Es ging um diesen Satz: „Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.“ Er: der verurteilte Straftäter. Dieser Satz stand in der Verfassung des Bundeslandes Hessen (1.Art. 21 Abs. 1 Satz 2). Er kam nie zur Anwendung, weil es im übergeordneten Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den Artikel 102 gibt, der kurz und bündig lautet: „Die Todesstrafe ist abgeschafft“. Trotzdem stand dieser Satz noch in der hessischen Verfassung. Jetzt nicht mehr. Am 28. November hat der Souverän, das Volk, per Volksabstimmung auf Vorschlag des hessischen Landtags angeordnet, dass dieser Satz durch die Formulierung des Grundgesetzes ersetzt werden soll. Dieser Vorschlag wurde mit 83,2 Prozent der Stimmen angenommen. Eine große Mehrheit. Das ist die gute Nachricht. Doch 16,8 Prozent der Stimmberechtigten stimmten dagegen. Eine erschreckend große Minderheit. Das ist die schlechte Nachricht.
Nun kann es natürlich sein, dass diese 16,8 Prozent oder immerhin ein Teil davon gegen die Änderung gestimmt haben, weil sie den Akt der Änderung an sich für überflüssig hielten. Wie gesagt: Tatsächlich darf die Todesstrafe in Deutschland seit 1949 nicht mehr verhängt oder angeordnet werden. Nur nebenbei: Der ursprüngliche Impuls, den kurzen Satz „Die Todesstrafe ist abgeschafft“ ins Grundgesetz zu schreiben, entstand daraus, dass Teile des Parlamentarischen Rats die Aliierten davon abhalten wollten, noch mehr Nazi-Kriegsverbrecher zu töten. Die ersten, denen das neue Recht zugute kam, waren dann auch verurteilte Nazi-Kriegsverbrecher. „Dennoch wurden in Landsberg am 7. Juni 1951 letztmals sieben deutsche Kriegsverbrecher gehängt“, steht bei Wikipedia zu lesen. Aber das nur am Rande.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich bei diesen 16,8 Prozent um Menschen handelt, welche die Todesstrafe tatsächlich befürworten. Kann, ja, muss man dies als Bekenntnis gegen unser Grundgesetz verstehen? Dessen erster Satz – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – ist mit der Todesstrafe unvereinbar, denn ihre Vollstreckung bedeutet natürlich die extremst mögliche Verletzung der Menschenwürde.16,8 Prozent Verfassungsfeinde in Hessen? Was geht in diesen Köpfen vor?
Der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist eine der größten und großartigsten Errungenschaften der Zivilisation. Nicht nur das gesamte Paragraphengebäude des Grundgesetzes und der deutschen Gesetzgebung beruht darauf, sondern auch unser Werte-Gebäude. Er bedeutet in Teilen auch eine Abkehr von Werten, wie sie das Alte Testament im 2. Buch Mose, Vers 23 und 24 verkündet:
„Ist weiterer Schaden entstanden, dann musst du geben: Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß …“
Dies wird häufig missverstanden als Vergeltungsregel, meint aber eigentlich, dass für ein verübtes Unrecht eine „Kompensation in Proportion“ zum verübten Unrecht erfolgen solle. Wenn jemand ein Leben ausgelöscht hat, ist es auf dieser Basis gerechtfertigt, dass ihm dafür sein Leben genommen wird. Doch schon Jesus hat sich von dieser Rechtsauffassung abgewendet. In der Bergpredikt heißt es (Mat. 5, 38 ff.):
„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“
Die Rechtsauffassung des Neuen Testaments wendet sich damit gegen die des Alten. Das deutsche Grundgesetz folgt der neutestamentarischen Auffassung. Das macht die Todesstrafe unmöglich. Doch 16,8 Prozent der Hessen hängen der alttestamentarischen Auffassung an. Das werden nicht nur orthodoxe Juden sein. Zeigt sich anhand dieser 16,8 Prozent „eine latente Abkehr von Werten, die in dieser Gesellschaft selbstverständlich sein sollten“, wie FR-Landtagskorrespondent Pitt von Bebenburg kommentierte? Oder sind die Menschen, die so abgestimmt haben, einfach ewig Unverbesserliche, wie es sie schon immer gab? Es gibt jedenfalls mehr davon, als es AfD-Wähler in Hessen gibt.
