Sarrazin – ein Advocatus Diaboli?

Einen Steinwurf von mir entfernt arbeitet Thilo Sarrazin in der Deutschen Bundesbank, und da schreibt er Sachen wie diese, die ich der Einleitung zu seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ entnehme, erschienen beim Verlag DVA. Diese Einleitung ist online zu lesen auf der Website des Verlags.

Vernünftig diskutiert hätten wir über die demografische Entwicklung in Deutschland in den letzten 45 Jahren nicht. Wer nicht mit im Strom der Beschwichtiger und Verharmloser geschwommen sei, wer sich gar besorgt gezeigt habe, der habe bald frustriert erkennen müssen, dass er alleine gestanden habe, und nicht selten habe er sich in die völkische Ecke gestellt gefunden. Abgesehen davon befinde sich der gesellschaftliche Diskurs in Deutschland in einem merkwürdigen Widerspruch: Einerseits sei die öffentliche Diskussion geprägt von Unterhaltungslust und dem Vergnügen an Skandalisierungen, andererseits sei sie zunehmend von den Euphemismen der politischen Begrifflichkeit beherrscht:

– Über die Folgen des Geburtenrückgangs habe man Jahrzehnte überhaupt nichts sagen dürfen, wenn man nicht unter völkischen Ideologieverdacht habe geraten wollen. Das habe sich inzwischen geändert, da die Generation der Achtundsechziger Angst um ihre Rente bekommen habe. Aber jetzt sei es 40 Jahre zu spät.

– Die sozialen Belastungen einer ungesteuerten Migration seien stets tabu gewesen, und schon gar nicht habe man darüber reden dürfen, dass Menschen unterschiedlich seien – nämlich intellektuell mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger, mehr oder weniger moralisch gefestigt – und dass noch so viel Bildung und Chancengleichheit daran nichts ändere. Da dieser Grundsachverhalt geleugnet worden sei, sei jeder Diskussion über die zahlreichen Fehlsteuerungen des Sozialstaats der Boden entzogen gewesen. Es sei tabu gewesen, darüber zu reden,

  • – dass man zwar 90 Prozent der Schüler einer Jahrgangsstufe zur Hochschulreife führen könne, aber dennoch nicht einem 10 Prozent von diesen den Anforderungen eines Mathematikstudiums gewachsen seiem
  • – dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlören, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt brächten
  • – dass der Einzelne selbst für sein Verhalten verantwortlich sei und nicht die Gesellschaft.

Das sind also die Wunden, in die der Aufklärer seine Finger zu legen gedenkt – was er nur kann, weil er Denk- und Redeverbote postuliert, die es nie gab. Man nehme nur dieses Blog: Da ist nicht nur über die Folgen des demografischen Wandels schon diskutiert worden, sondern sogar über seine Ursachen. Ja, warum bekommen die Deutschen immer weniger Kinder? Und nicht nur die Deutschen; dieser Trend ist auch in anderen „entwickelten“ Gesellschaften zu beobachten. Weil sie Hedonisten sind und ihre Freude am Sex über die Pflicht zur Reproduktion stellen, ihren individuellen Ehrgeiz und ihre Karrieresucht über das völkische Wohl? Oder weil sie zu viel denken, statt es einfach zu tun? Also: Weil sie zu gebildet sind? Oder weil der wirtschaftliche Druck so stark ist, dass viele Frauen es sich einfach nicht leisten können, nicht zu arbeiten, weil das Geld, das der Ehemann erarbeitet, für das Familieneinkommen nicht reichen würde? Lautet die Konsequenz also, dass Akademikerinnen – die intelligenteren Frauen, von denen Sarrazin spricht – des Gemeinwohls wegen an den Herd zurückkehren und sich den Freuden der mehrfachen Mutterschaft hingeben müssen? Oder ist unsere Unterhaltungslust und das Vergnügen an Skandalisierungen Schuld?

Schon gar nicht, schreibt Sarrazin, habe man darüber reden dürfen, dass Menschen unterschiedlich seien. Dürfen! Eines dieser Redeverbote, die er postuliert. Ich werfe einen Blick aus meinem Fenster. Es ist der 7. September früh morgens, auf der Straße ist es still. Am früheren Abend war das anders. Schräg gegenüber ist eine muslimische Bäckerei, vor der die Folgen des Fastenbrechens im Ramadan deutlich zu verfolgen waren. Mann, herrschte da ein Trubel! Fast finde ich es schade, dass der Ramadan dieses Jahr am 8.9. endet. Aber auch so werde ich nicht vergessen, dass die Menschen unterschiedlich sind, denn das ist so offensichtlich, dass man darüber eigentlich gar nicht reden müsste. Dazu sollten Sie wissen: Ich lebe seit gut einem halben Jahr in Offenbach, ’nen Steinwurf von Frankfurt entfernt, wo Herr Sarrazin sein Buch geschrieben hat. Und Offenbach ist DIE deutsche Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil. 2005 betrug er 31,1 Prozent. Von 119527 Einwohnern waren 2005: Türken 7180, Italiener 4102, Griechen 3867, Serben und Montenegriner 3329, Polen 1776, Marokkaner 1664 sowie Bosnier und Herzegowiner 1347.

Die Folgen dieser Bevölkerungsstruktur lassen sich in ganz Offenbach beobachten. Die Stadt ist extrem lebendig. Zahllose kleine Läden von der vermeintlich typischen Dönerbude bis hin zum türkischen Computerspezialisten. Viele Restaurants, von der hessischen Apfelweinschenke bis zur ayyurvedischen Küche. Unterschiedlichste Gesichter und Sprachen auf den Straßen. Ich komme mir auch nach einem halben Jahr manchmal noch vor wie im Urlaub, wenn ich in der Stadt unterwegs bin. Übrigens wohne ich mittendrin in dieser Stadt, nicht in einem der „ruhigen“ Peripherie-Viertel. Und hier gilt: Wenn du aus der Haustür trittst, kannst du was erleben. Am Freitag z.B. die Bäckerin von gegenüber … Moment. Es handelt sich um eine klassische Bäckerei, die kaum hundert Schritte von der muslimischen entfernt ist. Hier wird man im weißen Kittel und Schürzchen bedient, in der anderen mit Kopftuch. Die klassische macht mittags zu, auch am Mittwoch Nachmittag, in der muslimischen ist rund um die Uhr was los: Wenn der Verkauf geschlossen ist, wird hinten wieder gebacken, und die ganze Straße riecht gut. (Vielleicht erzähle ich gelegentlich mal mehr.)  Nun, die Bäckerin von gegenüber, eine gebürtige Portugiesin, schimpfte auf der Straße wie ein Rohrspatz mit italienischen Jugendlichen, die Radrennen fuhren, wobei ein Junge gestürzt war. Sie findet auch andere Steine des Anstoßes, aber dabei geht sie antirassistisch vor: Wer vor ihrer Bäckerei auf die Straße rotzt, kann was zu hören bekommen, egal welcher Nation er angehört. Ach ja, und der junge Mann im Nachbarhaus, er sieht südländisch aus, kifft auf dem Balkon, wo er Tomaten züchtet, so dass ich manchmal die Fenster nicht öffnen kann. Und der Türke auf der anderen Seite schnarcht. Ich schnarche zurück.

Einem wie Sarrazin muss man die Binsenweisheit wohl besonders deutlich entgegenrufen: Die Menschen sind unterschiedlich und gleich zugleich. Das ist eine der Ursachen für Vielfalt. Und Vielfalt hat mehr mit Intelligenz zu tun, als Sarrazin meint. Denn Intelligenz ist nicht einfältig. Die Intelligenzforscher haben Dutzende von Intelligenz-Formen ausfindig gemacht, von sozialer Intelligenz bis zu technischer Intelligenz, die sich individuell unterschiedlich mischen und die zwar auf genetischen Voraussetzungen beruhen – doch für ihre Ausprägung ist schlicht das soziale Umfeld verantwortlich, in dem ein Kind aufwächst. Auch das muss man Sarrazin entgegenhalten: Ein Mathematikstudium absolvieren zu können, ist Ausdruck einer sehr speziellen Intelligenzform, die sehr oft mit persönlichen Intelligenzmängeln in anderen Bereichen einhergeht.

Daher habe ich nach dem oben wiedergegebenen Abschnitt aus Sarrazins Buch nicht weitergelesen und werde mir das Buch auch nicht kaufen. Da redet einer von Intelligenz und geriert sich dabei als bis dato unterdrückter Aufklärer, der in Wahrheit von Intelligenz – genauer: vom Kenntnisstand der Wissenschaft zum Thema Intelligenz – keinerlei Ahnung an. Ich lege Herrn Sarrazin eine Zeitschrift ans Herz, die ich regelmäßig lese: Spektrum der Wissenschaft. Das Sonderheft zum Thema Intelligenz ist etliche Jahre alt und gerade in diesem Zusammenhang besonders lesenswert, auch was die genetischen Voraussetzungen betrifft. Wenn Sarrazin zum Thema Intelligenz wirklich was Ernsthaftes zu sagen hätte, hätte er es kennen müssen. Soll heißen: Er hat an dieser Stelle nicht recherchiert. Er arbeitet mit dem „gesunden Volksempfinden“, denn er unterstellt hier, dass alle Leserinnen und Leser genau wissen, was Intelligenz ist. Und damit komme ich zu einem eindeutigen Urteil:

Pfui! Ab in die rechte Ecke!

Meine Meinung! Entschuldigen Sie, dass ich mich etwas ausgebreitet habe; sowas sollte vielleicht eher eine Spalte weiter rechts in diesem Blog stehen. Zum Glück kann ich aber mit einem Leserbrief aufwarten, der mir aus der Seele spricht. Er stammt von Dennis Heißler aus Lambsheim:

„Zur Richtung vieler Kommentare (auch in den FR-Leserbriefen) zu Thilo Sarrazins Äußerungen: Sie seien eine notwendige Provokation, um eine überfällige Diskussion in Gang zu setzen, man müsse die Verhältnisse beim Namen nennen dürfen, usw.
1. Die Hartnäckigkeit, mit der Herr Sarrazin rassistische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Äußerungen vorträgt, spricht sehr dafür, dass es sich hierbei nicht um inhaltliche oder rhetorische Überspitzungen handelt mit dem Ziel, eine stockende Diskussion in Gang zu bringen, sondern schlicht um seine Meinung. Auch konnte ich bisher nicht die intellektuelle Kraft erkennen, um ihm den Advocatus Diaboli zuzutrauen.
2. Die Diskussion findet schon lange statt, nur haben bisher die Beteiligten weitgehend darauf verzichtet, die Kategorie von Beiträgen einzubringen, die Herr Sarrazin nun beisteuert.
3. Wer Herrn Sarrazins Äußerungen lediglich als eine die Diskussion befeuernde Überspitzung verstanden wissen will, der verlangt seinen andersdenkenden Mitmenschen ein beträchtliches Maß an Toleranz und Gelassenheit ab. Die Frage, ob dies im umgekehrten Fall mit ähnlich verletzenden Beiträgen genau so wäre, kann vielleicht ein  Selbstversuch klären: Wenn diejenigen, die Herrn Sarrazins verbalem Durchfall seine natürliche Farbe absprechen wollen, sich selbst in der Mitte der Gesellschaft verorten, dann kocht in dieser Mitte ein gewaltiger Topf mit einer braunen Soße auf  (noch) kleiner Flamme, und man wartet mal wieder auf einen, der das Gas ein bisschen aufdreht – Pardon, das Feuer schürt.
Dies, ungefähr, wäre das Niveau, auf dem wir die Diskussion führen müssten, sollten wir uns auf Herrn Sarrazins Stil einlassen. Ob wir dies tun oder seine Äußerungen als bizarres Geschwafel betrachten, dass uns wachsamer werden lassen sollte, entscheiden WIR, nicht Herr Sarrazin. Auch wenn man Rassismus nicht durch Argumente entfernen kann, sollten wir uns nicht daran hindern lassen, den Problemkreis Migration/Integration so zu behandeln, dass wir dem Anspruch, eine aufgeklärte, humanistische, freie und gerechte Gesellschaft zu sein, gerecht werden.“

Gerhard Nemetschek aus Hannover dagegen meint:

„Interessant, wie man sich aufregt. All die Gutmenschen, die sich empören, frage ich: Wer von Ihnen verspürt den dringenden Wunsch,  in ein Haus,  in ein Viertel mit großem Ausländeranteil, insbesondere mit   vielen Türken, Kurden und Arabern, zu ziehen?  Wer von Ihnen lustwandelt gern in diesen Vierteln zu später Stunde?  Wer von Ihnen fährt gern mit Bus und Straßenbahn, nach 22 Uhr und später durch die Stadt?  Wer von Ihnen hat schon interessiert dem Unterricht in Grund- und Hauptschulklassen beigewohnt? Auf entsprechende Antworten wäre ich gespannt, bekäme ich sie denn.“

Manfred Schmelz aus Malsfeld:

„Allah bewahre Deutschland vor dem „Sarrazin-Gen“! Dieses „Gen“ scheint deutsche  Bürger süchtig zu machen nach einfachen, pseudowissenschaftlichen Erklärungen der Welt, die alle etwas gemeinsam haben: die Ausgrenzung „minderwertiger“ Menschengruppen. Außerdem scheint dieses „Gen“ blind zu machen: für die Vergangenheit (vor 70 Jahren  war  doch etwas?!) und für demokratische Grundwerte („Die Würde des Menschen ist unantastbar“, GG Art. 1; als wichtigste Grundlage unserer demokratischen Verfassung).
Man verzeihe mir den unwissenschaftlichen, „spielerischen“ Umgang mit dem Begriff „Gen“. Dazu hat mich die Argumentation von Herrn Sarrazin gebracht. Allerdings: Bei ihm ist der Umgang mit diesem Begriff keineswegs „spielerisch“, sondern tendenziös, politisch perfide und radikal undemokratisch!“

Eckart Kuhlwein aus Ammersbek:

„Es kann nichts schaden, beim unsäglichen Herrn Thilo Sarrazin nachzuprüfen, ob er selbst die von ihm gesetzten Maßstäbe erfüllt. Oder ob seine Ahnen nicht auch vielleicht Migranten waren, die in Deutschland eine neue Chance bekommen haben. Und siehe da: Nach einem Bericht des „Stern“ von 2009 stammt der Name aus einer „sabäischen“ Familie (wahrscheinlich aus dem Jemen),  die über Nordafrika und Spanien nach Frankreich gelangte. Und im Französischen ist „sarrasin“ nicht nur das Wort für Buchweizen, sondern bezeichnet auch eine Person, die zur muslimischen Bevölkerung des Mittelalters gehörte. Also, Herr Sarrazin: Willkommen im Club der Generationen von muslimischen Einwanderern in Europa!“

Johannes Beyer aus Heubach:

„Rätselhaft, wie ein Mann wie Herr Sarrazin in die Position eines Bundesbankvorstands gekommen ist. Ist er dort nicht ausgelastet? Wie schafft er es, neben dieser Tätigkeit ein Buch zu schreiben? In Talkshows zu gehen? Pressekonferenzen abzuhalten? Ist diese Tätigkeit in Teilzeit ausführbar? Dann bewerbe ich mich heute dafür. Breit, für weniger Lohn zu arbeiten. Kenntnisse über die Finanzwirtschaft sind vorhanden. Allerdings pflege ich keine Vorurteile gegenüber Migranten, philosophiere nicht rassistisch über Gene, trage keinen Schnauzer und bin auch nicht Mitglied der SPD. Man wird mich wohl nicht nehmen.“

Dr. Bruno Hake aus Wiesbaden:

„Leider hat die Bundesbank dem Druck aus Berlin nachgegeben und die Abberufung  von Herrn Sarrazin beantragt. Die Unabhängigkeit von der Politik ist aber das wichtigste Merkmal einer erfolgreichen Notenbank, wie die Erfolgsstory der Mark beweist. Wie wird der Chef der Buba künftig entscheiden, wenn Politiker in Berlin, Paris oder Brüssel das Anwerfen der Notenpresse durch den Aufkauf von Schriottanleihen oder den Verkauf des Goldschatzes fordern? Das schlechte Beispiel Sarrazin lässt Zweifel aufkommen. Nicht Herr Sarrazin, sondern Herr Weber und Frau Merkel haben dem Ruf der Bundesbank geschadet.“

Jürgen Böck aus Wasserburg:

„Der SPD-Thilo Sarrazin wirkt auf unsere Spitzenpolitiker in München und Berlin wie der Überbringer schlechter Nachrichten. Demzufolge muss er wie vor 3 000 Jahren üblich geköpft werden. Damit von der Geschichte auch eine Einschüchterungswirkung auf andere ausgeht, wird er in aller Öffentlichkeit an den Pranger gestellt und all seiner Ämter beraubt. Dadurch sollen andere davon abgehalten werden, den von Thilo aufgenommenen Faden weiterzuspinnen. Quo vadis Demokratie?“

Update 7. September:

Manfred Schulz aus Herford:

„Eigentlich sollte man den Mann und sein Buch totschweigen, da jede Erwähnung zusätzliche Werbung bedeutet. Aber das hieße, ihm und seinen kruden Behauptungen die Meinungsführerschaft zu überlassen.
Jede seine Thesen ist undifferenziert, verallgemeinernd  und Ausdruck des Ressentiments. Leider ist auch die Kritik an Sarrazin nicht immer glaubwürdig. Wenn Politiker der Union sich von ihm distanzieren, wollen sie verdecken, dass ihr politisches Handeln durchaus im Sinne Sarrazins ist. Zu den  fast schon religiösen  Grundüberzeugungen der Christdemokraten gehört der Satz, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Es war die CDU, die die Versuche der Schröder-Regierung verhinderte, ein modernes Ausländer- und auch Einwanderungsrecht zu schaffen. Nicht einmal das Wort „Einwanderung“ durfte es geben – wir haben jetzt „Zuwanderung“.
Auch die Union betrachtet wie Sarrazin Ausländer unter Nützlichkeitserwägungen, wie die Aussage des CSU -Politikers Beckstein zeigt, die Union wolle „weniger (Ausländer), die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen“. Wenn die Bundeskanzlerin sich distanziert, ist das positiv zu sehen, aber auch sie lehnt eine doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland lebende und hier geborene Ausländer massiv ab. Moderne Ausländerpolitik sieht anders aus.
Dass Integrationsprobleme bestehen, ist nicht zu bestreiten, sie sind aber das Ergebnis der jahrzehntelangen Wirklichkeitsverweigerung der Regierungen im Bund und in den Ländern.“

Josef  Meszaros aus München:

Den meisten Unterstützern von Herrn Sarrazins Thesen geht es in Wirklichkeit nicht um Integration, sondern die möchten weniger Ausländer in Deutschland. Gerade die mit schlechten Bildungshintergrund fürchten die Immigranten als Konkurrenz für ihren Job.“

Daniel Bohne aus Twistetal:

Der Leitartikel von Stephan Hebel ist ein Witz. Er verleumdet die Wahrheit. In solchen Fällen ziehen Sie sonst gern Statistiken zurate, um einen vermeintlich Irregeleiteten, in diesem Fall Sarrazin, bloßzustellen. Diesmal gelingt ihnen das  nicht, da die Statistiken ihm recht geben. Was bleibt also anderes übrig, als mit dem Finger auf Sarrazin zu zeigen und laut „Rassist“ zu schreien. Ähnlich einem kleinen Kind, das sich die Ohren zuhält und summt, während die Eltern mit ihm schimpfen.“

Volker Westerborg aus Frankfurt:

„In der Angelegenheit Sarrazin bekleckert sich die FR nicht mit Ruhm.   Sie befindet sich allerdings in „guter“ Mediengesellschaft! Bei aller Kritik im Einzelnen muss es möglich sein, die   offensichtlichen Missstände beim Namen zu nennen! Aus allen möglichen Quellen geht hervor, dass etwa 95 Prozent der   Äußerungen pro Sarrazin ausfallen. Ist die FR vollends auf der Multikulti-Gutmenschentour?“

Arno Wolter aus Stade:

„Im Forschungsbericht Nr. 109 aus 2010 des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen „Kinder und Jugendliche in Deutschland“ heißt es auf Seite 9 (nachdem u.a. 44610 Jugendliche befragt wurden): „Eine hohe christliche Religiosität senkt die Gewaltbereitschaft, eine hohe islamische    Religiosität erhöht sie indirekt, indem sie Faktoren verstärkt, die die Gewaltbereitschaft fördern. Zudem zeigt sich, dass eine hohe Religiosität   die Integration von jugendlichen Migranten nicht behindert; dies gilt allerdings erneut nicht für muslimische Migranten.“ Ein Parteiordnungsverfahren erübrigt sich bei mir, weil ich längst aus der SPD ausgetreten bin.“

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178 Kommentare zu “Sarrazin – ein Advocatus Diaboli?

  1. Schon Wowereit hätte diesen Demagogen als Finanzsenator entlassen müssen. Hat er aber nicht. Es war bei der ?PD Konsens, dass er weggelobt werden musste. Als ob er dann seine kruden Thesen nicht trotzdem weiterverbreitet hätte.

  2. Ich habe bei allen Berichten und Diskussionsbeiträgen über Sarrazin praktische Ansätze zur ökonomischen Abschaltung vermisst.
    Das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden wird mit Sicherheit empfindlich gestört werden, wenn er, wie zu hören ist, möglicherweise bei vollen Bezügen von seiner Tätigkeit freigestellt werden wird.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in einem seriösen, durchorganisiertem und kontrolliertem Unternehmen wie der Deutschen Bundesbank Defizite gibt, die es unmöglich machen sollten, ihm während seiner Tätigkeit die eine oder andere private Kopie, die er für sich von einer seiner Sekretärinnen hat machen lassen, oder wenn er tatsächlich in der Lage ist, ein Kopiergerät selber zu bedienen, selber gemacht hat, nachzuweisen.
    Oder, dass er das eine oder andere übrig gebliebene Konferenzbrötchen, das schon für den Müll bestimmt war, vor dem Abtragen noch privat, unter Zeugen, zu sich genommen hat.
    Wenn wir weiterdenkend davon ausgehen, dass alle auch Gen Bevorzugten oder Gen Benachteiligten vor der Justiz gleich sind und die Gleicheren sich in engen Grenzen halten, dann raus mit ihm aus der Bundesbank, ohne weitere Bezüge, lieber heute als morgen.
    Die eingesparten Gehälter fänden gerechte Verwendung durch Rücklauf zum Steuerzahler, einschließlich Prämien für zivilcouragierte Zeugen. Und: Keine Angst vor dem Arbeitsgericht. Präzedenzfälle gibt es inzwischen reichlich.

  3. Sarrazin und kein Ende…

    Das Thema ist eben zu vielschichtig, um schnell zur Ruhe zu kommen.

    Bronski, war Ihr Beitrag eben nicht etwas zu leidenschaftlich, einseitig, vielleicht auch übernächtig ?

    Das Loblied auf Offenbachs buntes Völkergemisch – na ja, wäre ein eigenes Thema Wert.

    Nur soviel zu Sarrazin:

    t-online von heute morgen zitiert zu Guttenberg :
    „Sarrazin habe die richtige Debatte angestoßen. Dass wir Missstände in der Integrationspolitik haben, ist unbestritten. Er, Guttenberg, sei überrascht, wie wenige Menschen in unserem Land bereit sind, sich mit den I n h a l t e n auseinander zu setzen. Stattdessen als erster Reflex flächendeckende Empörung.“

    Auch ich bin überrascht darüber.

    „Das Volk“ will nicht in erster Linie über Gene usw. aufgeklärt werden, sondern darüber, wie die bestehenden Probleme endlich gelöst werden sollen.

    Das Buch : „Ende der Geduld“ hatte schon viel Zustimmung erhalten. Da passt die pauschale Verdammung Sarrazins nicht dazu.

  4. In der Einleitung, in der Sarrazin allgemeine Bemerkungen dazu macht, was in Deutschland an verbreiteten Denkverzerrungen (mit, so meine ich, schon Krankheitscharakter) zu beobachten ist, steht auch folgendes (Bronski musste das, sicher aus Platzgründen, weglassen):

    „Die Tendenz des politisch korrekten Diskurses geht dahin, die Menschen von der Verantwortung für ihr Verhalten weitgehend zu entlasten, indem man auf die Umstände verweist, durch die sie zu Benachteiligten oder gar zu Versagern werden [hier folgen Aufzählungen dafür, die ich weglasse]. Aus der soziologisch richtigen aber banalen Erkenntnis, dass in der Gesellschaft alles mit allem zusammenhängt, hat sich eine Tendenz entwickelt, alles auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu schieben und so den Einzelnen moralisch und weitgehend tatsächlich von der Verantwortung für sich und sein Leben zu entlasten. Wie Mehltau hat sich politische Korrektheit über die Struktur- und Steuerungsfragen der Gesellschaft gelegt und erschwert sowohl die Analyse als auch die Therapie.“

    Da hat er sehr recht, aber man muß das präzisieren. Es herrscht ja kein Trend, jeden Einzelnen wie z.B. Herrn Ackermann von seiner Verantwortung für sein Tun zu entlasten, im Gegenteil, der bekommt, das ist mein Eindruck, auch gern mal Verantwortungen aufgehalst, bei denen man sich fragen kann, ob er sie überhaupt hat. Aber Auswirkung des 68er-Ideenguts, welches sich als gemeinhin sogenanntes Gutmenschentum festgesetzt hat, ist doch die Unmöglichkeit, bei (vermeintlich) Schwachen der Gesellschaft so etwas wie persönliche Verantwortlichkeit zuzugeben (jedenfalls in der Öffentlichkeit). Sämtliche Aufregungen über Sarrazin, auch in der Vergangenheit, hatten ja ihre Ursache darin, daß Sarrazin diese krankhafte Denkgewohnheit nicht mitmachte. Als die Theorie aufkam, daß man sich vom für Ernährung vorgesehenen Anteil des Hartz IV-Satzes nicht gesund ernähren kann, d.h. also die Verantwortung dafür, daß Hartz IV-Angehörige sich nicht gesund ernähren, in bewährter Gutmenschenart wieder mal auf ein „System“ geschoben werden soll (das einfach nicht genügend Geld liefert), machte Sarrazin das nicht mit und bewies das Gegenteil (Daß die verbreitete, auch und vielleicht sogar besonders in Prekariaten verbreitete Unfähigkeit des „Kochens“ und damit Rückfall auf Ernährung durch Fertigprodukte weit teuerer kommt (und auch ungesünder ist) als selber die Speisen aus ihren Grundbestandteilen zusammenzustellen (gemeinhin „kochen“ genannt), zeigten auch schon andere, Spezialisten z.B. wie der Fernsehkoch Tim Melzer, allerdings außerhalb des Kontextes Hartz IV/Schwache der Gesellschaft, und damit unbehelligt vom Gutmenschentum). Ebenso war der Pullovervorschlag ein Versuch, die Verantwortung dem System, der Gesellschaft abzusprechen, dafür zu sorgen, daß ein Mensch auch dann bei 22 Grad in der Wohnung sitzen kann, wenn er selber für die Heizkosten nicht aufkommen kann. Und auch sein Aufgriff des Migrationsthemas jetzt ist eigentlich vom Willen getragen, die krankhafte Gewohnheit zu durchbrechen, die aufnehmende Gesellschaft, deren Mitglieder aber auch deren Systeme durchweg und zu 100% für alle Probleme verantwortlich zu machen.

