Die Partei „Die Linke“ wird weiter verfolgt von ihrem SED-Erbe. Diesmal ist es Bundespräsident Joachim Gauck, der das Thema anlässlich der Regierungsbildung in Thüringen wieder auf die Tagesordnung setzt. Dort, in Thüringen, könnte in wenigen Wochen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Politiker der Linken Ministerpräsident werden – wenn, ja, wenn sich im Erfurter Landtag nicht eine thüringische Version des Heide-Mörders findet. Zur Erinnerung: Heide Simonis (SPD) war 2005 im schleswig-holsteinischen Landtag in vier Wahlgängen gescheitert. Ein oder eine Abgeordnete/-r aus ihrer mühsam zusammengezimmerten Koalition hat ihr die Stimme verweigert. Bis heute ist unbekannt, wer das war. Die rot-rot-grüne Koalition, die sich dort gerade bildet, hat im Landtag ebenfalls nur eine Stimme Mehrheit.
Bodo Ramelow, der angehende Ministerpräsident, ist von der SED-Vergangenheit der Linken unbeleckt, denn er stammt aus dem Westen. Ihm persönlich kann in dieser Hinsicht nichts vorgeworfen werden. Doch tatsächlich wäre der Gedanke unerträglich, dass ehemalige Entscheidungsträger des Unrechtssystems DDR nun wieder Entscheidungsträger in einem Kabinett Ramelow würden, beispielsweise als Minister. Nach allem, was bisher bekannt wurde, ist dies jedoch ausgeschlossen. Zweifellos gibt es in der Linken immer noch Altkader der SED, so wie es in der CDU zu Beginn der Bundesrepublik Altkader der NSDAP gab. Dass diese ehemaligen SED-Leute nicht in die gestaltende Politik zurückkehren, daran hat Joachim Gauck als ehemaliger Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde ein bleibendes Verdienst.
Gauck hatte sich nun in einem ARD-Interview skeptisch gezeigt, ob sich die Linke weit genug von der Linie der SED und ihrer Unterdrückungspolitik in der DDR entfernt habe. Es ist gut, dass diese Debatte im Bewusstsein bleibt und geführt wird, denn Unrecht darf nicht vergessen werden. Wir dürfen darüber hinaus aber auch nicht den Blick darauf verlieren, dass die Wahl in Thüringen eine demokratische war und dass auch auf Seiten der Landes-CDU Leute eine Rolle spielen, die man als Blockflöten bezeichnen könnte, denen jedoch keine Aufarbeitung ihrer Vergangenheit aufgezwungen worden ist. Also, liebe CDU-Leute: Seid mal lieber still.
Bodo Ramelow wird, wie das eben so ist, auch nur das machen können, was man „Realpolitik“ nennt. Aber er hat das Zeug zum Landesvater. Und nicht zuletzt darf man nicht unterschätzen, was für ein Signal in die Linke hinein von seiner Wahl ausginge: Wir sind regierungsfähig. Wir – und nicht die SPD – sind die, die eine linke Mehrheit zusammenzimmern!
Das ist nichts, wovor man Angst haben müsste, Herr Gauck! Angst muss man aber bekommen, wenn Staatsorgane wie Sie, die eigentlich zu politischer Neutralität verpflichtet sind, sich mit solchen Wortmeldungen in einen laufenden demokratischen Abstimmungsprozess einmischen – denn die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten steht noch aus. Und das ist nun wirklich ein Skandal, denn so etwas hat es von einem Bundespräsidenten bisher nicht gegeben. Schämen Sie sich, Herr Gauck!
Dieter Domabil aus Erlangen schreibt mir:
„Bundespräsident Joachim Gauck befürchtet zu Recht „Alt-SED-Kader“ in der Linkspartei! Bodo Ramelow kann man aber nicht vorwerfen, in SED-Geschicke verwickelt gewesen zu sein, das einmal vorab. Gaucks Befürchtungen zu SED- und Stasi-Kadern in der Linkspartei muss man leider zustimmen. Das hat mich als „Erstmitglied“ – ehemaliger Landesvorstand und Mitglied im Länderrat der WASG – auch veranlasst, nach dem Zusammenschluss mit der PDS die Linkspartei zu verlassen. Das war ich meinem Gewissen schuldig! Dass die Linke in der deutschen Demokratie ihren Platz gefunden hat und meine jetzige Partei, die SPD, die Zusammenarbeit suchen muss, ist aber auch ganz normal und zwingend nötig.“
Ruth aus der Fünten aus Essen:
„Ich finde es sehr ungerecht, wenn immer wieder mit zweierlei Maß geurteilt wird: Was der eine sagt oder tut ist total in Ordnung. Aber wenn ein anderer genau das gleiche sagt oder tut, ist das völlig falsch. Oder auch: Heute richtig – morgen falsch.
Jetzt die Politik und die Aufregung über einen möglichen linken Ministerpräsidenten in Thüringen: Warum sollte ein Land, das einen ehemaligen Nationalsozialisten als Kanzler (Kurt Georg Kiesinger) und einen Bundespräsidenten, der Hitlers Ermächtigungsgesetz unterschrieben hatte (Theodor Heuss), gut überstanden hat, jetzt durch einen linken Ministerpräsidenten zugrundegehen? Warum gesteht man rechten Politikern Lernfähigkeit zu, linken aber nicht? Mir hat 1945 (ich war knapp 13 Jahre alt) der plötzliche Wandel Hitlers vom Heilsbringer zum größten Schurken aller Zeiten, und das quasi von einem Tag zum anderen, sehr lange zu schaffen gemacht. Was war eigentlich richtig? Das konnte ich damals noch nicht übersehen. Beides gleichzeitig konnte jedenfalls nicht richtig sein, eher beides teilweise mehr oder weniger überzogen. Und die Aufklärung oder auch Vergangenheitsbewältigung ließ zu der Zeit auch sehr zu wünschen übrig. Es gab auf einmal keine Nazis mehr, bestenfalls noch unschuldige Mitläufer oder Widerstandskämpfer. Jetzt habe ich den Eindruck, dass genau das, was man damals versäumt hat, Vergangenheit zu hinterfragen, von den Politikern der linken Partei aus der einstigen DDR mit doppelter Strenge verlangt wird, teilweise von den gleichen Leuten, jedenfalls aus der gleichen parteipolitischen Ecke. Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Und natürlich Distanzierung! Und was war eigentlich mit den Blockparteien? Waren die nicht auch in der DDR an der Regierung und damit an dem Unrechtsstaat beteiligt? Wo bleibt da die Aufklärung?
Ich wünsche mir von der Politik und den Medien mehr Sachlichkeit, mehr Neutralität. Und eine gleiche Messlatte für alle. Und von allen meinen Mitmenschen selbstverständlich auch.“
Angela Haza aus Strahwald:
„Ist es verwunderlich, dass Herr Gauck seine Bedenken gegenüber der Linkspartei äußert?? Schließlich hat er ja die Vorgängerpartei der Linken und deren Ideologie bestens kennengelernt. Wir, die wir zu DDR-Zeiten unter dem SED-Regime gelebt haben, teilen seine Skepsis. Seine Frage ist durchaus legitim. Und wir müssen darüber im Gespräch bleiben. So wie wir die Ideologie Deutschlands von 1933-45 nie wieder wollen, wollen wir auch die der DDR nie wieder.“
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
„Angesichts der Äußerungen des Bundespräsidenten über die Linke frage ich mich, ob der ehemalige DDR-Bürger Joachim Gauck das Wesen der parlamentarischen Demokratie wirklich verstanden hat. Denn die Linken sind als zweitstärkste Partei aus den freien und geheimen Thüringer Landtagswahlen hervorgegangen (nach der CDU und deutlich vor der SPD). Dass sie faktisch die Nachfolgepartei der SED ist, ist allgemein bekannt. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass sie die zentralen Werte des Grundgesetzes infrage stellte; insbesondere ist die Parteispitze nicht durch rassistische, militaristische und sonstige menschenverachtende Bemerkungen aufgefallen. Deswegen sollte ihr die Fähigkeit zum Wandel nicht abgesprochen werden. Und man sollte ihr nicht vorenthalten, was man der Ost-CDU und der LDPD bereits unmittelbar nach der Wende an Vertrauensvorschuss zu geben bereit war.