Die Würde des Menschen ist nichts, was ihm gegeben oder genommen werden kann. Der Mensch hat sie, weil er Mensch ist. Auch Mörder sind Menschen, selbst jemand wie Adolf Hitler. Es ist nicht möglich, jemandem die Würde abzuerkennen. Sie ist unantastbar. Mit weitreichenden Folgen. Der Paragraph 1 des Grundgesetzes zwingt dazu, in anderen Kategorien als in solchen von Rache und Vergeltung zu denken. Dazu sind 16,8 Prozent der Hessen anscheinend nicht bereit. Vermutlich glauben sie, dass mehr Härte des Gesetzes nötig wäre, doch das ist ein Trugschluss. Artikel 1 GG ist im Grunde nämlich härter als die Todesstrafe. Er zwingt zur Auseinandersetzung, so schmerzhaft dies auch sein mag.
Mit der Todesstrafe schafft man Probleme aus der Welt – glauben das diese Menschen? Sie irren sich. Höchstens schafft man sich Probleme aus den Augen. Man könnte auch sagen: Die Todesstrafe ist hilfreich dabei, Probleme zu verdrängen. Doch sie ändert überhaupt nichts. In den USA werden nicht weniger Verbrechen begangen, nur weil es die Todesstrafe gibt. Sie hat auch keinerlei abschreckende Wirkung, wie manche vielleicht glauben, denn die meisten der Verbrechen, bei denen sie verhängt wird, werden im Affekt begangen, unterliegen also keiner vernünftigen Abwägung, bei der das Argument zum Tragen käme: Oh hoppla, dafür würde mir die Todesstrafe drohen … Und immer wieder zeigt sich, dass die Todesstrafe auch an Unschuldigen vollstreckt wird. Sie ist jedoch irreversibel. Ein Mensch, an dem sie vollstreckt wurde, kann auch dann nicht wieder ins Leben gerufen werden, wenn sich erweist, dass die staatliche Justiz sich geirrt hat.
Diese Argumente sind altbekannt. Ich hätte erwartet – und ich glaube, dass kann man tatsächlich erwarten! -, dass die Bürgerinnen und Bürger eines Landes wie der Bundesrepublik Deutschland mit 99 und wenigstens 95 Prozent klar gegen die Todesstrafe aussprechen. 16,8 Prozent ist hingegen ein erschreckend hoher Wert an Zustimmung für Inhumanität und längst überwundene Rechtsnormen. Ein Wert, der uns zu denken geben muss.
Die erste Frage, die sich stellt, ist, ob diese Menschen sich wirklich bewusst für die Wiedereinführung der Todesstrafe einsetzen wollen. Es gibt immer einen bestimmten Prozentsatz, die bei Abstimmungen, vor allem bei solchen die keine Auswirkungen haben, andere Motive haben wie Denkzettel verpassen, provozieren, etc. Keiner der Vorschläge erreichte Werte an die 100% Zustimmung. Ich würde daher die Zustimmungsrate zur Todesstrafe niedriger ansetzen.
Herr von Bebenburg schreibt in seinem Kommentar: «Insbesondere die mäßige Zustimmung für die Abschaffung der Todesstrafe zeigt eine latente Abkehr von Werten, die in dieser Gesellschaft selbstverständlich sein sollten.“
Das impliziert, dass die Ablehnung der Todesstrafe in Hessen bereits höher war und die Menschen sich davon wieder abkehren. Die Umfragen des Allenbach-Instituts zeigen aber, dass die Zustimmung kontinuierlich abgenommen hat und 2016 bei 17% lag. Sehr gering ist sie bei Wählern der Grünen mit 4% und sehr hoch bei Wählern der AfD mit 42%. (https://www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_reportsndocs/FAZ_Februar016.pdf
1961 waren noch 77% für eine Wiedereinführung der Todesstrafe. Konrad Adenauer war 1964 dafür. Der CSU-Abgeordnete Richard «Kopf-ab» Jäger war Kämpfer für die Todesstrafe und Vizepräsident des Bundestages. Als F. Mitterand in seiner Wahlkampagne 1980 die Abschaffung der Todesstrafe vorschlug, waren 60% der Franzosen dagegen. Heute befürworten immer noch etwa 60% der US-Amerikaner die Todesstrafe.
