwischen Friedhelm und Wilhelm in ihm ausgelöst hätte. Dabei erscheint mir übrigens die Figur des Friedhelm die psychologisch gelungenere. Seine Verzweiflung, die er später beim Schutz seines Bruders bzw. der Rache für ihn an den Tag legte, wobei er bereits alle seine Ideale verriet, die sich zur puren Selbstverachtung steigerte, als er in die Hände des SD-Offiziers Hiemers geriet, der die Menschenverachtung dieses ganzen Krieges gleich am Anfang durch die Erschießung eines Kindes demonstriert hatte. Hiemer konfrontiert ihn ohne eigenes Wissen extrem mit seinen alten Idealen, indem er sein Du-Bist-in-meiner-Hand-Spiel auch mit dem alten Freund Viktor durchspielen will und folgerichtig verliert (Auch hier konnte ich mich nicht entziehen und auch dieser Mord wurde von mir „souffliert“, sobald ich Hiemers Stimme hörte.) Seinen „suicide by enemy“ empfand ich als folgerichtig.

    Aber die Frage, was „ich“ in diesen Situationen gemacht hätte, lässt sich nicht beantworten, weil ich, wenn ich 40 Jahre früher geboren wäre, nicht das Nachkriegskind gewesen wäre, als das ich aufgewachsen bin. Diese Frage halte ich deshalb für müßig, genauso wie ich es für müßig halte, sich über die Klischeehaftigkeit der Nebenrolle des Gestapomannes Dorn aufzuhalten. Was hier erzählt wurde, in einem Dreiteiler zu erzählen, finde ich schon ganz beachtlich.

  3. Diesen Film habe ich abgeschaltet und aber die Doku dazu angesehen. Dieser Film ist mir suspekt. Weil: Er kommt 40 Jahre zu spät. Die Aufklärung dieser Epoche des Krieges 39-45 mit den größten Verbrechen der Menschheit und aller Beteiligten wurde eigentlich erstmals mit den Dokus von Guido Knopp begonnen. (Die Verbrechen der jetzigen Kriege, an die Zivilbevölkerungen heute, topt das noch!!!)
    Der Titel ist schon falsch, weil es die Urgroßeltern der heute angesprochenen Menschen waren!!
    Meiner Meinung nach wäre ein Film dieser Größenordnung, über die Nachkriegszeit, also Großeltern und Eltern zu machen. Daraus würde sich die heutige Realität der NPD und deren in Kameradschaften etablierten Gesinnungstäter der NSDAP, SA bis zur Verherrlichung der SS und damit verbunden die Verharmlosung der Verbrechen dieser Zeit betreiben. Und das noch gesetzeswidrig in der Öffentlichkeit unter dem Schutz der Polizei mit dem Argument der sogenannten Meinungsfreiheit.
    Dieser Film, mit Dokumenten nachvollziehbar, würde uns heute zeigen, wie die Nachkriegspolitik zu Gunsten dieser braunen Überbleibsel handelte. Z.B.Goppel, Gesetzmacher der Judenendlösung als „unersetzliche rechte Hand“vom höchstgelobten CDU Bundeskanzler Adenauer. Jahrzehntelang! Ich erinnere an Kiesinger Filbinger und noch viele Andere und auch von anderen Parteien benutzte braune Strategen. Mitschuld, eine Entnazifizierung der Alliierten im Westen. Still und heimlich wurden sie wieder auf angestammte Plätze gehoben. BND Gründung mit van Gehlen. Da brauch man sich heute nicht wundern wie es auch in manchen Köpfen der heutigen Bevölkerung zugeht. Motto: Es war nicht alles schlecht!
    Das gleiche Indiz mit der DDR in der heutigen Zeit. Ich finde, solange besonders die „Christlichen Parteien“mit dem Knüppel auf Gisy & Co einschlagen, sich mal in den bekannten Beichtstuhl setzen um die noch braunen Gesinnungsgenossen öffentlich anzuprangern. Diese Überfälligkeit ist seit Gründung der CDU/CSU/FDP und vielleicht sogar der Nachkriegs-SPD noch zu beseitigen. Denn Gesinnung wird von Beneration zu Generation in den politischen Lagern „weier vererbt“. Bei dieser Tatsache empfinde ich diesen Film, auch wenn er gut gemeint ist, als Vernebelung der Realität heute und beschuldigt auch viele die sich heute nicht mehr wehren können. Zur traurigsten Sache unserer vergangenen Regierungen (alle!) ist die Rehabilitation der sogenannten Desserteure des Krieges. Nach ca. 60 Jahren, d.h. wo schon die Mehrheit verstorben ist, hat sich der Staat und seine Justiz genötigt gesehen, mal Flagge zu zeigen. Da hat sich der Staat solange Zeit gelassen um eventuelle Gutmachung zu leisten. Das ist so beschämend und bringt mich zu einem quälenden Lächeln bei der jährlichen Feier in Berlin für die „Gefallenen im Widerstand“! Ehrlichkeit ist eine deutsche Tugend!? Das ich nicht lache!!

  4. Ich habe mir auch diese Filme angesehen. Nach meiner Einschätzung, auf Grund dessen was mir vor vielen Jahren mein Onkel und mein Vater über diese Zeit erzählt haben,sind sie eher als eine Verharmlosung dessen was da geschehen ist anzusehen. In so einem Krieg geht es auf beiden Seiten unvorstellbar brutal zu. Mein Onkel war bei der 6. Arme und nachdem er in einem Lazaret wieder hergestellt worden ist bei der Schlacht von Monte Casino. Ich glaube viel mehr geht nicht. Mein Vater war bei dem ganzen Russlandfeldzug dabei und ist im Februar 45 desertiert wurde von Soldaten der USA gefangen genommen und in die Kriegsgefangenenlager bei Bad Kreuznach (Reihnwiesenlager)gebracht. Was die USA sich da geleistet hat ist kaum beschreib bar,kann man aber in dem man die Begiffe Googlt nachlesen. In den Berichten wird nicht übertrieben. Genauso hat er mir erzählt was nach der Eroberung von Kiew los war als man festgestellt hat das die Betten in denen die Soldaten schlafen wollten vermient waren.Ich denke das was die Deutschen Soldaten dann mit der Zivilbevölkerung gmacht haben kann man in einem Fernsehfilm nicht darstellen.Mein Vater ist jahrzehnte später Nachts noch immer wieder schreiend von Alpträumen geplagt aufgewacht(Reihnwiesenlager). Daraus kann man nur den Schluss ziehen das Krieg kein Mittel der Politik sein darf. Ich denke immer wenn ich höre was in Afganistan so abgeht, das so etwas für junge Männer die im jetzigen Deutschland aufgewachsen sind wohl kaum verkraftbar ist und kenne auch welche die unter dem leiden was sie da gesehen haben. Es soll also keiner denken das so etwas wie vor 70 Jahren nicht wieder passieren kann.