Joachim Gauck sollte sich zudem daran erinnern, dass er als Funktionspfarrer der Evangelischen Landeskirche Mecklenburgs (1982 – 1990) regelmäßig Kontakte zu DDR-Staatsorganen hatte. Damals ist er nicht als Rebell aufgefallen, was er allerdings auch nie behauptet hat. Man könnte bei objektiver Bewertung jedoch sagen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit das System unterstützte, selbst wenn er es insgeheim kritisiert haben mag. Gerade weil er kein Held war, sollte er anderen ihr Mitläufertum nicht anlasten, auch dann nicht, wenn sie heute in der Linken eine politische Heimat gefunden haben, sei es als Mitglied, sei es als Wähler.
Eines jedoch scheint Joachim Gauck verinnerlicht zu haben, nämlich die Technik der politischen Diffamierung. Seine Vorbehalte treffen selbstverständlich immer nur einen Teil der politischen Gruppe, die gerade verunglimpft wird. Anton Ackermann, Wilhelm Zaisser oder Rudolf Herrnstadt, allesamt hochrangige SED-Mitglieder und scharfe interne Kritiker aus dem ersten Jahrzehnt der DDR, leben nicht mehr. Ebenso nicht Robert Havemann, der unbequeme Naturwissenschaftler und Parteigenosse, der in den 60er und 70er Jahren zu einer „Dialektik ohne Dogma“ aufrief. Auch Sympathisanten aus der Kulturszene wie Stefan Heym, Franz Fühmann oder Bertolt Brecht sind tot. Ja, diesen Linken wird man schwer etwas Gravierendes vorwerfen können. Also müssen die Lebenden herhalten, auch wenn sie – wie Bodo Ramelow – Kinder des Westen sind und/oder nie eine SED-Vergangenheit hatten.“
Otto Gebhardt aus Frankfurt:
„Zur „Kritik“ von Herrn Gauck an der Partei „Die Linke“ drängen sich schon einige Fragen auf: Wie groß ist eigentlich sein Vertrauen in unsere Gesellschaft, die Institutionen der Republik, die politischen Parteien? Die Gesellschaft dürfte wohl keine Umwandlung unserer Demokratie in eine Diktatur von Thüringen aus hinnehmen, auch unsere Institutionen würden dagegen vorgehen und es gibt ja noch zwei Parteien, die mit in die rot-rot-grüne Koalition gehen werden.
Ist es Gauck möglich, demokratische Mehrheitsentscheidungen – wenn auch zähneknirschend – zu akzeptieren? Schließlich kamen die Mehrheitsverhältnisse durch eine demokratische Wahl zustande! Oder steckt hinter all dem etwas gänzlich anderes? Bekommt das bürgerliche Lager angesichts der drohenden Krise kalte Füße (worauf sich beim Blick auf seine Zustimmer durchaus schließen lässt) und versucht, diejenigen, die schon lange auf die Ungereimtheiten in der Gesellschaft hinweisen und weiter hinweisen werden, zu diskreditieren? Zuerst Attac (Aberkennung der Gemeinnützigkeit) und jetzt die „Linke“.
Mir ist schon klar, dass klingt nach Verschwörungstheorie – womit ich mich ziemlich schwer tue. Aber noch schwerer fällt es mir, dabei an reine Zufälle zu glauben! Selbstverständlich darf und soll ein Bundespräsident sich zu politischen Fragen äußern – schließlich handelt es sich ja auch um ein politisches Amt. Jedoch gab es schon „Diskussionanstöße“ (als so etwas werden seine Vorstöße ja gerne verharmlost) von ihm z. B. zur Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik/der EU oder etwa zum Umgang unserer Gesellschaft mit unseren natürlichen Grundlagen, unserem Lebensstil usw.? Vielleicht gab es das ja und ich hab’s überhört bzw. überlesen!“
Wenigstens wird nicht geleugnet, daß die Partei „Die Linke“ ein SED-Erbe hat! Nur sprechen darüber, daß darf man offenkundig nicht. Ist der alte Geist noch in der Partei lebendig, in welchen Köpfen, in welchen Gliederungen, in welchen Verlautbarungen, in welchen Grundsätzen, in welcher Politik? Gauck wird schlichtweg verboten, solche Fragen zu stellen. Soll er sich doch auf den Rechtsradikalismus beschränken, so der Tenor derjenigen, die den Diskurs abwürgen, weil ihnen der kritische Blick auf die eigenen politischen Präferenzen mißhagt. Gauck setzt nicht die demokratischen Rechte eines Parlamentes außer Kraft. Gauck lebt Demokratie, wenn er seine Fragen stellt. Und der Aufschrei ist beredt genug. Gauck sei in der DDR kein „Held“ gewesen. Wie kann er dann kritische Fragen stellen? Die „Spitze“ der Partei „Die Linke“ sei doch frei von Alt-Ideologie, wird treuherzig ausgeführt. Gauck spricht aber von der ganzen Partei! „Neutral“ müsse der Bundespräsident sein, also standpunktlos, unkritisch, selektiv, begünstigend ! Nicht anders ist diese Einlassung zu übersetzen. Da paßt einigen Leuten mal wieder die ganze Richtung nicht. Sie möchten unbehelligt bleiben von Kritik von außen. Das ist in heutiger Zeit intellektuell unredlich, antidiskursiv, ja blamabel. Gauck hat in ein Wespennest gestochen, das keineswegs verlassen war. Wir wissen nun, woran wir sind. Gut gemacht, Herr Gauck!
Ich kann Herrn Otto Gebhardt nur zustimmen. Das Ganze hat mehr als Geschmäckle. Warum verwendet „unser“ (meiner nicht) Bundespräses nicht einmal wie manche Vorgänger (Heinemann z.B.) sein Gehirnschmalz dafür, lieber die Zustände in unserer Republik zu benennen und anzusprangern, als da wären: wachsende Armut bei Kindern und Rentnern, die wachsende Ungleichheit allgemein zwischen denen „oben“ und denen „unten“, eine SPD, die das „sozial“ aus ihrem Namen streichen sollte seit Hartz IV, Riester-Rente, dem Zerschlagen der gesetzlichen Rente und Umwandlung in eine Armutsrente für viele, das Herumgeiere um TTIP, die staatl. Hilfe durch den „Genossen der Bosse“ bei Steuervermeidung und und und. Gauck ist Pfarrer, also Christ, aber das alte „Liebe Deinen Nächsten“ scheint bei ihm nur für eine bestimmte Schicht zu gelten. Aber vielleicht hat er auch ein anderes Bild von Nächstenliebe, weil irgendwann einmal zur Liebe auch die Armut dazu kam. Diejenigen, denen ein roter MP in Thüringen ein Dorn im Auge ist, lieben ja eher die Reichen und üben sich obendrein noch – das „christlich“ in CDU – in heuchlerischer Christentum-Auslegung. In dieser wird die Armenliebe darauf beschränkt, das die Armut bleibt und noch weiter zunimmt. Schon mal was von Herrn Hengsbach gehört, Herr Gauck? Stand gestern in der FR ein guter Kommentar.