    So ist also jedesmal, wenn Sarrazin in den Zeitungen aufgeregt behandelt wird, der Grund der, daß er die Verantwortung (vermeintlich) Schwacher zurückholt von der Gesellschaft, den Systemen, auf die sie Gutmenschen abgeschoben haben. Die Presse, die jetzt in ihrer Gesamtheit (ja, erschreckend, so etwas konstatieren zu müssen!) Sarrazin verhetzen will, hätte ja diesen Grundzusammenhang der Sarrazinschen Kommentare zu zeitgenössischen Themen analysieren können… da sie ihn aber verhetzen will, greift sie aus der Luft, erfindet sie aus heiterem Himmel ein anderes Motiv: Sarrazin wird danach natürlich getrieben von einer unbändigen „Lust an der Provokation“. Er ist „der Provokateur“ schlechthin, dem wahrscheinlich einer abgeht, wenn er mal wieder provozieren kann, egal wie (so ist mein Eindruck, daß es die Zeitungen gern formulieren würden, aber sich gerade noch verkneifen können).

    Zum Abschieben der Verantwortung beim Thema Migration will ich einmal ein besonders konfuses Beispiel anführen, daß ich vor einigen Tagen im Deutschlandradio Kultur hörte, wo der Historiker Ulrich Herbert folgendes sagte:

    „Interessant ist, dass bei bestimmten Gruppen, insbesondere bei den Türken, der Anteil der türkischen Jugendlichen, die aufs Gymnasium gehen, schon mal höher war, rückläufig ist. Das heißt, wir haben einen Prozess, der geht etwa bis 1993/94, ist der Anteil der türkischstämmigen Gymnasiasten gestiegen, und danach ist er gesunken. Das heißt, wir haben es auch mit einer Reaktion insbesondere der türkischstämmigen Migranten in Deutschland auf diese Nichtintegrationspolitik der Bundesrepublik zu tun, die von der deutschen Gesellschaft zurückgewiesen wurden – man denke an Solingen, an Hünxe, an Hoyerswerda, diese Stichworte, die uns vielleicht noch etwas sagen. Und dass es die Reaktionen dieser Gruppen waren: Die wollen uns nicht, gut, dann kapseln wir uns ab.“

    Wer, wie im Gutmenschenmilieu ja verbreitet, zu Husch-Husch-Denken neigt, wird natürlich beim Anhören dieser Worte weise mit dem Kopfe nicken. Alle anderen werden sich sagen: Also die Nichtintegrationspolitik Deutschlands kann er als Ursache für den Abiturientenrückgang ja doch nicht meinen, denn die Integrationspolitik war ja nicht nur in der Phase nicht vorhanden, als die Abiturientenquote fiel, sondern auch in der nicht vorhanden, als die Abiturientenquote stieg. Oder will Herbert behaupten, vor 1992/93 hätte es eine Integrationspolitik gegeben? Einen Anstieg von „Zurückweisung“ Anfang der 90er gab es gegenüber von Asylanten aufgrund des massenhaften Erscheinens hierzulande als Wirtschaftsflüchtlinge, sollten Türken mit grundsätzlicher Abiturbefähigung d.h. gehobener geistiger Auffassungsgabe nicht in der Lage gewesen sein, dies zu erkennen? Und die Idee, weil man im Fernsehen mal einen Molotow-Coktail in Hoyerswerda sieht, ließe man sofort in den Bildungsanstrengungen nach, erklärt dann die Türken komplett für dumm: Türken sollen also angeblich nicht in der Lage sein, das Abitur bzw. die Aneignung der Bildung auf dem Weg dahin als etwas zu sehen, daß in erster Linie ihnen selber nutzt, und zwar völlig unabhängig davon, was irgendwelche Deutschen von ihnen halten.

    Diese Argumentation ist so hanebüchen, daß mir die Spucke wegbleibt. Die naheliegenste Erklärung, daß nämlich mit der massiven Armutsimmigration der letzten 20 Jahre die Anzahl bildungsferner Türken durch weitere Einwanderung stark zugenommen hat, kommt für diesen Herrn natürlich nicht in Frage. Und die Tatsache, daß üppige Sozialleistungen bzw. vereinfachter Zugang zu ihnen die Anzahl derjenigen erhöhen, die sich mit ihnen zufriedengeben und gar nicht weitere Ambitionen entwickeln, natürlich sowieso nicht. Solche „Historiker“ braucht das Land!

    Und noch ein letztes Wort über die von Bronski angesprochene Buntheit bzw. Vielfalt. Auf der Ebene des Individuums ist natürlich die Buntheit ganz klar, da kein Mensch einem anderen völlig gleicht, jeder irgendwie anders ist als der andere. Auf dieser Ebene kann man aber keine Einwanderungspolitik betreiben, denn dann könnte man ja auch z.B. den USA sagen: Statt eure Mörder hinzurichten, schickt sie doch in unser Land, das erhöht die Buntheit der Menschen hier.

    Was die Vielfalt der Lebensformen aber angeht, so kann man doch sagen, daß die modernen, westliche Gesellschaften mit ihren doch recht weitgehenden Freiheiten der individuellen Lebensführung so ziemlich mit zum Buntesten gehören, was die Menschheit an Kulturen bisher entwickelte. Streng muslimische Gesellschaften hingegen sind unter dem Gesichtspunkt Buntheit/Vielfalt so ziemlich das Armseligste, was wir auf diesem Planeten momentan haben, und zwar je strenger muslimisch, desto uniformer, „unbunter“ sind sie. Eine „Buntheit“ kann bei muslimischen Zuwanderern daher nur in dem Maße zustandekommen, in dem sie ihre Monokultur ablegen, mit anderen Worten, sich assimilieren. Die „Buntheit“ geistiger Welten jenseits der religiösen, zweifelsfrei vorhanden, nützt auch nichts, wenn diejenigen, die immigrieren, ganz überwiegend nicht die Intellektuellen ihrer Weltgegenden sind (wie z.B. Importbräute aus Südost-Anatolien). Das ständige eigendenkfreie Geplappere von der besonderen „Buntheit“ dort, wo sie gar nicht ist, wo man sie sich aber aus politischen Argumentationsgründen wünscht, nervt ziemlich. Gutmenschen führen sich beim Anblick von Migrantenvierteln auf, als wären sie mit einer Zeitmaschine direkt aus den frühen 60er Jahren herbeigereist.

    Sorry, daß es so lang wurde… und, ach, herrje, über die Hauptsache für die Sarrazin-Gegner in der ganzen Causa Sarrazin, die Gene der Juden, habe ich ja noch gar nichts gesagt… na ja, ist nicht schlimm, es reicht ja, was ich schon vor Monaten dazu im „Shlomo Sand“-Thread darüber schrieb.

  5. Ich stimme Herrn Wedell voll und ganz zu und möchte in diesem Zusammenhang nur noch den Gast auf dem Sofa – Melda Akbas – in der „Anne Will“-Sendung vom 05.09.2010 eingehen.
    Die junge Frau im Minirock durfte sich dort zutreffend als gebildet und modern präsentieren (seht her- der Islam ist ganz anders als ihr alle denkt), aber den nahe liegenden Schluss, nämlich den, dass man in Deutschland als Türkin (oder türkischstämmige Deutsche) sehr wohl die Chance hat, einen ordentlichen Bildungsabschluss zu erlangen, hat in der Sendung niemand gezogen.

  6. @ Katja Wolf,

    fairerweise muß man allerdings sagen, daß solche Fälle von mustergültiger Integration (ich würde hier sogar von weitgehender Assimilation sprechen), die es ja nicht nur bei Will gab, sondern auch bei Beckmann, Plasberg usw., ebensowenig dazu herhalten können, eventuelle Diskriminierungen im Bildungssystem zu widerlegen wie als Beweis dafür, daß alle Migranten so integriert wären, wenn die Deutschen bzw. „deren“ Bildungssystem es nicht weitgehend verhindern würde (was in allen Fällen die mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Botschaft war).

    Warum in keiner Talksendung diejenigen eingeladen wurden, über die man hier redet, darüber kann man nur spekulieren. Vielleicht, weil man hier senderseitig nicht die Kontrolle über die Botschaft gehabt hätte, die solche Personen ausgestrahlt hätten, ob indirekt, oder direkt (man denke an den Fall des Migranten bei Plasberg, der einmal anfing, von der ihm zugedachten, gutmenschlich adäquaten Rolle abzuweichen, sodaß die geladene SPD-Politikerin Heide Simonis entsetzt, leise, aber dennoch ungeplanterweise hörbar ihren Sitz-Nachbarn fragte: „Hat man den denn nicht vorher gebrieft?“)

  7. Vermutlich wird die Einstellung pro, contra, oder: hat z.T. Recht, zu Sarrazin (Herkunft Hugenotte) auch dadurch geprägt, wo jemand wohnt und welche Erfahrungen er mit Ausländern/Türken/Muslimen gesammelt hat. Und da wird es dann auch bei Diskussionen interessant, weil jeder andere Beispiele für Integration oder Desintegration ins Feld führen wird und sich dadurch von anderen als Gutmensch, Realist oder Xenophober abgrenzt.

    Ich will mal einen anderen Aspekt in die Debatte bringen.
    Mein früherer türkischer Gemüsehändler Feti (jetzt hat er eine Döner-Bude) war stets ein Ausbund an Korrektheit und Freundlichkeit, und gab eher mal etwas gratis drauf. Mein ebenso korrekter und freundlicher Bankberater riet mir 2000 zum Kauf von Telekom-Aktien und warnte mich vor solchen obskuren, auf dem Neuen Markt gehandelten Aktien wie SOLARWORLD. Wer sich ein wenig auskennt, weiß wo beide heute stehen. Feti hat, im Gegensatz zum Bankberater, kein Abi und nicht studiert.

    Seit zwei Jahren erleben wir, wie hochbezahlte, angeblich hochintelligente und hochgebildete Spitzenleute in der (Finanz-)Wirtschaft, bei den Medien und in der Politik den globalen Crash nicht nur nicht (mit einigen wenigen Ausnahmen bei Wirtschaftsprofessoren) voraussehen konnten, sondern außerdem noch vorher kräftig für eine Abschaffung aller Kontrollen sich stark gemacht hatten. Sie folgten dabei den Wirtschaftstheoretikern der österr. Schule, von Hayek hin zu Friedman.

    Unter rot-grün, Schröder und Fischer, wurden Steuern gesenkt und dereguliert, was das Zeug hielt, weil die Weisen rund um die INSM, also Prof. Sinn & Co., es schafften, alle an das Credo: „Wenn den „Leistungsträgern“ geholfen wird, ist allen geholfen“, glauben zu lassen. Eines der Ergebnisse war dann Hartz IV, (ein wenig) fördern, (aber viel) fordern.

    Die ach so schlaue USA gab Unsummen für unsinnige Kriege im Irak und in Afghanistan aus. Das Ergebnis kennen wir. Die USA nähern sich inzwischen vielerorts dem Standard eines 3.-Welt-Landes. In Europa wurde eine Gemeinschaftswährung geschaffen, und dabei vergessen, erst einmal dafür ein Fundament zu zimmern.

    Die Staaten der Welt schaffen es nicht, aus Eigennutz oder Ignoranz, eine gemeinsame Ein-Welt-Umwelt-Politik zu betreiben.

    Überall sind hochbezahlte und gut ausgebildete Spezialisten am Werk, und nicht türkische Immigranten mit wenig Schulbildung und vererbter anatolischer Dummheit.

    In Stuttgart wird gerade an einem Wahnsinnsprojekt gebastelt, welches Gelder für eine zukunftsichere und nachhaltige Verkehrspolitik auf Jahrzehnte hinaus in einem schwarzen Loch verschwinden lassen wird.

    Aber Hauptsache, Sarrazin hat Recht, und es wird, frei nach Max Frisch‘ ANDORRA, mal wieder ein ewiger Jude durchs Dorf getrieben. Dann merkt man nicht so, wo die wirklichen Volksschädlinge sitzen.

  8. Einen wichtigen Punkt habe ich noch vergessen. Frau Merkel sprach ja in ihrer Vorstellung der Ergebnisse des Energie-Gipfels von einer Revolution. Ja, wahrlich revolutionär, diese Dummheit, Ignoranz und dieser gefährliche Leichtsinn. Tausende Tonnen abgebrannter Brennstäbe zusätzlich, hinzu kommen dann die Reaktor-Ruinen nach dem Abschalten, und kein Endlager weit und breit. Keine Nachrüstung mehr für mehr Sicherheit der alten Reaktoren gegen Abstürze von Flugzeugen. Ja, ein „guter Tag für Deutschland“ (CDU-Sprecher Joachim Pfeiffer). Sollte sich in einem der Meiler dann doch einmal ein klitzekleiner Störfall ereignen, dann ist das sicherlich ein Ereignis, mit welchem keiner rechnen konnte.

