Lafontaines Sammlungsbewegung ist ein Rohrkrepierer

Oskar Lafontaine gibt sich als Antje Vollmer. Oder? Über Vollmers Aufruf zu einem gemeinsamen linken Projekt wurde hier im FR-Blog viel diskutiert. Mal sehen, ob Lafontaines Aufruf zu einer linken Sammlungsbewegung, der auf den ersten Blick ähnliche Ziele zu verfolgen scheint, ebenfalls Diskussionen nach sich zieht. Denn mir stellt sich die Frage: Wie ernst kann ein Sammlungsaufruf an die deutsche Linke aus dem Munde eines Mannes gemeint sein, der sich selbst wiederholt als Spalter betätigt hat?

Was ist geschehen? Oskar Lafontaine, der Grandseigneur der Linken – gemeint ist hier die Partei „Die Linke“ –, hatte gesagt: „Wir brauchen eine linke Sammlungsbewegung, eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun.“ Seine Frau, die Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht, unterstützt die Idee, was irgendwie nicht so richtig überrascht: „Natürlich wünsche ich mir eine starke linke Volkspartei“, hat sie dem „Spiegel“ gesagt. Das klang allerdings nicht danach, als ob sie „Die Linke“, also ihre Partei, deren Bundestagsfraktion sie vorsitzt, in dieser Rolle einer starken Volkspartei sieht. Sie selbst wie auch ihr Gatte haben mit diversen Vorstößen im Lauf vieler Monate dazu beigetragen, dass die Partei „Die Linke“ zerstritten ist, zum Teil mit scharfen Angriffen auf die Parteiführung, zum Teil mit Bemerkungen der Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht, die als Stellungnahmen im Sinne der „Querfront“ verstanden werden können und die gegen die Parteilinie stehen. Die Bundestagsfraktion der „Linken“ ist sich teilweise so spinnefeind, dass man nicht miteinander redet. Es geht dort allem Anschein nach häufig nicht um linke Inhalte, sondern um persönliche Antipathien.

Dass der 74-Jährige Lafontaine „nun integrierend wirken möchte und eine linke Sammlungsbewegung ins Gespräch bringt, ist allein mit Realitätsverlust zu erklären“, schreibt FR-Autor Markus Decker in seinem Kommentar zu dieser Idee einer Sammlungsbewegung. Man kann es auch noch kürzer sagen, so wie der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke): Wer eine Partei gründen wolle, der solle es doch einfach tun.

Dabei wäre es wirklich nötig, dass zukunftstaugliche Antworten gefunden oder wenigstens Vorschläge in dieser Richtung gemacht werden, um die Deutungshoheit beispielsweise über das Thema der sozialen Gerechtigkeit endlich den Marktradikalen zu entwinden, um nur einen Punkt zu nennen. Ja, ein linkes Projekt, wie Antje Vollmer es angeregt hat, wäre wirklich wünschenswert. Doch Lafontaine und Wagenknecht sind die letzten, die glaubhaft für eine linke Sammlungsbewegung stehen können, denn sie stehen für Spaltung.

Balken 4Leserbriefe

Manfred Kirsch aus Neuwied:

„In der Tat mutet der neue Vorschlag zur Gründung einer neuen linken Sammlungsbewegung, den Oskar Lafontaine jetzt gemacht hat, wie ein gehöriger Realitätsverlust an. Nicht ganz ernst zu nehmen, doch vielen linken, die blind sind für Oskar Lafontaines Realitätsverweigerung, vielleicht ansprechend. Man kann sich schon vorstellen, und das sagt die Erfahrung, dass eine solche sogenannte linke Sammlungsbewegung auch viele ausländerfeindliche, fremdenfeindliche und minderheitenfeindliche Flecken haben wird. Es ist nicht auszuschließen, dass Oskar Lafontaine und auch Sahra Wagenknecht mit dieser „Sammlungsbewegung“ auch in rechten Gewässern fischen möchten. Der Sache der Linken tut das alles nicht gut. Es ist höchste Zeit, dass sich die Linke auf allen Ebenen, von Oskar Lafontaine genauso wie von Sahra Wagenknecht loslöst und sich emanzipiert. Links blinken und rechts abbiegen, das ist das Markenzeichen der Befürworter der Sammlungsbewegung, die jetzt nach den Überlegungen des ehemaligen SPD-Chefs entstehen soll. Die Mehrheit der Linken muss ihre Konfliktbereitschaft mit bestimmten Personen in ihren Reihen noch beweisen.“

Henning Möller aus Freinsheim:

„Oskar Lafontaine leidet m. E. nicht an „Realitätsverlust“. Ich würde allerdings viel weiter gehen. Die 2000/10er Jahre haben die Parteigrenzen völlig verwischt. Koalitionäre Ampeln jedweder Couleur sind nicht nur denkbar, sondern sogar im Amt. Worin differenzieren sich SPD – Grüne – FDP – CDU/CSU? Die Mengenlehre der 1970er feiert fröhlich Urständ. Die logische Folge: Die Ränder werden radikaler (siehe AfD).
Deutschland braucht eine neue Parteienlandschaft: Von Linke bis CDU sollten sich alle Parteien quasi auflösen und neu sortieren – in vier (?) neue Parteien mit klarem politischen Profil. In anderen europäischen Ländern ist der Erosionsprozess längst im Gange.
In der Landwirtschaft ist das übrigens eine erfolgreich praktizierte Methode: Flurbereinigung.“

Hans Möller aus Frankfurt:

„Die Gründung der Linkspartei im Januar 2007 hatte zwei Vorbedingungen: die vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag 2005, bei denen ein Scheitern der PDS höchst wahrscheinlich an der 5%-Prozenthürde gewesen wäre und die Forderung Oskar Lafontaines nach einem Zusammengehen von WASG und PDS als Vorraussetzung für seine Rückkehr in die aktive Parteipolitik. Von einer breiten sozialen Bewegung oder gar breiten Bewegungen, aus denen die Linkspartei hervorgegangen sein könnte, weiß keine Chronik zu berichten.
Die einschlägigen Bestimmungen des Bundeswahlrechts lassen Listenverbindungen konkurrierender Partein nicht zu, so dass seinerzeit für das Zusammengehen von PDS und WASG zur Wahl im September 2005 ein demokratischen Maßstäben gerecht werdendes, rechtlich korrektes Verfahren nicht möglich gewesen ist.
Gelöst wurde das Problem dadurch, dass Mitglieder der WASG auf den Listen der PDS kandieren sollten, wenn die WASG auf eine eigene Kandidatur zur Bundestagswahl verzichtet.Darüber, wie die WASG Kadidaten*tinnen 2005 bestimmt wurden und auf den Listen der PDS abgesichert worden sind, schweigen alle damals Beteiligten aus guten Grund bis heute beredt.
Offziell werden die Vorgänge des Jahres 2005 auf der Homepage der Linkspartei heute (15. Januar2015) folgendermaßen beschrieben:
„Während im Osten die PDS eine glaubwürdige Opposition gegen die Agenda 2010 war, sammelten sich im Westen Linke aus SPD, Gewerkschaften und sozialer Bewegung und gründeten im Januar 2005 die WASG als Partei. Mit den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005, bei der sowohl die PDS als auch die WASG die Fünf-Prozent-Marke deutlich verfehlten, wurde klar, dass nur ein Linksbündnis aus PDS und WASG bei den für September 2005 angesetzten Neuwahlen im Bund eine Chance hatte. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine sorgten mit ihren persönlichen Entscheidungen für Hoffnung für das gemeinsame Projekt.“
Die Operation im Jahr 2005 ist insofern erfolgreich gewesen, als die 5%-Prozenthürde von der PDS genommen werden konnte. Organisatorisch allerdings stand die PDS/WASG, später Linkspartei, vor dem Problem, dass die PDS im Osten quasi Volksparteistärke hatte(!), während die WASG mit ca. 6000 Mitgliedern (fast ausschließlich im Westen) zum Zeitpunkt der Entscheidung für das Zusammengehen eine kleine Splittergruppe gewesen ist.Bei der Wahl 2005 erhielt die PDS im Osten 2,0 Mio Stimmen, im Westen 2,3 Mio (Berlin hier dem Westen zugerechnet). Dieses Verhältnis hat sich auf 3.0 Mio Wähler*innen im Westen und 1,3 Mio im Osten verschoben (Berlin wie oben gerechnet).
Die mit der voluntaristischen Gründung der Partei verbundenen strukturellen Probleme sind auch nach einem Jahrzehnt ihrer Existenz nicht wirklich gelöst. Sehr wahrscheinlich ist das der tiefere Grund dafür, dass eine zvilisierte Debattenkultur nichtentstehen konnte.
Dieselben Fehler wie 2005 jetzt mit einer nebulösen Sammlungsbewegung zu wiederholen, hilft niemanden.“

Jürgen Malyssek aus Wiesbaden:

„Man wünschte es manchem Alt-Politiker – so groß seine Verdienste auch mal gewesen sein mögen – damit aufzuhören, immer wieder seine neue Idee auf den Markt zu werfen und damit eher Schaden anzurichten, denn hilfreich zu sein. Oskar Lafontaine kann es nicht lassen. Und Recht hat sie, die Linke, dass sie der neuen Lafontaine-Bewegung eine Absage erteilt.
Anstatt in diesen trüben Zeiten der Regierungsfindung und Stimmenfängerei der eigenen Partei den Rücken zu stärken und in zerstrittener Lage sich für die Einheit einzusetzen (siehe Gregor Gysi), legt Oskar Lafontaine los, scheinbar getrieben von Allmacht-Phantasien und macht damit mehr kaputt als ganz.
Was soll das jetzt mit einer linken Sammlungsbewegung? Wenn, dann ist das eine Sache des Protestes, des bürgerlichen Widerstandes, wie es mal eine APO gezeigt hat. Aber bitte nicht noch mehr durcheinander mit und in einer Partei!
Gregor Gysi gibt die richtige Antwort: „Die Linke braucht vieles, aber keine neue Partei.“
Katja Kipping, Dietmar Bartsch und Bernd Riexinger machen ihren Job im Ganzen gut. Und bei allem Respekt vor Sahra Wagenknecht. Sie ist populär genug und braucht mit dieser Idee nicht auch noch eine Schippe draufzulegen.
Leider werden von der linken Anhängerschaft wieder viele auf diesen Vorstoß springen und wieder verzettelt man sich in utopischen Gedankengebäuden, anstatt das Naheliegende und Konkrete konsequent weiter zu verfolgen, nach einem immerhin ganz ordentlichen Wahlerfolg.
Lafontaine spricht von einer notwendigen strategischen Debatte. Um es deutlich zu sagen: Diese Idee einer Sammlungsbewegung ist zum jetzigen Zeitpunkt ein Rohrkrepierer! Als ob man so eine Aufbruchsstimmung erzwingen könnte. Wie wollen denn Lafontaine und Wagenknecht anders verstanden werden, denn als Spalter der Linken? Diese Risikospiele können Wagenknecht noch zum Verhängnis werden. Wie überhaupt sie es ihrer Partei mit ihren öffentlichen Aussagen und Auftritten oft schwer macht.
Wenn der Sozialwissenschaftler Benjamin Hoff (FR 18.01.) die Warnung ausspricht, dass dieses Vorpreschen von Lafontaine-Wagenknecht „letztlich auf einer autoritären Idee beruhe“, dann kann ich inzwischen nicht mehr widersprechen. Das Exklusivitätsgehabe des prominenten Politpaares wird allmählich peinlich. Die neuen jungen Mitglieder der Linken verstehen diese Vorstöße und Provokationen langsam nicht mehr.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Wenn nicht alles täuscht planen Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine eine neue Parteigründung zwischen SPD und der heutigen LINKEN. Es wäre dann die Neuauflage der USPD aus den kurz – vor-Weimar-Zeiten.
Sarah Wagenknecht ist blitzgescheit. Sie hat zweifellos sehr hohes intellektuelles Potential. Sie hat erkannt, dass viele SPD-Mitglieder innerlich heimatlos geworden sind, weil die SPD von einer reinen Gesinnungspartei zu einer – primär orientierten – Verantwortungspartei mutiert ist. Diese Gesinnungs-Abgehängten gelte es jetzt einzufangen, wie der Rattenfänger zu Hameln seinerzeit. Die SPD hat heute vielleicht noch nicht richtig begriffen, dass sie links von der Linken und rechts eben von der Union und nicht zuletzt von der AfD regelrecht in der Erlangung der Deutungshoheit über unser Gemeinwesen belagert, in die Zange genommen wird. Das heißt im Klartext: Entweder muss die SPD die „Schwarzen“ durch Wahlerfolge und programmtisch gut umgesetzte politische Ziele unhörbar machen oder die SPD muss einen scharfen Linkskurs einschlagen, um alle sozial Abgehängten bei sich zu versammeln.
Die AfD ist nur entstanden, weil die Union, vor allem die CDU, an konservativer Substanz deutlich verloren hat. Die heutige CDU, lassen wir das bayrische christliche Original einmal außen vor, ist heute eine quasi FDP-Klientel-Partei derjenigen geworden, die vom bisherigen korporatistischem Verbands/-Syndikatssystems der alten und neuen BRD profitiert haben. Die CDU ist insofern inzwischen eindeutig eine Klientelpartei und keine Volkspartei mehr. Das trifft aber für die SPD aus anderen Gründen ebenso zu.“

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15 Kommentare zu “Lafontaines Sammlungsbewegung ist ein Rohrkrepierer

  1. Ausnahmsweise teile ich die Meinung von Jürgen Malyssek in diesem Punkt nicht. Ich war erschrocken, als ich die Abfuhr des Instituts Solidarische Moderne (ISM) gegen eine linke Sammelbewegung gelesen habe.