Auch Kant, auf den wir uns gerne berufen, war Befürworter der Todesstrafe.
100% wären natürlich ein erfreulicheres Ergebnis, aber das Ergebnis zeigt mMn keinen Trend, der zur Beunruhigung Anlass gibt.
16,8 Prozent für die Wiedereinführung der Todesstrafe – das dürfte in etwa dem stramm rechts stehenden Bevölkerungsanteil in Deutschland entsprechen. Wenn das keine klare Warnung ist!
@Jürgen Malyssek
Ich denke, dass Sie es sich etwas zu einfach machen. Denn auch 15% der SPD-Wähler und 14% der Linke-Wähler befürworten die Todesstrafe (siehe oben verlinktes Dokument). Würden Sie die auch zum stramm rechts stehenden Bevölkerungsanteil in Deutschland rechnen?
@ Henning Flessner
Sie klingen fast so, als würden auch Sie die Todesstrafe befürworten. Ich hoffe, dass dem nicht so ist, denn sonst würden auch Sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Wer für die Todesstrafe ist, hat sie nicht mehr alle. So einfach ist das. Es kann in einem Rechtsstaat wie Deutschland keine Debatte pro oder contra Todesstrafe geben. Es kann nur eine Debatte geben, wie man den Standard von der unantastbaren Würde des Menschen so in die Köpfe bekommt, dass jeder begreift, was das bedeutet. Alles andere ist unerträglich. Und ehrlich gesagt: Es ist mir völlig egal, was Kant dazu gesagt hat oder was die Amerikaner mehrheitlich glauben. Auch das ist unerträglich. Die USA sind schon lange kein Land mehr, an dem wir unsere Werte orientieren können.
Es ist immer in der Diskussion eine Befürwortung der Todesstrafe durch politisch Unrechte in Rede.
Es aber in keiner Weise ausgemacht, daß die Todesstrafe nicht auch gegen die Unrechten angewendet werden kann. In deren Reihen gibt es nach wie vor Kriminelle zuhauf.
Mag sein, es gibt auch noch ein paar linke Verirrte, die die Todesstrafe beibehalten wollen, damit man Verbrechen von rechts auch „angemessen“ ahnden kann?
Historisch muß man anmerken, daß die Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland aus dem Grunde betrieben wurde, Naziverbrecher vor dieser zu bewahren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Todesstrafe#Bundesrepublik_Deutschland
Die Abschaffung der Todesstrafe beruht also genaugenommen auf der Feigheit ihrer Befürworter.
@ Henning Flessner
Kann sein, dass ich irre, aber die Befürwortung der Todesstrafe mit 15/14 Prozent bei SPD/Linke-Wählern kann ich nicht nachvollziehen!
Wie diese Zahlen bei diesen Wählern zusammenkommen, sind mir ein menschliches und politisches Rätsel.
Ansonsten halte ich es mit dem, was Stefan Briem oben sagt. Die USA sind für mich inzwischen, was Werteorientierung betrifft, ein Land, das kein Vorbild mehr sein kann. Das hat nicht nur was mit der Trump-Ära zu tun.
Ich erinnere mich sehr dunkel an eine Podiumsdiskussion, an der ich als Zuschauerin über das Für und Wider zur Einführung der Todesstrafe teilgenommen habe. Ich war damals 16 oder 17 Jahre alt. Und aus meiner innersten Überzeugung heraus eine Gegnerin der Todesstrafe. „1961 waren noch 77% für eine Wiedereinführung der Todesstrafe.“ schreibt Henning Flessner und ich nehme mal an, dass er das verifiziert hat. Es gibt aber immer noch den Ruf nach der Todesstrafe, vor allem, wenn ein besonders grausames Verbrechen geschehen ist.