  5. @Reinhold (76). Ihren Ausführungen möchte ich mich vollinhaltlich anschließen. Endlich mal Klartext bei diesem Thema, ohne das übliche Gehampele. Wenn es sich um die braunen Überbleibsel handelt, ist es jedoch gar nicht erforderlich bis zu Kiesinger, Filbunger usw. zurückzugehen. Mit dem Argument der sogenannten Meinungsfreiheit, verschaffen die Öffentlich-Rechtlichen z.B. einem gewissen Arnulf Baring immer wieder ein öffentliches Forum. Ganz aktuell soll er (ich tue mir diese Quatsch-Runden schon lange nicht mehr an, und den Baring erst recht nicht), in einer dieser unsäglichen Talkshows mal wieder, Thema war der hier in Rede stehende Film, sozusagen nach alter Väter Sitte, losgelegt haben. Demnach haben nicht nur die Deutschen, sondern auch die Russen einen Vernichtungskrieg geführt. Baring weiter: „Der Jude war auch Täter, um seine Haut zu retten.“ Eine erbärmliche Wortwahl. Der Jude, der Pole, das erinnert mich auch an die Hetz- Hass- und Drohtiraden von Hitler und Goebbels. Apropos Hitler. O-Ton Baring am 09. November 2003, im Nachtstudio des ZDF: „Der Hitler hat ja in einem Maße dieses Land in Bewegung gebracht, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er hat in den 30er Jahren, was bis in die 40er, 50er – man kann sagen – in die 60er Jahre weitergewirkt hat, den Leuten einen Elan vermittelt, der vollkommen von uns gewichen ist.“ Ungeheuerlich, und so etwas gerade an einem 09. November. Am 07. September 2006 bezeichnete Baring, als umjubelter Gastredner der hessischen CDU, die Verbrechen der Nazis als “bedauerliche Entgleisung”. Ebenfalls ungeheuerlich. Millionen ermordete Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Behinderte, politische Gegner, Kriegsgefangene und andere „Untermenschen“ bzw. „Ungeziefer“, überhaupt dieser unvorstellbare Zivilisationsbruch durch die braune Seuche, mit zig-Millionen Kriegstoten, ist nach Auffassung des Hitlerbewunderers Baring lediglich eine „bedauerliche Entgleisung.“ Baring hält es auch für übertrieben, dass hinsichtlich dieser singulären Menschheitsverbrechen der Nazis, von der geistigen Planung bis zu ihrer unvorstellbar menschenverachtenden Ausführung, überhaupt von singulären Verbrechen gesprochen wird. Dass Baring bezeichnenderweise auch statt Integration “Eindeutschung” fordert, rundet sein braunes Bild ab (oder ist das keine braune Gesinnung?), zumal es nach Baring auch gar keine Neonazis gibt, sondern es sich lediglich weitgehend um „Jugendverirrungen“ handelt.

    All das und noch einiges mehr, hat allerdings nicht etwa zur öffentlichen Ächtung Barings geführt, oh, nein, er ist, nach wie vor, einer der meist gebuchten Talkshowteilnehmer auf allen Kanälen, insbesondere bei den Öffentlich-Rechtlichen. So viel zur Aufarbeitung deutscher Geschichte der Jahre 1933 bis 1945, durch einen mit hohen bundesrepublikanischen Orden (u.a. das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse) ausgezeichneten so genannten Historiker.

  6. „Das Schlimmste“, so sagte mein Vater, „verdient nicht, erzählt zu werden, nicht mal das Schlimme, schon gar nicht das Gute darin.
    Nichts von alledem verdiente irgendwas. Man hat mir mein Leben gestohlen. Das ist alles, was sie bewerkstelligt haben. Das waren Lebensdiebe, auch ohne die Morde. Ich will nicht, daß sie auch Dein Leben stehlen. Ich erzähle Dir deshalb nichts.“

    Tatsächlich haben aber die Diebe auch mein Leben gestohlen.
    Beschädigte Väter, beschädigte Mütter, ein Leben aus Trümmern, lebenslange Beschämung über die Taten.

    Tausendjährige Entehrung ist alles, was bleibt.

  7. Ich habe eben den Leserbrief von Silvia Friedrich gelesen – und der bewegt mich. Mein Leben ist bestimmt gewesen von der Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit, wie sie dargestellt wird im Drei-Teiler. Als Jugendliche habe ich mich versucht zu schützen vor der Wucht der Schuldgefühle und vor zu viel Erschütterung durch den Gedanken, dass mein Vater als Kriegsberichterstatter von
    der Ostfront ja nicht selbst geshcossen hat. Dann kam die Zeit, als ich begriff, dass er durch die Verherrlichung des Krieges durch seine Texte gerade nicht freizusprechen war von der Verantwortung für all die Gräuel.Im Gegenteil. Dann kam die existenziell bedrohliche Frage, wie es sein kann, dass sie mich in dieser Zeit- nach Stalingrad- zeugen wollten als Beweis ihres Glaubens an das tausendjährige Reich und dass sie davon träumten, in Sibirien ihr Leben mit vielen Kinder zu gestalten. Reden konnte ich mit ihnen nicht über all diese Fragen, sie waren längst tot, der Krieg hat sie ausgelöscht, und macnhmal war ich froh, dass sie nicht damit fertig werden mussten, dass alles alles Lug und Trug war und dass sie nicht fertig werden mussten damit, dass und wie sie betrogen worden waren und betrogen haben.
    Und nun sehe ich nach dem Leserbrief von Silvia Friedrich alle meine Lehrer vor mir, wie sie mit dieser Vergangenheit umgegangen sind, allesamt Kriegsteilnehmer,vom verehrten Englischlehrer , der vom ehrenvollen Dienst an der Waffe sprach und davon schwärmte, wie sie im Schützengraben Hölderlin gelesen hätten bis hin zu dem Französichlehrer, der zynisch war und mich mit seinem Sarkasmus erschreckte und jeden Glauben verhönte, oder der Mathematiklehrer, verwundet am Rückgrat und voller Schmerzen, der nur noch korrekt war und unnahbar… Der Drei- Teiler weckt in mir am meisten das Mitgefühl mit diesen damals jungen Männern, die hinterher so tun mussten, als sei alles in Ordnung. Und ich erschrecke, wie schnell Begeisterung blind macht. Und dann denke ich an all die Irrtümer, in die ich selbst hineingeschliddert bin aus Hoffnung und Blindheit. Das rote Büchlein von Mao fand ich faszinierend und sah nicht, was andere auch sahen… und so kann ich Beispiele bis heute aufzählen, bei denen ich ahne, dass ein Drei-Teiler in 60 Jahren die Menschen dann fassungslos fragen lässt: und das alles haben sie nicht bemerkt haben wollen, wie sie mitgespielt haben …

