Sechs Richtige zum Schnäppchenpreis

Darf’s auch mal wieder ein lokales Thema sein? Frankfurt hat ja jetzt seine wunderbare „neue Altstadt“. Obwohl dort die ersten Geschäfte gleich wieder zugemacht haben und obwohl die Befürchtungen sich bewahrheitet haben, dass die „neue Altstadt“ nach Dienstschluss, wenn die Touristen weg sind, zur toten Neustadt wird, ist sie zweifellos ein Hingucker und treibt ordentlich Wasser auf die Mühlen derer, die am liebsten das alte Frankfurt komplett rekonstruieren würden. Das zeigte sich jetzt auch in der Debatte um die Frage, was mit Oper und Schauspiel am Willy-Brandt-Platz passieren soll. Der aktuelle Bau ist sanierungsbedürftig.

SchauspielhausZu den bekannten Optionen 1. Sanieren, 2. Abreißen und Neubauen oder 2a. Abreißen und an verschiedene Orte verlagern; 3. Frankfurt gleich mit abreißen; 4. den Kopf in den Sand setcken – kommt jetzt eine fünfte Option: das alte Schauspielhaus rekonstruieren. Es ist 1902 fertiggestellt worden, wurde 1944 teilweise zerstört und beim Neubau des heutigen Hauses teilweise abgetragen; aber es ist noch Originalbausubstanz da. Über das Bauwerk (rechts eine zeitgenössische Postkarte, Quelle: Wikicommons) ist bei Wikipedia zu lesen, dass es sich um eine „der größten und bedeutendsten Jugendstil-Bauten Frankfurts“ gehandelt habe. Was auch immer das heißt. Über architektonischen und/oder künstlerischen Wert ist damit offenkundig nichts gesagt. Das macht stutzig. Klingt eigentlich eher so, als ob das ein Bau war, wie er typisch für Frankfurt wäre: Darf’s ein bisschen protzig sein?

Nun hat Frankfurt allerdings auch gute Erfahrungen mit der Rekonstruktion historischer Gebäude gemacht. Die Alte Oper prägt den heutigen Opernplatz dank einiger guter stadtplanerischer Ideen als attraktiven Ort in der Stadt. Solche Ideen wären nun auch dringend für den Willy-Brandt-Platz nötig. Dafür bräuchte es ein Gesamtkonzept. Dabei geht es nicht ums Geld allein. Die Rekonstruktion soll angeblich nur 139 Millionen Euro kosten, behaupten die Protagonisten der Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus, einer Initiative von Frankfurter BürgerInnen, die derzeit darauf hinwirken, ihre AG als Verein eintragen zu lassen. Sie werben für ein Konzept, bei dem am Willy-Brandt-Platz auch „hochwertige Wohnungen, ein Hotel, ein Café und Büros“ entstehen sollen. Die Gesamtkosten belaufen sich nach deren Rechnung auf 420 Millionen Euro. Das wäre auf jeden Fall deutlich günstiger als die 848 bzw 888 Millionen Euro, die im Jahr 2017 von einer Planungsgesellschaft für Sanierung des bestehenden Baus bzw. Neubau als Theater-Doppelanlage am jetzigen Ort errechnet worden sind. Aber in diesen 420 Millionen ist der Neubau für die Oper nicht enthalten. Für die AG Schauspielhaus geht es nur um dieses. Selbst wenn es die Stadt tatsächlich nur 139 Millionen kosten würde, wäre die Frage nach dem Standort und Bau des Neuen Opernhauses, das dennoch nötig bleibt, weiterhin völlig unklar, von den Kosten ganz abgesehen.