zu 2. W. Fladung
Auch Ihnen paßt die ganze Richtung nicht. Gauck kommt bei Ihnen nur dann gut weg, wenn er sich mit Ihren Lieblingsthemen beschäftigt und inhaltlich dabei auch noch voll deckungsgleich ist ? Gauck als (…) mit Münzschlitz und einem aufgespielten Themenprogramm, daß auf Ihre Klagelieder getrimmt ist ? Eine sehr dürftige Elle, die Sie an das Amt und den derzeitigen Amtsinhaber anlegen. Warum so anspruchslos ? Der Mann kann selber denken, und er gibt die Impulse, die er geben will. So etwas nennt man die Freiheit des Wortes. Einen Maulkorb für den BuPrä, einen Themenzwang mit Adressatenauschluß, wollen Sie das wirklich ?
(…) Passage gelöscht, Anm. Bronski, s #8
Der Inhaber des überfiüsigten Amtes das es in D. gibt blabbert mal wieder vor sich hin. Was er so von sich gibt kann mich nicht mehr überraschen. Die Überschrift von Bronski trifft es sehr gut aber nicht nur in diesem Fall.Ob er sich zu Schillzeiten auch so geäußert hätte.
Gauck soll sagen können, was er will. Man darf ihn nur nicht so wichtig nehmen. Die Konservativen lieben solche von ihnen selbst geschaffenen Moralinstanzen, die sie gerne mit Autorität unterfüttern. Denn das Volk soll brav sein.
Die Äußerungen über Die Linke sind nichts mehr als eine Retourkutsche. Wenn wir uns erinnern: Gauck wurde mit knapp 80 Prozent der Stimmen von CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE gewählt. Die Linkspartei stellte mit Beate Klarsfeld eine eigene Kandidatin, die zwar von vornherein chancenlos war, aber eine Wahloption gegen den Bundespräsidentschaftskandidaten mit Feudal-Allüren bot. So etwas nimmt dieser Herr übel.
Wenn wir uns noch ein wenig weiter zurückerinnern, nämlich an das Jahr 2011, zu diesem Zeitpunkt war Gauck noch Wulffs unterlegener Kandidat, sagte er über die bankenkritische Bewegung: „Die Protestierenden haben romantische Vorstellungen.“ Die Finanzmarktdebatte nannte er „unsäglich albern“. Da wird deutlich, in welcher Ecke die Freiheitsfahne nach Gaucks politischen Vorstellungen zu wehen hat.
Zitatenquelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/anti-banken-bewegung-gauck-nennt-proteste-unsaeglich-albern-a-792098.html
zunächst zu Rudi, # 5: volle Zustimmung, hatte ich nicht mehr so auf dem Zeiger, aber trifft es höchstwahrscheinlich auf den Punkt. Doch jetzt zu
# 3, V. Grebe: Ja, mir paßt die ganze neoliberale und demokratisch ausgrenzende Richtung nicht. Was wäre denn bei uns los gewesen, wenn sich dieser BP positiv und anerkennend für die – mögliche – Wahl eines Linken als MP in Thüringen ausgesprochen hätte?? Gauck ist eben ein (…), in den die Wirtschaft und alle, denen der linke oder besser linksliberale Kurs ein Greuel ist, ihre Lobby-Münzen einwerfen. Unter den Blinden ist der Einäugige eben König, und als solcher fühlt sich Gauck. Ich bin nicht anspruchslos, ich will nur, daß ein BP unabhängig ist und beide Seiten sieht, und nicht alles, was vielleicht sozial und linksliberal daherkommen könnte, gleich mit der eingefärbten neoliberalen Brille. Freiheit des Wortes, Unabhängigkeit, keinen Maulkorb, bin ich voll dabei. Aber dann bitte in beide Richtungen!! Man kann denken, aber der Kopf ist auch deshalb rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.
Und die anzusprechenden Themen habe ich ja aufgezählt, aber die scheinen Sie als bekennender Neolib nicht zu interessieren. Die Gerechtigkeitsdebatte findet ja zur Zeit in der FR statt. Nur sollte man wissen: Gerechtigkeit ist nicht gleichbedeutend mit der neoliberalen Vorstellung von dieser, auch wenn die Neocons und Neolibs, siehe Wahlen in den USA, dank ihres Geldes, ihrer Medienmacht und ihrer Lobbyisten immer mehr an Boden gewinnen. Haben wir nicht bereits eine Partei, die sowohl das Christliche als auch das Soziale würdig vertritt: die CSU? Koryphäen wie Haderthauer, Dobrindt, Seehofer natürlich und als „Förderer“ Hoeneß werden es schon richten. Meine Frau meinte, auf Haderthauer angesprochen: Na klar, die hat ja Gutes getan. Sie hat immerhin Strafgefangenen eine Beschäftigung gegeben. Eben volles christliches Verständnis von Nächstenliebe.
(…) Passage gelöscht, Anm. Bronski
@ V.Grebe
Derjenige, der hier unredlich argumentiert, sind Sie, nicht Bronski. Lesen Sie sich seinen Artikel doch einfach noch mal durch. Er stellt nirgends in Abrede, dass Gauck das Recht hat, dieses Thema anzusprechen und die Linke zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit anzuhalten. Er spricht ihm aber das Recht ab, dies während eines laufenden demokratischen Wahlprozesses zu tun. Was ist denn die Wahl zum Ministerpräsidenten anderes? So etwas ist dem Bundespräsidenten untersagt, und genau das ist auch mit der Forderung zur Neutralität gemeint. Das ist nicht weltanschaulich gemeint. Also einfach noch mal richtig lesen und dabei die ideologischen Scheuklappen abnehmen.
@ V.Grebe #3, Wolfgang Fladung # 6
Die Beleidigung des Bundespräsidenten ist eine Straftat. Wir brauchen dieses „Mittel der Auseinandersetzung“ nicht, und ich möchte alle Beteiligten bitten, davon Abstand zu nehmen.
zu # 8, Bronski: Inwiefern habe ich den BP beleidigt? Bitte ausführen, gerne auch über meine Dir bekannte Mail-Adresse.
Und grundsätzlich: Wieso können eigentlich Repräsentanten des Staates Meinungen verbreiten, der – angeblich – mündige Bürger diese aber nicht kritisieren? Wir debattieren doch derzeit über den Begriff „Unrechtsstaat“ im Zusammenhang mit der DDR und der Linken, als Nachfolgepartei der SED. Rechtsstaat, Linksstaat, Unrechtsstaat – wo und wer zieht da die Grenzen?
Wer hat denn gesagt, dass Du das nicht kritisieren darfst? Ich habe nur darum gebeten, dabei auf Beleidigungen zu verzichten und verweise zur Information auf diesen Wikipedia-Artikel.
Ich bin entsetzt über die Entscheidung der SPD in Thüringen .Seit über 40 Jahren bin ich Anhänger dieser Partei auch als ehemaliger DDR-Bürger ! Es ist ein Schlag ins Gesicht für ehemalige große SPD-Politiker wie Schuhmacher und Brandt !