  8. Zunächst: Ich halte Bronskis Entscheidung, zu diesem Thema ein Thread zu eröffnen, für uneingeschränkt richtig.
    Nun muss man die Erwartung, über gemeinsamen Fernsehkonsum zu umfassenden Diskussionen in der Familie anzuregen (ich halte das auch für wenig durchdacht) ja nicht unbedingt teilen. Was aber noch lange kein Grund ist, auf wenig produktive Weise die Diskussion einfach beiseite zu schieben.
    (Liebe Jutta Rydzewski: Ich frage mich wirklich, was das soll, statt sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, zum xten Mal die Unsäglichkeiten eines Herrn Baring ins Rampenlicht zu heben – was dieser Kerl ebenso wenig verdient wie ein Götz Aly. Und schon gar nicht erschließt sich mir, wie eine Auseinandersetzung um einen jämmerlichen Ministerpräsidenten aus dem Jahre 78 (!)(der Herr heißt übrigens Filbinger) als Argument gegen den Film dienen und was das mit „Klartext“ zu tun haben soll. Wenn Sie sich solchen „Quatsch“ nicht antun wollen, warum hacken Sie dann ständig darauf herum?)

    Die Kritik an den „Klischees“ geht m.E. ins Leere. Wann könnte man das bei einem Thema, das auch durch 1000 gute Produktionen nicht erschöpfend behandelt ist, nicht geltend machen? Ich sehe in solcher Pauschalkritik eher eine spezifische Form von Verdrängung. „Klischees“ schließen eine Wirksamkeit im Sinne der Auseinandersetzung noch lange nicht aus. Entscheidend ist doch wohl, wie viel Wahrheit darin steckt, ob wesentliche Wirklichkeitsaspekte erfasst oder ob der historischen Wahrheit Gewalt angetan wird. Letzteres müsste aber erstmal nachgewiesen werden, statt sich in einer Ansammlung von Negativbeispielen zu ergehen, die mit dem Film nichts oder sehr wenig zu tun haben.
    Zur Erinnerung: Es gab in den 60er Jahren (schon lange vor Guido Knopp) schon viele Dokumentationen, die wenig bewirkten. Noch mehr Auseinandersetzungen mit dem Thema in der Literatur bei Böll („Wo warst du, Adam?“ schon 1951), Grass, Siegfried Lenz, Walser („Eiche und Angora“). Sicher war die Zeit für eine breite und fundierte Auseinandersetzung damals noch nicht reif. Die bewirkte erst die – mit Abstand klischeehafteste – US-Serie „Holocaust“ von 1978. Offensichtlich, weil die Personalisierung in Form der Geschichte der Familie Weiss erstmals eine Identifikation in breitem Umfang erlaubte.
    Der Wirkungsansatz hier ist offenbar ähnlich: Auch wenn man sich stellenweise der offenbar gezielten Darstellung des Grauens entziehen möchte – es lässt einen dennoch nicht los. Dass bei einem solchen Konzept der Projektion historischer Ereignisse, die in ihrer Komplexität und Grausamkeit kaum fassbar sind, auf einen Freundeskreis Begegnungen der Protagonisten arrangiert werden müssen, liegt in der Natur der Sache und tut der Wirkung keinen Abbruch.
    Auch die Tatsache, dass dies eine der wenigen deutschen Produktionen ist, in der neben NS- und Wehrmachtsverbrechen auch Grausamkeiten von anderer Seite in den Blick kommen, macht sie noch lange nicht suspekt. Auch wenn dies vorwiegend Aufgabe nichtdeutscher Produktionen bleiben sollte: Entscheidend ist, dass es nicht mit dem Gestus der Aufrechnung geschieht. Und auch ein solcher Vorwurf wäre erstmal durch eingehende und differenzierte Auseinandersetzung zu belegen.
    Im Übrigen: Der Film „The swaart book“ von Michael Verhoeven über jüdischen Widerstand in den Niederlanden setzt sich erheblich schärfer mit Entgleisungen und Verirrungen im holländischen Widerstand auseinander.

    Das verallgemeinernde Argument des „Zu spät“ (ob auf Unkenntnis des Vorangegangenen beruhend oder nicht) erledigt sich eigentlich von selbst: Bei dieser Problematik, die eine ständige Aufgabe bleibt, gibt es kein „Zu spät“.

    M.E. wären bei der Auseinandersetzung vor allem 2 Ebenen zu unterscheiden:
    1. die traumatisierenden und degradierenden Auswirkungen von Kriegserlebnissen generell
    2. die Problematik der Auseinandersetzung mit Faschismus als ständiger Aufgabe.

    Zu 1:
    Nach psychologischen Untersuchungen (vorgetragen am Kriegskinderkongress 2005) können traumatische Kriegs- oder Fluchterlebnisse der Kindheit auch nach 60 Jahren Verdrängung erneut ausbrechen – in der Regel beim Eintritt ins Pensionsalter (bei fast 1/3 in Form psychischer Störungen). Diese Traumata sind sogar – etwa durch Erzählungen der Großeltern – auf die folgende Generation übertragbar, sodass Kriegsereignisse bei bis zu 3 nachfolgenden Generationen psychische Auswirkungen zeitigen können. Dies ist auch (ebenso wie „Verdrängung“) unabhängig von der Frage der „Schuld“. (So wurden bei „verpflanzten“ Kindern in England oder finnischen Kindern in Schweden ähnliche Phänomene festgestellt wie bei deutschen Kriegskindern.)
    Fazit: Traumata holen einen ein, ob man will oder nicht. Versuche der Verdrängung führen lediglich zu deren Verlängerung. Nur die aktive Auseinandersetzung (ob mit oder ohne Therapie) scheint geeignet zu sein, sie zu überwinden. Über die NS-Problematik hinaus müsste sich die Auseinandersetzung also auf die psychologischen Auswirkungen von Kriegsereignissen generell ausdehnen. Danach ergibt sich vor allem die Frage, inwieweit ein solcher Film in der Lage ist, dazu anzuregen. Dazu erscheint mir der Beitrag von I.Werner (#1) sehr bedenkenswert.