Aber sollte die Debatte nicht auf einem Niveau geführt werden, das dem künstlerischen Rang der Frankfurter Oper gerecht wird? Denn dieser Rang ist, man darf es laut sagen, von Weltruf. Sie hätte ein Haus verdient, welches das Stadtbild prägt und jedem Betrachter auf den ersten Blick zu erkennen gibt: Hier ist Kultur von Weltrang zu Hause. Nun ist das mit der Prägung des Stadtbildes in einer Stadt mit so vielen Wolkenkratzern natürlich leicht gesagt. Wie will man da einen städtebaulichen Akzent setzen, der vielleicht dennoch so etwas wie Wahrzeichen-Charakter hätte? Es muss ja nicht gleich eine Oper wie in Sidney sein, die inzwischen fast genauso gern in Hollyood-Blockbustern zertrümmert wird wie Manhattan. Und es muss auch nicht gleich so etwas sein wie die Elbphilharmonie, obwohl sie unbestritten bereits jetzt Wahrzeichen-Charakter für die Hansestadt Hamburg hat. Aber ein bisschen mehr Fantasie, liebe Frankfurterinnen und Frankfurter, dürfte es dennoch sein.

Disneyland hat Frankfurt durch die „neue Altstadt“ jetzt genug. Weitere historisierende Bauwerke werden nicht benötigt. Wenn Frankfurt eine Oper von Weltrang hat, dann darf auch das Haus, in dem sie sich manifestiert, von Weltrang sein. Warum redet niemand über große, kunstvolle Architektur? Was soll die Kleinkrämerei? Warum redet im Zusammenhang mit der Frankfurter Oper niemand von Kunst? Will sich Frankfurt international zum Gespött machen?

Balken 4Leserbriefe

Gerhard Schwartz aus Frankfurt:

„Eine „Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus“ hat dieser Tage einen ziemlich grotesken Vorschlag zur Umgestaltung des derzeit von Schauspielhaus und Oper gemeinsam genutzten Grundstücks gemacht. Darin wird die Rekonstruktion eines kitschigen Theaterprunkbaus aus der Kaiserzeit vorgeschlagen, der sicher nicht in das Frankfurt des 21. Jahrhunderts passt. Die Oper hingegen soll aus dem bewährten und auch kostensparenden Doppelnutzungskonzept herausgebrochen und irgendwohin davongejagt werden. Der bestehende Bau mit seiner architektonisch wertvollen Nordfassade soll komplett abgerissen werden. Dafür wird auch noch ein Super-Schnäppchenpreis suggeriert, der einer seriösen Gesamtkostenrechnung wohl kaum standhalten kann.
Frankfurt hat Besseres verdient. Das Gelände von Schauspielhaus und Oper ist ein Filetstück in der Stadtmitte, welches bisher leider nur unzulänglich genutzt wird. Abgesehen von den abendlichen Vorstellungen für eine gehobene, aber kleine Minderheit ist dort wenig Leben, das Areal wirkt öde und trennt die benachbarten Quartiere eher voneinander, anstatt sie zu verbinden. Schauspiel und Oper sollten dort verbleiben, aber es muss noch mehr dazukommen damit aus dem Areal auch tagsüber ein attraktiver Kernpunkt städtischen Lebens wird.
Das Ganze muss auch finanziert werden. Die öffentlichen Mittel sind knapp. Das wird also nur mit der Hilfe privater Investoren gehen, die das Gelände sicher auch gern kommerziell nutzen würden. Dieses scheinbare Dilemma lässt sich beheben, wenn man die Fläche doppelt nutzt. Hierzu wäre zunächst auf einem Stahlgerüst eine „Frankfurter Plattform“ aufzubauen, die öffentlich zugänglich ist und auch Touristen anziehen wird. Auf dieser Plattform sollte dann in luftiger Höhe das neue Schauspielhaus und die neue Oper errichtet werden, am besten dazu auch noch ein Kongresszentrum, mit gemeinsamer Infrastruktur die dann optimal genutzt werden kann. Gastronomie, Kleinkunst und Unterhaltung sollten auf dieser Plattform ebenfalls Platz finden und für Leben sorgen.
Nach dem Umzug von Schauspiel und Oper in die „obere Etage“ kann dann das unter der Plattform liegende Areal unter Einbeziehung der bestehenden Nordfassade neu gestaltet werden – für eine großzügige Shopping Mall mit Gastronomie, Hotel, gehobener Unterhaltung etc. werden sich wohl Investoren finden. Es entsteht dann eine attraktive Verbindungsachse von der Stadtmitte zum Main und weiter nach Sachsenhausen, die heutige Ödnis wird überwunden. Frankfurt hätte dazu einen wichtigen städtebaulichen Akzent gesetzt der auch international Beachtung finden wird, die Skyline wird unverwechselbar.
Und diejenigen, welche die Oper gerne in den Osthafen verlagern würden – weil da wohl ein bestimmtes Areal lukrativ genutzt werden soll – mögen ein wenig Fantasie aufbringen. Frankfurt könnte auch noch ein kommerzielles Musicaltheater gebrauchen …“