Wer gestern Abend Illner geschaut hat, erhielt einen prächtigen Eindruck wie sehr in der SPD die Meinungen auseinander gehen. Während Schorlemmer für ein Zusammengehen von rosa mit rot in Thüringen plädierte, sah Klaus Karl Anton von Dohnanyi den Untergang des Abendlandes voraus mit angeblicher Wirtschaftsfeindlichkeit der Linken rund um Ramelow. Für mich ein hervorragendes Beispiel für die Einäugigkeit in der SPD: Die Linke ist wirtschaftsfeindlich, aber all die Bosse der großen Konzerne, die ihre Besteuerung stabil bei Luxemburger Steuersätzen unter 1 % halten, sind wohl für das Bundesverdienstkreuz fällig, am besten dann verliehen von BP Gauck, oder? Und wer im Bankfach Aktien von AMAZON & Co. liegen hat, benötigt keine Riester-Rente wie der einst von rot-grün verkackeierte Normalbürger. Da die SPD immer schon immer für Bildung war, befördert sie gerne auch diese Bildungsform im Bankfach, die Vermögensbildung, nach dem Motto: Jedem das Seine.
Heute, fast 70 Jahre nach Ende des Terrorregimes des Nazis, ist das Denken dieser NSEpoche weder bei honorigen Bürgern, noch bei vielen politischen Funktionsträgern der Republik vollständig überwunden. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass bei offiziellen Reaktionen auf „rechte“ Gewalttaten kritisch gesagt werden kann: Anscheinend sind wichtige Ermittler auf dem „rechten Auge“ blind: Fragwürdige Ermittlungen bei der NSUMörderbande, die nach 3 Jahren noch immer nicht endgültig abgeschlossen sind, lassen darauf schließen. Es wäre eines Bundespräsidenten angemessen gewesen, hier, bei verinnerlichten (überparteilichen) inhumanen Denk- und Gefühlsstrukturen anzusetzen, um Bürger und Politiker zum Nachdenken zu bringen und nicht in aktuelle parteipolitische Diskussionen einzugreifen und hier Kraft seines Amtes als Bundespräsident Realpolitik zu beeinflussen. Gemessen an unserem Demokratieverständnis kann gesagt werden, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Aber es wird niemand bezweifeln, dass die ehemaligen DDRLänder zur demokratischen Bundesrepublik Deutschland gehören und dass die Menschen dort genauso „demokratisch“ sind, wie die in den „alten“ Bundesländern. Gefährlicher als Reste der DDR-Einstellung bei Bundesbürgern ist das unterschwellige rechtsradikale Bewusstsein mit latentem Rassismus bei vielen Bürgern der „alten“ Bundesländer. Es fällt auf, dass in den 25 Jahren nach Ende der DDR dieser „Unrechtsstaat“ offensichtlich besser aufbereitet wurde, als die deutsche Nazi-Vergangenheit in 70 Jahren nach Ende der NS-Diktatur.
Die Entscheidung der Thüringer SPD führt in die richtige Richtung. Denn erstens klingt es nach wie vor ziemlich absurd, wenn ausgerechnet eine Partei wie die CDU, die selbst 25 Jahre nach Maueröffnung nicht offen zu ihrer DDR-Vergangenheit steht, der Linken eine mangelhafte Aufarbeitung von Geschichte vorwirft. Und zweitens zeigt die politische Realität in Deutschland, dass gerade große Koalitionen die denkbar schlechteste Konstellation für die so dringend benötigten großen Reformen darstellen. Da man sich hier, wie in einem schlechten Fußballspiel, das am Ende 0:0 ausgeht, gegenseitig neutralisiert. Weswegen insbesondere die Sozialdemokraten sich stärker von der Union absetzen müssen, da man nur über starke Inhalte, die Probleme – wie etwa die beschämende Altersarmut vor allem von Frauen oder das bundesweite Fehlen von tausenden Masterstudienplätzen – wirklich lösen, das Vertrauen der Menschen zurückgewinnt!
Es wäre wahrscheinlich pure Satire wenn der Herr BP sich zu den unbekannten Flugobjekten über französchen AKW äußern müsste.
zu 7. D. Gruber
Sie haben übersehen, daß ich mich auf den Tenor aller von Bronski eingestellten Beiträge bezogen habe, die eine kritische Sicht auf Gauck teilen. Sie wünschen, daß ich mich um Bronski´s Beitrag direkt kümmere ? Sehr gerne.
Nun schlägt also das SED-Erbe in Person des Bundespräsidenten Gauck auf die Nachfolgepartei „Die Linke“ zurück. So, wie Bronski es formuliert, verlangt es nach einer Unterscheidung. Das SED-Erbe besteht einmal aus Täterideologie und Tätern selbst, zum anderen aus den Opfern. Auch Gauck ist zu den Opfern der SED zu zählen. Kein Vergleich mit einem Mauertoten, selbstverständlich nicht. Aber auch Gauck gehört in eine der vermutlich sehr zahlreichen Opferkategorien. Einem Opfer der SED-Herrschaft, und dann noch dem Bundespräsidenten, das Wort zugerufen zu sehen, er möge sich für geäußerte Besorgnisse „schämen“, macht erschrocken und verlangt nach einem sezierenden Blick.
Von „Resten der Drachenbrut“ sprach Wolf Biermann heute im Bundestag. Er meinte damit die Partei „Die Linke“ als solche. Herrn Gauck treibt dagegen nur die Sorge um, daß sich „Die Linke“ zu wenig vom ideologischen Erbe der DDR distanziert haben könnte. Eine Mahnung an die Partei, zu der der Präsident zweifellos berechtigt ist, denn sie verletzt keineswegs das Gebot parteipolitischer Enthaltsamkeit im Amte. Ein Präsident darf und sollte zu Fragen grundsätzlicher Natur Stellung nehmen. Er besitzt einen weiten Gestaltungsspielraum, den Gauck in einer hohen Respekt abnötigenden Weise nutzt. Es wäre absurd, dem Präsidenten für die Dauer der Regierungsbildung in Thüringen einen Maulkorb in Sachen Grundsatzfragen umhängen zu wollen. Jedes Ansinnen in dieser Weise wäre nicht nur ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit im Amte, sondern ein Kristallisationskern eben jener Ideologie, von der nicht nur der Bundespräsident hofft, daß „Die Linke“ sie überwunden haben möge.
Angst macht mir nicht der Bundespräsident, nicht Art und Inhalt seiner Einlassungen, nicht seine Warnungen vor antidemokratischem Gedankengut gleichwelcher Herkunft. Angst machen mir Forderungen nach einem Maulkorb, wie sie Bronski in seinem Eingangsbeitrag erhoben hat. Skandalös ist vielmehr die Reaktion auf Gauck´s Mahnung, die Diffamierungs von Amtsinhaber und Amt, wie sie im „schämen Sie sich, Herr Gauck“ so geschichtslos wie beleidigend zum Ausdruck kommt.
Der Herr BP ist verpflichtet neutral zu sein,
so habe ich es in der Schule gelernt.
Was er über die Linken sagt kann ich nicht verstehen. 25 Jahre nach dem Untergang der DDR
wird man doch einen Neuanfang machen können.
Nach 1945 sind doch auch viele braune Genossen
wieder in hohe Ämter gekommen und das braune Gedankengut sitzt heute noch in vielen Köpfen.
Was sagt der BP zum Beispiel über unsere Freunde
die USA? Darf die USA unser Grundgesetz verletzen?
(Wir werden bespitzelt) wird dort gefoltert?