    Zu 2:
    Der Behauptung, dass junge Menschen durch Horrorfilme zu „abgebrüht“ seien (Margitta Köhler) möchte ich aus eigener Erfahrung widersprechen. Sie können m.E. sehr wohl zwischen bloßer Fiktion, bloßem Nervenkitzel und Auseinandersetzung mit harter Realität unterscheiden. Entscheidend ist, wie glaubwürdig diese geführt wird und ob es zu einer aktiven Auseinandersetzung kommt.
    In meiner aktiven Zeit habe ich im Rahmen einer Klassenreise mit jeweils 13jährigen 3 Besuche im KZ Sachsenhausen durchgeführt – anfangs mit Bedenken einiger Eltern, die schließlich angesichts der von den Schülern gezeigten Nachdenklichkeit von niemandem aufrecht erhalten wurden. Freilich war dem eine lange aktive Auseinandersetzung mit mehreren Aspekten von „Jugend im Nationalsozialismus“ im Unterricht vorausgegangen. (So hatte u.a. jeder Schüler/ jede Schülerin durch Vorstellung eines Jugendbuchs zu diesem Thema einen eigenen aktiven Beitrag geleistet.)
    Was „Glaubwürdigkeit“ betrifft: Nicht nur mir ist bis heute die Begegnung mit einem Führer in lebendiger Erinnerung, der bekannte, als Jugendlicher vom NS-System überzeugt und nach dem Krieg hier selbst inhaftiert gewesen zu sein – und der keiner noch so persönlichen Frage auswich. Seine Motivation und seine Überzeugungskraft lag darin begründet, durch seine Tätigkeit und die schonungslose Auseinandersetzung mit sich selbst etwas von seiner Schuld (wiewohl er damals noch Jugendlicher war) abtragen zu wollen. – Über solche Leute gilt es zu sprechen! Denen begegnet man freilich nur, wenn man sich aus seiner Fixierung auf die Filbingers und Barings löst.

    Ob die Ausstrahlung eines solchen Films alleine sehr viel bewirkt, bezweifle ich zwar. Er kann aber sehr wohl Kristallisationspunkt für eigene aktive Auseinandersetzung sein. Entscheidend ist, was danach folgt. Und wenn dieser Thread einen Beitrag dazu leisten kann – umso besser!
    – Ich wünsche allen ein schönes Wochenende!

  9. Meine Mutter wurde als Baby ausgebombt, weil ihre Mutter sich geweigert hatte, mit den älteren Kindern zusammen aufs Land zu gehen. Meine Mutter hat also die Todesangst ihrer Mutter unmittelbar spüren müssen, mit entsprechenden Folgen. Sie hat ihr Leben lang keine Anstalten gemacht, das jemals aufzuarbeiten, sondern sich die Sache mit: „Meine Mutter hat mich gerettet“ schön geredet. Die emotionalen Folgen dieser Art Verdrängung bin ich bis heute nicht los geworden.
    Was mir wirklich wichtig wäre: Daß sich die Appelle von Politikern etc. nicht immer bloß in „Das darf nie wieder passieren“ erschöpfen würden, insbesondere wenn es um die Judenvernichtung (das Wort kommt mir irgendwie zynisch vor, ist aber glaube ich der Sprachgebrauch?)geht. Menschen werden zu Mitläufern, solange sie qua Erziehung in ihrer Autonomie geschädigt werden, was in westlichen Zivilisationen gang und gäbe ist. Man kann das nachlesen, ich würde das auch jedem empfehlen, der verstehen will, warum die NS-Zeit war, wie sie war: In allen Büchern von Arno Gruen, insbesondere „Der Fremde in uns“ sowie „Der Verlust des Mitgefühls“.

  10. @ Reinhold

    Ich begrüße sehr, dass „Unsere Mütter, unsere Väter“ nicht als Doku-Drama daherkam. Diese Knopp-Geschichten mit nachgestellten Szenen kann ich nicht mehr sehen. So konnte der Film erst seine emotionale Wucht entfalten. Ich begrüße auch, dass der Film eben nicht in erster Linie ein Beitrag zur Aufarbeitung von Nazi-Unrecht sein will – ich glaube, da hat auch Jutta Rydzewski etwas missverstanden -, sondern ein Film, der die Grausamkeit des Krieges und die Folgen für seine unmittelbaren Protagonisten fühlbar machen möchte. Es geht nicht um Politik, sondern um individuelles Leid von Soldaten, angelehnt an fünf reale Biographien. Ihren Ausführungen über die Schande später Wiedergutmachung stimme ich zu, aber das hat mit dem Thema des Films nichts zu tun.

    @ Jutta Rydzewski

    Ich frage mich, was Arnulf Baring mit diesem Film zu tun haben soll. Wir alle hier haben schon vor gefühlten fünf Jahren verstanden, dass er für Sie ein rotes Tuch ist. Gewiss sind seine Nazi-Verharmlosungen kein Ruhmesblatt für die öffentlich-rechtlichen Sender, aber gerade darum würde ich mir doch den Blick auf den möglichen Wert dieser TV-Produktion nicht durch das Gequatsche eines solchen Lautsprechers verstellen lassen. Baring hat mit dieser TV-Produktion nicht das Geringste zu tun. Er ist ein nachrangiger Kommentator, nicht mehr. Haben Sie den Film denn überhaupt gesehen?

    @ Ute Vos

    Vielen Dank für Ihren interessanten, persönlichen Kommentar. Sie sind ja fast eine Zeitzeugin! Ich verstehe Ihren Kommentar so, dass Sie Geburtsjahr 1943 sind und mit Ihrem Vater nie direkt über seine Arbeit haben sprechen können, dass Sie aber lange versucht haben, sich damit auseinanderzusetzen. Liege ich richtig?

    @ Werner Engelmann

    Vorzüglicher Kommentar, vielen Dank. Ein Gedanke dazu: Der Kritikpunkt „zu spät“ trifft durchaus, wenn der Film, wie behauptet, tatsächlich zum Ziel hatte, die Gespräche in den Familien anzuregen. Ich kann mir zwar vorstellen, dass in Einzelfällen alte Männer mit Blick auf ihr nahes Lebensende versucht sein könnten, die innere Erzählblockade zu überwinden und zum Schluss endlich eine Art Lebensbeichte abzulegen, aber das dürften seltene Einzelfälle sein. Für diese Auseinandersetzung kommt der Film definitiv zu spät. Grundsätzlich aber kommt so ein Film natürlich nie zu spät, da haben Sie völlig recht.