Karl-Heinz Schledorn aus Kleinostheim:

„Für die Stadt Frankfurt am Main wäre diese Konstellation wie „sechs Richtige im Lotto“! Es würde der lange Tradition dieser Stadt abermals gerecht werden, das Bürgerinitiativen Nachhaltiges schaffen. Man würde eine Stadtreparatur an einer exponierten Stelle bekommen. In der zentralen Stadt würde durch Wohnungen zusätzliches Leben einziehen. Der Tourismus hätte eine weitere städtebauliche Perle zu besichtigen. Die aufzubringenden Kosten wären für die Stadt überschaubarer als ein kompletter Neubau. Das Schauspiel hätte der Tradition verbunden wieder ihren eigenen Platz! Ja und als Zusatzzahl würde Frankfurt weiter an Image gewinnen!
Ich höre schon wieder die „Moderndenker“, diejenigen die dieses „Nostalgiedenken“ als altmodisch und antiquiert belächeln! Ja, so wie damals beim Aufkommen der historischen Altstadtbebauung. Aus jenen kritischen Denker damals sind viele heute begeisternde Altstadtbummler geworden. Die Besucherinnen und Besucher dieser Stadt wünschen sich zu all dem tollen „Neuen“ auch „Geschichte“. Auch wenn sie „Neu“ an „Alt“ erinnert, so wie es einmal war!
Ich kann aus dem fernen Kleinostheim der Stadt nur wünschen, weiter in ihre geschichtliche Identität zu investieren! Diese Stadt braucht auch erlebbare Geschichte.“

Hans-Roman Kitterer aus Aalen:

„Als Ortsfremder ist mir das Frankfurter Stadtzentrum mit seiner einzigartigen Vielfalt doch sehr gut bekannt — sooft ich mich privat oder beruflich hier aufhalte, erkunde ich die Strassen und Plätze, nehme am kulturellen Leben teil und besuche die reichhaltige Gastronomie. Ein Erlebnis war es, die Stadt per pedes zu umrunden und die Wallanlagen mit ihren baulichen Kleinoden, Parks und dem Nebeneinander aus alt und neu zu entdecken. Frankfurt muss man mit offenen Augen sehen, es erforschen, und den genialen Gestaltungen der vormaligen Stadtplaner und Architekten auf die Spur kommen. Und dann erfährt man, dass hinter der Fassade des Nachkriegs-Opernhauses, das man schon des Öfteren besucht hat, reichliche Reste einer historistischen Perle verborgen sind. Ein Bau, ein Ensemble, das auf den alten Fotos und den jetzt erschienenen virtuellen Rekonstruktionen genau den Geist, den Flair, die kulturelle und weltoffene Identität atmet, welche die Stadt früher wie jetzt prägen, jeweils auf die Art und Weise der jeweiligen Zeit. Die Stadt hat das Recht, ja sich selbst gegenüber auch die Pflicht, etwas von dem zur Schau zu stellen, was sie einstmals üppig ausmachte, und von dem noch Manches erhalten oder wiedererstanden ist, an prägenden Punkten im Stadtbild. Mir fiel sofort auf: das alte Schauspielhaus ist das ideale Pendant zur Alten Oper, die auch dramatisch zerstört war, die aber durch den Willen der Bevölkerung wieder zu einem lebendigen Mittelpunkt, ja zu einem architektonischen und touristischen Highlight wurde. Frankfurt kann sich zum jetzigen Zeitpunkt glücklich schätzen, dass sich eine mutmasslich grosse Substanz auch des alten Schauspielhauses im Kern erhalten hat, die einer Wiedergeburt dieses auch ästhetisch sehr gelungenen historistischen Paradebeispiels dienen könnte, wobei daraus ein erweiterter „Wiederaufbau“ und eben keine komplette Rekonstruktion aus dem Nichts resultieren würde — was manche Kritiker des Letzteren, differenziert betrachtet, vielleicht gnädiger stimmen könnte. Und natürlich muss in diese schöne Hülle Leben hinein, eben gerade das, was sowieso neu gedacht und „umgebaut“ werden müsste: das Schauspiel in neuem „altem“ Gewand, sodass das Gebäude aussen wie innen ein kultureller Ort werden würde, der die Schönen Künste (in diesem Fall dann wohl das Sprechtheater) lebt und feiert. Es wäre den Bürgern der Stadt und den vielen Besuchern gleichermassen zu wünschen, wenn ein gemeinsames Anliegen heranreifen würde, welches Viele mitnimmt und begeistert. Diverse Beispiele in anderen Städten und Frankfurt selbst zeigen, das Wiederaufbaumassnahmen auch in modern geprägten Lebensumfeldern Menschen begeistern und Stadtbilder bereichern können.“

