Trump und Kim Jong-un, zwei unterbelichtete Bengel

Haben auch Sie das Gefühl, einem Irren ausgeliefert zu sein? Die militärischen Lösungen seien „komplett vorbereitet und einsatzbereit“ („locked and loaded“) für den Fall, dass die Führung in Pjöngjang unklug handeln sollte, erklärte US-Präsident Donald Trump am 11.8. über Twitter. Wenn Nordkorea seine Drohungen fortsetze, werde diesen „begegnet mit Feuer, Wut und Macht, wie die Welt es so noch nicht gesehen hat“, hatte er schon am Dienstag gesagt.

GuamSo reagierte Trump auf das „Säbelrasseln“ aus Nordkorea. Dessen Diktator Kim Jong-un hatte damit gedroht, ballistische Mittelstreckenraketen auf die Pazifik-Insel Guam abzufeuern. Nordkorea wäre technisch inzwischen wohl in der Lage, auch Atomsprengköpfe über die 3500 Kilometer zu schießen. Die Drohung versetzte auch Südkorea und Japan in Alarmbereitschaft, jene Länder, über die Kims Raketen hinwegflögen, wenn er seine Drohung wahrmachen würde. In Japan wurden bereits Raketenabwehrsysteme installiert, welche die Raketen abfangen könnten.

Guam ist für die USA von großer militärischer Bedeutung als Drehkreuz im Pazifik. Unter anderem liegt dort die Andersen-Luftwaffenbasis, von der aus strategische US-Bomber immer wieder zu Militärmanövern Richtung Südkorea gestartet sind — Manöver, die Nordkorea als Provokation und Drohung ansieht. In wenigen Tagen, am 21. August, startet wieder ein solches gemeinsames Manöver von US-Streitkräften und südkoreanischem Militär. Dann wird sicher wieder ein nordkoreanischer Raketentest zu erwarten sein. Sollte Nordkorea allerdings wirklich Guam mit Raketen angreifen — selbst wenn es sie 30 Kilometer vor dem Ziel ins Meere stürzen ließe, wie angekündigt –, wäre Trump wohl in der Pflicht, seinen Worten Taten folgen zu lassen.

Eine Lösung des Nordkorea-Problems ist nur mit China zu erreichen, doch diesen wichtigen Gesprächspartner hat Trump gerade erst wieder verärgert, indem er ankündigte, Chinas Handelspraktiken unter die Lupe nehmen zu lassen. Auch chinesische Streitkräfte halten Manöver vor der koreanischen Küste ab. China würde sich bei einem Erstschlag Nordkoreas wohl neutral verhalten, aber was würde es tun, wenn die amerikanische Vergeltung käme? Die Volksbefreiungsarmee ist die größte Armee der Welt, China hat schätzungsweise 200 atomare Gefechtsköpfe, 1800 Kampfflugzeuge, seine Marine wird kontinuierlich modernisiert und hat unter anderem zwei Flugzeugträger. Einer davon stammt noch aus Sowjetzeiten, der zweite wurde erst 2017 in Dienst gestellt, ist eine chinesische Eigenentwicklung und demonstriert den Willen Chinas, auf den Meeren als Großmacht wahrgenommen zu werden. Gleichwohl wäre China den US-Seestreitkräften vermutlich unterlegen, die zurzeit mit dem Flugzeugträger „Ronald Reagan“, der im japanischen Yokosuka stationiert ist, und seinem  Begleitverband vor Ort sind. Außerdem wurde im Mai gemeldet, dass der Flugzeugträger „Carl Vinsson“ Richtung Korea in Marsch gesetzt worden sein soll. Ähnliches wurde auch über die „Nimitz“ berichtet, doch die hält sich zurzeit im Persischen Gold auf.

Von Diplomatie hält der Herr des Weißen Hauses wenig. Beobachter sprechen schon von einem „Kollaps der Diplomatie„. Stattdessen scheint er es für richtig und angemessen zu halten, der Welt ständig sein Pokerface zu zeigen. Er will offenbar als unberechenbar gelten, und so erreicht er in den komplizierten internationalen Beziehungen, dass er tatsächlich unberechenbar ist. Doch am Ende könnte nicht der bestmögliche Deal stehen, sondern der größtmögliche Verlust: ein neuer Korea-Krieg mit Millionen Opfern und der Gefahr einer nuklearen Eskalation. Doch er könnte Trump aufhalten?

fr-balkenLeserbriefe

Thomas Ewald-Wehner aus Nidderau:

„Der Junge mit den Atomraketen (Überschrift in der Print-Ausgabe, Anm. Bronski) – ich meine jetzt nicht Kim Jong Un, sondern den US-amerikanischen Hotel-Besitzer, der die Weltgemeinschaft in Atem hält; den Problembär aus den USA und seine Mannschaft. – Ein Beamter nach dem anderen wird mit einigem Getöse, obszönen Verwünschungen und Intrigenspiel von Trump „verabschiedet“. Dass in der jetzigen Situation 60 US-amerikanische Botschaftsposten nicht besetzt sind, ist horribel. Trumps Mannschaft – Generäle, Geldsäcke, korrupt-egoistische Milliardärs-Schreckgespenster – sind bar jeglicher (internationaler) Erfahrungen und Fachkenntnisse. – Und jetzt diese furchterregenden Drohungen gegen Nordkorea; ausgesprochen auch noch gegen das missliebige südamerikanische Venezuela.
Man kann zu recht den nordkoreanischen Personenkult verurteilen. – Aber mehr Rationalität sehe ich in Nordkorea. Die für mich nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnisse Nordkoreas haben eine furchtbar blutige Geschichte: Im Koreakrieg 1950 – 53 sind mehrere Millionen Chinesen und (Nord-)Koreaner zu Tode gekommen. Das hat ein Riesentrauma produziert, das bis heute nachwirkt. Korea wird durch eine hochgerüstete „System-“Grenze geteilt; einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht und die US-Amerikaner mischen auf der Seite Südkoreas militärisch kräftig gegen Nordkorea mit.
Angesichts einer mehr als 1.400 km langen Grenze, die Nordkorea mit China verbindet, finde ich es nachvollziehbar, dass China den Wirtschafts- und Militärgiganten USA nicht direkt an der eigenen Grenze haben möchte und Nordkorea als Sicherheits-“Puffer“ braucht. So müssen die gegen Nordkorea gerichteten wüsten Drohungen als gegen China gerichtet gewertet werden.
Gewaltdrohungen und dieses gefährliche Herumgestolpere – dieser jetzige Konfliktweg überhaupt könnte in den atomaren Abgrund führen, wenn sich die USA nicht mäßigen und vernünftige (diplomatische?) Pfade finden.“

Robert Maxeiner aus Frankfurt:

„Diese gefährliche Krise belegt die ungeheure Diskrepanz menschlichen Fortschritts: Einerseits eine hochentwickelte Technik, die zum Bau der Atombombe führte, welche per Knopfdruck Millionen Menschen das Leben kosten kann, andererseits die soziale Entwicklung von Menschen am Beispiel der Widersacher Trump und Kim Jong Un, die mit Steinzeitmenschen zu vergleichen Letztgenannte beleidigen müsste.
Atombomben befinden sich in den Händen zweier emphatisch völlig Unterbelichteter, die sich in gar nicht so erstaunlicher Weise ähneln. Unabhängig vom politischen System sind sie wohl ähnlich aufgewachsen, verzogene Bengel, die wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben persönliche, offene Kritik von ihnen nahestehenden Personen erfahren haben. Ein Argument für Stammtischredner: Etwas Richtiges gearbeitet haben Beide auch nicht – ursprünglich von Beruf Sohn. Es fängt schon damit an, dass wir Leuten wie Trump – solche Schwätzer finden sich an jedem Stammtisch – einen politischen Einfluss zugestehen. Und es kann mit unserer viel gepriesenen Bildung nicht so weit her sein, wenn solch unreifen, ungebildeten Großmäulern irgendeine Beachtung geschenkt wird. Und wenn er sich den Einfluss erkauft hat, spricht dies Bände über die fatale Macht des Geldes in unserer Gesellschaft. Hier eine falsche oder unangemessene Rhetorik oder Diplomatie zu kritisieren, ritzt das tatsächliche Ausmass dieses Gesellschaftskonflikts, verbunden mit einem Menschenbild, das sich immer mehr Zeiten vor der Aufklärung nähert, allenfalls an der Oberfläche.“

Conrad Fink aus Freiberg a. N.:

„Vor Jahren besuchte ich die Kaiservilla in Bad Ischl. Sie war die Sommerresidenz von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth (Sissi) von Österreich. Dort steht noch der Arbeitstisch des Kaisers an welchem er 1914 die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnete, welche letztlich zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte.
Seitdem haben sich die Zeiten geändert. Heute geht ja alles über die elektronischen Medien. Donald Trump kommuniziert mit Freund und Feind fast ausschließlich elektronisch. Jetzt hat er wohl die erste Kriegserklärung via Twitter versandt. Inhalt: „Die militärischen Lösungen sind nun vollständig vorbereitet.“ Das bedeutet, wenn Nordkorea nicht einlenkt, krachts. Wirklich toll, was uns die amerikanischen Arbeitslosen und „underdogs“ da für einen „Weltenlenker“ eingebrockt haben.“

Diskussion: frblog.de/trump

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8 Kommentare zu “Trump und Kim Jong-un, zwei unterbelichtete Bengel

  1. Die Republikaner müssten endlich tätig werden und zur Vermeidung eines Weltkrieges ihre vordergründigen politischen Machtinteressen hintanstelle. Das wäre wirklich eine große und kluge Tat. Denn sie sind es, die den Geist riefen, folglich müssen sie dafür sorgen, dass die Welt ihn wieder los wird.