    *

    Es ist ja nun nicht der erste Antikriegsfilm weltweit – und doch kann man die Zahl solcher Filme aus deutscher Produktion, die internationales Niveau erreichen, an den Fingern zweier Hände abzählen. „Die Brücke“ gehört natürlich dazu – wobei ich persönlich die Eindrücke, die Leserbriefautor Jörg Brauns schildert, nicht bestätigen kann. Als uns Jugendlichen der Film in der Schule gezeigt wurde, gab es ausschließlich nachdenkliche, betrübte Gesichter, und das, obwohl wir den Sprecher einer Jugendgliederung der Landsmannschaft Ostpreußen in unseren Reihen hatten.

    Ein weiteres herausragendes Beispiel kritischen deutschen Filmschaffens zu diesem Thema ist natürlich „Lili Marleen“ von Rainer Werner Fassbinder, an den sich die Geschichte der Greta aus „Unsere Mütter, unsere Väter“ ein wenig anlehnt – aber das ist schon kein waschechter Antikriegsfilm mehr, sondern ein großartiges Melodram vor Kriegshintergrund. Wie schwer sich deutsche Regisseure mit Antikriegsfilmen tun, hat Joseph Vilsmaier mit „Stalingrad“ gezeigt.

    Es gab noch „Das Boot“ von Wolfgang Petersen und „Der Untergang“ von Oliver Hirschbiegel. Mit Einschränkungen sind auch „Des Teufels General“ von Helmut Käutner (1954) und „Hunde wollt ihr ewig leben“ von Fritz Wöss 1959 in die Reihe bedeutender deutscher Antikriegsfilme zu zählen. Das war’s dann aber auch schon. In dieser Reihe ist „Unsere Mütter, unsere Väter“ filmhistorisch meines Erachtens auf dem Niveau von Petersens „Boot“ anzusiedeln.

    Ich habe diese Überlegungen hier angefügt, um klarzumachen, dass „Unsere Mütter, unsere Väter“ in meinen Augen den Rang eines eigenständigen Filmkunstwerks beanspruchen darf. Das bedeutet auch, dass er seine Glaubwürdigkeit und Wirkung aus seiner „Echtheit“ bezieht. Er muss diese Echtheit nicht mit Doku-Szenen beweisen, um seine Wirkung zu verdienen. Echt ist hier, was glaubwürdig und vor dem historischen Hintergrund nachvollziehbar ist. Geschichtsfälschung oder -klitterung würde der Glaubwürdigkeit und damit der Echtheit schaden. Ich kann solche Fälschung oder Klitterung aber nicht erkennen. Fiktive Figuren agieren vor einem glaubhaften realhistorischen Hintergrund.

  11. @Bronski

    Ja, ich habe den Film gesehen. Außerdem räume ich ein, dass ich mich nicht unmittelbar zu dem Film selbst eingelassen habe. Wenn Sie alle, wie Sie das ausdrücken, lieber Bronski, schon vor gefühlten fünf Jahren verstanden haben, dass Baring für mich ein rotes Tuch ist, so haben Sie alle mich falsch verstanden. Für mich ist Baring kein rotes Tuch, sondern ein ganz gefährlicher Brunnenvergifter, der mit dem, was Sie, Bronski, Gequatsche, ich aber braune Ausscheidungen nenne, gerade Menschen verletzt, die als Betroffene oder Nachkommen Betroffener, ihr Leben lang unter den Geschehnissen und Folgen leiden. In diesem Zusammenhang haben mich die bisherigen Blogeinträge tief beeindruckt und auch berührt. Deshalb, lieber Bronski, meine Frage an Sie: Was meinen Sie wie sich ein Mensch fühlen muss, der immer noch unter den Geschehnissen bzw. den Erinnerungen leidet, wie das aus einigen Blogbeiträgen herauszufühlen ist, wenn dieser unerträgliche Choleriker, nicht in irgendeiner Dorfkneipe, sondern im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen, zur besten Sendezeit, seinen Hitlerbewunderungen und sonstigen Erbärmlichkeiten Ausdruck verleiht? Übrigens, ich habe in den letzten Jahren immer dann, wenn Baring mal wieder einen Auftritt hatte, die jeweiligen Sender und Redaktionen angeschrieben, und mit den üblen Ausscheidungen dieses Herrn konfrontiert. Von keiner Stelle habe ich dazu eine Antwort erhalten. … Auch das gehört zur öffentlich-rechtlichen Wahrheit. Und noch ein Letztes: Ich werde immer wieder, und wenn es auch gefühlte hundert Jahre sein sollten, auf diesen unglaublichen Skandal aufmerksam machen. Das verspreche ich Ihnen bzw. Ihnen allen.

    Das menschenverachtende Naziregime, die damit verbundenen unvorstellbaren singulären Menschheitsverbrechen, der Krieg, wie im Film gezeigt, die zig-Millionen Toten, die seelischen Wunden, die ein Leben lang nicht verheilen, all das ist ja nicht vom Himmel gefallen sondern hatte eine Vorgeschichte, wie alles, auch das Schrecklichste immer eine Vorgeschichte hat. Wann, womit, wodurch, warum beginnt so etwas, was letztlich in eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes führt? Als Antwort erlaube ich mir aus dem Talmud zu zitieren:

    Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

    Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

    Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

    Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

    Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

    @Werner Engelmann. Vielleicht konnte ich nun etwas deutlich(er) machen, warum ich ständig darauf herumhacke.

    Bleibt mir nur noch, mich für das Verständnis zu bedanken, wenn ich wiederum zu sehr vom Thema abgewichen sein sollte.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  12. Sie liegen richtig – ich bin Jahrgang 43 (zwei ältere Geschwister) mein Vater „fiel“ Febr.44, meine Mutter flüchtete mit uns aus Pommern zurück nach Berlin und brach dort dann zusammen und starb -angesichts des Zusammenbruchs der Hauptstadt der Bewegung? Zeitzeuge bin ich insofern, als der Briefwechsel meiner Eltern erhalten blieb aus den Kriegsjahren und geheim gehalten wurde. Erst in den letzten Jahren habe ich ihn gelesen und geordnet und die Unbegreiflichkeit des Ganzen wurde nur noch größer für mich. Mein Vater , beseelt von der Idee, in diesem großen deutschen Reich ein großer Schriftsteller zu sein und Menschen von der Größe der Aufgabe zu überzeugen, schrieb neben den Kriegsberichten auch eine Novelle, über den Versuch, einen Brückenkopf unbedingt zu halten.Verherrlichung eines völlig sinnlosen Unternehmens. Auch deswegen fand ich den Drei-Teiler wichtig, ihm ging endlich einmal alles Hedroische ab. Das ist für mich das Neue an solch diesem Film.