    Rechnen könnte man jedoch mit den Folgekosten einer ungehemmt und ungebremst weiter laufenden populistischen Debatte auf den Spuren von Sarrazin und anderen Brandstiftern (siehe das neue Buch von Udo Ulfkotte: „Kein Schwarz. Kein Rot. Kein Gold: Armut für alle im »Lustigen Migrantenstadl«)

    Angeblich wären ja bis zu 20% der Deutschen bereit, eine Sarrazin-Partei (Sarrazin als Haider?) zu wählen. Und dann? Türken zurück nach Anatolien, Zwangsarbeit, Hartz-IV- und Kindergeld streichen bei Verweigerung der Deutsch-Kurse? Umsiedlung vom Bornheimer Hang und Gallus ins Westend? Holen sich die jungen Türken dann das Kindergeld bei abendlichen U-Bahn-Fahrten zurück?

    Eine „Revolution“ wäre es, endlich einmal eine realitätsnahe Migrationspolitik zu betreiben. Aber dafür fehlt ja wohl das Geld, und vor allem der Willen.

  9. Sehr geehrter Herr Nemetschek,

    ich möchte Sie nach Darmstadt-Kranichstein einladen. Besuchen sie hier die Grundschule, sprechen sie mit unseren Nachbarn (Architekten, Lehrern, Ingenieuren, Informatikern etc.) und deren Kindern, die gerne auf eine Schule mit einem hohen Ausländeranteil gehen. Ihre Aussagen haben mich überzeugt: Mein Sohn wird dort nächstes Jahr auch eingeschult. Ich fühle mich hier im Stadtteil auch abends noch sicher, auch dank der Arbeit unseres Stadtteilpolizisten. Aber warum klappt die Integration in der Schule hier besser als anderswo? Vielleicht weil nicht künstlich durch den Schuleinzugsbezirk eine Segregation geschaffen wurde, wie in folgendem Link nachzulesen ist.
    http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/arbeitspapiere/band11/1.4-bildungsdefizite-radtke.phtml

    mit freundlichen Grüßen
    Antje Sander

  10. Den zu dem Thema mit Abstand sachlichsten und fundiertesten Beitrag habe ich heute in der FAZ gelesen. Wer zu faul ist, den ganzen Text zu lesen, kann sich ja mal das Fazit anschauen- das versachlicht vielleicht die Diskussion hier.

    http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~EBFC72F0534A149BE84CA714A883B6B5C~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Was mich grundsätzlich sehr gestört hat bei vielen Beiträgen, die ich in verschiedenen Zeitungen lesen musste, die sich mit dem Buch befasst haben, waren folgende Punkte:
    1.Es wurden Buchkritiken veröffentlicht bevor das Buch überhaupt erschienen ist und vollständig gelesen geschweige denn verstanden werden konnte.
    2.Die Kommentatoren überschlugen sich mit Deutungen von Sätzen und Satzausschnitten, sodass mir bis heute nicht klar ist, was von alldem nun tatsächlich von Sarrazin gesagt oder gemeint war und was von Journalisten hineininterpretiert und von anderen abgeschrieben wurde.
    3.Ich finde die Diskussion hysterisch. Das einzig Sinnvolle ist, sich mit den Sachaspekten auseinander zusetzen und missverständliche Punkte (wie dem der Genetik) zu klären.
    4.Ich finde es falsch, ihn aus der SPD und der Bundesbank rauszuwerfen. Juristisch ist das niemals haltbar.

  11. @Maat,

    herzlichen Dank für den exzellenten Link. Die Sachbezogenheit des Artikels kann man nach all dem, was in letzter Zeit zum Buch Sarrazins geschrieben worden ist, nur noch als wirklich sensationell bezeichnen, obwohl sie ausserhalb der Meinungsseiten eigentlich selbstverständlich sein sollte. Ich hoffe nur, den Autoren entstehen keine beruflichen oder sonstigen Probleme.

  12. maat, wenn Dir „nicht klar ist, was von alldem nun tatsächlich von Sarrazin gesagt oder gemeint war und was von Journalisten hineininterpretiert und von anderen abgeschrieben wurde“, dann kannst Du im Zeit-Interview (http://www.zeit.de/2010/35/Sarrazin) nachlesen. Originalton Sarrazin: „Ich stelle ein Zusammenwirken unterschiedlicher Elemente fest. Erstens: Die natürliche Bevölkerungsdynamik unseres Volkes nimmt ab. Zweitens: Die Geburtenrate ist schichtbezogen – die Unterschicht bekommt mehr Kinder. Diese Schiefe führt dazu, dass das intellektuelle Potenzial der Gesellschaft stark schrumpft, auch ohne Zuwanderung. Drittens: Gemessen an den durch Demografie und Geburtenstruktur ausgelösten Defiziten, ist die Zuwanderung nicht passend. Besonders die Zuwanderung aus islamischen Ländern stellt für das europäische kulturelle Modell eine Gefährdung dar.“
    Diese Schlußfolgerungen lassen sich aus dem von Dir zitierten FAZ-Artikel wirklich nicht ziehen.

  13. Ich muß mich berichtigen, in der Plasberg-Sendung von Januar 2008, die ich erwähnte, zum Thema „Jugendkriminalität bzw. Kriminalität unter jungen Zuwanderern“, war es während eines Interviews mit einem jungen betroffenen Migranten, der auf die Frage „Was hätte Deutschland denn für Sie tun können?“ nichts gutmenschlich vernünftiges antwortete (er wollte die Antirauchergesetze abgeschafft haben, der Rest war seiner Meinung nach ganz in Ordnung so), daß der Grünen-Politiker Özcan Mutlu Justizministerin Brigitte Zypries konsterniert zutuschelte: „Wurde der denn gar nicht gebrieft?“. Zypris zurückgeflüsterte Antwort: „Doch“. Ich weiß nicht, wie ich auf Simonis kam.

  14. Durch Ihre Beschreibung, Bronski, spürt man richtig, wie lebendig Offenbach doch ist und wie toll die vielen (sogar zahlenmäßig akkurat aufgeführten) Migranten mit Ihnen und einem südländisch aussehenden und kiffenden Tomatenzüchter dort zusammenleben. Hei, wie’s dort so anheimelnd menschelt.

    Ach, was soll denn das? Da schreiben Sie romantisierend über die „muslimische Bäckerei“ in Ihrer Straße, in der Tag und Nacht was los ist und deren leckerer Duft von frischem Brot Ihre Nase umweht. Auch einen schnarchenden Türken gibt’s in Ihrer Nachbarschaft, potzblitz! Und erst die gebürtige Portugiesin, die rotzende Jugendliche vor ihrem Laden zur Ordnung ruft. Na prima! Aber was hat denn letzteres, bitte schön, mit „antirassistisch“ zu tun?!

    Steht an der muslimischen Bäckerei bei Ihnen gegenüber das Wörtchen „halal“ und ist das ein Zeichen gelungener Integration? Sind die Köchinnen und Köche in den exotischen Restaurants integriert, weil sie auf deutschem Boden statt in ihren Herkunftsländern ausgebeutet werden? Haben Sie mal mit den Bedienungen in den Restaurants mehr als „Ich nehm‘ die 55“ geredet und dann auch das Gewünschte bekommen? Können Sie beurteilen, ob jemand tatsächlich ein Computerspezialist ist oder ein Foddler?

    Die Friede-Freude-Eierkuchen-Artikel aus der FR kenne ich auch in Bezug auf die Einkaufsstraße meines Stadtteils. Da wird eine rührseelige Homestory über einen der türkischen Gemüsehändler (und ganz progressiv: auch über seine Frau!) geschrieben – und 100m weiter wechseln die Leute die Straßenseite, weil sie sich von dem Grüppchen türkischer Glatzen in Trainingsanzügen bedroht fühlen, die vor dem von ihnen betriebenen Wettbüro herumlungern. Wenn wir hier Dönkes erzählen wollen, dann kann ich gerne dazu beitragen. Allerdings werden sie möglicherweise anders ausfallen als Ihre.

    Da tritt nun einer zum wiederholten Mal integrationsunwilligen Migranten auf die Füße, und schon geht das Gejaule los und wird reflexartig mit dem großen Vorschlaghammer losgedroschen. Da muss natürlich die Rassismuskeule rausgeholt werden, da sind natürlich alle Muslime diffamiert, da wird zusammengefaselt, was das Zeug hält. Der Hinweis auf den Holocaust darf nicht fehlen, ein ehemals koksender Rechtsanwalt (immerhin Erfahrungen mit importierten ukrainischen Prostituierten) tritt auf die Bühne, Leute mit Kenntnissen (nur) der „einschlägigen Stellen“ zerreissen das Machwerk und die führende deutsche Hosenanzugträgerin (ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda) findet das Ganze „nicht hilfreich“.

    Wenn Innenminister de Maiziere in der ARD verkündet, es gäbe „vielleicht zehn bis 15 Prozent wirkliche Integrationsverweigerer“, dann handelt es sich bei 15 Millionen Personen mit Migrationshintergrund immerhin um ca. 1,5 bis 2 Millionen. Wenn man davon ausgeht, dass die Politiker die Problematik bisher immer eher kleingeredet haben, können es vielleicht auch 20 Prozent sein. Das wären dann 3 Millionen Integrationsverweigerer. Oder meinte er doch nur den muslimischen Teil der Migranten? Na gut, dann haben wir halt nur eine halbe Million Hardcore-Integrationsverweigerer. (Kleine Polemik am Rande: wieviele Mitglieder hatte eigentlich die RAF? Inkl. Unterstützern vielleicht 6000? Oder 600?)

    Gestatten Sie, dass ich zur Verdeutlichung ein anderes Beispiel wähle. Da lese ich Schlagzeilen wie „Alkoholkonsum – Deutsche sind Schluckspechte“ oder „Deutsche konsumieren den meisten Alkohol: Das Land der Dichter und Trinker“. Da wird doch tatsächlich behauptet, jeder Deutsche tränke pro Jahr 115 Liter Bier, 20 Liter Wein, 6 Liter Spirituosen und 4 Liter Sekt! Meine Mutter trinkt überhaupt keinen Alkohol und ich selber, wenn’s hoch kommt, 3 Liter Wein und 1/2 Liter Sekt pro Jahr. Da bin ich aber nun empört und zutiefst in meiner Ehre beleidigt! So eine Frechheit! Unverschämt, sowas! Und überhaupt werden da Deutschland und die Deutschen pauschal als Trinker und Schluckspechte verunglimpft!

    Ach übrigens, die 1,7 Millionen Alkoholkranken in der BRD sind nicht deckungsgleich mit dem 1,7 Millionen Integrationsverweigerern (.s.o).

    Statt nun endlich die Debatte zu führen, wie denn die Integration der bisher nicht Integrierten gelingen könnte, hüpfen alle munter über das Stöckchen, das ihnen ein Herr Sarrazin hinhält. Putzig!

  15. @Abraham,

    der Artikel Schirrmachers machte auf mich einen ziemlich konfusen Eindruck (was möglicherweise daran liegt, daß mir die „jahrhundertelange, zum Teil verheerende wissenschaftliche Rezeptionsgeschichte darwinistischer Theorien“ nicht im letzten Detail geläufig ist, aber ich bezweifle das) und er ist auch, wieder mal, als ginge es nicht ohne, voller Unterstellungen. So ist es eine unverschämte Lüge, von Sarrazin zu behaupten, er würde eine „Einwanderungspolitik auf erbbiologischer Grundlage“ wie die der USA von 1924 befürworten… jene sprach von „unerwünschten Rassen“, d.h. spezifische Rassen wurden von der Einwanderung ausgeschlossen, Sarrazin hingegen ist jeder Angehörige jeder beliebigen Rasse als Einwanderer hochwillkommen (mit anderen Worten, die „Rasse“, was auch immer das sein soll, ist ihm schnurzegal), solange er (oder sie) ausreichend Intelligenz mitbringt bzw. andere Geistesgaben, die wirken können in der Tätigkeit des Menschen hier auf einen Gewinn hin fürs Land und seine Menschen, statt diese Eigenschaften nicht aufzuweisen und dann zur Belastung fürs Land und seine Menschen zu werden… wer etwas anderes von Sarrazin behauptet, der lügt ganz einfach, d.h. Schirrmacher lügt, bzw., wenn er nicht in der Lage ist, den Unterschied zwischen diesen beiden Positionen zu erkennen, dann ist er einfach dumm.