Diskussion: frblog.de/schauspielhaus

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8 Kommentare zu “Sechs Richtige zum Schnäppchenpreis

  1. Wir brauchen keinen Prunkbau aus der Vergangenheit. Die Nordfassade ist ein Stück Zeitgeschichte und soll erhalten bleiben.
    Die Frage, bauen wir noch mehr Touristen Highlights oder bauen wir für die Frankfurter, ist für mich ausschlaggebend.
    Die neue Altstadt ist ein abschreckendes Beispiel. Sie ist kein Lebensraum sondern Disneyland. Komme mir vor wie ein Fremdkörper wenn ich mich auf dem Weg zu meinem Lieblingscafé durch die Massen bewege. Langsam verstehe ich die Venezianer, die ihre Stadt so nicht mehr als lebenswert empfinden.
    Wollen wir Orte die zum Leben gehören oder Postkartenarchitektur?

  2. Auch ich fremdele noch sehr mit der neuen Altstadt. Mir wäre ein moderneres Ensemble im Stil des neuen historischen Museums lieber gewesen.
    Auch der offene Blick auf die römischen Fundamente fehlt mir. Diese echten historischen Überreste zuzudecken zugunsten einer künstlich antiken Puppenstube war meiner Ansicht nach keine architektonische Meisterleistung.

    Dass die Alte Oper wieder aufgebaut wurde, habe ich begrüßt, schließlich gehörte sie als Ruine jahrelang zum Stadtbild und das wiederhergestellte Gebäude wurde nicht als Fremdkörper empfunden.
    Jetzt, 75 Jahre nach der Zerstörung, einen Bau wieder auferstehen zu lassen, an den sich so gut wie niemand mehr erinnern kann, halte ich für verfehlt. Für mich gehört die Doppelfassade der Städtischen Bühnen zum Stadtbild, und ich möchte weder die Goldwolken von Zoltan Kemeny im Foyer noch das Wandgemälde von Chagall missen. Die gehören zu dem Frankfurt, das sich nach dem Krieg natürlich entwickelt hat. Eine Rückkehr zur „alten guten Zeit“ brauchen wir nicht.

  3. Eine wirklich aufregende Idee, das im Kern noch vorhandene alte Schauspielhaus aus seinem Glas- und Stahlkorsett zu befreien und damit dem Willy-Brandt-Platz endlich Leben einzuhauchen! Schon der Gedanke, an dieser Stelle ein wunderbares, klassisches Gebäudeensemble wiederherzustellen inklusive Pergolen und Außengastronomie – das hat was.
    Wenn man mit Hilfe von Spenden und Investoren noch Geld sparen kann – warum eigentlich nicht? Die aktuelle Situation an dem städtebaulich toten Willy-Brandt-Platz mit dieser abweisenden „Theaterdoppelanlage“ wird sicher niemand vermissen. Und für deren Erhalt nach ersten Hochrechnungen 900 Millionen Euro auszugeben kann bei der aktuellen Kassenlage wirklich nicht im Ernst gewollt sein!
    Mit dem Vorschlag der Initiative kann Frankfurt in mehrerlei Hinsicht eigentlich nur gewinnen, deshalb sollte man ihn als ernsthafte Alternative unbedingt weiter verfolgen.