  13. Ich habe eben den bewegenden Beitrag von Ute Vos (#8) noch einmal durchgelesen. Darin der Satz:
    „Dann kam die existenziell bedrohliche Frage, wie es sein kann, dass sie mich in dieser Zeit- nach Stalingrad- zeugen wollten als Beweis ihres Glaubens an das tausendjährige Reich und dass sie davon träumten, in Sibirien ihr Leben mit vielen Kinder zu gestalten.“
    Er belegt, dass ein solcher Film nicht nur zur Auseinandersetzung mit tief schlummernden Traumata führen kann, sondern auch existentielle Fragen aufwirft, die man sich sonst kaum stellen würde.
    Das ermuntert mich zu einem eigenen Beitrag:
    Ich bin Jahrgang 44, 7. und letztes Kind einer Flüchtlingsfamilie. Meinen Vater habe ich nie, meine Heimatstadt in Mähren erst mit über 40 Jahren kennen gelernt. Es hat lange gedauert, bis ich Andeutungen meiner Mutter dahingehend zu deuten verstand, dass ich eigentlich das 8. Kind bin. Von der Existenz des 7. wurde freilich nie gesprochen. Und dann der Satz, der wie Blei auf dir lastet: „Vati wollte immer so gern 8 Kinder haben.“ – Nun sind es nur 7 geworden. Warum aber gerade 8? Es bedurfte historischer Dokumentationen (damals nicht gerade zahlreich), um zu erfahren, was es mit dem „Mutterkreuz in Gold“ auf sich hatte. Kein besonders schöner Gedanke, sich klar zu machen, dass man seine eigene Existenz der Sehnsucht nach diesem „Mutterkreuz in Gold“ verdankt. Und es bedurfte auch eines ganzen Romans, des Abstands der Fiktion, um mit solchen Gedanken fertig zu werden. Und mit der Frage, mit welchem Recht man eigentlich diese Sehnsucht, diese Blindheit verdammt.
    Und da ist auch die bis in die Gegenwart reichende Frage: Ist die Heilserwartung von dem kleinen roten Mao-Büchlein wirklich so grundsätzlich unterschiedlich von der an das „Mutterkreuz in Gold“?

  14. @Rydzewski
    Sie zitieren den Spruch:

    „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
    Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
    Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
    Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
    Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“

    Sie sollten ihn auch beachten.
    Ihre fortwährende Fäkalisierung von Menschen ist unerträglich.
    Wenn das, was sie da aus sich herauspurzeln lassen, herauspressen oder ausfließen lassen für sachdienlich halten, dann muß ich darauf hinweisen, daß sie dem Wörterbuch des Unmenschen nur immer weitere Vokabeln hinzufügen.

    Ihre Haltung ist verständlich und ehrbar, ihre Sprache aber ist inkontinent.

  15. In letzter Zeit fahre ich häufig an den Seelower Höhen vorbei. Hier liegen 45.000 tote sowjetische und deutsche Soldaten. Gefallen in einer letzten Schlacht im April 1945 in nur drei Tagen. Die Landschaft sieht friedlich aus unter der weißen Schneedecke. Unglaublich.

  16. Noch einen Gedanken zum Thema: „zu spät“.
    Ich gehe eher davon aus, dass der Film jetzt mehr in Fluß bringt als er das früher gekonnt hätte: jedenfalls in mir. Ich habe zum ersten mal in diesem Blog öffentlich über meine Eltern mich geäußert. Die danach auftretenden Gefühle haben mir gezeigt, dass bisher die Scham alles zugedeckt hatte. Heute hat man dafür wohl das Wort Fremschämen entdeckt. Ich wusste nicht, dass es dieses Gefühl war, das mich bisher hinderte, mich mit anderen auszutauschen über diese Geschichte. Da ich jetzt auch Angst habe vor den Reaktionen meiner älteren Geschwister wegen meiner Veröffentlichung, zeigt mir, dass auch sie wohl aus Scham nicht reden können, zumal sie ja auch das Gefühl des Stolzes auf die Eltern noch in sich tragen. Nun hat dieser Drei -Teiler bei vielen , wie man lesen kann, die Quelle des Mitgefühls mit den Protagonisten geweckt neben allem Entsetzen, und das macht es (nur mir?)möglich, auch die eigenen Eltern in dieses Bild einzufügen und dar- oder dazu-zu stellen. Für mich ist es also nicht zu spät, und die anderen Filme, die schon genannt wurden, haben das nicht geschafft und auch nicht die Debatte über Kriegskinder. Vielleicht kommt doch bei etlichen, auch Nachgeborenen, durch diesen Film manches in Fluss.

  17. In Anlehnung an das bedenkenswerte Talmud-Zitat erlaube ich mir, einige eigene Gedanken hinzuzufügen.

    Gedanken und Sprache

    „Die Gedanken sind frei.“
    Mag sein. Nicht aber die Sprache.
    Deine Gedanken
    Erreichen nur Dich.
    Deine Sprache
    Erreicht auch die andern.
    Und die Sprache der andern
    Erreicht auch Deine Gedanken.
    Zügle Deine Sprache
    Und Deine Gedanken.
    Denn sonst
    Bleiben sie nicht länger frei.

    Schönen Sonntag!

  18. Ich werde wenn ich einmal in Rente bin nach Bad Kreuznach fahren und mir die Flächen ansehen auf denen die Rheinwiesenlager waren und in denen wohl mehrer 100000 Deutsche( man spricht von der verlorenen Million) verhungerte Tode verbuttelt sind. Dieses für mich von klein auf vorhandene Wissen(nicht die Zahl sondern was da passiert ist) hat mein Denken über den 2. Weltkrieg geprägt. Die USA haben da mit ihrem Verhalten den Nazis in ihren KZ in nichts nachgestanden und der radikale Nazi 1941 wird sich auch nicht von dem radikalen Taliban in Afdanistan 2013 unterscheiden. Möglicherweise sind die Selbstmordattentäter sogar noch eine weitere Steigerung des Verrückten. Die deutsche Schuld liegt darin diesen Wahnsinn angefangen zu haben, nicht in der Radikalisierung da haben sich beide Seiten am Schluss nicht mehr unterschieden.Übrigens in KZ`s war ich auch schon mit absoluter Fassungslosigkeit. Man sollte das was ich aber jetzt geschrieben habe aber wissen wenn man der Meinung ist das D. so einmalige Schuld sich aufgeladen hat. Wie gesagt für den Beginn dieses Wahnsinnes gilt das.