    Zum Eigentlichen des Artikels, der Problematisierung des sog. Biologismus. Wenn es schon Biologismus sein soll, wenn man, wie Frau Stern von der ETH Zürich, aber eigentlich alle anderen Intelligenzforscher auch, feststellt, daß zwischen der Intelligenzentwicklung von Geschwistern (also bei geistigen Vorgängen) Korrelationen bestehen, die nicht anders als durch Vererbungseinflüsse (von den Eltern) erklärt werden können, nun, dann muß man eben mit der Problematisierung des Biologismus aufhören, dann ist eben Biologismus ganz OK. Wenn aber Biologismus erst dann diagnostiziert werden kann, wenn jemand behauptet, NUR diese Vererbungseinflüsse würden auf die Entwicklung kognitiver Leistungen im weiteren Verlauf des Lebens Einfluß haben und sonst nichts, salopp gesprochen nach dem Motto „Einmal dumm (geboren), immer dumm“, dann kann man so etwas gar nicht genug problematisieren, es ist ganz einfach dämlich. Deswegen behaupten weder Frau Stern noch Herr Sarrazin solch einen Blödsinn, obwohl letzterem natürlich sowas gern böswillig unterstellt wird, natürlich auch mal wieder von Schirrmacher, wenn der am Ende davon redet, daß „Der Biologismus [des Herrn Sarrazin natürlich, welcher sonst] die Klugheit der Gesellschaft verhindert, weil er den Menschen das Gefühl gibt, festgelegt zu sein“… Aha, die Forderung Sarrazins nach umfassender Förderung in Krippen und Kindergärten gibt also den Menschen das Gefühl, sie (bzw. ihre Kinder) wären festgelegt und mit Bildung sei nichts zu machen… sowas zu schlußfolgern ist, mit Verlaub, selten… na ja.

    Die weitere Argumentationskette Schirrmachers läuft so: Sarrazin redet von darwinscher Zuchtwahl sowie negativer Selektion hin zu sinkender Intelligenz. An einer Stelle bei Darwin, in der es um die Zuchtwahl geht, wird ebenso über diese negative Selektion geschrieben, und Darwin verwendet dann im weiteren irgendwann einmal das Wort „Entartung“. Ab hier lässt dann Schirrmacher seinem offenbaren Talent zur Unverschämtheit freien Lauf. Weil Darwin in diesem Zusammenhang der Zuchtwahl das Wort „Entartung“ verwendet, wäre klar, daß Sarrazin die negative Selektion hin zu sinkender Intelligenz ebenfalls nur für eine „Entartung“ des Menschen halten kann („Sarrazin meint faktisch „Entartung“ – daran kann angesichts der Quelle kein Zweifel bestehen“)… daß Sarrazin diese negative Selektion einfach nur für gesellschaftlich verkraftbar, aber bedauerlich, weil mit langfristiger Wohlstandsminderung verbunden ansieht, das räumt Schirrmacher Sarrazin nicht ein, nein, Sarrazin muß es für eine „Entartung“ halten, d.h. eine irgendwie widernatürliche Entstellung des Arttypischen, weil Darwin dieses Wort in dem Zusammenhang mal erwähnte. Anschließend wirft er Sarrazin vor, daß der nicht in alle Welt herausposaunt hat, daß Darwin im Zusammenhang mit diesem Vorgang der negativen Selektion einst das Wort „Entartung“ verwendet hat. Mit anderen Worten, Sarrazin will auch noch geheimhalten bzw. die Spuren verwischen, die angeblich beweisen, daß er es für „Entartung“ hält. Und das ganze natürlich in voller Gewärtigung der Situation, daß das Wort „Entartung“ nicht mehr denkbar ist, ohne sich daran zu erinnern, daß es 100 Jahre nach Darwin zum Lieblingswort der Nazis wurde und zu deren Begründung, warum Millionen von Menschen umgebracht werden mussten. Wenn Sarrazin also diese negative Selektion für „Entartung“ hält, ist ja dann wohl der Zeitpunkt nicht fern, wo Sarrazin den Unterschichten den Marsch in die Gasöfen befiehlt, oder doch zumindest die Massen-Sterilisation… das ganz offen zu behaupten scheut sich Schirrmacher nicht: „denn dahin geht die Reise mit Sarrazin“.

    Angesichts solcher Frechheiten greift man sich an den Kopf, für einen angeblichen führenden „Intellektuellen“ Deutschlands einfach nur peinlich! Von Schirrmacher war schon viel Merkwürdiges zu lesen, ich dachte, mit „Payback“ hätte er sich irgendwie ein bischen gefangen, denn da standen, neben den üblichen Schirrmacher-Konglomeraten von Verkürztem, Verdrehtem, Unverdautem und Mißverstandenem ein paar valide Dinge drin, und nun das wieder!

    @Schnippsel,

    schreiben Sie bitte öfter hier! Klasse!!!

  16. @Abraham,

    kurz noch was zu den „Schlußfolgerungen“ im Zeit-Artikel:

    Zu Erstens: Wollen Sie behaupten, es wäre umstritten, daß die gegenwärtige Reproduktionsrate der Deutschen ohne Migrationshintergrund unter dem Erhaltungswert liegt, und das es daher der Quellen dafür bedarf?

    Zu Zweitens: Ebenfalls den gängigen Statistiken entnehmbar ist, daß in den Unterschichten durchschnittlich mehr Kinder geboren werden. Ich erinnere mich ganz deutlich an eine kurze öffentliche Debatte zu diesem Thema bei der Veröffentlichung von Statistiken zur Kinderarmut in Akademikerfamilien… nicht zuletzt auch deshalb, weil Harald Schmidt daraufhin Akademikerfrauen aufforderte: Nun kuschelt mal schön… wenns ne Wirkung hat, gibts ein Fußball-WM-Spiel-Ticket gratis. Aber in jeder Diskussion über die Frage „Keine Kinder, wieso und warum?“, taucht doch dieser Sachverhalt auch immer wieder auf, er bedarf also nicht der weiteren Untermauerung. Der zweite Teil der Aussage unter zweitens wird hingegen von den Autoren ausgiebigst behandelt, er folgt aus der Kombination der Antworten auf „Ist Intelligenz das Ergebnis von Erb- oder von Umwelteinflüssen?“ und „Variiert Intelligenz in modernen Gesellschaften mit Schichtung?“

    Zu Drittens: Daß eine Zuwanderung von nicht überdurchschnittlich intelligenten Ausländern unpassend ist, wenn man die Zuwanderung als Methode sieht, einem Abwärtstrend der inländischen Intelligenzentwicklung zu begegnen, sollte einem eigentlich der gesunde Menschenverstand sagen… muß eine solche Folgerung noch erläutert werden? Was nun zuletzt die Aussage angeht, daß muslimische Einwanderung unter der Bedingung der demographischen Entwicklung eine Gefährdung für das europäische kulturelle Modell darstellt, sagen die Autoren nichts, weil es erstens nicht ihr Fachgebiet, die Intelligenzforschung, berührt, und zweitens aber auch eine reichlich banale Schlußfolgerung ist. Zum Thema „Gibt es einen Zusammenhang von Intelligenz und muslimischer Kultur?“ schreiben die Autoren aber dann doch wieder einiges.

  17. @wedell
    Eine ironische Überzeichnung:

    Da muss man die sarrazynischen Äusserungen wohl mal auf den individuellen Punkt bringen:

    Die Beiträge von Max Wedell scheinen mir nicht sehr intelligent, Er ist zwar nicht zugewandert, gefährdet aber doch den hohen Standard der deutschen Durchschnittsintelligenz, weshalb ihm nicht nur die Zuwanderung verweigert, sondern auch die Auswanderung nahegelegt werden sollte. Sarrazin hat recht: Das deutsche Volk ist so unnütz, daß es nur durch Intelligenz überleben kann. Die Frage ist, mit welcher.

  18. Hat keinen Sinn, also laß ich es lieber. Ich dachte, es wäre möglich, die Debatte in einen anderen Zusammenhang zu bringen, aber die Diskutanten scheinen sich lieber in Einzelheiten zu verzetteln, als den Zusammenhang zu sehen.
    Aber wahrscheinlich liege ich ja total falsch, und höre die Flöhe husten. Na dann, tschüß.

  19. Ein bisschen Futter zum Nach-Denken:

    Der „Sachverständigenrat (deutscher Stiftungen) für Integration und Migration“ schreibt in seinem 258-seitigen Gutachten „Einwanderungsgesellschaft 2010“ [1] in den „15 Kernbotschaften“ [2]:

    2. Einwanderungsgesellschaft: In den Grenzen des Migrationslandes entfaltet sich eine
    Einwanderungsgesellschaft. Ihre Heterogenität wächst auch bei abnehmender Zuwanderung aus demografischen Gründen eigendynamisch weiter. Zugleich steigt aus diesen Gründen selbst ohne Zuwanderung der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund weiter an.

    10. Migration und Sozialreform: In einem Wohlfahrtsstaat mit demografisch schrumpfender und alternder Bevölkerung erhöhen zunehmende Abwanderung und abnehmende Zuwanderung von Menschen im besten Erwerbsalter den Reformdruck auf die Sozialsysteme. Der Wohlfahrtsstaat aber gewinnt einen großen Teil seiner politischen Legitimation aus dem Erfolg ausgleichender Wirtschafts- und Sozialinterventionen. Die durch Veränderungen im Wanderungsverhalten verschärfte Nötigung zu einschneidenden Sozialreformen wirft deshalb schwerwiegende Legitimationsprobleme auf.

    11. Personalprobleme der ‚Firma Deutschland‘: Es gibt in Deutschland ein quantitatives und ein qualitatives Migrationsproblem. Deshalb muss Deutschland neben einer Bildungs- und Qualifikationsoffensive im Innern proaktive Zuwanderungspolitik betreiben, für qualifizierte Zuwanderung attraktiver werden, aber auch die Bedingungen für das Bleiben qualifizierter potenzieller Abwanderer verbessern, die zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen.

    15. Fehlsteuerungen und Steuerungsfehler: Migration, Integration und Einwanderungsgesellschaft sind Dimensionen mit hoher sozialer Eigendynamik und auf der Zeitachse schwer absehbaren ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen. Rechtliche und politische Interventionen müssen deshalb stets die Grenzen der Gestaltbarkeit, die Gefahr von Fehlsteuerungen, von nicht intendierten Folgen und unbeabsichtigten Härtefällen im Auge behalten. Eine eher bescheidene Verbindung von flexibler Konzeptorientierung und pragmatischer Gestaltung wirkt hier mitunter nachhaltiger als der auf lange Dauer angelegte große Wurf, bei dem eine Zielverfehlung mit nicht minder großen sozialen Kosten verbunden sein kann.

    Zu dem unter Punkt 11 genannten Problem des brain drains siehe z.B.:
    Viele türkischstämmige Akademiker wollen aus Deutschland abwandern [3]
    Migrationsforscher beklagt Abwanderung türkischer Elite [4]
    Abwanderungswunsch türkischer Bildungseliten [5]

    Bei doppelter Staatsbürgerschaft ist die Abwanderung natürlich recht einfach. Der deutsche Steuerzahler bleibt nicht nur auf den Kosten der Ausbildung sitzen, sondern auch mit den übriggebliebenen „Bildungsfernen“. Rosige Aussichten.

    [1] http://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2010/05/einwanderungsgesellschaft_2010.pdf
    [2] http://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2010/05/jahresgutachten_kernbotschaften3.pdf
    [3] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31352/1.html
    [4] http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Migrationsforscher-beklagt-Abwanderung-tuerkischer-Elite-id3311257.html
    [5] http://www.turkeikurier.com/index2.php?option=com_content&view=article&id=118:abwanderungswunsch-tuerkischer-bildungseliten&catid=42

  20. Guten Tag, werte Leserinnen und Leser,

    diese Debatte hat viel mit Gefühlen zu tun. Würde sie logisch und verständig betrieben, wäre die These, dass Migranten genetisch Dummheit mitbrächten, schnell ad absurdum geführt: Der Verfasser trägt einen persischen Nachnamen. Seine Eltern oder Großeltern sind also nach Deutschland gekommen. Und das ist völlig normal und gut so.

  21. Herr Fladung,

    auch von mir können Sie einen breiteren Zusammenhang bekommen, in einem Satz: Die Armutsimmigration der letzten 20 Jahre begründete die Notwendigkeit, Hartz IV einzuführen, kreierte bzw. erweiterte drastisch die Niedriglohnsituation in verschiedenen Branchen, ist Ursache dafür, daß ein Anstieg der Kinderarmut zu beklagen ist.

    Sehr wohltuend der gestrige Gastbeitrag von Götz Aly in der FR, fast hätte ich gesagt: „Danke schön“, aber das wäre natürlich unpassend, einer Zeitung, die mal etwas nüchtern gelassenes bringt, dafür zu danken, wenn sie tagelang vorher das Thema ausschließlich so behandelte, daß aus jeder Zeile der unbedingte Wille sprach, Sarrazin zu verunglimpfen, ja zu vernichten. Aly widerspricht Sarrazin ja auch, das kulminiert im letzten Satz, er tut es aber auf eine gelassene, nüchterne Art… wenn Linke mehr und mehr zur nüchternen Auseinandersetzung zurückfänden, weil sie die verlogenen Empörungsrituale anwidern bzw. langsam auch mal langweilen, dann wäre das doch schon eine gute Sache.

  22. Deutschland hat schon so viele Menschen integriert. Italiener, Spanier, Kroaten, Serben, Griechen, im Jahr 1968 zig Tausende Tschechen, nach der Wende sogar Vietnamesen. Gibt es bei denen Probleme? Nein! Ist es nicht merkwürdig, daß, wenn es Probleme gibt, sind es (fast immer) Türken und Araber? Muslime? Fahren Sie mal in Frankfurt und Umgebung morgens in der S-Bahn/U-Bahn, wenn die Kinder in die Schule fahren. Nicht nur daß alte Leute keinen Sitzplatz finden und wegen dem Geschrei sich unwohl fühlen, wenn sie aber ein Wort sagen dann hören sie nur: „Halt´s Maul Scheißdeutsche, Scheißschweinefresser! Wir werden hier herrschen!“ So gehört mit eigenen Ohren. Nicht nur einmal. Sind diese Kinder integrationsfähig?