    Daher habe ich folgende Mail an das ISM geschickt:

    „Ich habe Eure Politik bisher immer für richtig gefunden und unterstützt, z.B. in meinem Buch „Ist Europa gescheitert?“

    Nun muss ich mit Erschrecken feststellen, dass aus schwer erklärlichen Gründen (persönliche Animositäten?) die Initiative von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine zu einer linken Sammlungsbewegung abgelehnt wird. Es ist m.E. doch zu begrüßen, wenn die beiden, die bisher aus verschiedenen Gründen einer linken Sammlungsbewegung reserviert gegenüberstanden, nun angesichts des Erstarkens der Rechtsparteien (einschließlich der CSU) und des Einknickens der SPD-Führung zu einer erneuten Koalition mit der Union zur Einsicht gelangt sind, dass ein gemeinsames Vorgehen der Linken aus SPD, Linken und Grünen sowie anderen Organisationen und Persönlichkeiten überfällig ist.

    Die Uneinigkeit im linken Lager hat doch in der Weimarer Republik zum Erstarken der Nazis beigetragen. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn Ihr Eure Position überdenken würdet und evtl. in einem gemeinsamen Gespräch mit den Beiden zu einer konstruktiven Lösung finden könntet. Nicht nur ich würde es begrüßen, wenn ein sinnvolles Zusammengehen der linken Kräfte zustande käme, um eine wirksame Gegenbewegung gegen das rechte Lager zu schaffen und so auch wieder eine Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu ermöglichen.“

    Und nach dem Parteitag der SPD, der deutlich gemacht hat, dass immerhin 43 % der Delegierten einer GroKo nicht zugestimmt haben, wird klar, dass eine linke Sammlungsbewegung, die ja nicht gleich zu einer neuen Partei führen muss, dringend notwendig wird, um ein Gegengewicht der Rechten herbeizuführen.

    Und wenn Andrea Nahles meint, sie würde verhandeln, bis es quietscht, ist die Frage berechtigt, warum sie dies nicht bereits früher in der Regierung oder bei den Sondierungsgesprächen getan hat. Aber schon gleich nach dem Parteitag hat sie vor hohen Erwartungen an die Koalition gewarnt. Und die CSU lehnt weitere Zugeständnisse ab, womit es beim Ergebnis der Sondierung bleiben wird, obwohl die CSU nur ein Drittel der Mitglieder und Bundestagsabgeordnete gegenüber der SPD stellt.

    Es ist weiter erfahrungsgemäß zu erwarten, dass die Parteiführung vor der Abstimmung wieder das Koalitionspapier als alternativlos hinstellt und mit den Abstimmungsunterlagen einseitig nur Informationen und Positionen für die Koalition mitsendet, womit eine offene und neutrale Abstimmung nicht gewährleistet ist.

    Diese Fakten werden zu einer weiteren Schwächung der SPD mit Mitgliederverlusten führen, so dass nur eine linke Sammelbewegung für die vielen „Heimatlosen“ eine Perspektive verspricht.

  2. Guten Tag !

    Zunächst einmal widerspreche ich ausdrücklich (und wenig überraschend) der Behauptung, dass Lafontaine und Wagenknecht „Spalter“ sind.
    ALs Lafontaine seinerzeit gegangen ist, hatte Schröder die Partei SPD schon längst durch eine unabgesprochene, durch die seinerzeitige Programmatik nicht gedeckte Politik gespalten, worauf Lafontaine dann seine (falschen) Schlüsse gezogen hat und der Streit in der Linken geht keineswegs immer nur von Frau Wagenknecht aus. Zuletzt hatten Frau Kipping und Herr Riexinger versucht, sich an der Fraktionsführung vorbei Sonderrechte im Bundestag zu sichern, was sich die Fraktionsführung nicht hat gefallen lassen. Es gibt mMn also diese klare Unterscheidung, hier Täter, da Opfer nicht.

    Jetzt aber zum Thema:

    Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, wie die linke Sammlungsbewegung aussehen soll und wer da mitmachen soll.

    Aus dem, was man hört und liest, erscheint es mir eher so zu sein, dass es Lafontaine und Wagenknecht auch gar nicht so sehr um eine „Sammlung“ der bisher bei den (teilweise) linken Parteien eingeschriebenen Mitglieder geht.

    Ich persönlich vermute viel eher, dass die beiden hauptsächlich auf linksinteressierte Bürger, die derzeit entweder gar nicht mehr wählen gehen oder die z.T. auch bei der AFD sind, zielen.

    Vorbild dürfte Melenchon mit seinem La France insoumise sein.

    Wenn man sich diese Bewegung genauer anschaut, dann ist das eine Mischung aus einer im Bereich Wirtschaft, Finanzen und Außenpolitik sehr linken Politik, die deutlich kapitalismus- und auch globalisierungskritisch ist, die aber gleichzeitig was die Themen „Europa“ oder „Flüchtlinge“ angeht eher „national“ ist.

    Wenn der Name nicht in Deutschland verbrannt wäre, würde ich fast von einer „nationalsozialistischen Politik“ sprechen (bitte beide Teile wortwörtlich und nicht historisch verstehen).

    Ich glaube, dass Lafontaine und Wagenknecht in diese Richtung zielen.

    Beide haben sich schon in der Vergangenheit sehr europakritisch (zu Europa in der derzeit konkreten Ausgestaltung) geäußert – auch zum Euro, den beide als eine der Ursachen für die Ungleichheiten im Euroraum ansehen. Darüber lässt sich sicher diskutieren, das macht derzeit aber lediglich die AFD (mit einem allerdings anderen Zungenschlag/Hintergrund).