  19. Mal vorneweg…ich bin jetzt 61J.

    # Reinhold (76) am 22. März 2013 um 12:15:

    Diesen Film habe ich abgeschaltet und aber die Doku dazu angesehen. Dieser Film ist mir suspekt. Weil: Er kommt 40 Jahre zu spät. Die Aufklärung dieser Epoche des Krieges 39-45 mit den größten Verbrechen der Menschheit und aller Beteiligten wurde eigentlich erstmals mit den Dokus von Guido Knopp begonnen. (Die Verbrechen der jetzigen Kriege, an die Zivilbevölkerungen heute, topt das noch!!!)
    Der Titel ist schon falsch, weil es die Urgroßeltern der heute angesprochenen Menschen waren!!<–….

    Dies ist falsch-Urgroßeltern-
    Ich will,werde und brauche mir nichts von der Seele schreiben und kann eigentlich nur kurz anreißen,was meine
    Kindheit+erwachsen werden geprägt hat,ich aber auf mein Weise verarbeitet und dahin gschickt habe-wo alle Märchen anfangen…Es war einmal…
    Mein Vater war mit 18J.-mußte-zu dem Afrikakorps…er hat NIE etwas erzählt,aber nicht nur mir jede Lebensfreude,war sie auch noch so klein-gelassen.
    Klar,in gwisser weise hat ich viel daran zuknabbern.
    Konnte und habe ihm aber pers.+schriftlich sein wirken auf mich verzieh,ich bin ganz+gar kein gläubiger mensch-
    ….bin so froh,das ich nicht an seiner Stelle war.
    Das hatte ich schon anhand manch anderer Filme und lebenserfahrung begriffen,aber dieser 3teiler hat das nochmal besser verdeutlichen können..hoffen,arbeiten wir daran-das so etwas+ähnliches sich nie wiederholen wird.

  20. @ Ute Vos, # 18

    Ich kann Sie nur beglückwünschen zu Ihrem Mut. Der erste Schritt, sein Schweigen zu durchbrechen, ist der schwerste. Es geht ja vielen so wie Ihnen, wie ich in meinem Hinweis auf den Kriegskinderkongress von 2005 (#9) andeutete. Und viele haben auch begriffen, dass nur das Sprechen bzw. Schreiben darüber weiterhilft. So entstand auch zu dieser Zeit eine Fülle von Kriegs- und Nachkriegsliteratur unbekannter Autoren. Das meiste in Ich-Form, eng an eigene Erlebnisse angelehnt. Ich habe einen anderen Weg gewählt, die Perspektive eines 1939 geborenen Flüchtlingsmädchens, das gerade noch genug bewusst erlebt hat. Diese Distanz gibt/gab mir die Möglichkeit, meiner Protagonistin die Freiheit zuzugestehen, die mein „Ich“ mir verweigern würde: über Dinge zu sprechen, für die ich mich (eigentlich) schämen müsste. M.E. geht es ja gerade darum, die Selbstzensur des „Ich“ auszuschalten, ohne Scham sich äußern zu lassen, was tief im Unbewussten vergraben ist. Meine 12 Jahre ältere Schwester sagte mir einmal: „Woher wusstest du denn das alles? Du warst ja noch so klein.“ Meine Antwort: „Wir wissen oder ahnen eben viel mehr, als wir uns zugestehen wollen.“
    Was Sie von der Angst vor Reaktionen Ihrer Geschwister schreiben, kann ich nur bestätigen. Selbst ein Autor wie Max Frisch musste das erleben. Er beklagte sich darüber, in seiner engsten Umgebung am meisten missverstanden zu werden – weil man ihn zu kennen glaubt. Doch auch dem gegenüber kann man gleichgültig werden, wenn man erlebt, dass man auch für Fremde schreiben kann (und damit eigentlich für sich selbst).
    Noch eine Episode von Kriegskinderkongress, die Sie interessieren könnte:
    Es war in einer Arbeitsgruppe zum Thema „Kinder der Schande“ (Kinder deutscher Besatzungssoldaten mit Frauen aus besetzten Ländern, nach Picaper allein in Frankreich über 200000). Die mutigen Berichte einer Deutsch-Norwegerin über ihre Identitätssuche und die Ablehnung durch die norwegische Gesellschaft, ihre eigene Mutter eingeschlossen, ermutigt zu weiteren persönlichen Berichten. Neben mir eine Frau in schwarzen Haaren. Zögernd beginnt sie. Sie sei eigentlich blond, konnte ihr „arisches“ Aussehen aber nicht ertragen. Ihr Vater habe auch im Bunker gelebt. Und ihr Leben lang habe sie sich mit der Frage gequält, ob sie das Recht habe, ihren Vater zu lieben.
    Am Ende einigte man sich, dass „Kinder der Schande“ ein schrecklicher Begriff sei. Es sei wohl richtig, ihn durch „Kinder der Liebe“ zu ersetzen.

  21. Indirekt sind wir alle bis heute betroffen von den Folgen des Krieges , solche traumatischen Erfahrungen werden oft von Generation zu Generation weitergegeben und schleifen sich erst mit der Zeit ab.
    Heute erleben wir das das erste Mal bewußt , weil der Mensch in früheren Zeiten schon in den nächsten Krieg gestolpert war , bevor eine Verarbeitung überhaupt stattfinden konnte.

    Die Haltung zu Auslandseinsätzen ist das Eine und muß – auch in aller Schärfe – immer wieder von neuem diskutiert werden.

    Die Soldaten jedoch , die dort hingeschickt werden , müssen jede Unterstützung bekommen , die sie brauchen , insbesondere , wenn sie nach ihrer Rückkehr psychisch belastet sind .
    Es ist unerträglich , wenn sich diese Menschen dann noch mit der Bundeswehr herumschlagen müssen , was die Anerkennung von posttraumatischen Belstungsstörungen oder anderen Problemen angeht.