  23. P.S.: Von “nüchterner Auseinandersetzung” (gegen die nichts einzuwenden wäre) ist Sarrazin selbst mailenweit entfernt. Er ist es, der auf “Empörungsrituale” setzt, über die angeblich ungezügelte Zuwanderung (die wir seit Jahrzehnten nicht haben), über das angebliche Verschweigen bzw. Beschweigen der mangelnden Integrationsfähigkeit der muslimischen Migranten (die längst, allerdings nicht im sarrazinisch-plakativen Stil, diskutiert wird, siehe z.B. die Studie des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung “Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutschland vom Januar 2010 http://www.berlin-institut.org/studien/ungenutzte-potenziale.html).

  24. Den Sarrazin-Kritikern empfehle ich den Film „Duisburg-Marxloh“ sowie die ARD-Dokumentation „Hart und herzlich“ (einfach mal danach googeln).

    Wer nach diesen Bestandsaufnahmen noch Zweifel daran hat, dass die Integration in weiten Teilen komplett gescheitert ist, der lebt in einer Parallelwelt.

  25. Nun, das Hauptproblem, das ich an Sarrazins Äußerungen bemerke ist, dass er den Anschein erweckt, dass Intelligenz eine feste Größe ist, die von den Eltern auf die Kinder übertragen wird. Das ist Quatsch. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Genetik eine Rolle spielt in der Größenordnung zwischen 10 und 80 Prozent (was alles und nichts bedeutet). Sie ist in hohen Maße von Umweltfaktoren abhängig (angefangen von der Ernährung über die Schule, Elternhaus). Die Genetik spielt eine größere Rolle je gerechter die Ausgangsbedingungen sind, z.B. das Schulsystem.
    Auch handelt es sich um Unsinn, dass die Bevölkerung durch stärkere Geburtenzahlen in sozial schwächeren Milieus verdummt. Das ist wissenschaftlich nicht haltbar. In den Industrieländern ist der Durchschnitts-IQ sogar kontinuierlich angestiegen.
    Ich halte Sarrazin dennoch weder für einen „Nazi in Nadelstreifen“ noch für einen Dummkopf. Ich werfe ihm vor, sich zu wenig präzise auszudrücken insbesondere in Bereichen, die große Sorgfalt erfordern, da sie sofort von rechts stehenden Personen instrumentalisiert werden können. Und ich werfe ihm vor, dass er emotionalisert. Die Presse und die Politik stürzt sich aber auch ausgesprochen dankbar darauf. Das finde ich falsch. Ich bin der Ansicht, dass sich die strittigen Punkte auf der Sachebene leicht entkräften lassen, ohne dass man deswegen gleich durchdrehen muss. Dass Sarrazin in der Bevölkerung Zuspruch erhält, führe ich im Übrigen nicht auf Angst zurück. Es handelt sich in meinen Augen um ein Misstrauen gegenüber einer Politik, die ständig davon redet, was zu tun sei, die Missstände aber nicht in den Griff bekommt.

    Dass es Probleme gibt mit Kindern aus dem türkischen Migrantenmilieu insbesondere in Berlin, ist unbestreitbar. Seit Jahren wird von der Politik runtergebetet, was man alles tun müsse, um diese Kinder zu integrieren. Ich frage mich, was ist seitdem geschehen? Wo sind die Verbesserungen? Wie sieht es aus mit der frühkindlichen Sprachförderung, dem verpflichtenden Kindergartenjahr? Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel? Gibt es Hausbesuche? Wie werden die Eltern mit ins Boot genommen? Welche Freizeit-Angebote gibt es für die Jugendlichen (Jugendhäuser…?), Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei und Sozialämtern? Was passiert jenseits der Vorzeigeprojekte wie Rütli? Und wieviel Geld wird dafür locker gemacht?

    maat

  26. @ Thomas Schuster

    Ich möchte gerne wissen, welche ernstzunehmende Medien oder Politiker bestreiten, dass es Integrationsdefizite – und zwar sowohl in den Zuwanderergemeinschaften als auch in der Aufnahmegesellschaft – gibt. Die von Ihnen angeführten Problemfällen sind genauso real, wie die bestens integrierten „Vorzeigemigranten“. Ihre Behauptung, „dass die Integration in weiten Teilen komplett gescheitert ist“, bestätigt keine der mir bekannte Untersuchungen (sieh z.B. die von mir unter # 25 verlinkte Studie). Die Realität ist nämlich deutlich vielschichtiger, als es die Schwarz-Weiß-Malerei eines Sarrazin vorgaukelt.

  27. Folgenden Kommentar fand ich auf den heutigen Nachdenkseiten:

    Zitat: „Anmerkung unseres Lesers G.K.: Es verwundert schon sehr, dass die Frankfurter Rundschau einen derartig unkritisch-liebedienerischen Artikel zu Dohnanyis Bestreben veröffentlicht, für den sozialdarwinistischen Thilo Sarrazin die Verteidigung vor der SPD-Schiedskommission zu übernehmen. Der FR-Beitrag beschäftigt sich zwar lang und breit mit dem Werdegang Dohnanyis, verschweigt jedoch, dass dieser seit einigen Jahren stellvertretender Vorsitzender des neoliberalen “Konvent für Deutschland” ist und zudem Kurator der ebenfalls neoliberalen “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” gewesen ist.
    Dohnanyi gehört gemeinsam mit Sarrazin, Clement und Gerster zu jenen rechtskonservativ-neoliberalen “Sozialdemokraten”, die sich als Interessenvertreter der “Elite” scheinbar bedenkenlos dafür hergeben, die Mittelschicht und die Unterschicht gegeneinander aufzuhetzen, um auf diesem Wege die Interessen der Spitzenverdiener und Vermögenden schamlos durchzusetzen. Diese Herrschaften verfahren nach der Methode “Teile und herrsche”.“

    Und zu Ihrem Kommentar No. 22, Herr Max Wedell, nur soviel:

    Würde in Deutschland nicht, auch bedingt durch zu geringe Bildungsausgaben, siehe diverse OECD-Berichte, aber vor allem durch ein immer hemmungsloseres sich Bereichern der oberen 10% der Gesellschaft, nicht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen, wären auch die berechtigten Hinweise auf mangelndes Integrationsverhalten bestimmter Bevölkerungsteile nicht so im Fokus und würden Sarrazin & Co. nicht so viel Zustimmung erfahren.

    Würden die unteren 50% mehr „von Allem“ abbekommen, wäre auch die Wut auf die, welche scheinbar bei uns alles für lau erhalten, kein Thema.

    Allerdings wird es immer einen fremdenfeindlichen Bodensatz geben. Einem Redneck aus dem tiefen US-Süden kann man die tollste Karriereleistung eines Schwarzen samt Familie aufblättern – er wird seine Vorurteile behalten und weiter kultivieren.

  28. Naja, Abraham, ich erinnere mich gut an Fernsehdiskussionen, in denen es um Migration ging und Grünen-Politiker wie Ströbele ständig nur davon geredet haben, wie schön und gut alles sei, dass man nicht verallgemeinern dürfe und wie gut er klar käme mit dem netten türkischem Gemüsehändler. Das sagte er, als sich die Polizei in manche Viertel schon nicht mehr reingetraut hat und die Lehrer der Verzweiflung nahe waren. Das wirkt halt schon verharmlosend.

  29. @ Thomas Schuster

    „Wer nach diesen Bestandsaufnahmen noch Zweifel daran hat, dass die Integration in weiten Teilen komplett gescheitert ist, der lebt in einer Parallelwelt.“

    Wie kann etwas scheitern von dem immer nur geredet wird? Es gibt doch bisher gar keine Integrationspolitik sondern höchstens Ansätze davon. Was gescheitert ist ist etwas anderes: die Weigerung der C-Parteien zu akzeptieren dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, was zwangsläufig eine entsprechende Eingliederungspolitik nötig machen würed. DA liegt das Problem!

  30. @ Waldemar Kwasniok – http://www.frblog.de/sarrazin2/#comment-28914

    Dazu kommen natürlich die Portugiesen, die südkoreanischen und philippinischen Krankenschwestern, die Ein-bisschen-Spaß-muss-sein-Kubaner, eritreische Flüchtlinge und viele andere Exoten.

    Und wollen wir doch mal nicht vergessen: die Millionen Heimatvertriebener, die von vielen Ortsansässigen häufig abgelehnt wurden, deren Integration weitestgehend gelang.

    Und vergessen wir auch nicht, dass wir in allerjüngster Geschichte eine – immer noch nicht abgeschlossene – aberwitzige Integrationsleistung zu stemmen hatten/haben. Da mussten 60 Millionen Westdeutsche 16 Millionen Neufünfländer integrieren – und 16 Millionen planwirtschaftlich geprägter Ostelbier mussten mit 60 Millionen marktwirtschaftlich geprägten Altbundesländischen zusammenleben lernen. Innerhalb von 20 Jahren mit zwei Systemen und drei Währungen zurechtzukommen: Chapeau!

  31. @ maat – http://www.frblog.de/sarrazin2/#comment-28923

    Nehmen Sie den Artikel aus dem Berliner Tagesspiegel von gestern: „Gebetsraum-Urteil wird neu verhandelt“ [1]. Der 17-jährige Schüler Yunus M. hat Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) eingelegt, das ihm das Verrichten des rituellen muslimischen Gebetes im Weddinger Diesterweg-Gymnasium verwehrt hatte. Nun muss sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall befassen.

    Zitat:
    So hätten sich Konflikte ergeben, weil eine Reihe von Schülern nicht den Verhaltensregeln gefolgt sei, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergeben würden. So sei es zu Mobbing, Beleidigungen – insbesondere auch mit antisemitischer Stoßrichtung –, Bedrohungen und sexistischen Diskriminierungen gekommen. Schülerinnen, die der alevitischen Glaubensgemeinschaft angehörten und daher kein Kopftuch trugen, seien angepöbelt worden. Soweit die Schule in der Lage gewesen sei, die beteiligten Schülerinnen und Schüler zu einem Gespräch zusammenzubringen, hätten sich die den Konflikt schürenden Schüler regelmäßig darauf berufen, dass der Koran ihr Verhalten legitimiere. Die Beispiele zeigten, dass sich die ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen würde, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre.

    [1] http://www.tagesspiegel.de/berlin/gebetsraum-urteil-wird-neu-verhandelt/1928406.html

  32. Ein anderer Aspekt: Sarrazins Herkunft

    Sein Name deutet darauf hin, dass seine Vorfahren muslimische Araber waren und erst deren Nachfahren Hugenotten geworden sind. Im 8. Jahrhundert begannen Araber in den Mittelmeerraum vorzudringen und sich im südlichen Europa, vor allem in Spanien und Südfrankreich, anzusiedeln. Man nannte sie „Sarazenen“. Diese Bezeichnung soll von einem katholischen Bischof stammen und sie war abwertend gemeint. Die „Sarazenen“ wurden von den europäischen Christen als unwissende Heiden verachtet und in den Kreuzzügen bekämpft. „Sar[r]azenisch“ bedeutete im Mittelhochdeutschen fremd, unverständlich, ungeheuer.

    Mit den muslimischen Einwanderern und durch den Warenaustausch mit den Europäern gelangte aber auch arabische Kultur (Dichtung, Kunst, Wissenschaft, Technik) nach Europa. Sie wurde später als Bereicherung anerkannt.

    Der Familienname Sar(r)asin / Sar(r)azin ist in Frankreich und in der Schweiz noch heute verbreitet. Es liegt also nahe, dass dieser Name von der Bezeichnung „Sarazenen“ abgeleitet worden ist.

    Der anti-islamische Rigorismus eines Sarrazin wäre auch tiefenpsychologisch ergründ- und erklärbar. Aber das ist ein – schwieriges – Kapitel für sich.

  33. @Abraham
    Sicher gibt es positive Beispiele für Integration, wer wollte das bestreiten.
    Die Frage ist doch, ob es mehr ’schwarz‘ oder mehr ‚weiß‘ gibt.

    Dass ein kompletter Stadtteil wie Duisburg-Marxloh nicht gerade als Beispiel für
    gelungene Integration dienen kann zeigt doch gerade die SpOn Dokumentation auf
    das Deutlichste.

    Wenn die Migranten, die schon jahrelang hier leben, auf Fragen des Reporterteams
    nicht antworten können, weil sie eben kein deutsch verstehen und sprechen, ist das doch ein Armutszeugnis.

    Da fehlt m.E. von Seiten der Migranten der Wille zur Integration und von Seiten des Staates der Druck.
    Da ist auch der Moscheebau eher kontraproduktiv, er fördert meiner Meinung nach nicht die Integration.

    Dass sich in den Talkshows zum Thema dann immer die gut integrierten, gebildeten,
    perfekt deutsch sprechenden Migranten finden, kann den ‚Nornalbürger‘ nur wundern,
    denn das entspricht offensichtlich nicht der Mehrheit der Migranten.

    Mir scheint, dass der Islam doch nicht so recht in die liberale westliche geprägte Gesellchaft passt.
    Ich bin auch verwundert, dass gerade Parteien links von der Mitte wie SPD und Grüne
    nicht massiv einschreiten gegen Ünterdrückung der Mädchen und Frauen, das Frauenbild des Islam ist doch ein komplett anderes wie es SPD und Grüne vertreten.