    Zudem habe beide Politiker sehr große Sympathien für eine restriktive Flüchtlingspolitik gezeigt, weil sie darin eine zusätzliche Konkurrenz für die Abgehängten im eigenen Land sehen, die man denen nicht zumuten kann ohne dass sie sich rechten Rattenfängern zuwenden (auch das wäre diskussionswürdig) und beide (Lafontaine ja schon sehr viel früher) haben daher Sympathien dafür, die Flüchtlinge lieber in heimatnahen Flüchtlingslagern zu versorgen und generell Fluchtursachen zu bekämpfen als die Flüchtlinge hier in Deutschland zu versorgen.

    Diese Ansätze beißen sich natürlich mit dem Internationalismusanspruch, den viele Linke heute pflegen. Auch die Konsequenz aus dem von vielen Linken als ungerecht empfundenen Europa kann nicht unterschiedlicher ausfallen- auf der einen Seite: Mehr und gerechteres Europa auf der anderen Seite eher Rückzug aus Europa, Besinnung auf den Nationalstaat, in dem man leichter für Gerechtigkeit sorgen kann, weil man dort nicht so viele Parameter zu berücksichtigen hat.

    Ich persönlich glaube daher nicht, dass Lafontaine und Wagenknecht eine tatsächliche Sammlungsbewegung der Linken im Sinn haben, sie wollen mMn eine doch sehr andere Linke als wir sie heute haben.

    Können sie damit erfolgreich sein?

    Ich glaube schon. Eine Partei lebt einmal von den Protagonisten. Eine Partei, deren Spitzenleute Lafontaine und Wagenknecht heißen, ist sicher für so manche Talkshow und so manchen Marktplatz eine Attraktion – Aufmerksamkeit, DIE Währung im Politspiel, wäre garantiert.

    Programmpunkte wie „bedingungsloser Antikapitalismus (mit entsprechend radikalen Forderungen z.B. nach einem Umbau des Steuersystems), bedingungslose Globalisierungskritik als weiterer Baustein zur Unterdrückung der „armen Ländern und Menschen“, ein ebenfalls bedingungsloser Antimilitarismus (raus aus der Nato, Verbot von jedwedem Rüstungsexport, Wiederentdeckung einer Entspannungspolitik gegenüber Russland verbunden mit der „alten“ Kritik an den USA aus den Zeiten des NATO Doppelbeschlusses) und das alles garniert mit einer europaskeptischen Grundhaltung („Europa, der undurchschaubare Moloch, ist durch seine neoliberale und militaristische Grundhaltung für viele Probleme auf unserem Kontinent verantwortlich und nutzt nur den Kapitalinteressen, sprich den Unternehmen, während der normale Bürger fast nur Nachteile dadurch erlebt“ (analog der Argumentation gegen die Globalsierung) findet sicher bei vielen Bürgern Gehör und „on top“ noch eine restriktive Ausländerpolitik (Stichwort „Wer sein Gastrecht missbraucht, hat sein Gastrecht verwirkt!“), natürlich verbunden mit einer deutlich erhöhten Entwicklungshilfe, die gemeinsam mit einer durch die Ablehnung der Globalisierung gerechteren Welt zur Fluchtursachbekämpfung beitragen soll, um den ein oder anderen AFD Wähler (zurück) zu holen, könnte schon funktionieren.

    Wozu man wenig hört, wäre das Kapitel „innere Sicherheit“; ich kann mir aber duchaus vorstellen, dass Lafontaine und Wagenknecht da eher in der Bereich „law and order“ gehen würden als z.B. der Polizei kritisch gegenüberzustehen.

    Bitte nicht missverstehen: Das oben sind nicht meine Meinungen oder Ansichten sondern das wären die Programmpunkte, die mMn eine derartige neue linke Bewegung „spielen“ würde, um eine (mMn tatsächlich vorhandene Lücke) im politischen Spektrum auszufüllen. Über den ein oder anderen Punkt könnte man mMn sicher diskutieren.

    Allerdings wäre eine solche Partei/Bewegung eben eher wenig bis gar nicht dazu geeignet, die Linke zusammenzuführen, denn diese neue Partei wäre wegen ihrer (berechtigten oder nicht) Extremforderungen zunächst sicher nicht koalitionsfähig und meiner festen Überzeugung nach würde sie zusätzlich dafür sorgen, dass die bisherige Linke mit den dann dort noch verbleibenden Protagonisten so gut wie keine Chancen hätte, die 5% Hürde deutschlandweit zu überspringen und eher in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würde (auch das werte ich mal nicht sondern würde es für den Fall, dass eine neue linke Partei/eine Sammlungsbewegung mit dem Personal und dem Programm antreten würde, wie oben geschildert, prophezeien, denn ich glaube persönlich, dass eine Frau Kipping oder ein Herr Riexinger grade im Westen lediglich in bestimmten urbanen Millieus erfolgreich sein können, was aber für deutschlandweit 5% eben nicht reichen dürfte).

    In meinen Augen würde eine derartige neue Bewegung, wenn sie denn so agieren würde, wie ich das vorhersagen würde, dann tatsächlich die Linke auf noch längere Sicht mehrheitsunfähig werden lassen. Die Frage wäre natürlich (und die wurde ja auch auf dem Parteitag der SPD gestern gestellt), ob es für eine wirklich linke Politik in diesem Land denn überhaupt eine Mehrheit geben kann (unabhängig von einer neuen Partei), wenn Teile der SPD und der Grünen sowieso eher der bürgerlichen Mitte als einem „linken Spektrum“ zugerechnet werden müssen….aber das wäre dann ja eine andere Frage.

    Einen angenehmen Tag noch

  3. Bei objektiver Beurteilung der politischen Verhältnisse spricht vieles für die Schaffung eines Dachs, unter dem sich kommunistische, sozialistische und sozialdemokratische Parteien und Gruppen des demokratischen Sektors sammeln könnten. Denn die Erzfeinde der Demokratie, das rechtsradikale Milieu, haben so etwas längst vollzogen. Ganz abgesehen von den sich selbst als bürgerlich bezeichnenden Segmenten von CDU/CSU und FDP. Oder von der Agitprop-Truppe der Metallarbeitgeber, der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ mit ihrer aggressiven Verdummungsstrategie.

    Rechts außen arbeiten außerparlamentarische Initiativen wie Querfront, Identitäre und Pegida mit der mittlerweile in vielen Parlamenten vertretenen AfD zusammen und mutmaßlich auch mit der NPD. Den ideologischen Überbau bilden Publikationen wie „Junge Freiheit“ (die eine neue „konservative Revolution“ proklamiert) und „Sezession“ (Antaios Verlag) sowie generell die Verlagsprogramme von Antaios (einschließlich dessen „Instituts für Staatspolitik“), Kopp oder Manuscriptum.