  22. Die Polen sind empört- ich bin es auch. Die hochgelobte Spielfilmserie „Unsere Mütter, unsere Väter“ sei nur ein Spielfilm. So hofft man Schaden zu begrenzen. In der Sendung „Markus Lanz“ vom 19.03. entstand der Eindruck, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Der Historiker Prof. Arnulf Baring krönte die Diskussion mit dem Satz: „Täter wurden Opfer- Opfer wurden Täter“. Was meinte er damit: die Gräueltaten der sowjetischen Armee; Juden, die Juden verrieten, um ihre eigene Haut zu retten. Hier wird Geschichte neu gedeutet und bewertet. Und endlich dürfen wir Deutschen uns selbst bemitleiden. Generationen sollen miteinander ins Gespräch über Kriegserlebnisse kommen. Gerne. Aber nicht so!
    Alle „2. Weltkriegsbeteiligten“ sind traumatisiert. Und schuld daran sind wir-die deutschen Aggressoren von 1933!!!

  23. @Sandra Pellkofer-Gianni #24
    Wer soll denn dieses wir sein, „die deutschen Aggressoren von 1933“? Ich gehöre da zumindest nicht dazu. Die eindeutige völkerrechtliche Aggression beginnt im März 39 mit der zeitlich eng begrenzten „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ und geht dann im September 39 mit dem Überfall auf Polen weiter. Aber dieser Film, den ich nirgends anders angekündigt gesehen habe als als Spielfilm, dreht sich weder um die Kriegsschuld noch um die Zuweisung Täter-Opfer, sondern er beschreibt den 2. Weltkrieg aus der Sicht einiger weniger Personen und zeigt die Veränderung dieser Personen durch den Krieg. Es ist bezeichnend für diese Betrachtungsebene, die für die Teilnehmer auch die Erlebnisebene war, dass man dort im Wesentlichen das Unrecht und das Leiden der Einzelnen sieht, auf allen Seiten. Auf der persönlichen Ebene gibt es keine Engel im Krieg, und nur unbeteiligte Zivilisten, die nur Opfer sind.

    Wer meint, die Darstellung dieser Tatsache sei eine Geschichtsklitterung oder ein Aufrechnen der Schuld oder etwas Ähnliches, der tut mir leid, weil er in einer Propagandawelt lebt, in der die eine Seite nur gut und die andere nur schlecht ist, von der Führung bis zum Einzelnen, und deshalb meint, das müsse auch so dargestellt werden. So wenig ich Baring mag, so sehr stimme ich dem von Ihnen zitierten Satz Barings in dieser Betrachtungsebene zu. Und ich habe deshalb nicht vor, die deutsche Kriegsschuld anzuzweifeln, oder die deutschen Verbrechen zu relativieren.

  24. @Frank Wohlgemuth

    Selbstverständlich relativieren Sie, sehr geehrter Herr Wohlgemuth, weder die deutsche Kriegsschuld noch die deutschen Verbrechen. Wer das täte, könnte auch nicht ernst genommen werden. Ich hoffe, Sie erlauben mir eine Frage. Unanhängig davon, Baring zu mögen oder nicht, möchte ich Sie fragen (siehe dazu auch meine Zuschrift Nr. 6 vom 22. März 2013 um 18:05), ob dieser Mann, der am 09. November 2003, also gerade an einem 09. November, im Nachtstudio des ZDF meint absondern zu müssen, dass “der Hitler ja in einem Maße dieses Land in Bewegung gebracht hat, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er hat in den 30er Jahren, was bis in die 40er, 50er – man kann sagen – in die 60er Jahre weitergewirkt hat, den Leuten einen Elan vermittelt, der vollkommen von uns gewichen ist“, überhaupt noch, als so genannter Talker, ins öffentlich-rechtliche, gebührenfinanzierte Fernsehen gehört, insbesondere dann, wenn es um dieses Thema geht? Um Sie nicht zu sehr zu bemühen, würde mir ein Ja oder Nein als Antwort völlig ausreichen. Vielen Dank schon im voraus.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  25. @Jutta Rydzewski # 26
    „Um Sie nicht zu sehr zu bemühen, würde mir ein Ja oder Nein als Antwort völlig ausreichen. Vielen Dank schon im voraus.“ (Jutta Rydzewski)

    Ja oder Nein. Und bitte sehr.

    Liebe Frau Rydzewski. Ich sage hier gerne meine Meinung und begründe sie im Zweifelsfall auch, aber ich komme nicht hierher, um über jedes Stöckchen zu springen, das man mir hinhält.

  26. @Frank Wohlgemuth

    „Ja oder Nein. Und bitte sehr.

    Liebe Frau Rydzewski. Ich sage hier gerne meine Meinung und begründe sie im Zweifelsfall auch, aber ich komme nicht hierher, um über jedes Stöckchen zu springen, das man mir hinhält.“

    Mit Verlaub, eine merkwürdige Begründung, die auch keineswegs schlüssig ist. Außerdem ist mir unerfindlich worin das Stöckchen bestehen sollte, zumal ich Ihnen doch lediglich eine ganz einfache Frage zu einer Äußerung Barings im öffentlich-rechtlichen ZDF gestellt habe.

    Aber gut, ganz wie Sie meinen.

    Schöne Ostern.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  27. @ Jutta Rydzewski

    Was ich jetzt schreibe, führt vom Thema weg; daher soll dies an dieser Stelle der letzte Kommentar zum Thema Arnulf Baring sein, bitte. Ich habe aber einen Vorschlag. Sie scheinen ja ganz fit im Auflesen der Baring’schen Spuren zu sein. Schicken Sie mir doch mal – meine Mail-Adresse kennen Sie ja – Ihre gesammelten Baring-Zitate, so wie Sie sich damit bei den Sendern beschwert haben. Am besten belegt durch a) Zitate in Medien oder b) youtube-Videos oder c) eigene Mitschnitte. Zitate, die keine seriöse Quelle haben, senden Sie bitte nicht. Ich biete Ihnen an, diese Zitate, so sie denn belegt sind, hier im FR-Blog zur Diskussion zu stellen und dazu eine offizielle Stellungnahme der Sender einzuholen, sollte die Diskussion zu dem Ergebnis kommen, dass Ihre Einschätzung naheliegend ist.
    Frohe Ostern
    Ihr/Euer Bronski

  28. Bronski,
    das ist ein gutes Angebot in Sachen Zwist um die Baring-Zitate.Besten Dank, das enthebt mich erstmal weiterer Überlegungen, ob ja oder nein. Insofern ist das schon ein Beitrag zu frohen Ostern, die ich allen auch wünsche trotz ungelöster Fragen.

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