Endlich haben wir Klarheit

Wenn Tiefenpsychologen sich die Psyche vornehmen, dann finden sie auch was. Häufig scheint das Ergebnis eher banal: Darauf könnte man auch so gekommen sein. Ist man aber nicht, einfach deswegen schon, weil man sich noch keine Gedanken darüber gemacht hat. Und darum ist gerade das Banale manchmal heikel. Wie im Fall der Studie „Kinderkriegen in Deutschland“, in der sich Tiefenpsychologen vom Rheingold-Institut mit der Frage auseinandersetzen, warum die Deutschen keine Kinder mehr kriegen. Beim Psyche-Bohren sind sie darauf gestoßen, dass es die Frauen selbst sind, die sich Druck machen. Viele sind verunsichert überfordert und stehen unter permanentem Perfektionsdruck: Im Job wollen sie die perfekte Geschäftsfrau sein und nicht die Mutter – und zu Hause umgekehrt. Und dabei wollen sie auch noch, dass alles locker wirkt. Diese Erkenntnis ist in der Tat „relativ schockierend“, wie Ines Imdahl vom Rheingold-Institut der FR sagte: „Alles soll schön leicht aussehen.“ Und das wiederum verdecke, was die Frauen – zusätzlich zu der schizophrenen Situation Berufsleben/Muttersein – alles an Ängsten mit sich rumschleppen. Also „Schluss mit der Supermama!“ Was wiederum irgendwie banal klingt.

Dr. Gunhild Gutschmidt aus Marburg:

„Wenn man den Artikel liest, glaubt man, die Zeit sei in den letzten dreißig Jahren stehengeblieben. Wo sind denn die Partner der „Supermamas“, die Väter der Kinder? Offensichtlich tun sie dasselbe, was ihre eigenen Väter und Großväter auch getan haben: nämlich nichts – oder höchstens ein kleines bisschen mehr. Dagegen machen sie  seelenruhig ihren Job weiter, ohne Unterbrechung, ohne Halbtagsarbeit, ohne Kindergeschrei. So lange sich da nichts ändert, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Arbeitsmarktstrukturen so familienfeindlich bleiben, wie sie sind.“

Sabine Fahle aus Marburg:

„O mamma mia, was bin ich froh, dass wir das endlich mal klargekriegt haben: Verunsichert? Überfordert? Unter Perfektionsdruck? Mädels, wacht auf, die Tiefenpsychologen vom Rheingold-Institut haben eure vermurkste Psyche ergründet: Den Druck macht ihr euch vor allem selbst! Ihr tut „trotz Kind im Job so, als wär alles wie vorher“, traut euch kaum, euren Chefs zu sagen, wenn ihr aufs „Kindergartenfest“ müsst und nehmt eure Kinder fast nie mit ins Büro? Echt lächerlich! Alles easy peasy lemon squeezy in der wirklichen Welt! Warum lasst ihr nicht einfach alles raus, wie’s kommt: Besprecht mit euren Chefs die Deko für die Kindergarten-Muffin-Platte, lasst euer Krabbelkind die Festplatten im Büro beim Anknabbern neu formatieren und schickt eure Große mit den Matheaufgaben einfach zum Leiter der EDV-Abteilung. Das kommt an! Tief einatmen und „loslassen“, okay? Nur „zwei von fünf Frauen fühlen sich wirklich entspannt“? Das ist echt unnötig: Die wirklich mündige Frau ist stets entspannt, klar?
Existenzangst? Angst vor Hartz IV? Und die „alte Angst“, den Mann und Partner zu verlieren? Da „schleppt“ ja jemand voll die Ängste mit sich rum! Es soll voll stressig für Mamma sein, wenn Pappi ’ne andere hat? Das bildet ihr euch nur ein. Und es gibt auch gar keine alleinerziehenden Mütter, die von der Stütze leben, voll der Mythos, das! Ach, und noch was, manche von euch haben sogar Schuldgefühle, weil euer Kind „Drogen nimmt“! Lächerlich! Hat doch mit euch nix zu tun!
Also Mädels, legt erstmal die Füße hoch, meldet euch  zwei Wochen krank, weil Baby Blähungen hat, und wenn der Große den Hauptschulabschluss nicht hinkriegt, richtet ihm halt ein Kifferzimmer ein. Ja, und freut ich, wenn der Alte weg ist! Falls ihr dann immer noch nicht entspannt genug seid, legt euch bei den Tiefenpsychologen auf die Couch, die helfen euch  sicher gern.“

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13 Kommentare zu “Endlich haben wir Klarheit

  1. Es gibt nur eine Möglichkeit, festzustellen, warum die Deutschen keine Kinder mehr kriegen. Und diese Methode heißt: Tiefeninterviews mit einem möglichst repräsentativen und breiten Sample der Bevölkerung (übrigens, Männer müssten auch dazugehören).