    Die große Unterstützung von den Bürgern erhält Sarrazin je eben nicht, weil die Leute im Alltag überwiegend den gebildeten, integrierten Migranten erleben sondern eher das Gegenteil.

    Und die Medien tun ihren Teil dazu, indem Sie Probleme bislang nicht klar benannt haben in Sinne der political correctness/ der deutschen Vergangenheit /Furcht vor rechts / was auch immer …

  34. @Abraham, #24,

    als ich Frau Sterns FAZ-Interview las,

    http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~E86A2682DEBF0437EB34B01F2EA21EB55~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    drängte sich mir zunächst der Eindruck auf, daß sie tatsächlich heftig widersprach, das erforscht zu haben, was Sarrazin dann verwendete… bis sie jeweils einige Sätze später bestätigte, das erforscht zu haben, was Sarrazin dann verwendete.

    Sie wirft Sarrazin vor, im Zusammenhang mit Vererbung von Intelligenz zu reden und nicht von Intelligenzunterschieden. Das ist absurd, denn Sarrazin redet genauso wie sie von der Meßgröße IQ, die nichts anderes als das Ausmaß der Abweichung vom Durchschnitt angibt, bzw. direkt von unterdurchschnittlicher bzw. überdurchschnittlicher Intelligenz, d.h. Abweichung vom Durchschnitt… Im übrigen müsste sie sich selber kritisieren, wenn ihr in der Zeit Sätze herausrutschen wie: „[…] könnte jedes [Kind] die in seinen Genen vorgesehene Intelligenz erreichen“… Plötzlich keine Spur mehr von Unterschieden. Die Gene scheinen (bei optimaler Förderung) plötzlich doch eine bestimmte absolute Intelligenz vorzusehen?

    Sie sagt in der FAZ weiter: „Das Ungleichgewicht in der Fortpflanzung müsste noch über viele Generationen gehen, bevor der IQ merklich absinkt.“ nachdem sie ein paar Sätze vorher auf die Frage, ob es zu solch einem Absinken des IQ überhaupt kommen kann, „Nein“ geantwortet hatte.

    Dann weiß sie natürlich genau, warum sie im Zeit-Artikel das Migrantenmädchen aus bildungsfernem Haushalt mit dem deutschstämmigen rundum geförderten Akademikersohn vergleicht, und nicht mit dem deutschstämmigen Mädchen aus bildungsfernem Haushalt, oder mit einem rundum geförderten Migrantenmädchen aus bildungsnahem Haushalt…

    Frau Stern hatte offensichtlich keine Lust darauf, Opfer einer Hexenjagd zu werden. Durch Taschenspielertricks konnte sie diese Gefahr für sich abwenden, ohne über ihre wissenschaftlichen Ansichten lügen zu müssen. Fachliche Widersprüche zu Sarrazin konnte sie mir jedenfalls nicht deutlich machen.

    „Nüchtern“ habe ich verwendet als Gegensatzbegriff zum „polemischen“. Nun werden natürlich viele sagen, ich empfinde das Buch als polemisch, also ist es doch polemisch. Das ist aber falsch, das Buch, daß die üblichen Merkmale von Polemiken nicht hat (Übertreibung, Ironie/Sarkasmus usw.), kann ebensowenig dadurch als polemisch gelten, weil es manchen als polemisch erscheint, wie Sarrazin eine Lust an der Provokation dadurch bewiesen werden kann, daß sich manche durch ihn provoziert fühlen.

    Sind Sie sicher, daß Sarrazin die Vokabel „ungezügelt“ im Zusammenhang mit der Massenzuwanderung der letzten 20 Jahre verwendet? Wie dem auch sei, ich nannte ihnen die Zahlen: in weniger als 30 Jahren von unter 5% Migrantenanteil auf jetzt knapp 20%, es ist doch müßig, sich zu streiten, ob das auf „ungezügeltem“ oder „gezügeltem“ Weg zustandekam.

    Die mangelnde Integrations“fähigkeit“ wird insofern beschwiegen, weil es sie offiziell nicht gibt (auch in Ihrem Link nicht). Offiziell ist nämlich jeder integrationsfähig, wenn man ihn nur lässt bzw. ihm ausreichend hilft dabei. Was Sie meinen, ist, daß man über Integrations“mängel“ schon länger redet (und redet und redet). Das ist schon wahr, da haben Sie recht.

    @ maat,

    es ist die Frage, ob es Sarrazin vorzuwerfen ist, daß er sich zu unpräzise ausdrückt, oder ob es seinen Rezipienten vorzuwerfen ist, daß sie ihn zu unpräzise verstehen (wollen). Ich denke eher letzteres. Wer aus dem von Sarrazin gebrachten den Eindruck bekommt, daß Intelligenz eine feste, von den Genen vorgegebene Größe sei… tja, wie will man einen solchen Eindruck dann denn eigentlich noch verhindern? Am besten gar nicht mehr von den Genen reden, etwa? Aber könnte dann nicht der Eindruck entstehen, Gene hätten rein gar nichts mit der Intelligenz des Menschen zu tun, was ja auch irgendwie falsch wäre? Vor den Optionen, Bücher zu schreiben, die die Unwahrheit enthalten, diese aber klar und unmißverständlich, oder Bücher, die die Wahrheit enthalten, dabei aber nicht frei von der Möglichkeit, alles mißzuverstehen, plädiere ich doch für letzteres.

    Der Vorwurf der „Emotionalisierung“ ist ungerecht. Wenn sie von Autoren verlangen, sie sollten „Emotionalisierung“ vermeiden, so bleibt Autoren bei Büchern über Tatbestände, die überhaupt nicht darstellbar sind, ohne daß die Emotionen bei manchen Lesern hochkochen, ja nur eines übrig: die Selbstzensur… nämlich das Buch überhaupt nicht zu schreiben.

    @Fladung, #29

    vielen Dank, daß sie mich darauf aufmerksam machten: In meiner Liste, welche der heutigen Hauptprobleme auf die Armutsimmigration der letzten 20 Jahre zurückzuführen sind, habe ich doch tatsächlich vergessen, die aufgehende Schere zwischen Arm und Reich aufzuführen. Meinhard Miegel verglich vor einigen Jahren die Daten von 2006 und 1986… der Anteil der Armen an der Bev. nahm tatsächlich zu… der Anteil der Armen unter den Menschen ohne Migrationshintergrund stagnierte allerdings, der Anteil der Armen unter den Menschen mit Migrationshintergrund explodierte. Wenn man 20 Jahre eine Armutsimmigration hat, d.h. eine ständige Zufuhr von Armen von außerhalb, wäre es allerdings sensationell gewesen, wenn die Schere zwischen Arm und Reich NICHT aufgegangen wäre.

    @Schnippsel,

    danke für die Informationen und die Links. Wenn unter Punkt 11 gesagt wird, Deutschland müsse „für qualifizierte Zuwanderung attraktiver werden“, so frage ich mich, wie das geschehen soll, wenn solcherart Zuwandernde mit jedem Gehaltszettel quittiert bekommen (jetzt schon, aber in Zukunft noch mehr und mehr), daß sie a) einen Haufen alter Rentner und b) eine beträchtliche Anzahl bildungsferner und in der Wissensgesellschaft kaum einsetzbarer Junger alimentieren sollen. Diese prospektiven Zuwanderer fragen sich: Wieso soll ich das tun, was gehen mich diese Leute und ihr anstrengungsloses Wohlergehen an? Und ebenso wird manch Inländer mit unterdurchschnittlicher Heimatverwurzlung vor der Last dessen, was den Leistungserbringern zukünftig in wachsendem Maß aufgebürdet werden muss, die Flucht ergreifen, was die Verhältnisse weiter verschlimmert, d.h. die Zahl der Schultern, die die Kosten tragen müssen, noch einmal verringert.

  35. Offensichtlich ist dieser Demagoge in seinem beruf nicht genügend gefordert, sonst hätte er nicht solchen Unsinn geschrieben.

  36. Zu den Herren Nemetschek und Westerborg: wenn ich die Worte „Gutmenschen“ und Multikulti höre kommt mir die Galle hoch! Was sind denn dann Sie? Ist es gut, ein Bösmensch zu sein? Sind Sie denn stolz auf Ihre schlichte Weltsicht von denen da unten und denen oben? wobei Sie ausschließich nach unten treten.

    Ich lebe in einem Stadtteil mit hoher Ausländerzahl, habe etliche Nachbarn aus der Türkei, Mazedonien, Polen, Kasachstan und habe in der Grundschule und im Gymnasium und im Sportverein aus nächster Nähe das Zusammenleben der verschiedenen Nationen mit erlebt, gehe ohne Ängste durch das meist belebte Bahnhofsviertel und kann nur sagen: es ist abstoßend zu lesen wie gerne versimpelt und vereinfacht und verdammt wird!

    Nach meiner langjährigen Erfahrung – auch im beruflichen Zusammenhang – weiß ich, Integrationsprobleme sind zum großen Teil Bildungsprobleme und nicht genetische und auch nicht religiöse und auch nicht nationale Herkunftsprobleme.

    Statt hier zu keifen, Herr Nemetschek, Herr Bohne, Herr Westerborg etc.etc. gehen Sie doch in den benachbarten Kindergarten und lesen den „bildungsfernen“ Kindern vor! Bieten Sie Nachhilfe an! Differenzieren Sie wenigstens statt plump alles über einen Kamm zu scheren.

    Manchmal fürchte ich – besonders wenn ich die die Zahlen sehe, wer alles schlichteste Haltungen vertritt (siehe FR von heute, Artikel von V. Schmidt, S. 4 – daß auch einer ganzen Menge „Eingeborener“ reichlich Bildung – und dazu auch Herzensbildung – fehlt. Dazu passen ja auch die neuesten OECD-Zahlen.

  37. Heute aus der FR > Kultur > Literatur (Auflösung unten).

    „Die von Ernst Tugendhat übernommene Unterscheidung zwischen universalen und partikularen Moralvorstellungen ist für Gross’ Ansatz entscheidend: Eine universale Moral (wie Kants kategorischer Imperativ oder Habermas’ Diskursethik) erhebt den Anspruch, sich vor allen rechtfertigen zu können. Anders dagegen eine partikulare Moral, die von vornherein nur für eine bestimmte Gruppe gelten will, sei es eine Familie, ein Volk oder eine Glaubensgemeinschaft.“

    Die im folgenden Absatz in eckige Klammern gesetzten Ziffern ergänzen Sie mit Begriffen Ihrer Wahl. Dafür dürfen Sie testweise Begriffe wie „Islam“, „Muslime“ und „moslemisch“, „Umma“ oder für [4] auch gerne „Deutsche“ verwenden:

    „Wie Gross zeigt, waren in der [1]-Moral Werte wie Ehre, Treue (zum eigenen Volk), Anstand oder Schande zentral: Nur die [2] besaßen Ehre (qua [3] Abstammung), nur sie konnten sie auch verlieren (indem sie etwa mit einem [4] intim wurden). [4] dagegen waren von dieser Moral ausgeschlossen. Und wo die [4] selbst universale Werte verbreiteten, taten sie das nur, um ihre partikularen Interessen durchzusetzen: „Wer Menschheit sagt, will betrügen.“ (Carl Schmitt). [5] Stolz auf seine „anständig gebliebenen“ [6]-Leuten bezog sich darauf, dass die sich, von Ausnahmen abgesehen, beim Morden nicht persönlich bereichert hätten, also den Tugenden der [6] treu geblieben waren.“

    „Wie lebendig partikulare Moralvorstellungen noch heute sind, zeigt Raphael Gross in frappierenden Analysen…“

    Buch zu Nazi-Moral „Den SS-Tugenden treu“
    http://www.fr-online.de/kultur/literatur/den-ss-tugenden-treu/-/1472266/4624210/-/index.html
    [1] NS
    [2] Deutschen
    [3] rassischer
    [4] Juden
    [5] Himmlers
    [6] SS

  38. maderholz am 7. September 2010 um 11:05: Sarrazin und kein Ende…

    „Das Loblied auf Offenbachs buntes Völkergemisch – na ja, wäre ein eigenes Thema Wert.“

    Nur so viel dazu: in vielen Offenbacher Klassen gibt es nicht ein (!) deutsches Kind mehr. Die Eltern sind mit ihren geflohen, nach Bieber oder noch weiter weg. Oder auch in die Privatschule der grünen Bürgermeisterin im Dreieichring.

    Nebenbei: auch Ausländer sind deshalb mit ihren Kindern weggezogen. Sie wollten ihren Kindern die Chance geben, ordentlich zu lernen.

    Das nenne ich Ghetto – und darüber kann man sehr wohl unglücklich sein. Nicht nur der Stadtkämmerer!

  39. Werner Thiele-Schlesier am 8. September 2010 um 18:47:

    „Offensichtlich ist dieser Demagoge in seinem beruf nicht genügend gefordert, sonst hätte er nicht solchen Unsinn geschrieben.“

    Das kann sehr wohl sein. Schließlich wurde er ja von seiner Arbeit entbunden. Jetzt kann er umso besser sich austoben. Bei dem Gehalt macht das doch richtig Spaß. Und bis der das Haus am Diebsgrundweg verlassen muß, wird wohl noch viel Wasser den Main hinunterlaufen.