Gibt es dort die Todesstrafe? Oder schauen wir mal
nach Israel, die Mauer ist dort doppelt so hoch wie in der ehemaligen DDR, wo bleibt der Protest?
Wie geht Israel mit den Palästinensern um?
Sie wären froh, wenn sie so leben könnten wie in der ehemaligen DDR. In Thüringen hat der Wähler entschieden, man wollte eine neue Regierung,
das nennt man Demokratie. Die SPD kann sich in
der neuen Regierung in Thüringen wieder auf Ihre
alten Werte besinnen. Als Arbeiterpartei hatte sie
jedenfalls bessere Wahlergebnisse.
Gauck , der als Kind in den bürgerrechtlichen Zaubertrank fiel und danach die DDR im Alleingang erledigte , und Biermann , der die gitarrenbewehrte Betroffenheit erfand – alte Stasi-Kader erblassen bis heute vor Neid , so eine fiese und langlebige Rache der verblichenen DDR hätten sie selber nie auf die Reihe gekriegt.
@ G.Krause
Icdh sehe es ähnlich…
Aber es ist offensichtlich schwer, alten (gegen den Strom geschwommenen, mutigen) Ex-DDR-Bürgern diese optimistische Sichtweise zu vermitteln.
Sie sehen weder Gauck noch Merkel kritisch. Aber „die alten roten Socken“ haben’s verschissen, völlig wurscht, wer da früher dabei oder erst nach dem Mauerfall geboren war.
Ich habe lange mit einer Cousine in Schmalkalden am Telefon über die Wahl in Thüringen gesprochen. Eine objektive Auseinandersetzung war nicht möglich. Ramelow ist nun mal – ob Wessi oder nicht – ein „Eingewickelter“ (oder „Gekaufter“). Wie soll ich ihre verfestigte Meinung brechen, wenn alle um sie herum verbittert über dieses Wahlergebnis sind. Schuld sind die anderen. Biermann, den sie vor nicht allzulanger Zeit auch als einen nicht ernst zu nehmenden Spinner bezeichnet haben, wird durch seinedn – meiner Meinung nach – lächerlich-polemisch-unglaubwürdigen Auftritt auch von diesen Menschen aufgewertet… Mich würde nicht wundern, wenn ein Teil dieser kritischen Enttäuschten sich der AfD in die Arme werfen würden statt dazu beizutragen, dass die SPD wieder ihren alten Zielen gerechter werden kann. Huch, was für Illusionen schleichen sich da bei mir ein.
Schämen Sie sich… nicht nur Herr Gauck…
Biermann lehrt, was Geschichte ist. Es gibt keinen Neuanfang ohne Geschichte. Es wäre ein „Neuanfang“, also kein echter. Biermann ist ein wahrhaft Verletzter, wie ungezählte andere „gelernte“ DDR-Menschen. So auch Gauck. Wo Verletzte sind, sind die Verletzer nicht weit. Die Existenz der Verletzer und ihre Ideologie ist so unbezweifelbar, wie es Verletzte gibt. Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit dem Wort (s. G. Krause) von den „roten Socken“ zu bekritteln, die ein für alle mal „verschissen“ hätten, ist eine Absage an die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte. Wir lernen, daß die Auswirkungen der SED-Diktatur auf Leben und Gefühlswelt der DDR-Menschen tiefgreifender gewesen ist, als wir es uns nur vorstellen können. Sicher, man kann darüber hinweggehen. Wer sich die Resozialisierung der Arbeiterpartei als solche mit derartiger Inbrunst wünscht, daß DDR-Geschichte um ihre Verbindungen zur Gegenwart gekappt werden darf wie ein Weichselzopf, muß sich den Vorwurf der Geschichtslosigkeit gefallen lassen. Ignorantentum hat noch nie etwas Gutes mit sich gebracht. Biermann darf als Glücksfall bezeichnet werden, führt er uns doch so lebendig vor wie kein zweiter, wie schwer wir noch an der Last DDR zu tragen haben. Da kann auch das Feigenblatt Ramelow nichts ändern. Als Feigenblatt für die PARTEI „Die Linke“, nicht für eine Truppe aus halbwegs für unbedenklich erklärten Parlamentariern.
Und Gauck ? Freuen wir uns, daß er gerade n i c h t neutral ist, sondern engagiert, geschichtsbewußt, mahnend, wertebewußt, diskursiv und, ja, auch unbequem. Wir haben einen Bundespräsidenten, der sein Amt ausfüllt und nicht auf einen kümmerlichen Torso reduziert, der mit standpunktloser Feigheit viel, mit Neutralität jedoch nichts zu tun hat. Schämen sollten sich ganz andere !
zu V. Grebe
Der geschichtsbewußte Herr Gauck hat wohl wenn es um die neuere Geschichte geht wie z.B. die Finanzkrise wohl noch einiges an Nachholbedarf. Aber vielleicht ist er einfach bei dem Aufarbeiten der Geschichte noch nicht so weit und kritische Kommentare zu dem was derzeit falsch läuft kommen noch.
Bundespräsident Joachim Gauck äußert in einer Weise, die eindeutig eine Parteinahme zu Gunsten der CDU ist, Bedenken gegen die Regierungsbeteiligung der Linken in Thüringen. Dadurch erinnert er erneut an den evangelischen Theologen Adolf von Harnack, der Kaiser Wilhelm II. 1914 den Aufruf zur Teilnahme am Weltkrieg verfasste: „So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind.“
Bundestagspräsident Norbert Lammert lädt Wolf Biermann zum Singen in den Bundestag ein, was dieser auch als Rederecht auffasst und wo er die Gelegenheit nutzt, die Abgeordneten der Linken samt ihrer Wähler pauschal zu diffamieren. Von seinen eigenen Irrtümern, beispielsweise die Niederschlagung des Aufstands am 17. Juni 1953 drei Jahrzehnte gerechtfertigt und den Irak-Krieg der USA gutgeheißen zu haben, spricht er indes nicht.
Parallel zu diesen Ereignissen wird die Lokführergewerkschaft von einer Einheitsfront aus Medien, CDU/CSU/SPD-Koalition und DGB der Geiselnahme und Staatsgefährdung bezichtigt, weil sie ein Grundrecht in Anspruch nimmt und sich an die Gepflogenheiten einer deregulierten Marktwirtschaft hält.
Während die offizielle Öffentlichkeit der Öffnung der Berliner Mauer gedenkt, votieren die Arbeitgeberverbände im Verein mit den Industrie- und Handelskammern für den umstrittenen Investorenschutz im geplanten TTIP-Abkommen (vermutlich, weil die Großunternehmen dann von den USA aus ihre europäischen Geschäfte ohne staatliche Kontrollen lenken wollen).
Und in derselben Woche entpuppt sich in Brüssel der neu berufene EU-Kommissionspräsident als Lobbyist der Steuerverschieber und der britische Premierminister will die EU-Schulden seines Landes (das an der Ausbeutung Europas durch Finanzspekulanten einen nennenswerten Anteil hat) nicht zahlen.
Nein, das sind nicht die mehrstufigen Plots eines großangelegten Gesellschafts- und Wirtschaftskrimis, der von Bandenkrieg über Erpressung bis Korruption alles bereithält, was eine auf Action gedrillte Leserschaft erwartet. Nein, das ist bittere Realität. Und kaum jemand empört sich darüber.