    Eine solche Vernetzung von Initiativen, Parteien und Publizistik kannte man im linken Spektrum bis 1990 vor allem von DKP, SDAJ und VVN, die Zeitungen und Zeitschriften wie „Unsere Zeit“, „Deutsche Volkszeitung“, „Marxistische Blätter“ und „ELAN“, den Musikverlag „PLÄNE“ und das breite Netz der „Kollektiv“-Buchhandlungen unterhielten. Der Partei DIE LINKE ist hingegen die Schaffung einer derartigne Gegenkultur bis heute nicht gelungen.

    Die SPD, die an regionalen und überregionalen Zeitungen wie der FRANKFURTER RUNDSCHAU oder der WESTFÄLISCHEN RUNDSCHAU (Dortmund) beteiligt war, hat ihre verlegerischen Aktivitäten fast auf null reduziert (wenn man von der Parteizeitung VORWÄRTS, der Monatszeitschrift NEUE GESELLSCHAFT/FRANKFURTER HEFTE und dem Verlag J.H.W. DIETZ Nachfolger absieht). Mit der „Friedrich-Ebert-Gesellschaft“ versucht sie regelmäßig, sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzuklinken, erreicht darüber aber eher Minderheiten und deutlich zu wenig Multiplikatoren. Der Deutsche Gewerkschafts-Bund hat seine Wochenzeitung „Welt der Arbeit“ 1990 eingestellt und sich auch aus der kulturell hoch engagierten „Büchergilde Gutenberg“ zurückgezogen. Lediglich mit dem Bund-Verlag verfügt er über einen Fachverlag für Arbeits- und Sozialrecht. Eine Kultur für Werktätige sieht anders aus.

    Angesichts dieser Zerklüftung des linken und sozialdemokratischen Politik- und Kulturterrains ist die Analyse von Oskar Lafontaine und dessen Forderung nach einer umfassenden und überparteilichen linken Sammlungsbewegung nachvollziehbar. Dass diese auch seiner persönlichen Eitelkeit entspringt, ist zu vermuten. Ähnliches darf man bei Sarah Wagenknecht annehmen. Aber nur weil zwei Exoten (oder Unberechenbare) für neue Wege plädieren, müssen diese noch nicht falsch sein.
    Eigentlich hätte ich erwartet, dass solche Ideen längst von prominenten Linken (z.B. Christoph Butterwegge) und kaltgestellten linken Sozialdemokraten (z.B. Andrea Ypsilanti) propagiert und umgesetzt worden wären. Denn ein progressiv-linkes Bündnis tut in Zeiten des Neoliberalismus not. Der bevorstehende 5. Mai (200. Geburtstag von Karl Marx) eignete sich gut für eine Gründung.

  4. Wenn so eine Initiative aus der Partei der Linken kommt ist das schon fast lustig. Diese Leute sollen sich doch zuerst einmal selbst sammeln, dann können sie andere auffordern sich anzuschließen. Diese Partei gibt es doch nur weil es eine 5% Hürde gibt.

  5. Vertrauen ist wahrscheinlich das wichtigste Element im Geschäftsleben. Das gilt wahrscheinlich noch mehr für die Politik. Vertrauen bringt man dem entgegen, der Ankündigungen umsetzt und Vereinbarungen einhält. Andersherum verliert jemand seine Vertrauenswürdigkeit, wenn vergangenes Handeln Zweifel an seiner Reputation aufkommen lässt. Soweit zum Vertrauen in aller Kürze. Die SPD befindet sich seit Jahren in einer wachsenden Vertrauenskrise – die Wähler laufen der Partei massenhaft davon. Dazu auch die Mitglieder. Auf dem Sonderparteitag zeigte sich aktuell im Abstimmungsergebnis ein tiefer Riss in der Partei. Zahlreiche Delegierte scheinen offenkundig Martin Schulz, Andrea Nahles und den Granden der SPD nicht mehr zu trauen, bei einer Neuauflage der Großen Koalition mehr zu sein als der notwendige Platzhalter für Angela Merkel und einem weiter so in Sachen Austerität, „schwarzer Null“ und einer Steuerpolitik zugunsten von Dax-Konzernen und Vermögenden. Gewiss ist das eine Verkürzung, aber nur eine geringe, wenn man den Wahlkampf der Partei zur Bundestagswahl 2017 und die Ergebnisse der Sondierungsgespräche genauer betrachtet.

    (…)*

    Ja, es gäbe viel zu tun, doch die frühere Volkspartei SPD hat sich auf dem Sonderparteitag endgültig entschlossen, zum Bonsai zu werden. Man muss Mitglieder wie Kevin Kühnert bedauern. Jeder Satz von ihm hatte mehr Substanz als die Rede von Schulz und das Getöse von Nahles zusammen. Aber es ändert nichts am selbst gewählten Weg der Mehrheit. Der Wunsch nach Gerechtigkeit, nach Brüderlichkeit, nach einem Ende der Ungleichheit besteht indes bei vielen Menschen – vermutlich der Mehrheit – weiter, daher ist mit der Miniaturisierung der Sozialdemokratie eine Initiative hin zu einer linken Sammlungsbewegung ein sinnvoller Schritt. Die Themen sind da, sie müssen nur besetzt und in vielfältiger Form belebt werden. Kunst, Internet, Literatur, Theater, Wissenschaft, Vereine, Zeitschriften und Diskussionsforen könnten in einem Umfeld kritischer Bürger einen Neuanfang markieren. Nicht vergessen, es gibt eine Mehrheit in der Bevölkerung gegen Kriegseinsätze, eine Mehrheit für gute öffentliche Renten und ein paritätisch finanziertes Gesundheitswesen. Eine Mehrheit findet den jämmerlichen Mindestlohn nicht gerecht, und fordert Steuergerechtigkeit.

    Aber wie sollen diese Themen in eine Bewegung einfließen? Das wird sich finden, vermutlich aber ohne die älteste Partei Deutschlands. Und ich sage leider. Dass die Initiative von Lafontaine und Wagenknecht ausgeht, wundert mich nicht. Beide haben in der Medienlandschaft Gewicht und werden gehört. Das ist gut.