    Die Studie basiert nun auf Tiefeninterviews mit 70 Frauen, was nicht besonders viel ist, sowie ca. 1000 Frauen, die man im üblichen, in meinen Augen eher fragwürdigen Fragelisten-Verfahren befragte.

    Bemerkenswert ist zunächst, wie man sich im Vorspann hier über den tiefenpsychologischen Ansatz teilweise lustig macht („Psyche-Bohren“), wohingegen es eigentlich gerechtfertigter wäre, sich über das Fragelisten-Verfahren lustig zu machen. Umso mehr, als es hier um ein Thema geht, wo die Tiefeninterviews ergaben, daß viele Betroffenen in einem Geflecht von gesellschaftlichen Idealvorstellungen gefangen sind, an denen sich auszurichten als Imperativ verstanden wird. Gerade in einem solchen Fall werden dann die mit Frageliste Befragten, vor die Alternative gestellt, die Wahrheit zu sagen oder doch lieber das gesellschaftlich konforme und idealtypisch erwartete Idealbild abzugeben, sich für letzteres entscheiden, also zu lügen, oder, harmloser formuliert, zu flunkern (und nicht zuletzt kann man sich übrigens auch selbst belügen… also flunkern, während man selber glaubt, die Wahrheit zu sagen). Also: die Methode „Frageliste“ kann mit einiger Berechtigung lächerlich gemacht werden, die Methode „Tiefeninterview“ jedenfalls weit weniger.

    Die von Sabine Fahle zur Schau gestellte Häme bzgl. der Ergebnisse ist natürlich interessant und kann als eine Einzeläußerung verstanden werden, die eines der Motivcluster der Studie durchaus bestätigt. Je mehr Idealvorstellungen (z.B. „Bloß niemals überfordert sein“, „Immer gelassen bleiben“) als Verpflichtung aufgefasst werden, desto mehr werden ja konstatierte Abweichungen von den Idealvorstellungen als Vorwurf verstanden. Und ein bewährtes Reaktionsmuster gegenüber vermeintlichen Vorwürfen ist nun mal Aggression… hier in Häme verpackt.

    Frau Gutschmidt ist zu sagen: Tiefenpsychologische Untersuchungen sind in erster Linie NICHT Untersuchungen über eine objektive Realität (also z.B. „wieviel Zeit der Kindererziehung wendet die Frau auf, wieviel der Mann“), sondern lediglich Untersuchungen über die individuelle Wahrnehmung der Realität (Empfindet X, daß sein Partner Y ausreichend Beiträge zur Kindererziehung liefert, und was ist überhaupt in dieser Hinsicht die individuelle Auffassung von „ausreichend“ bei X usw.). Ob also die verbreitete Auffassung, in der Kindererziehung alleingelassen zu werden, auf einem tatsächlichen Alleingelassensein beruhen, müsste separat geklärt werden… genausogut könnten auch überzogene Vorstellungen bzgl. einer Unterstützung zugrunde liegen. Gerade was die Erwartungshaltung an die Unterstützung durch den Staat angeht, ist es ja auch in gewissem Umfang sicher Ausdruck einer gegenwärtigen politischen Mode, hier viel zu verlangen (also z.B. die staatliche Betreuung des Kindes während mindestens der gesamten Zeit der eigenen Berufstätigkeit) und entsprechend enttäuscht ist man dann natürlich, wenn es nicht im erwarteten Maße geliefert wird.