  4. Das sind ja schöne Aussichten. Die Pläne der „Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus“ passen nach der Eröffnung der Altstadt und den Ideen zur Rekonstruktion der Paulskirche wirklich bestens zu dem Trend, der sich nun schon ziemlich deutlich abzeichnet: Frankfurt scheint sich immer mehr an Wertheim Village zu orientieren. Natürlich viel größer, teurer und auch noch mit einem internationalen Airport – dagegen kann dann niemand mehr anstinken. Es ist wahrlich eine absolute Win-win-Strategie.
    Apropos Airport: Könnte man all die Rekonstruktionen nicht gleich da draußen aufbauen? So wäre es doch viel bequemer für die Touristen und den Frankfurtern bliebe einiges an Kitsch erspart.

  5. @Bertram Hock
    Ja, ich sehe es direkt vor mir, ein Klotz aus dem vergangenen Jahrhundert wieder auferstanden, nebenan in der Taunusanlage schlagen die, die kein Dach über dem Kopf haben ihr Nachtlager auf, die Händler in der Münchner Straße gehen müde nach Hause und haben keinen Blick für die Außengastronomie, ja ich sehe, das es absurd ist, an der Wirklichkeit vorbei ein Gebäude dieser Art an diesem Platz entstehen zu lassen.

    Es braucht eine Architektur, die das Umfeld mit einbezieht, wenigstens nicht im krassen Gegensatz zum Rest der Umgebung steht.

    Das was Sie beschreiben ist Isolation und ein bisschen Gastronomie wird daran auch nichts ändern.

  6. Mein Hauptanliegen besteht eindeutig darin, dass kein Standortwechsel der Städtischen Bühnen stattfindt.
    Der Willy-Brandt-Platz ist wirklich von fast überall in Frankfurt gut zu erreichen.
    Daneben sollte bei einem Umbau vor allem im Inneren der Oper dafür gesorgt werden, dass künftig auch von den „billigen Plätzen“ ein Verfolgen des Bühnengeschehens ohne Nackenversteifung möglich ist.

  7. Die Ausgangslage ist zunächst die Notwendigkeit, die Doppelanlage Schauspiel/Oper entweder aufwändig zu sanieren oder völlig neu zu gestalten – beides ist in etwa gleich teuer. Wenn man nun aber schon viel Geld in die Hand nehmen muss, dann soll dabei auch ein erheblicher städtebaulicher Mehrwert herauskommen und ein deutliches Signal für die Zukunft gesetzt werden. Frankfurt lebt voll im 21. Jahrhundert, entwickelt sich sehr dynamisch und beheimatet den weltweit größten Internet-Verteilerknoten, in dieser Stadt braucht man kein weiteres historisierendes Gemäuer. Und schon gar keines aus der wilhelminischen Kaiserzeit, die in ihrer Ignoranz und nationalistischen Verblendung direkt in den ersten Weltkrieg und zu dessen ebenso schlimmen weiteren Folgen führte.

    Die Doppelanlage Schauspiel/Oper liegt im Herzen Frankfurt, aber dort pulsiert heute nichts. Hier sollte mehr Leben herrschen, auch tagsüber, und eine attraktive Verbindung von der City nach Sachsenhausen und dem Museumsufer geschaffen werden. Das geht fast zwangsweise mit einer gehobenen kommerziellen Nutzung einher, was aber an sich nicht schlimm ist. Oberhalb dieser Edelpassage sollte sich aber eine „Frankfurter Plattform“ erheben, die der Kultur und der Interaktion gewidmet ist und wegen der Aussicht natürlich auch Touristen anziehen wird. Neben Schauspiel und Oper kann dort auch ein Kongreßzentrum sowie Gastronomie und Kleinkunst ihren Platz finden. Diskussionen auf der „Frankfurter Plattform“ können einen interessanten Gegenpol zum politischen Machtzentrum Berlin bilden und die Demokratie beleben.