Die nächsten Aussagen des BP im Fernsehen
könnte man mit der Überschrift versehen:
„Neues vom Gaukler“
Wir fragen uns: Weshalb hat der Bundestagspräsident Lammert diesen Biermann-Coup gelandet? Gerne gerierte er sich bis dato als der über dem Amt Stehende, der sich selbst das Bundespräsidentenamt gegönnt hätte. Denn die Schuhe seines derzeitigen Jobs drücken ihn. Sie sind ihm zu eng. Öfter hat er sich als Anwalt des gesamten Parlaments dargestellt, dessen Rechte er gegenüber der Regierung verteidigte. Sätze, die Texte bilden und sich zu Inhalten formen, genügten ihm bisher nicht. Stets hatte er das Begehren zur Spracheleganz, zur überraschenden Pointe. Warum hat er dieses Mal den Affront gesucht und sich als Ingenieur der Bürokratenmacht inszeniert als er Biermann einlud? Er wusste, wie Biermann drauf ist. Er wusste, dass der Liedermacher und die Linke zueinander stehen wie kochendes Wasser zu Eis. Lammerts Christdemokraten waren ihm dieses Mal näher als das Parlament, dessen Präsident er ist. Er hat den konservativen Kleinbürger, der in ihm steckt, ans Licht der Öffentlichkeit geholt. Immerhin wissen wir jetzt besser, was wir an ihm haben.
Tja, V. Grebe, so kann es gehen. Sie stehen hier ziemlich allein, und zwar mit Recht. Was Biermann da abgeliefert hat, war keine Lehrstunde in Geschichte, sondern das Solo-Statement einer verrannten Existenz. Wäre es eine Lehrstunde in Geschichte – oh je, es wäre schlecht bestellt um Deutschland. Es bleibt bei dem Vorwurf, dass Joachim Gauck sich in einen laufenden demokratischen Prozess eingemischt hat, und das ist einfach unerhört.
Herr Gauck könnte als Pfarrer auch mal wieder in der
Bibel nachschlagen. Zum Beispiel in der Apostelgeschichte
9,3-6 dort wird von dem Pharisäer Saulus berichtet
der sich geläutert hat und Christ geworden ist.
Er nannte sich fortan Paulus.
Das sich die Linke ändern könnte, wird ihr einfach aberkannt.
Das nennt man christliche Politik.
Richtig „reingehauen“ haben diesmal die Kommentare in der letzten ZDF-Sendung „Heute Show“ und „Kanzleramt Pforte D“ im MDR am 9.11.
Nein, ich mache keine Reklame für Kabarettsendungen. Aber wenn diese Form des Ventils so gut gelingt wie in den genannten Sendungen, muss man einfach applaudieren… sofern man es eben (Danke, hans / 21) so sieht.
G. Krause (26.), die Kirche war immerhin so christlich, der DDR-Opposition Herberge gegeben zu haben. Das könnte man ja auch mal anerkennen. Übrigens getreu des biblischen Mottos „Suchet der Stadt Bestes“. Und Gauck war daran aktiv beteiligt. Warum also diese kleinliche Mäkelei ? Es ist der Linken keineswegs abgesprochen worden, sich ändern zu können ! Die Frage war, hat sie oder hat sie nicht ? Und zwar ausreichend ! Gauck hat gestern bei den Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in der ARD gesagt, er habe nicht die ganze Partei „Die Linke“ gemeint, sondern nur gewisse Teile der Partei. Das war ja schon vorher klar, aber einige Leute wollen einfach nicht verstehen. Diese Kreise, von denen Gauck spricht, wird es wohl zweifelsfrei geben in „Der Linken“. Da lasse ich mich gern belehren von Leuten, die die Dinge besser einschätzen können als ich. Und Gesine Lötzsch, die ehemalige Doppelspitze der Partei, daran kann ich mich doch gut erinnern, hatte Sie nicht wieder vom Kommunismus gefaselt als Endpunkt der Geschichte ? Als sie gerade noch im Amte war ? Ach, lassen wir das. Und lassen Sie Gauck einfach „der Stadt Bestes“ suchen und sprechen Sie ihm nicht das Recht dazu ab. Das er übrigens auch verfassungsrechtlich hat ! Tolerieren sie einfach eine andere Meinung, auch wenn sie Ihnen nicht genehm ist !
D. Gruber (25.), wenn Sie die delikate Begegnung Biermann´s mit den Abgeordneten der Linken im Bundestag nicht genießen konnten, dann ist Ihnen wahrlich etwas entgangen. Biermann dürfte für Sie wohl eine verkannte Existenz sein, das ist mir deutlich geworden.
@ V.Grebe, #16
„Ein Präsident darf und sollte zu Fragen grundsätzlicher Natur Stellung nehmen.“ –
Könnte es sein, dass Sie bei Ihrer Betrachtung die Sicht auf längst amtierende „Blockföten“ vergessen haben? – Oder können Sie erklären, warum diese nicht zu „Fragen grundsätzlicher Natur“ gehören, also keine „überparteiliche“ präsidiale Betrachtung erfordern, die Linkspartei, deren Repräsentanten auf Länderebene bisher keinerlei Anlass zu derartigen Bedenken gaben, dagegen sehr wohl?
„Biermann darf als Glücksfall bezeichnet werden, führt er uns doch so lebendig vor wie kein zweiter, wie schwer wir noch an der Last DDR zu tragen haben.“ –
Da kommen mir ja fast die Tränen! Dumm nur, dass so gar nichts an Herrn Biermanns Auftreten für eine solche Einschätzung spricht. Oder sprechen wir hier von zwei verschiedenen Personen?
@ maillimi, #19:
Zu Biermann:
Immerhin kann man ihm für sein ruppiges Erwachen nach 25-jährigem Dornröschenschlaf dankbar sein – wirft es doch ein bezeichnendes Licht nicht nur auf eigene Selbstgerechtigkeit und jahrzehntelanges hartnäckiges Beharren auf Feindbildern, sondern auch auf die ach so „überparteilichen“ Bedenken des Herrn Bundespräsidenten:
Ganz so zufällig dürfte deren Zeitpunkt wohl nicht mehr erscheinen. Ebenso wenig dürfte dies – bei Unterschieden im Stil – der Fall sein, was die inhaltliche Koinzidenz der „Bedenken“ betrifft.
Respekt übrigens für die Linkspartei (mit der ich sonst nicht sonderlich viel am Hut habe), dass sie sich durch den jämmerlichen Auftritt eines Herrn Biermann nicht dazu verleiten ließ, sich auf eine ähnliche Ebene der Auseinandersetzung zu begeben.
@ Rudi, #24:
Hier stimme ich uneingeschränkt zu.
Ergänzung zu #29:
Wer noch für Wolf Biermanns selbstgefällige Poltereien dankbar sein könnte: die Erfurter Abgeordneten.
Und spätestens mit den CDU/AfD/NPD-Demonstrationen in Erfurt und dem Nachlegen von CDU-Tauber auf Phoenix (in direktem Bezug auf Gauck und Biermann und unverhohlenem Aufruf an SPD/Grünen-Abgeordneten zur Desertion) dürfte klar sein, was die Stunde geschlagen hat.
Weshalb ein längst vergessener und in 25-jährigem Schweigen versunkener Polter-Barde wieder aus der Versenkung hervorgeholt werden musste: Er eignet sich wie kein zweiter zur Entfesselung einer Rote-Socken-Kampagne, 2. Auflage – im Vergleich zu der die 1. Auflage (bei der ja ein gewisser Pastor eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat) wie eine Art Vorübung erscheinen könnte.