  2. @1 Max Wedell

    Herr Max, was erzählen Sie denn da über Tiefeninterviews „mit einem möglichst repräsentativen und breiten Sample der Bevölkerung (übrigens, Männer müssten auch dazugehören).“ Viel zu theoretisch, höflich ausgedrückt, dummes Zeug, deutlich ausgedrückt. Vor allen Dingen braucht dieses Land eine Familienministerin und keine dumme Göre, die unter Islamophobie leidet. Ich hätte nie gedacht, dass es noch schlimmer als bei Frau von der Leyen-hafte in diesem Amt gehen würde; es geht. Was dieses Land jedoch absolut nicht braucht, ist z.B. einen gewissen Professor Dr. Dr. Gunnar Heinsohn. Mit diesem Herrn hängt auch ein neuer, fast schon typischer SPD-Knaller zusammen. Die Debatte über Sarrazins abstruse Thesen ist noch in schlechtester Erinnerung, u.a. will ihn sein eigener Kreisverband aus der Partei ausschließen, da lädt die räumlich benachbarte Neuköllner SPD diesen „menschenfreundlichen“ Professor zu einer Klausurtagung in ein nobles Seehotel ein, um einen Vortrag zu halten. Gerade Heinsohn, der mit seinen Thesen teilweise sogar einen Sarrazyniker in den Schatten stellt. Heinsohn vertritt u.a. die Auffassung, dass in Neukölln zu viele „Transferbabys“, Babys von ausländischen Niedrigleistern geboren werden. Aber auch hinsichtlich der inländischen Mütter hat Heinsohn seine „Botschaften“. In der Welt hatte dieser, seit einem viertel Jahrhundert in Bremen lehrende Professor, schon vor längerer Zeit verkündet: „Uns fehlt nicht das dritte oder vierte bildungsferne Kind der Hartz IV-Mutter, sondern das erste oder zweite der Karierrefrau.“ Außerdem will Heinsohn soziale Transfers auf maximal fünf Jahre begrenzen. Übrigens, eingeladen wurde Herr Heinsohn (so wächst zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört) von dem medialen Aushängeschild der Neuköllner SPD, dem Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Buschkowsky ließ seinerseits verlautbaren, dass er die Kindergartenpflicht ab dem ersten Lebensjahr einführen will. Buschkowski, der SPD-ler, ist ja hinreichend dafür bekannt, dass er der so genannten Unterschicht, nicht nur der ausländischen sondern auch der deutschen, quasi kollektiv unterstellt, dass sie nicht selbst für ihre Kinder sorgen könne oder wolle.

    Sehen Sie, Herr Max, diesen rassitischen Schwätzern muss das Maul gestopft werden, meinetwegen auch bei Tiefeninterviews. Das wäre zumindest schon mal ein klimatisch verbesserter Anfang für mehr Kinder. Ansonsten muss den Menschen die Angst vor der Zukunft genommen werden. Insbesondere brauchen sie sichere Arbeitsplätze, von denen sie leben können. Erst dann sind auch Familienplanungen möglich. Da, Herr Max, liegen die eklatanten Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Alles andere ist tiefenpsychologischer Kokolores. Das Land muss schlicht und ergreifend kinderfreundlicher werden. Diese Botschaft können auch Sie gerne mit verbreiten. Legen Sie also los, Herr Max.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  3. Achja, das habe ich ganz vergessen zu erwähnen. All jene, die immer schon ganz genau Bescheid wissen, wo der Hase läuft, die schon alle Antworten auf alle Fragen haben (das taz- oder Junge Welt-Abo hat man ja nicht umsonst, da wird doch alles erklärt!), für die sind natürlich jegliche wissenschaftliche Untersuchungen völlig überflüssig, egal ob sie auf Tiefeninterviews basieren oder nicht. Wissenschaftliche Studien vernebeln ja sowieso nur, was man völlig ohne sie schon glasklar erkennen kann. Jau, alles klar!

  4. @Max

    na Sie scheinen sich ja auszukennen mit dem Erstellen von STudien. Da bringt es wohl nichts, wenn Ihnen jmd vom Fach sagt, dass Stichprobenartige UNtersuchungen teils wesentlich repräsentativer sind, als diejenigen, die sich mit einer riesigen Masse befassen.

    ZUdem it es bei Untersuchungen wichtig, dass man alle Schichten bedenkt und sie in gleichen prozentualen Anteilen berücksichtigt. Soviel zu empirschen Untersuchungsmethoden und Qualität und Quantität.