    Ein solches Vorhaben muss natürlich auch finanzierbar sein. Wichtig ist dabei einerseits ein Vorgehen welches einerseits teure Zwischenlösungen für Schauspiel und Oper während der Bauzeit der neuen Anlage vermeidet, und andererseits die weitere Mehrfachnutzung von Infrastruktur – diese ist schon heute durch die Doppelfunktion Schauspiel/Oper gegeben und auch noch weiter ausbaubar. Die intensive Mehrfachnutzung des Grundstücks für kulturelle und kommerzielle Zwecke erleichtert die Finanzierung auch einer etwas aufwändigeren Architektur. Und wer hindert die Architekten daran, auf die „Frankfurter Plattform“ eine architektonische Perle vergleichbar mit dem berühmten Opernhaus von Sydney zu setzen ?

    Dass es wenig Sinn macht, beschädigte Infrastruktur auszubuddeln welche mehr als hundert Jahre alt ist und den Anforderungen eines modernen Theaters ohnedies nicht genügen kann dürfte sich im übrigen von selbst verstehen – das wäre nun wirklich an der falschen Stelle „gespart“.

  8. Die neue Altstadt sollte eigentlich die letzte Warnung an den ungeschulten Geschmack sein, so etwas nicht noch einmal zu probieren. Schon gar nicht im Hinblick auf das Schauspielhaus, dessen Sanierung unumgänglich ist.

    Frankfurts ehemaliger Schauspielintendant Günter Rühle (1985 – 1990) schrieb im Jubiläumsband zum 50jährigen Bestehen der Städtischen Bühnen einen überdenkenswerten Satz:

    „Am 14. Dezember 1963 war der siebenjährige Kampf für das neue Theater in Frankfurt zu Ende. Prächtig stand das gläserne Haus, Hülle für Oper und Schauspiel, am prominenten Platz – unter den Neubauten im Land ein Glanzstück. Fassadenlose Moderne.“
    Ja, und alles andere, das Eigentliche, das Wesentliche, spielt sich seither auf den Bühnen von Schauspielhaus, Kammerspielen und Oper ab. Nicht zu vergessen die Box, die frühere Spielstätte Schmidtstraße und das Bockenheimer Depot.

    Auf all das kommen die Nostalgiker, die sich eine vollständige Wiedergeburt des Baus von 1902 wünschen, nie zu sprechen. Die Aufführungen scheinen sie nicht zu interessieren. Und es bemängelte nach meiner Kenntnis auch niemand, dass eine bestimmte Inszenierung scheiterte, weil das Gebäude die künstlerische Entfaltung dessen, was auf der Bühne zur Sprache kam, einengte, gar verhinderte.

    Wobei die Beschaffenheit der Bühne üblicherweise in keinem Zusammenhang steht mit der Gebäudefassade. Oder mit der Großzügigkeit des Foyers. Vor allem ein solches scheinen jene zu vermissen, die ein Theater mit einem Laufsteg der Eitelkeiten verwechseln, gar mit einer Schaubühne für Hohlköpfe.

    Das 1944 stark zerstörte Theater wurde nach dem Krieg als Übergangslösung wieder hergerichtet. Der 1963 eröffnete Neubau ruht in Teilen auf den alten Fundamenten. Dieser Kompromiss hat Folgen.

    So ist es in den Zuschauerräumen während der letzten Jahre im Sommer häufig zu warm und im Winter zu kühl. Aber diesen technischen Missständen könnte man beikommen, hätte es längst können, wenn es seitens der Politik gewollt gewesen wäre. Ähnliches gilt für die Isolierung des Gebäudes, das Leitungssystem und den Brandschutz.

    Aber Kultur schien und scheint für den Magistrat (mit der Ausnahme von Hilmar Hoffmann) eine Nebensache gewesen und geblieben zu sein. Bei öffentlichen Äußerungen aus diesem Kreis neige ich zum Fremdschämen und assoziiere das Operettenlied „Ja, das Schreiben und das Lesen ist nie unser Fall gewesen…“.

    Und wenn ich mich ganz besonders ärgere, fällt mir Max Frischs „Graf Öderland“ ein, der es in bestimmten Konstellationen für notwendig hält, mit der Axt drein zu schlagen. Die zweite Fassung dieses Stücks wurde übrigens am 4. Februar 1956 im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen, also im Provisorium, uraufgeführt, die Regie führte Fritz Kortner. Das könnte Anlass sein, ein saniertes, aber nicht neugebautes Schauspiel mit diesem Drama wieder zu eröffnen.

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