Der Schuss könnte aber auch nach hinten losgehen (ob von Herrn Lammert inszeniert oder nicht, dürfte dabei zweitrangig sein):
Die „Klugheit“ von Erfurter Abgeordneten, auf die Herr Tauber (und zweifellos Herr Biermann) spekuliert (sprich: Dissidententum), könnte diese ebenso zur Einsicht führen, dass man auch zum Erfolg verurteilt sein kann. Anders ausgedrückt: Dass die Verantwortung für ein mögliches Scheitern nicht mehr wegzudrücken ist.
Wo zudem Vorgänger-Dissidenten in Hessen lehren, dass alles zu verlieren, aber nichts zu gewinnen ist: Wer spricht heute noch von einer gewissen Dagmar?
A propos neue Aktionsgenossen der Erfurter CDU:
Da dürften sich ja noch einige Gelegenheiten für einen „überparteilichen“ Präsidenten ergeben, sich „besorgt“ zu zeigen. – Ob er diese wohl wahrnehmen wird?
zu W. Engelmann, 29. und 30.,
meinen Sie wirklich, die Erfurter Mdl sollten sich eine Glocke über den Kopf stülpen, damit sie nichts mehr von den Debatten draußen mitkriegen, um quasi „unbefleckt“ von der bösen Welt ihren hehren Wahlüberlegungen reinen Herzens nachgehen zu können ? Ein Konklave á la Rom, bis roter Rauch aufsteigt ? Was haben Sie nur für eine romantische Vorstellung von der Welt !
Wissen Sie, die halten das aus, die Erfurter Abgeordneten. Sprechen Sie denen nicht leichtfertig ihre persönliche Integrität und Souveränität ab. Und wenn es Gauck vermöchte, allein durch seine mahnende Worte die Wahl Ramelow´s zu verhindern, dann hätte das Koalitionskonstrukt sowieso keine Überlebenschance gehabt.
Ich finde auch, daß Sie ziemlich häßlich über Biermann reden. Er ist Opfer der SED-Diktatur ! Vielleicht denken Sie darüber noch einmal nach.
Thema Blockflöten, von dem Sie irgendwie nicht so recht runterkommen. Die Blockflöten sind in der West-CDU aufgegangen, assimiliert, ausgelöscht. Da laufen sicher noch ein paar Hanseln herum, aber die restituieren nichts mehr, was an SED und DDR erinnert. Die Blockflöten sind längst unter der Nachweisgrenze.
Ganz anders „Die Linke“. Sie wähnt sich als Nachfolgepartei mit einem Erbe, von dem sie nicht alles ausgeschlagen hat, was sie auschlagen sollte. Aber das Parteivermögen war ja auch so ein schönes Motiv ! Ich habe den treuherzigen Blick direkt vor Augen. Das Eigentum gehört nun dem Volk, Verzeihung, dem Parteivolk, Verzeihung, denen, die darüber verfügen dürfen. Von der Ideologie zu schweigen, die in Parteizirkeln weiterlebt, als hätte es keinen Zusammenbruch des SED-Regimes gegeben.
Sind das Unterschiede ? Ich finde, ja.
Wovor hat die CDU (und ihre Anhänger) und Herr Gauck eigentlich Angst? Dass Bodo Ramelow in Thüringen eine neue DDR errichtet oder dass er einen guten Ministerpräsidenten abgibt? Ich vemute das zweite.
@ V.Grebe, #31
Natürlich sollte man, bevor man anderen bestimmte Denkweisen unterstellt, erst mal richtig lesen. Sonst wird der Meinungsaustausch schwierig.
Zu 1: Erfurter Abgeordnete:
Ich schreibe in #30:
„Dass die Verantwortung für ein mögliches Scheitern nicht mehr wegzudrücken ist.“ –
Das heißt ja wohl, dass sowohl die Situation als auch die Konsequenzen des eigenen Handelns so klar erkennbar sind, dass ein „Wegdrücken“, also Berufung auf Nicht-Wissen nicht mehr möglich ist.
Das ist das exakte Gegenteil von dem, was Sie mir unterstellen. Ihre Hinweise auf ein „Konklave“ „reinen Herzens“ erscheinen mir so absurd, dass sich eine weitere Stellungnahme erübrigt.
Das Gleiche gilt für Ihre Unterstellung, ich würde diesen Abgeordneten „leichtfertig ihre persönliche Integrität und Souveränität“ absprechen.
Auch hier schreibe ich das exakte Gegenteil, nämlich dass deren „Klugheit“ „zur Einsicht führen“ kann, und zwar zu einer anderen, als deren politische Gegner es gerne hätten.
Deutlicher kann man es wohl nicht mehr machen. Wenn Sie dennoch meinen, mir das Wort im Mund herumdrehen zu müssen, dann ist das Ihr Problem, mit dem Sie sich auseinandersetzen müssen.
Ich mische mich da nicht ein und maße mir auch nicht an, Ihre „Vorstellung von der Welt“ zu charakterisieren oder gar zu karikieren.
Zu 2: Blockflöten:
Es erscheint mir sehr deutlich, wie Sie hier mit zweierlei Maßstäben messen:
Die einen sind für Sie reine Individuen, „assimiliert, ausgelöscht“ (was nicht das Gleiche ist!), die anderen haben „Ideologie“, sind reine Parteimenschen. – Also gehörten die Blockflöten keiner Partei an, hatten keine Ideologie? (Oder die hat sich einfach so in Luft aufgelöst?) Und die anderen sind natürlich keine Individuen, also zu keiner individuellen Erkenntnis und Veränderung fähig? –
Und das behaupten Sie einfach so, ohne jeden Beleg? Ziehen daraus den Schluss, dass man den einen alles zu vergeben habe, dass dies nicht einmal zu thematisieren sei, während die anderen zu stigmatisieren sind – über Jahrzehnte hinweg, und wie lange noch? –
Sehr ernsthaft erscheint mir das alles nicht. Und ich habe auch wenig Lust, das alles zu vertiefen, denn es geht am Thema vorbei, dient bloßer Irreführung und Stigmatisierung in einer parteipolitischen Propagandaschlacht.
Das wirkliche Thema heißt nämlich Bodo Ramelow. Und der hat mit dem, was Sie ausführen, herzlich wenig zu tun – selbst, wenn es richtig wäre.
Zu 3: Zu Biermann:
„Ich finde auch, daß Sie ziemlich häßlich über Biermann reden. Er ist Opfer der SED-Diktatur !“ –
Im ersten Satz stellen Sie den Sachverhalt auf den Kopf, der zweite Satz ist nur bedingt richtig, lässt das Wesentliche aus, nämlich, was daraus folgt.
Zu Satz 1:
Nicht ich rede „häßlich“ über Biermann, sondern er redet häßlich über andere, dazu auch hasserfüllt und extrem pauschalisierend, im anmaßenden Tonfall des Anklägers und Richters in einer Person.
Ich halte mich lediglich an die Fakten: an tatsächliche Äußerungen und die Umstände, unter denen sie erfolgen. Und ich versuche, sie in eben diesem Kontext zu interpretieren. Und dazu gehört nicht nur der Hinweis auf Missbrauch der Bühne des Parlaments, sondern auch die Analyse der Situation. Denn natürlich geht es auch hier – Biermann weiß das oder müsste es wissen – vor allem um Bodo Ramelow. Und auf ihn bezogen, erfüllt sein Anwurf „Reste der Drachenbrut“ sogar den Tatbestand der Verleumdung.