    Ich denke eine Frau kann das aus der Sicht einer Frau schon ganz gut beurteilen, warum die Frauen keine Kinder wollen. Ja gut, jetzt sollen neue Betreuungsangebote geschaffen werden, insbes. für U3 Kinder… teilweise fordern die Menschen ein überdimensionales Betreuungsangebot von Kindern, das einer Abschiebung gleicht.
    Wenn die Betreuungsangebote allerdings gegeben sind, werden bestimmt mehrere Karriere-Familien bereit sein Kinder zu bekommen, allerdings zu welchem Preis? Diese Frage wird sich dann auch die Karriere-Mama stellen und dann doch lieber keine Kinder bekommen, um sie dann abzuschieben und den Großteil des Lebens des Kindes nicht mitzubekommen.
    Und das ist in meinen Augen auch besser so… denn wenn man Kinder bekommt hat man eine goße Verantwortung zu tragen und das ist durchaus eine große Last. Insbes. zu Zeiten, in denen die Scheidungsrate extrem hoch ist und man als alleinerziehende Mutter oft am Existenzminimum leben muss (zgl. das Kind aber selbst erziehen möchte), da überlegt man sich das dreimal ob man Kinder bekommt oder nicht.

  5. @Max noch mal:

    wie würden Sie denn eine repräsentative STudie durchühren? Erklären Sie mir das bitte mal… wie das genau geht ohne Menschen zu befragen?

  6. @Sarah,

    irgendwie haben Sie mich mißverstanden.

    Zunächst ist die Repräsentativität umso besser, je größer die Anzahl der Untersuchten ist. Die optimale Repräsentativität ist erreicht, wenn alle aus der Zielgruppe untersucht werden, dann ist nämlich jeder Einzelne „repräsentiert“. Wenn die Zielgruppe „die Deutschen“ sind, ist es in der Regel nicht machbar, alle Deutschen zu befragen (außer vielleicht bei Volkszählungen), und da muß man eben einschränken. Ein Minimum an Repräsentativität ist z.B. erreicht, wenn nur eine Person befragt wird. Z.B. J.R. befragt sich selbst, und macht dann darauf basierend Aussagen. Der denkbar schlechteste Fall, da ja dann z.B. Frauen, die Junge Welt und taz nicht täglich begierig aufsaugen, gar nicht repräsentiert sind. Und Männer scheinen mir bei dieser Einzelbefragung auch nicht repräsentiert zu sein.

    Eine annähernde Repräsentativität ist deshalb wichtig, damit die Befunde in ihrer Relevanz eingeordnet werden können. Auffassungen, die 1% der Zielgruppe haben, haben eine andere Relevanz als Auffassungen, die 50% der Zielgruppe haben.

    Völlig unabhängig von der Repräsentativität ist die Wahl der Befragungsmethode zu sehen, und da gilt nach meiner Meinung, daß das Befragen mit Fragelisten einfach schlechtere Ergebnisse liefert als ein Tiefeninterview. Die Antworten auf Fragelisten sind gefärbt in Richtung auf das gesellschaftlich Erwartete (oder so aufgefasste), in Tiefeninterviews hingegen werden nicht nur Äußerungen angestrebt und ausgewertet, die direkt eine bestimmte Auffassung vorgeben, sondern auch indirekte Schlüsse gezogen (bis hin dazu, daß auch Körpersprache eine Rolle spielt, indem z.B. das Interview gefilmt wird). Die Tiefeninterviews befassen sich ja nicht nur mit dem eigentlichen Gegenstand der Studie, sondern auch mit den generellen Lebensumständen und auch mit Aufassungen des Befragten zu anderen Dingen als denen, die Gegenstand der Studie sind, und ergeben so ein vollständigeres Bild. Daß eine bestimmte Frau im Grunde genommen zu faul ist, ein Kind zu haben (mit all den zu erwartenden „Arbeits“aufwänden), werden sie als Direktäußerung wohl selten hören, wenn sie aber im Tiefeninterview bei der Befragung über allgemeine Lebensumstände den Eindruck gewinnen, hier ist eine Person, der eine weit größeren Zahl von Betätigungen einfach zu mühsam ist als sonst allgemein üblich, dann können Sie Schlüsse ziehen. Bei einer Fragelisten-Befragung „Sind sie vielleicht einfach zu träge für all die mit der Kinderaufzucht verbundenen Tätigkeiten?“ werden Sie jedenfalls wohl kaum jemanden finden, der „Ja“ sagt, bzw. ein solcher Fall sagt dann wohl lieber „ja“ bei der Frage: „Ist Ihnen die damit verbundene Verantwortung zu hoch?“.