    Wie die Entwicklung aussehen soll, fragt A.H.? Darüber wird sicher gestritten. Parallel zu bestehenden Organisationen, Parteien und mit ihnen möglicherweise. Vielfalt und Meinungsunterschiede sind da eher nützlich und bieten Perspektiven, die vielleicht mehr Menschen ermutigen, als es die Parteien derzeit können. Der letzte Punkt bestätigt sich in der großen Zahl der Nichtwähler – sie bilden immerhin die zweitgrößte Gruppe unter den Wählern – und scheinen von den Parteien nichts (mehr) zu erwarten.

    (…): Passage in einen anderen Thread verschoben, da nicht zum Thema, das hier Lafontaines Sammlungsbewegung ist.
    Gruß, Bronski

  6. Einen Sack Flöhe zu hüten, wird einfacher sein als überzeugte Linke in einer Partei zu vereinen (es sei denn, man übte äußeren Druck aus wie die Sowjets bei der Gründung der SED 1946). Die Gründe dafür liegen weniger bis gar nicht in der persönlichen Eitelkeit der tonangebenden Politiker, selbst wenn man bei Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht mit gutem Grund anderer Meinung sein könnte.

    Vielmehr ist es die Komplexität dessen, was pauschal als linke/sozialistische/kommunistische Weltanschauung bezeichnet wird. Karl Marx war ein Philosoph, dessen intellektuelle Bandbreite sich zwischen der klassischen deutschen Philosophie (vor allem der Hegelschen), den utopischen Sozialisten Frankreichs (Saint-Simon, Fourier) und der englischen Nationalökonomie (Ricardo, Smith) bewegte. Selbst die in vergleichsweise verständlicher Sprache geschriebenen erklärenden Abhandlungen von Friedrich Engels haben das Verstehen nicht wirklich erleichtert. So hat nahezu jeder theoretische Ansatz im Laufe der Jahre eine sehr unterschiedliche und gegensätzliche Rezeption ausgelöst. Anarchisten, Bolschewisten, die katholische Soziallehre, religiöse Sozialisten und nicht zuletzt die Frankfurter Schule stehen auf den Schultern von Karl Marx.

    Trotz mancher Unterschiede gibt es eine Vielzahl gemeinsamer Grundüberzeugungen. Auf diesen könnte sich möglicherweise ein Bündnis gründen lassen, aber vermutlich keine gemeinsame Partei, was aus den oben genannten Gründen auch gar nicht versucht werden sollte.

    Ganz abgesehen davon, dass mindestens die Sozialdemokraten ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben würden, obwohl die SPD aus dem Allgemeinen deutschen Arbeiterverein und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands hervorgegangen ist, die beide eindeutig marxistisch geprägt waren, was vom Gothaer Vereinigungsparteitag 1875 bis zum Godesberger Programm von 1959 in vielen Punkten, wenn auch mit abnehmender Tendenz, auch für die SPD galt.

    Von der SPD spalteten sich im Laufe ihrer langen Geschichte dreimal linke Flügel ab. 1917 wollten radikale Sozialisten die Kriegsbegeisterung ihrer Partei nicht länger hinnehmen und gründeten die USPD, was schließlich zur Bildung der KPD führte. 1979/80 gelang es der Partei nicht, die Zweifel an der Atomenergie zu ihrer Sache zu machen, worauf Lebens- und Umweltschützer in Richtung Grüne auszogen. Und schließlich im Jahre 2004 veranlasste Schröders Agenda einen nennenswerten Teil der Arbeitnehmerschaft dazu, die Wählerinitiative WASG zu gründen, die später zusammen mit der PDS in der Linken aufging. Abspaltungen lassen sich offensichtlich nur durch einen demokratischen Dialog stoppen, auch wenn dadurch bei Außenstehenden der Eindruck von innerer Zerstrittenheit entstehen kann. Spalter sind das Salz in der Suppe der Parteiendemokratie. Die SPD hat diese Binsenweisheit zu häufig in den Wind geschlagen. Ihren Mitgliedern verordnete sie darüber hinaus jahrzehntelang ein Kooperationsverbot mit Kommunisten und als kommunistisch geltenden Gruppen.

    So war in der Mitte der 1970er Jahre, also nach dem Rücktritt Willy Brandts und unter der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt, die interne Diskussion in weiten Teilen der Partei von der Stamokap-Frage bestimmt. Stamokap bedeutet „Staatsmonopolistischer Kapitalismus“ und meint die Verschmelzung des Staates mit der Wirtschaft, vor allem mit den tonangebenden Monopolen, welche Parlament und Regierung und nicht selten auch die richterliche Gewalt instrumentalisieren. Die Landesverbände der Jungsozialisten in Hamburg und Berlin hatten bereits 1972 Strategiepapiere verabschiedet, in denen sie die Stamokap-Theorie zur Grundlage ihrer politischen Arbeit machten. Im Bundesvorstand der Jungsozialisten sorgte das jahrelang für heftige Diskussionen. 1977 wurde Klaus Uwe Benneter Vorsitzender der Jusos. Als Anhänger der Stamokap-Theorie trat er für breite „antimonopolistische Bündnisse“ ein, was auch die Zusammenarbeit mit der DKP einschloss. Benneter wurde daraufhin aus der SPD ausgeschlossen. Einige Jahre später wurde er auf Druck seines Freundes Gerhard Schröder wieder aufgenommen und avancierte sogar für einige Zeit zum Generalsekretär der Partei.

    Angesichts dieser Wirkungsgeschichte wäre es völlig unrealistisch, auf Anstöße aus der SPD zu warten. Die Initiative zur Bildung eines linken Bündnisses muss von anderen kommen. Deswegen erscheint die Initiative von Oskar Lafontaine durchaus als eine konsequente, aus der historischen Erfahrung ableitbare Forderung. Dass die Linke selbst sehr heterogen zusammengesetzt ist, muss kein Nachteil sein. Vielmehr beunruhigt mich das intellektuelle Mittelmaß, das zu häufig zum Vorschein kommt. Gleiches gilt übrigens auch für die SPD. Man ist eben doch Fleisch vom selben Fleische, auch im Negativen, auch in den Irrtümern.
    Dennoch ist es höchste Zeit, dass das linke Spektrum die Deutungshoheit über die sozialen Fragen zurückgewinnt.

  7. «Einen Sack Flöhe zu hüten, wird einfacher sein als überzeugte Linke in einer Partei zu vereinen,…“ (Klaus Philipp Mertens)
    Besonders schwierig wird es, wenn jeder der Flöhe von sich behauptet im Besitz der Wahrheit zu sein, weil er ein Buch gelesen hat oder auch nur deshalb, weil er einen kennt, der das Buch mal gesehen hat.