Ein Kindermord hat mein Leben sehr persönlich tangiert, ich habe den Täter als ehrenamtliche Vollzugshelferin betreut, der aber nur als Knacki einsaß. Resozialisierung war damals das Thema und das unterschreibe ich noch heute. Und „mein“ Kindermörder“ hätte vielleicht auch sehr viel professionelle Hilfe gebraucht, mit der man ihn in jugendlichen Jahren hätte therapieren können, denn er hatte schon in jungen Jahren ein kleines Mädchen ermordet, ein Fall, der langjährig nicht aufgeklärt war, den er aber nach dem zweiten Mord an einem Jungen, gestanden hat. Nun wünsche ich mir, dass dieser Mensch nie wieder mein Leben betritt, aber ich wünsche ihm auch nicht die Todesstrafe, sondern das Recht auf die Aufarbeitung seiner eigenen Lebensverwerfungen. Diese psychologische Aufarbeitung bekommt er in unserem Strafvollzug wahrscheinlich nicht.
Man muss bedenken, dass sich auch SPD- und Linke-Wähler aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen zusammensetzen.
Da sind einmal die älteren Menschen, die noch an der vor 50 und mehr Jahren durchaus nicht verpönten Ansicht festhalten, dass die Todesstrafe ihren Sinn habe. Ich erinnere mich an eine Eisenbahnfahrt von Bad Homburg zur Uni etwa um 1968 herum, während derer ich vergeblich versuchte, einen Kommilitonen – er war angehender Jurist – von der Unmenschlichkeit der Todesstrafe zu überzeugen. Er beharrte darauf, es gebe Verbrechnen, nach denen der Schuldige sein Leben „verwirkt“ habe. Wenn dieser Mann heute noch lebt, vertritt er vielleicht noch die gleiche Meinung, egal, welcher Partei er sonst zuneigt.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass Übersiedler aus der ehemaligen Sowjetunion – Leute mit meist sehr konservativen Ansichten und an harte Bestrafungen gewöhnt – diese Meinung vertreten könnten. Ganz abgesehen von türkisch-deutschen Erdogan-Anhängern, die, ähnlich wie ihr Idol, mit der Wiedereinführung der Todesstrafe liebäugeln könnten. Und es ist bekannt, dass Migranten traditionell eher die SPD wählen.
Man müsste sich also diejenigen, die bei der HessenwahL gegen die Abschaffung der Todesstrafe votiert haben, viel genauer abschauen, wenn man zu einer angemessenen Bewertung dieses Ergebnisses kommen will.
@ I.Werner / Brigitte Ernst
ja, die Resozialisierung im Strafvollzug hatte so seit Mitte/Ende der Siebziger gesetzlich und praktisch ein großes Gewicht. Das war auch die Zeit der Reformen in der Sozialgesetzgebung. Und das war eine wichtige Entwicklung im Kontext der Sozialarbeit im Knast und weiterführend.
Die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen im Strafvollzug heute für die „psychologischen Aufarbeitung der Lebensverwerfungen“ kann ich jetzt nicht mehr beurteilen. Aber sie dürfte noch eine wichtige Rolle spielen.
In der Tat würde mich sehr interessieren, wer aus der Wählerschaft gegen die Abschaffung der Todesstrafe votiert hat. Das Rätsel SPD/Linke bleibt für mich bestehen.
Es ist ein grandioses Ergebnis, daß es 83,2 Prozent aufgeklärter Menschen gibt, die die Abschaffung der Todesstrafe befürworten.
Die 16,8 Prozent sind überstimmt, sie haben sich dem zu fügen.
Eine Diskussion über die Motive der Minderheit impliziert lediglich, daß diese in irgendeiner Weise dennoch recht haben könnten.
Es ging in dieser Abstimmung nicht um die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe, sondern um deren demokratische Bewertung, Ablehnung oder Annahme.
Sie ist abgelehnt worden.
Ich konnte nicht verstehen, dass Hessen dieses Thema zum Inhalt der Volksabstimmung gemacht hat.
Wie oben deutlich klargestellt, war die Regelung seit Inkrafttreten des Grundgesetzes obsolet und hätte daher längst früher aus der Verfassung herausgestrichen werden müssen, wie es andere Bundesländer, z.B. Rheinland-Pfalz, taten, deren Verfassung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes beschlossen wurde.