    Im Grunde muß man auch vor Fragelistenbefragungen schon Tiefeninterviews machen, sonst weiß man ja nicht, welche Fragen man stellen soll. Am Anfang jeder Befragung steht ja eine Hypothesenbildung. D.h. man muß in diesem Fall erst einmal überhaupt alle Gründe identifizieren, weswegen Menschen am Ende kinderlos bleiben, muß möglichst alle in der Realität vorhandenen Motive erkennen, um dann überhaupt die richtigen Fragen stellen zu können, die herausfinden sollen, ob im Einzelfall dann dieses oder jenes Motiv vorliegt. Diese Gründe oder Motive über ein Brainstorming der betreffenden Forscher (womöglich auch noch alles Männer) zu identifizieren ist jedenfalls fehleranfälliger als sie durch tiefeninterviewähnliche Befragungen in der Zielgruppe festzustellen. Es sei denn, man hat J.R. in der Forschergruppe. Die weiß ja schon alle Motive. Und was bei den Befragungen rauskommt auch, sodaß man sich auch die ja völlig sparen kann…

  7. @Max
    Die anzahl der befragten Personen gibt nicht wirklich Aufschluss darüber, wie verbreitet welche Ansichten sind. Man könnte doch auch 1000 alleinerziehende Mütter befragen, aber dies könnte man dann doch nicht auf alle Mütter in Deutschland übertragen. Wichtig ist hierbei die Verteilung.
    „Zunächst ist die Repräsentativität umso besser, je größer die Anzahl der Untersuchten ist.“ nee hab ich nicht missverstanden… die Anzahl der befragten Personen ist nicht das wichtigste, vielmehr ist es bedeutend eine bestimmte Prozentzahl von jeder Zielgruppe zu befragen (d.h. zum Beispiel Alleinerziehende, Familien, berufstätige und nicht berufstätige, also erstmal hier kategorisieren und dann überlegen wieviel % befragt werden sollte und das sollte in jeder Kategorie gleichmäßig verteilt sein um eine Qualitative Studie zu führen)

    Woher wissen Sie, dass hier alles nur quantitativ abgefragt wurde? Also mit Ja/Nein Fragen, bestenfalls könnte es sich bei dieser Befragung um eine Mischform handeln, die muss nämlich ja auch irgendwie auswertbar sein… trotzdem Qualitativ. Zumeist sind da mind. 5 Antwortmöglichkeiten und wenn es ein guter Fragebogen ist, beinhaltet dieser auch offene Fragen.

    lediglich Ja/Nein Fragen stellen ist natürlich nicht sinnvoll…

  8. @Sarah,

    natürlich führt „Menge“ nicht schon gleich zu „Repräsentativität“, das ist doch klar. Wenn Sie aber eine Kategorie bilden wie z.B. „arbeitslose Akademikerin“, und in dieser Kategorie 3 Personen befragen, dann ist das Endergebnis ungenauer als wenn Sie 10 arbeitslose Akademikerinnen befragen, und das ist wieder ungenauer als wenn Sie 100 arbeitslose Akademikerinnen befragen. Denn auch bei arbeitslosen Akademikerinnen gibt es ein Meinungsspektrum, und dieses findet sich in Ihren Ergebnissen nicht ausreichend wieder, wenn ihre Samples zu klein sind.

    Das mit der „möglichst gleichmäßigen Verteilung der Befragten in den Kategorien“ können Sie ja machen, im Endergebnis müssen Sie aber die Repräsentativität jeder Kategorie berücksichtigen. Wenn Sie 5 Kategorien mit gleichverteilten Befragten in ihnen haben, und in einer von diesen 5, sagen wir der Kategorie „arbeitslose Akademikerin“ daher 20% aller Befragten, dann dürfen Sie nicht davon ausgehen, daß 20% aller Frauen in Deutschland arbeitslose Akademikerinnen sind, sondern sollten den tatsächlichen Anteil arbeitsloser Akademikerinnen in der Bevölkerung berücksichtigen. DAS nennt man dann Repräsentativität, und nicht allein schon die bloße Aufteilung in Kategorien.

    Endziel der Repräsentativität ist es jedenfalls, daß der Konsument der Studie die Möglichkeit hat, zu den von Ihr festgestellten Sachverhalten feststellen zu können, wie VERBREITET sie in der Bevölkerung sind.