  8. Mich stört, wie seitens der FR konsequent und kontinuierlich über die Linken Lafontaine und Wagenknecht hergezogen wird. Das erscheint mir als immer noch aktiven und unverdauten Reflex auf den Abgang Lafontaines aus dem Schröderschen Kabinett anno 1999 – wofür ich angesichts des Schröderschen Rechtsschwenks übrigens großes Verständnis habe!
    Warum also muss die Idee einer linken Sammlungsbewegung spalterisch sein?
    Es gibt so viele aktive Linke Gruppierungen hierzulande, von denen viele tolle Sachen machen (Attack, Nachdenkseiten, pro Asyl, linke SPDler, linke Gewerkschafter, die Linke, Teile der Grünen, Teile der Kirchen, der Antiatombewegung….etc. etc.). Die tun sich ja schon zeitweise zusammen für bestimmte Aktivitäten. Mehr davon, kontinuierlicher wäre wunderbar. Das muss auf keinen Fall eine neue Partei sein! Das wäre doch gleich wieder ein bestimmtes und enges Korsett. Jedenfalls bin ich gespannt und neugierig, ob und wie diese Idee konkretisiert wird – wenn sie nicht gleich wieder untergeht infolge der Häme, die darüber ausgekippt wird.

  9. Die Idee von Klaus Phipp Mertens der Deutungshoheit über die sozialen Fragen durch das linke Spektrum teile ich unbedingt. Ich sehe nur eine längere Zeitentwicklung und in Lafontaine und Ehefrau Wagenknecht nicht die geeigneten Initiatoren.

  10. @ Barbara Eilers

    Es ist keine Häme gegen Lafontaine und Wagenknecht. Es ist eine Kritik an ihrer autoritären Vorgehensweise und der Schädigung der eigenen Partei, zu einem Zeitpunkt, die einer ganz anderen Weise der Konsolidierung und Einheit bedarf, um politisch wirkungsvoll zu sein.
    Die andere Seite ist die einer außerparlamentarischen Bewegung.

  11. Die heutige Sozialdemokratie ist die Fleisch gewordene Unterwerfung unter einem durch Leitmedien mitbestimmten Diskurs, der „Reformen“ anmahnt, den „Sozialstaat“ für nicht mehr finanzierbar und Austerität für Wirtschaftspolitik hält. Danach sind Konjunkturprogramme nur „Strohfeuer“ und Lohnmoderation zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit fortwährend geboten. So ist auch „Freihandel“ unter allen Umständen richtig, und sein Gegenteil heißt in jedem Fall „Abschottung“, wie heute auf ersten Seite der FR vermittelt wird. Sobald irgendwo weltweit auch nur Fragen zur noch niedrigeren Besteuerung von Unternehmen aufkommen, hören wir gleich, das muss auch in Deutschland laufen. Denn es geht ja um Arbeitsplätze. So, als würden niedrige Steuern von Unternehmen zwingend zu einer Nachfrageerhöhung führen, die eine Ausweitung der Produktion nach sich zieht. Niemand in der SPD spricht laut darüber, dass dies schlicht andere Löhne voraussetzt. Wird in der SPD darüber gestritten? Oder über die Regulierung des nach wie vor außer Rand und Band befindlichen Finanzmarktes?

    Der Tellerrand, über den man nicht mehr schaut, ist zum Universum aller Gewissheiten der SPD geworden, jenseits davon kann man offensichtlich nicht mehr diskutieren. Dass die Sozialdemokratie sich hat einhegen lassen von der Medienmacht weniger Familien und ihrer Leitartikler, von Think-Tanks wie Bertelsmann und Polit-Spins dokumentierte bereits Gerhard Schröder mit seiner Äußerung, zum Regieren benötige man „Bild und Glotze“. Es markierte das Ende selbstgewählter Vorstellungen und Strategien einer Partei, die früher einmal als „Programmpartei“ bezeichnet wurde, jetzt aber offenbar Regierungspartei um fast jeden Preis sein möchte. Dirigiert vom Agenda-Planer Steinmeier in seiner neuen Präsidentenrolle.

    Aber wie kann linke Politik, die so dringend benötigt wird, aus der Bedeutungslosigkeit herausfinden, wenn die Spitze der Sozialdemokratie sich an Regierungsverantwortung auf neoliberaler Grundlage berauscht und sich einem weiter gehenden Diskurs jenseits des eigenen Tellerrands verweigert? Meiner Meinung nach bedarf es hierzu einer Repolitisierung der Bürger jenseits der von Talkshows, Expertenrunden, Leitartiklern und „Glotze“ festgezurrten Debatten, die weitgehend bestimmen, welche Sprachregelungen gelten, welche Sichtweisen zulässig sind und wo das Tabu beginnt. Solche Impulse können kaum von Parteien erwartet werden, zu sehr werden Wählbarkeit, die aktuelle Stimmung, die vorherrschende Meinung und die Fragestellung jeden öffentlichen Auftritt prägen.

    Eine linke Bewegung hätte es wesentlich leichter, z. B. Fragen nach der Plausibilität wirtschaftspolitischer Standpunkte zu stellen. Gleiches gilt für Auslandseinsätze der Bundeswehr, für die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union, für Freihandelsabkommen, Privatisierungen öffentlicher Güter, Globalisierung und Vieles mehr. Es bedarf vieler Aktivitäten, um in bedeutsamen politischen Themenfeldern endlich Boden zu gewinnen und unreflektierten Sprachregelungen des Mainstream fundierte Positionen entgegenzusetzen. Eine Sammlungsbewegung wird in Deutschland in kurzer Zeit nicht die Erfolge von Podemos oder der Fünf-Sterne-Bewegung erreichen, dafür sind die Voraussetzungen zu unterschiedlich, aber ein breiteres Fundament für eine offenere Diskussion über die genannten Fragen könnten auch einen Schub auslösen für mehr Experimentierfreude und Mut der Sozialdemokratie, die sich mit ihrer Agenda-Politik unter dem Beifall von CDU/CSU, FDP und Grünen selbst eingemauert hat und heute mit nur noch der Hälfte der Wähler bei weiter sinkenden Umfragewerten kaum noch Volkspartei genannt werden kann. Mittelfristig fehlt jede Option in Deutschland für soziale Politik, die diesen Namen verdient, das sollte allen zu denken geben.