  2. Ich stimme der von Brigitte Ernst genannten Umkehrung des oft zitierten Satzes „Die Geister, die er rief“ zu. „Der Geist, den sie riefen“, ist sicher ebenso sinnvoll.
    Psychopathen laufen ja viele herum. Die Kernfrage lautet wohl eher, was diejenigen geritten hat, die einen solchen – der sich ja von Anfang an als solchen zu erkennen gab – partout zum Präsidenten machen wollten.
    Die Frage zu stellen bedeutet aber, den Kreis der Betroffenen über die Republikaner hinaus auszuweiten.
    Eine Frage, die noch nicht einmal bezüglich vergangener Psychopathen an der Macht hinreichend geklärt ist.
    „Ich bin der Geist, der stets verneint.“ Die Verführungskraft des Mephistophelischen, die Lust an Destruktion an sich, die sich zur Massenpsychose auswachsen kann, spielt hier offenbar eine Rolle.
    Entscheidend dürfte aber sein, Modelle aufzuzeigen, wie damit umzugehen ist. Bevor es zu spät ist.

  3. Das ist es ja: Einerseits eine hochentwickelte Technik (auch Fortschritt genannt) – andererseits die soziale Entwicklung des Menschen am Beispiel … (Robert Maxeiner).
    Schwer ist es dabei Trost zu finden. Vielleicht bei Adorno (Minima Moralia): „Die fast unauflösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“

  4. China wird es nicht zu einer Aggression Nordkoreas kommen lassen, indem die UN Resolution 2371 tatsächlich, – wie vor einigen Tagen von China angekündigt -, umgesetzt wird.
    Dazu zählt das Einfuhrverbot für Bodenschätze, Meeresfrüchte, Eisen und Kohle aus Nordkorea. Das wird das Regime mit Sicherheit spüren.
    Donald Trump und sein Chefberater Bannon werden es sich dabei als eigenen Erfolg auf das Revers heften, man sollte nicht vergessen, so gut wie jeder amerikanische Präsident hat in seiner Amtszeit einen Krieg oder zumindest eine Militäraktion geführt.

    So ist doch alles aus der Distanz betrachtet und eigene Erfahrungen mit dem Land Korea oder Nordostasien können nicht in Anspruch genommen werden. Dabei wäre es insbesondere als Deutsche(r) interessant, der die Wiedervereinigung erlebt hat.

  5. @Brigitte Ernst
    Von einem Korrespondenten, der in Südkorea lebt.
    Es gibt aber noch Indizien, die ausserdem dafürsprechen. Je weiter die Gefahr entfernt ist, desto gefährlicher erscheint sie. Grossstadtkinder, die noch nie eine Kuh gesehen haben, haben Angst vor Kühen. Binnenlandbewohner haben mehr Angst vor dem Anstieg des Meeresspiegels als Küstenbewohner.
    Dann gibt es noch ein Argument, dass meine Aussage dann aber zur Trivialität macht. In Deutschland hat man immer am meisten Angst. Deutschland ist das Land der Weltuntergangspropheten. Nicht umsonst ist die «German Angst» in den englischen Sprachschatz aufgenommen worden.

  6. @ Henning Flessner
    Und dieser Korrespondent hat in Deutschland eine Umfrage zum Thema durchgeführt?
    Ich halte es für gewagt, vom Umfang der Berichterstattung in den Medien auf die tatsächliche Angst der Bevölkerung zu schließen. Ich gehe nicht davon aus, dass der/die Durchschnittsdeutsche jetzt zitternd vor Angst umherläuft und auf den Atomkrieg wartet. Dazu sind die meisten politisch viel zu uninteressiert und uninformiert.
    In Übrigen: Angst kann lähmen, kann aber auch zu sinnvoller Aktivität motivieren. Dagegen, dass man wachsam ist und (z.B. als Politiker) beizeiten vorbeugende und entspannende Maßnahmen einleitet (die Deutschen sind als Vermittler sehr beliebt) ist in diesem Fall doch nichts einzuwenden, oder?

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