Zu Satz 2:
„Opfer“ einer Diktatur war Herr Biermann zum Zeitpunkt seiner Ausbürgerung. Und davor hatte er auch Mut bewiesen. Dafür war er von vielen, auch von mir, geachtet und bewundert worden.
Sein Opferstatus endete aber mit dem Zusammenbruch dieser Diktatur, ebenso wie dessen Konsequenzen (Verbot der freien Bewegung). Objektiv gesehen, hat Herr Biermann sogar von diesem Status, der seinen Nimbus erst begründete, schon davor profitiert.
Opfer zu sein, macht subjektive Einstellungen, auch Hassgefühle, verständlich. Es begründet aber keine herausgehobenen Rechte über andere, vor allem nicht die des Richters. Und der Opferstatus ist nicht gepachtet, schon gar nicht auf Dauer. Er entbindet nicht von der Verpflichtung zur Entwicklung: Neues zur Kenntnis zu nehmen und eigene Einstellungen zu überprüfen. Und er entbindet auch nicht von der christlichen Tugend der Vergebung.
Der Biermann von heute erscheint mir unter allen diesen Aspekten ein ziemlich abschreckendes Beispiel: Seine über Jahrzehnte konservierten und gepflegten Hassgefühle, sein Hineinsteigern in das geradezu wahnhafte Selbstbild vom „Drachentöter“ sind dafür beredter Ausdruck.
„Vielleicht denken Sie darüber noch einmal nach.“ –
Ich meine nicht, dass ich solche Belehrungen nötig habe. Ich weiß nicht nur, wovon ich rede. Ich weiß auch, wie es sich anfühlt und wie es über viele Jahre in einem nagt, wenn man von Menschen „verraten“ wird, denen man vertraute, wenn man allgemeiner Verdächtigungen ausgesetzt ist. Und ich kenne Menschen, deren Lebensplanung dadurch zerstört wurde, und andere, die daran innerlich zerbrochen sind. Und das alles nicht im „Unrechtsstaat“ DDR, sondern in unserer Demokratie. Hinweise dazu gab es im Interview über „Gerechtigkeit“ mit Bronski, FR vom 20.9.
Aber man muss ja nicht, wie ein Biermann, seine eigene Befindlichkeit wie eine Monstranz ein Lebtag vor sich hertragen.
Mit Anstand zu verlieren, muss die CDU noch lernen!
zu 33. W. Engelmann
Einmal Opfer, immer Opfer. Der Opferstatus endet nie. Die DDR-Vergangenheit ist weder für Biermann noch die vielen Anderen, die unter dem SED-Unrecht gelitten haben, schon deshalb beendet, weil es einen Zusammenbruch der DDR und später eine Wiedervereinigung unter dem Dach der BRD-Verfassung gegeben hat. Das ist eine grobe Verkennung der Folgen, die das Leben in der DDR auf Menschen und ihr Selbst gehabt hat, insbesondere aber dann, wenn sie so bedrängt und um ihre Freiheitsrechte gebracht wurden, wie es Biermann erlebt hat. Er ist und bleibt eine herausgehobene Figur, weil sich an seinem Freiheitsanspruch als oppositioneller Künstler der Zwangs- und Unterdrückungscharakter des Regimes exemplarisch vorführen läßt.
Daß der Opferstatus Biermann´s mit dem Zusammenbruch der SED-Diktatur geendet sei, W. Engelmann, ist ja nicht Ihr gröbster Schnitzer, wenn auch grob genug. Sie gießen auch noch Häme über ihn aus, wenn Sie im Beitrag Nr. 29 von „ruppigem Erwachen nach 25-jährigem Dornröschenschlaf“, seiner „Selbstgerechtigkeit“ und seinem „jahrzehntelangen hartnäckigen Beharren auf Feindbildern“ schreiben. Biermann hat sich ebenso wenig im Dornröschenschlaf befunden, wie seine Zeitzeugenschaft und dem daraus erwachsenen politischen Bewußtsein mit dem verächtlichen Wort „Selbstgefälligkeit“ abzutun ist. Biermann dürfte die Entwicklung seit 1989 mit äußerst wachen Augen begleitet haben, und es ist ihm genauso wenig entgangen wie unserem Bundespräsidenten, daß es keine Liquidierung der SED gegeben hat, deren unrechtmäßig angehäuftes Parteivermögen hätte konfisziert werden müssen, anstatt der PDS und späteren Partei „Die Linke“ in Rechtsnachfolgeschaft zuzufallen. Die Sensibilität der Opfer für all diese Vorgänge nach Fall der Mauer mit grobgewirkten Verdikten zu übergießen, wie Sie das tun, W. Engelmann, nenne ich häßlich. Und es verlangt nach Opferschutz.
(Nebenbei wäre es lohnender, den Übergang von Parteivermögen auch der Blockflöten auf die BRD-Schwesterparteien einmal unter die Lupe zu nehmen und auf Legitimität zu untersuchen).
Es geht den Opfern des SED-Unrechts letztlich um Genugtuung. Und ich muß den Opfern selbstverständlich zugestehen, daß die Genugtuung über den DDR-Zusammenbruch von den Sorgen über ein Erstarken einer SED-Nachfolgepartei mit ungetilgten Anleihen an einstiges Ideengut überschattet sein kann. Und diesen Respekt vor den Empfindungen dieser Menschen, Herr Engelmann, daran sollten wir es nicht fehlen lassen. Selbst wenn wir ihre Einschätzungen aktueller politischer Vorgänge nicht teilen. Das war es, wozu ich Sie aufgefordert hatte, als ich Sie bat, noch einmal nachzudenken. Wenn Sie dies als Belehrung verstanden haben, dann war es wohl auch eine. Und sie war auch gerechtfertigt.
Und nein, es geht nicht um Ramelow. Nicht im geringsten. Die Fassade ist doch nicht das ganze Gebäude, Herr Engelmann ! Für Gauck geht es um die Hinterzimmer in dem Gebäude namens „Die Linke“. Gauck und Biermann ziehen einen Schleier fort, den andere über das Gebäude gezogen haben, um Vorgänge darin zu verbergen, wenigstens aber zu ignorieren. Und weil der Schleier fortgezogen wird, weil Gauck sich seiner Meinungsfreiheit im Amte bedient, wird er in ehrverletzender Weise mit einem „schämen Sie sich“ bedacht. Muß ich hier wirklich an den Satz von Rosa Luxemburg über die Verteidigung des Rechts auf eine Meinung erinnern, selbst wenn man diese nicht teilt ?
Die Kommentare hier werden diktiert von der Angst, Gauck könne einen der thüringischen Abgeordneten dahin bringen, nein zu sagen zur Wahl eines Ministerpräsidenten der „Linken“. Daß die „Klugheit“ und „Einsicht“ der Abgeordneten von Gaucks Klugheit und Einsichten übertroffen werden könnten. Hier wird ein ehrverletzender Ausdruck („schämen Sie sich“) gebraucht, um den höchsten staatlichen Repräsentanten in der freien Wahl seiner Themen maßzuregeln und damit letztlich für die Zukunft zu behindern. Nein, freiheitlich ist das nicht. Lassen wir ein Klima, in welchem auch nur latente Einschüchterung den freien Meinungsaustausch untergräbt, garnicht erst aufkommen.
@ V.Grebe, #35
Zweifellos einige Passagen, die eine Erwiderung verdienen. Dies würde jedoch von dem Thema dieses Threads wegführen. Da Bronski inzwischen einen neuen Thread über Biermann eröffnet hat („Die Ecken, aus denen Drachen kriechen“), übertrage ich die Antwort dorthin.