Sicherlich gab es leider in der Vergangenheit wie auch heute die ewig Gestrigen wie der von Henning Flessner erwähnte „Kopf ab“-Jäger, die glauben, mit der Todesstrafe den Rechtsstaat ohne Verbrechen retten zu können. Wie im Beitrag verdeutlicht, gibt es in den Ländern mit Todesstrafe ebenso Verbrechen wie in den Ländern, die sie abgeschafft haben.
Allein die Tatsache, dass es in der Geschichte häufig Justizirrtümer gab, durch die Menschen unschuldig (ich erinnere an den Fall Sacco und Vancetti) hingerichtet wurden, stellt für mich einen zusätzlichen Grund dar, die Todesstrafe abzulehnen.
Nachdem der Vatikan vor einigen Monaten die Todesstrafe geächtet hatte und nun auch der Verfassungsartikel zur Anwendung der Todesstrafe aus der hessischen Verfassung gestrichen wurde, ist, so scheint`s, die Befürwortung dieser mörderischen Vernichtungspraxis aus den offiziellen Rechtstexten und Bekenntnissen in Deutschland endlich verschwunden. Irrtum!! In den lutherischen Kirchen sind die Bekenntnischriften aus dem 16. Jahrhundert immer noch gültig! In dem hochgelobten „Augsburger Bekenntnis“ (CA) von 1530, das jeder Gläubige „zur „Einübung im Glauben“ im aktuellen Gesangbuch Nr.808 nachlesen kann, wird im Artikel XVI den Christen erlaubt, in staatlicher Macht „tätig sein zu können“ und dabei „Übeltäter mit den Schwert (zu) bestrafen“. Dazu wird eingeschärft: „Hiermit werden diejenigen verdammt, die lehren, dass das oben Angezeigte unchristlich sei“. Auf dieses Bekenntnis werden bis heute zum Beispiel die lutherischen Pastoren bei der Ordination verpflichet. Zur Zeit wird in der Landeskirche Hannovers an einer neuen Kirchenverfassung gearbeitet. Laut Entwurf dazu soll die CA unverändert wegen ihrer „besonderen Bedeutung für das Leben der Kirche“ in der Präambel weiterhin stehen- und damit auch das Bekenntnis zur Todesstrafe. In der Synode, dem Kirchenparlament, das die Kirchengesetze berät und verabschiedet, haben zahlreiche Theologen und sonstige gelahrte Persönlichkeiten Sitz und Stimme. Bei ihrer Zustimmung zu der Präambel u.a kann man zu ihren Gunsten nur dieses sagen: Sie wissen nicht, was sie eigentlich wissen sollten, was sie allen ihren Kirchenmitgliedern als Bekenntnis verordnen,- um nicht sagen zu müssen: Sie wissen genau, was die Menge der Kirchenmitglieder nicht wissen soll, dass sie auch auf das Bekenntnis zur Todesstrafe festgelegt werden. Widerspruch gegen dieses neualte Bekenntnis ist mir bisher nicht bekannt geworden – das gibt zu denken.
Peter Boettel schreibt dazu:
„Wie im Beitrag verdeutlicht, gibt es in den Ländern mit Todesstrafe ebenso Verbrechen wie in den Ländern, die sie abgeschafft haben.“
Das erscheint doch als sehr defensive Strategie gegen die Todesstrafe, welche die Realität im Sinne der Todesstrafen-Befürworter beschönigt.
Die Realität ist aber eine andere. Denn es gibt keine rationalen Argumente für die Todesstrafe, was auch das Ausweichen der Befürworter in irrationale und pseudo-moralische „Argumentation“ erklärt.
Hier einige Fakten zu den beliebtesten Behauptungen von Todesstrafen-Befürwortern:
(1) „Abschreckung“:
Die „Tötungsrate“ betrug nach UNODC-Studie von 2016 in den USA 5,4 Tötungen auf 100.000 Einwohner, in Deutschland 1,2 (immer noch eine der höchsten in Europa).