    Wenn für Sie die Güte einer Befragung steigt, wenn sie „offene Fragen“ enthält, dann verstehe ich nicht, warum für Sie eine Befragung nicht die größte Güte hat, wenn Sie, wie das Tiefeninterview, bzgl. der Antworten maximal „offen“ ist, d.h. es überhaupt keine Vorgaben gibt… wobei ein gutes Tiefeninterview versucht, direktes Fragen überhaupt zu vermeiden, und den/die Befragte eher dazu animiert, frei-assoziativ zu erzählen. Nach einem guten Tiefeninterview zum hier diskutierten Thema wüsste eine Befragte gar nicht, was die Befrager nun eigentlich genau wissen wollten, außer, daß es irgendwie mit Kindern zu tun hat.

  9. @Max

    was genau wissen Sie denn über die Befragungsmethode der benannten Studie (der FR)?

    Und wie würden Sie die Befragungsmethode verbessern und wie ist das dann personell und finanziell durchführbar?

    Nee ich glaub sogar, dass zu viele offene Fragen in einer Studie kaum auswertbar sind

  10. @Sarah,

    ich weiß nur, was in der veröffentlichten Zusammenfassung steht, denn mehr ist nicht zugänglich:

    http://www.rheingold-online.de/grafik/veroeffentlichungen/PM_Studie_Muetter_in_Angst.pdf

    D.h. 70 Tiefeninterviews, um ca. 1000 Befragungen ergänzt.

    Ansonsten haben Sie genau den Finger auf das Problem gelegt… Tiefeninterviews sind personell und finanziell sehr aufwändig, eine Frageliste hingegen mal eben durchzunudeln ist schnell gemacht.

    Wünschenswert wäre z.B., wenn die Finanzierung einer solchen Studie auf breitere Füße gestellt würde, damit man dann das Sample für die Tiefeninterviews vergrößern könnte… es sollte doch möglich sein, in Anbetracht der Wichtigkeit des Themas, auch andere Finanzierungspartner als bloß die Firma „Milupa“ zu finden.

    Z.B. das Familienministerium… bevor das dann Maßnahmen beschließt, von denen man sich so allgemein vorstellt, daß sie irgendwie was bringen müssten, weil man ja auch dauernd in der Zeitung davon liest, daß sie notwendig sind, weil sie ganz einfach alle so einleuchtend wirken, und die Wähler machen auch den Eindruck, als würden sie sie goutieren… Maßnahmen, die dann am Ende womöglich doch nichts oder nur wenig bringen, weil man die Motivlagen nicht ausreichend verstand… aber die ausgegebenen Milliarden sind dann weg. Dann doch lieber vorher mal ein bischen was in die Ursachenforschung investieren!

  11. @Max
    na dann kann doch kaum eine Studie wirklich repräsentativ sein. Wenn man so etwas beurteilen will, sollte man doch erst einmal den Fragebogen unter die Lube nehmen. Denn zumeist gibt es da mehr Antworten, als Ja/Nein… und bei Psychologen meines Wissens schon gar.

    Nach Ihrer Theorie dürfte man keiner Studie einen Glauben schenken oder können sie mir eine nennen, die ohne Fragebögen auskommt?

    Naja gut, zur eigentlich Thematik, warum Frauen keine Kinder mehr bekommen, erscheinen mir als Frau die Ergebnisse als schlüssig… und einleuchten, schon gar ist es wirklich nichts neues. Besonders tendieren die Frauen heut zu tage (inkl. auch mir) dazu, erst mal Karriere zu machen… auf festem Boden zu stehen… da sie jeder zeit damit rechnen können plötzlich alleine da zu stehen und dann muss man ja noch den passenden Partner finden.
    Das ist eine komplizierte Sache.

    Was meinen Sie denn, warum Frauen heut zu tage keine Kinder mehr haben wollen?

  12. @Sarah,

    natürlich kann ich Ihnen Studien nennen, die ohne Fragebögen auskommen. Alle Studien, die auf Tiefeninterviews basieren, kommen ohne Fragebögen aus. Deswegen sind ihre Ergebnisse ja auch besser bzw. glaubwürdiger.

    Mir ging es doch eigentlich nur darum, daß das mal aufhört, daß man jede Fragebogen-Befragung so behandelt, als wäre das eine vom lieben Gott reingereichte, d.h. völlig akkurate Beschreibung der Situation, aber auf Tiefeninterviews basierenden Studien mit pubertärem Gekichere begleitet nach dem Motto: Was für ein Psychoschmarrn. Es muß umgekehrt sein, die Tiefeninterviews ermöglichen Akuratesse, und bei Fragebogen-Befragungen ist ein regelmäßiges Kichern nicht ganz unangebracht.