  12. @ Wolfgang Geuer: und deshalb halte ich es fürfalsch, die Idee von Wagenknecht und Lafontaine einfach deshalb, weil sie von ihnen kommt, in den Müll zu werfen. Irgendwie sind die beiden zu beliebten Punchingballs geworden -aus unterschiedlichen Gründen -aber oft ohne weitere Begründung. Da darf ein Herr von Sternburg am 20.01. einfach so unbewiesen in den Raum werfen, Lafontaine habe damals 1999 aus „Neid und Eifersucht“ hingeschmissen. Wagenknecht wird immer wieder rechte AFD-nahe Gesinnung und neuerdings von Nadja Erb am 23.01.zur Metoo-Debatte „Die Ignoranz der Frauen“. Sie ist nicht die Einzige, die versucht, nicht allzu sehr in die Opferhaltung zu verfallen, sondern auch Mut zum Widerstand zu entwickeln. Ich wundere mich über diese Reflexe, die mir allzu emotional und allzu wenig reflektiert erscheinen.5

  13. @ Barbara Eilers

    Insbesondere Lafontaine gilt den Leitmedien als Hauptfeind Nummer 1 in der politischen Szene. Ich kann mich u. a. im Spiegel seit 2000 an keinen auch nur positiv gefärbten Artikel zu Lafontaine erinnern. Entweder war er der ehemalige Sonnenkönig des Saarlandes, der „gefährlichste Mann Europas“ oder einfach ein Träumer. Und unzuverlässig sowieso. Nie gab es über Politiker der ersten Reihe aus anderen Parteien vergleichbare Tendenzen in der Presselandschaft. Sei es drum…

    Selbstverständlich ist die Idee einer linken Sammlungsbewegung von Lafontaine und Wagenknecht angesichts einer weiter schrumpfenden SPD richtig, um zumindest mittelfristig Optionen für eine linke Politik zu erreichen. Da beide trotz aller Anfeindungen in der Presse gehört werden, kann ich ihre Initiative nur begrüßen.

  14. Lafontaine und Wagenknecht sind Mitglieder und Akteure der LINKEN. Warum stärken sie nicht die eigene Partei? Warum wirft man sich nicht da genau so für eine Fortentwicklung linker Politik in die Wagschale, wie es anscheinend nur um die Rettung der SPD geht?
    Wieso ist Wagenknecht außerhalb der eigenen Partei fast beliebter als in den eigenen Reihen? Warum empfindet die LINKE Lafontaine als Quertreiber und Alleinunterhalter?
    Seine alten Verdienste, die die Gründung der Linken zusammen mit Gysi möglich machte, sind unbestritten. Aber auch er hat einen guten Moment verpasst, den neuen Kräften die weiteren Entwicklungen zu überlassen. Fragen Sie mal die Leute im Saarland, die dort politisch interessiert und sehr nah dran sind?
    Die Reflexe gegenüber Wagenknecht sind keineswegs bloß emotional, sondern rational begründet. Damit unterstelle ich ihr überhaupt nicht oder auch nur annähernd eine AfD-Gesinnung.
    Aber sie ist mit ihren missverständlichen Aussagen mitverantwortlich für die entstandenen Rivalitäten in den Führungsreihen der Linken, für eine Menge Irritationen. Hinzu kommt das autoritär empfundene Vorsprechen von Lafontaine-Wagenknecht mit der Sammlungs-Idee.

  15. @ Jürgen Malyssek:
    „Die Linke“ ist eine kleine Partei, die von überzeugten und/oder teils gut informierten Bürgern gewählt wird (könnte so bei Wikipedia stehen). Aus der Sicht der Wähler anderer Parteien erscheint das Programm der Linken jedoch kurz gesagt „extrem“. Die Politiker der Linken sind daher im Grunde dauernd in der Defensive, weil sie außerhalb des mittenorientierten Meinungsspektrums stehen oder anders gesagt, den Rahmen des bundesweit kommunizierten politischen Spektrums verlassen. Die Frankfurter Rundschau liefert hierfür heute ein geeignetes Beispiel, um die Folgen zu erläutern. Auf der ersten Seite die Schlagzeile „Arbeitsmarkt bessert sich weiter“, schon kleiner darunter „Experten streiten…“. Auf Seite 2 und 3 dann eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Positionen von Bontrup (Westfälische Hochschule) und Schäfer (Institut der Deutschen Wirtschaft). Es fehlt z.B. der Hinweis, dass die Arbeitgeberseite das Institut der Deutschen Wirtschaft finanziert, um u. a. PR-Arbeit für die wirtschaftspolitischen Positionen der Arbeitgeber zu machen.

    Dass Experten streiten, kennt jeder; dass am Ende womöglich die Schlagzeile der ersten Seite im Gedächtnis bleibt, ist ebenfalls kein Zufall, weil oft Artikel nicht gründlich gelesen werden. Und das der Jubel über die Rekorde des Arbeitsmarktes auf der Seite 2 den Interessen der Arbeitgeber weitaus mehr entspricht als den prekär Beschäftigten, geht vollkommen unter. Dass gerade bei solchen Themen Interessengegensätze die Interpretation der vorgelegten Zahlen beeinflussen, sowieso. Wenn wir zum gleichen Thema den Blätterwald in Deutschland insgesamt betrachten, wird der Jubel über die angeblichen „Rekorde“ des Arbeitsmarktes kritische Stimmen bei weitem überwiegen. Das geht weiter in den Fernsehsendern und trifft auf den Einzelnen, der sich irgendwie seinen Reim machen muss…

    Was ich damit sagen will, für viele Bürger ist Politik und noch mehr Wirtschaftspolitik nur noch nervig. Sie winken ab und haben längst das Interesse an Einmischung in die Politik verloren. Da helfen keine Analysen, so richtig sie sein mögen, weil sie auf einen ausgetrockneten Boden treffen. Sich Auseinandersetzen? Interesse an Politik? Meist nur, wenn der Anstoß aus dem direkten Umfeld kommt und im Alltag erlebbar Wirkung erzielt. Das kann aber die Linke angesichts ihrer personellen, organisatorischen und strukturellen Schwäche nicht leisten. Kleine Initiativen vor Ort, Bürgerbegehren um Verbesserungen in der Region, Vereine und Freizeitgruppen bieten Möglichkeiten, an denen angesetzt werden kann, um Bewegung zu erreichen und Menschen mitzunehmen. Damit sind wir bei einer Sammlungsbewegung, die Lafontaine und Wagenknecht vermutlich meinen. Zum Schaden der Linken ist das nicht, sie wird vielmehr mittelfristig aus einer wachsenden kritischen Bevölkerung Nutzen ziehen können. Wenn sie Bedenken dagegen haben, sollten sie diese genauer erläutern.

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