Seit 2010 (Amnesty-Statistik) ist die Tötungsrate in den USA noch einmal erheblich gestiegen. Damals betrug die Tötungsrate in den 34 Staaten mit Todesstrafe im Schnitt 4,5 (an der Spitze Louisiana mit 11,5), in den 16 Staaten ohne Todesstrafe 3,15. Die Wiedereinführung der Todesstrafe 1965 in 38 Staaten der USA als vermeintliches Mittel gegen steigende Verbrechensraten hat also exakt das Gegenteil bewirkt.
Gleiches belegen auch Zahlen aus Kanada. Dort betrug die Tötungsrate 1975 (als noch die Todesstrafe existierte) 3.09. Nach Abschaffung der Todesstrafe sank sie bis 1980 auf 2,19, zwischen 2002 und 2006 sogar auf 1,9. (Quelle: Canadian statistical)
(2) „Gerechtigkeit“:
2015 betrug der Anteil von Schwarzen in der Bevölkerung der USA 12 %, gegenüber 68 % der weißen Bevölkerung. In den Todeszellen (insgesamt über 3000) befanden sich 42 % Schwarze, 44 % Weiße. Bei der Zahl nachgewiesener Hinrichtung Unschuldiger (etwa 4 %, insgesamt einige Hundert) überwogen die Schwarzen sogar deutlich: 51 % gegenüber 39 % Weißen. (Quelle: Death Penalty Information Center)
Dies ist vorwiegend mit der weit überwiegenden Zahl der Benennung weißer Schöffen an den Schöffengerichten (jeweils 8), die auch über Todesstrafe entscheiden, und deren oft vorhandenen rassistischen Vorurteilen zu erklären.
(3) „Großer Kostenaufwand von Gefängnisstrafen“:
In den USA die beliebteste „Argumentation“ pro Todesstrafe. Wobei die tatsächlichen Bedingungen gezielt unterschlagen werden.
So, dass Delinquenten sich im Schnitt 13 Jahre, in einigen Fällen bis 30 Jahre vor der Hinrichtung in Todeszellen aufhalten. Unterschlagen werden auch die enormen Kosten von Wiederaufnahmeverfahren (erheblich häufiger als in Europa). Die Kosten für ein Hinrichtungsverfahren können demnach bis zu 10mal höher sein als bei lebenslänglicher Haft (in Deutschland in der Regel 15 Jahre).
(Material Amnesty International)
Die Wirklichkeit ist wohl die, dass (wie von Bronski einleitend erwähnt) der Befürwortung der Todesstrafe ein erhebliches Rachebedürfnis zugrunde liegt. Dies wird in den USA durch das starke Interesse bestätigt, an Hinrichtungen beizuwohnen (nicht nur bei Angehörigen von Opfern). Ebenso durch die Beliebtheit des Henkerberufs. Dieser vereint zugleich die Möglichkeit, Tötungsinstinkte zu realisieren, mit der trügerischen Selbstbestätigung, damit der „Gerechtigkeit“ zu dienen.
Zwei Zeugnisse:
„Die einzige Alternative zum Bedürfnis nach Rache ist Gerechtigkeit. Sonst werden Hass und Rachsucht früher oder später explodieren und zu neuen Gewalttaten führen.“ (Präsidentin des Strafgerichtshofs für Ex-Jugoslawien)
„Die Todesstrafe lenkt die Aufmerksamkeit von den Opfern auf die Täter. Für uns ist die Todesstrafe keine Möglichkeit, unserer Tochter in Ehrfurcht zu gedenken.“ (Vicki Schieber, deren Tochter in Pennsylvania ermordet wurde)-
Ich bin für die Todesstrafe und sehe darin keinen Widerspruch zum Artikel 1 GG, keinen.
In unstrittigen Fällen. Gibt´s die? Es gibt immer Fehlurteile.
Ja, die gibt es: ein Brevik, ein Josef Fritzl, die Geiselnehmer von Gladbeck haben ihr Leben verwirkt. Irrtum ausgeschlossen. No merci! Der Körper kann dann noch ausgeweidet werden zwecks Organhandel
Das GG ließe sich mit 2/3 in diesem Punkt ändern.
Allerdings sollte so ein Urteil kurz nach Rechtskraft vollstreckt werden.
Ich finde es unerträglich, dass die Geiselnehmer von Gladbeck oder einieg RAF-Mürder nun wieder ein sorgenloses Leben haben. Unerträglich!