    Was Ihre Frage nach meiner Meinung angeht… wenn ein ausreichend großes, repräsentatives Sample von Personen tiefeninterviewt wird, dann entspräche meine Meinung zur Motivlage bzgl. Kinderkriegen genau dem, was diese Untersuchung herausfinden würde. D.h. im Gegensatz zu J.R. und Sabine Fahle bilde ich mir nicht ein, die Lebenswelten und psychischen Dispositionen von Millionen von Frauen durchschaut zu haben und auf einen Nenner bringen zu können.

    Die rheingold-Studie enthält aber schon einiges Denkwürdige.

    Was mir zuallererst auffiel, hatte nichts mit Verzicht auf Kinder zu tun, sondern mit dem Gegenteil… Unter den Kindern, auf die nicht verzichtet wird, d.h. die man dann doch bekommt, nehmen die psychosozialen Störungen schon seit Jahren unaufhörlich zu, wie ganz unterschiedliche Quellen konsistent zeigen. Der Kinderpsychologe Winterhoff hat dazu Theorien entwickelt, worauf das zurückzuführen ist, die mir persönlich teilweise sehr einleuchten. Er sieht ein bestimmtes Verhalten in der Kindererziehung von Eltern, besonders von Frauen, nämlich im Kind einen gleichberechtigten Partner zu sehen, welches er wiederum auf die Motivlage der Eltern zurückführt, „es (die Erziehung) besonders gut machen zu wollen“. Einem Kind Grenzen zu setzen, ist das schiere Gegenteil des „es besonders gut zu machens“, wohingegen dem Kind möglichst keine Grenzen zu setzen heißt, „es ganz besonders gut zu machen“. Daran musste ich denken, als ich in der rheingold-Studie las, daß es eine verbreitete Haltung des „Alles besonders gut machen zu Wollens“ gibt, die bei manchen Frauen dann eher das Kinderkriegen verhindert, weil man sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlt. Ich sehe die rheingold-Studie daher auch als Lieferant weiterer Erkenntnisse, die Winterhoffs Thesen auf gewisse Weise unterstützen.

    Zu kritisieren ist dabei nicht diese Haltung des „etwas besonders gut machen zu wollens“ (wenn sie nicht paranoide Züge annimmt). Im Gegenteil, das ist ja erstmal eine sehr ehrenwerte Haltung an sich. Kritikwürdig ist dann aber die Auffassung, was denn „es gut zu machen“ im Detail bedeutet, z.B. in der Kindererziehung. Aber das ist ja eine dem „Kinderkriegen“ nachgelagerte Problematik und hat mit der Studie weniger zu tun.

    Das „Kinderkriegen“ berührt dann eher die Frage, ob „das eigne Leben besonders gut gelingen zu lassen“ einfacher wird ohne Kinder.

  13. Im FR-Artikel wird in erster Linie auf die Befindlichkeiten derjenigen Frauen Bezug genommen, die schon Kinder haben. Die „Ängste“ und Sorgen der entsprechenden Mütter spielen vielleicht eine Rolle dabei, warum es bei diesen Personen bei einem Kind bleibt. Warum aber manche Frauen/Paare überhaupt keine Kinder haben (möchten), kommt dabei nicht heraus. Was die Akademikerinnen anbelangt, ist gesunder Menschenverstand gefragt. Es ist nun mal so, dass Akademikerinnen ein gewisses Alter erreicht haben, bis sie endlich im Beruf stehen. Falls sie noch einen Doktor machen, dauert es noch mal länger bis zum Berufseinstieg. Haben die Frauen dann einen begehrte Stelle, möchten sie sich erst mal darin bewähren. Bis das soweit ist, ist sie Mitte Dreißig. Es bleiben also nur wenige Jahre übrig, in denen es biologisch überhaupt möglich ist ein Kind in die Welt zu setzen- mehr als zwei Kinder sind da kaum möglich. Lebt die Frau in dieser Phase in keiner stabilen Partnerschaft, ist die Frage eh vom Tisch. Andere haben den Kinderwunsch soweit nach hinten verschoben bis es zu spät ist. Wieder andere möchten ihre Karriere nicht auf’s Spiel setzen, andere stellen vielleicht fest, dass ihr Leben ausgefüllt ist und nichts fehlt. Es gibt viele Gründe.

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