    Wetten dass…

    Und Schuld d’ran ist nur die SPD, der Wowereit hätte ihn in die Wüste schicken müssen – und nicht zur Bundesbank empfehlen!

    P.S. Glücklich Herr Thiele, dass er ein Sarrazin-Buch ergattern konnte. Es war selbst in Berlin nach drei Stunden vergriffen. Jetzt beträgt die Lieferzeit mindestens drei Wochen.

  40. @Giordano – http://www.frblog.de/sarrazin2/#comment-28935

    „Nebenbei: auch Ausländer sind deshalb mit ihren Kindern weggezogen. Sie wollten ihren Kindern die Chance geben, ordentlich zu lernen.“

    Der Berliner Ex-Polizist aus Neukölln, der neulich bei Maybrit Illner auftrat, macht’s (natürlich) genauso.

    „Mit sonntaz-Redakteur Martin Reichert machte Murat Topal einen Spaziergang durch Neukölln. Auch wenn er hier aufgewachsen sei, würde er seine Kinder nicht hier zur Schule schicken, sagt Topal. „Das wäre mir zu riskant. Und ich weiß nicht, wie ich das lösen soll“, sagt er. „Das bringt mich auch zur Verzweiflung. Bei mir im Freundeskreis bekommen jetzt alle Kinder. Wir entfernten uns von unserem Herkunftsmilieu, gehen ins beschaulichere Britz – so wie ich -, nach Tempelhof, Schöneberg. Und hier wird alles immer schlimmer.“ “ [1]

    Wo wohnt der multikultigrüne Ex-Aussenminister aus der Frankfurter Putztruppe? Natürlich in einer 1-Millionen-Villa im schönen Berliner Grunewald. (Gegen die Berichterstattung und die Veröffentlichung eines Bildes klagte der feine Herr übrigens bis zum BGH.)

    Statt bildungsfernen Migrantenkindern mit Rat und Tat und Penunse beizustehen, verdingt er sich als Berater bei BMW, Siemens, RWE/OMV, Rewe, Nabucco-Pipeline.

    Immerhin hat seine fünfte Ehefrau iranischen Migränehinderungsgrund.

    [1] http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/jetzt-reisst-euch-mal-zusammen/

  41. „Statt bildungsfernen Migrantenkindern mit Rat und Tat und Penunse beizustehen, verdingt er sich als Berater bei BMW, Siemens, RWE/OMV, Rewe, Nabucco-Pipeline.“

    Hahaha ja… Hoffentlich findet auch hier seine Parteikollegin Renate Künast die richtigen Worte: „Menschlich schäbig!“.

    „Jetzt beträgt die Lieferzeit mindestens drei Wochen.“

    Die Möglichkeiten der digitalen Buchproduktion sind derart, daß bei Veröffentlichung innerhalb einer Woche 4 Auflagen in Gesamthöhe von 190.000 gedruckt werden konnten (1. 25.000, 2. 15.000, 3. 70.000, 4. 80.000, alles wohlgemerkt innerhalb einer Woche).

    Wenn jetzt auf einmal die nächsten 3 Wochen das Buch nicht mehr zu bekommen ist, dann fragt man sich schon irgendwie, wie sowas sein kann. Ich neige sonst nicht zu Verschwörungstheorien, aber ob da im Hintergrund nicht vielleicht jemand sich mit dem Verlag geeinigt hat, nach dem Motto, für welchen Betrag wäre es denn OK für euch, wenn wir erstmal abwarten, bis die Diskussion abflaut, das Gros der Menschen das Interesse am Buch verliert?

    Prinzipiell kann man natürlich nicht mehr totalzensieren, auch Sarrazin nicht, denn sein Buch zirkuliert ja schon längst als Raubkopie im Internet… aber die Verbreitung seiner Ideen ein wenig eindämmen schon. Daß das gewollt wird, wird ja zugegeben, wenn verschiedene Medien sich ständig , wie neulich die ZEIT auf der Titelseite, entschuldigen dafür, daß sie der Verbreitung der Ideen Vorschub leisten.

  42. Zu Bronskis Offenbacher Multi-Kulti-Lob hatte ich gerade eine passende Begegnung:

    Ein Gespräch mit Else B., langjähriges SPD-Mitglied. Sie wohnt seit Ewigkeiten im Norden der Offenbacher Innenstadt. Sie hatte eine Augenoperation hinter sich, daher fragte ich nach ihrem Befinden…..

    Und danach klagte sie über ihre Hausbewohner, die nie die Treppe putzen und auch immer die Haustüre offen stehen lassen. Wir haben uns immer wieder darüber beschwert. Aber es half nichts. Mit denen kann man ja auch nicht reden!“

    „Wir sind jetzt nur noch zwei Deutsche im Hause. Jetzt will die Hausverwaltung eine Putztruppe engagieren. Und jeder soll monatlich 10 Euro dafür zahlen.“ Die Mitbewohner bekämen den Betrag vom Sozialamt bezahlt. Aber der alleinstehenden Rentnerin fällt der Betrag schwer.
    Frage: „Du würdest doch auch nicht unterschreiben? Ich habe 41 Jahre meine Treppe geputzt. Und jetzt das!“

    Am Ende das rührende Resümee: „Wenn sich jeder etwas anpassen würde, könnten wir im Haus‘ doch gut miteinander auskommen.“ Tja: Wenn!

    Im benachbarten Mainpark verrichten neue Mieter ihre Notdurft im Aufzug und Familie St. erwischte einen Jugendlichen aus dem Haus, der ihren Briefkasten aufbrach. Jetzt haben sie ihre Eigentumswohnung verlassen und sind ins ruhigere Mühlheim gezogen.

  43. Ja, Giordano,

    auch Deine Schilderung ist ein Stückchen von „Deutschland schafft sich ab.“

    Alles Einzelfälle, aber sie addieren sich…

  44. Hallo Abraham:
    der von Ihnen zitierte Artikel von Frank Schirrmacher:
    http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~E7F64143B88874952AD48F58C7B2007CB~ATpl~Ecommon~Sspezial.html
    zu Darwins Thesen ist hochinteressant und gleichzeitig hochbrisant.
    Nun stellt sich im Anschluss daran tatsächlich die Frage, stimmen Darwins Thesen oder stimmen sie nicht.
    Ich selbst nehme für mich nicht in Anspruch, das entscheiden zu können, weise aber darauf hin, mit welcher Entschiedenheit streng gläubige Menschen, die meinen, der Mensch sei tatsächlich von Gott (und damit im wesentlichen auch „gleich“) geschaffen, im allgemeinen mit dem Hinweis auf Darwin für total blödsinnig erklärt werden.
    Ich denke da z.B. an die Ausladung Professor Scherers vom „Erfurter Dialog“.

    (P.S.: ich glaube übrigens nicht an einen liebenden Gott).

  45. Thilo Sarrazin trifft den Nerv der so genannten normalen Menschen, die in ihrem Alltag mit den Auswirkungen einer nie konsequent betriebenen Integration der Zuwanderer konfrontiert sind. Mögen die veröffentlichten Statistiken die Probleme auch bagatellisieren, der Nagelprobe im Alltag halten sie nicht stand. Was den schon häufiger geäußerten Zweifeln an ihrer Erhebungsmethode neuen Auftrieb gibt. Allerdings bedeutet das nicht, dass Herrn Sarrazins Statistiken verlässlicher wären. Auch sie scheinen ein vorgegebenes Ergebnis beweisen zu wollen und biegen sich die Verhältnisse entsprechend zurecht.

    Hinsichtlich der von Sarrazin befürchteten Verdummung Deutschlands durch muslimische Zuwanderer fallen mir spontan bestimmte Regionen Deutschlands ein, die vor allem durch eine schlichte katholische Volksfrömmigkeit geprägt sind. Oder anders: Die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen Menschen, Gruppen und Volksgruppen leben, bestimmen entscheidend den Grad ihrer Kultur und fördern oder vernichten Begabungen.

    Leo Baeck, einer der herausragenden Vertreter des assimilierten und liberalen Judentums in Deutschland, schreibt in seinem zu Anfang des 20. Jahrhunderts erschienenen Buch „Das Wesen des Judentums“ (eigentlich eine Replik auf die in Teilen unterschwellig antisemitische Schrift „Das Wesen des Christentums“ des evangelischen Theologen Adolf von Harnack, der u.a. auch die Kriegsrede Kaiser Wilhelms II verfasst hat): „Die Juden sind…zudem stets die Wenigen gewesen, und eine Minderheit ist immer zum Denken genötigt; das ist der Segen ihres Schicksals.“

    Die Zuwanderer aus muslimischen Ländern sind in ihrer Gesamtheit ebenfalls eine Minderheit, aber in manchen Stadtteilen stellen sie eine zumindest sichtbare Mehrheit dar. Innerhalb dieses Asyls im Domizil könnte der permanente Eindruck entstehen, dass es keine Veranlassung gibt, sich dem deutschen Lebensstil anzugleichen; wobei es lediglich um Angleichung, aber nicht um Unterordnung ginge.

    Ganz im Gegensatz zu den bis 1933 in Deutschland lebenden Juden, die das Exil als Chance erkannten und die seit der Zuerkennung ihrer Bürgerrechte im 18./19. Jahrhundert mehrheitlich die Assimilierung anstrebten. So glich beispielsweise die Amtstracht der Rabbiner und Kantoren derjenigen der protestantischen Pastoren. Was aber keineswegs zur Reduktion wesentlicher Inhalte der jüdischen Religion führte.

    Allerdings – die Gottesvorstellung der Juden unterscheidet sich sehr stark von der des Islam. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs tritt in den Schriften zunächst als die autoritäre, machtbewusste, strafende, menschliche Charakterzüge annehmende Gottheit auf. Aber schon bald wird erkennbar, dass es sich um ein Wesen jenseits menschlicher Vernunft und Vorstellungen handelt, das sich den Namen „Ich bin der, der ich sein werde“ gibt. Was nichts anderes als einen dynamischen Denk-Prozess bedeutet, an dessen Ende möglicherweise allein der Mensch stehen könnte, der Mensch, der zu sich selbst gefunden hat.

    Der Koran hingegen, wenn er nicht Begebenheiten aus dem Alten Testament wiedergibt, spiegelt die feudalen Verhältnisse Arabiens im dritten Jahrhundert. Die Anforderungen an den Gläubigen sind eher mild und im durchschnittlichen Bewusstsein konzentriert auf die täglichen Gebete, die Fastenzeit und einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Mekka. Das verheißene Jenseits mutet an wie das Schlaraffenland. In Aussicht gestellt werden beispielsweise „milchhäutige Knaben und Jungfrauen“.
    Weiterentwicklungen zumindest auf der theologischen Ebene sind kaum erkennbar, obwohl der Koran implizit und explizit eine Ethik des Miteinanders fordert. So war die Scharia zu ihrer Zeit durchaus ein Fortschritt gegenüber rechtlosen und auf Rachegedanken basierenden Zuständen, ähnlich dem alttestamentlichen Prinzip „Auge um Auge“ (Jus tallionis), das von immer noch zu vielen dummen Christen missverstanden wird.

  46. @Giordano,

    „Notdurft im Aufzug“

    Die Gutmenschen sagen Ihnen, wer von Deutschen nur Verachtung erfährt, kann am Ende nur noch in ihre Aufzüge scheißen.

    Sie sagen, wer in Aufzüge scheißt, den kann ich nur verachten.

    Ist die ganze Angelegenheit möglicherweise ein Henne-Ei-Problem?

    Die übergroße Ordnungs- und Sauberkeitsliebe „der Deutschen“ jedenfalls, über die man sich als Linker gestern noch so prächtig lustig machte, bekommt auf einmal paradiesische Züge, wenn man beim Aufzugfahren den Mist erstmal am Hacken spürt (ich weiß, wovon ich rede; ich wohne auch in einem solchen multikulturellen Haus, in dem allerdings die Kellereingänge zu Aborten umfunktioniert worden sind… die Lifte werden nur zerlegt, zerkratzt, verbeult, verschmiert und vollgemüllt, aber noch nicht zugeschissen). Oder, um es in lingua psychotherapeutica auszudrücken: Einfach jeder zieht, im echten Leben (nicht beim herumfantern), „anal retentiv“ dem „anal expulsiv“ vor… und damit meine ich durchaus auch die psychischen Dispositionen.

  47. Nach dem ich das hier ein bischen Quer gelesen habe Frage ich mich als erstes wieviele die hier über ein Buch diskutieren haben dieses Buch überhaupt gelesen? Allen die Angst um die absinkende durchschnittliche Intelligenz in Deutschland haben kann man nur sagen das Umstellen von Erziehungsgeld auf Elterngeld wird seine Wirkung tun. Ich erwarte das es nicht mehr lange dauert bis die sogenannten bildungsfernen Schichten auch keine Kinder mehr bekommen. Das war wohl die dümmste Art der Umverteilung von unten nach oben. Eigentlich müsste man sich fragen wer da ein Bildungsdefizit hat.

  48. @ # 47 Klaus Philipp Mertens

    Ihre Kenntnisse des Judentums scheinen überdurchschnittlich, trotzdem ein wenig oberflächlich zu sein: Leo Baeck hätte sich sicher dagegen verwahrt, wenn sie ihn als „assimiliert“ bezeichnen. Er war Deutscher, nicht ein assimilierter Migrant. Und er war Jude, liberal aus seinem Verständnis des Judentums und nicht durch Assimilation. Auch die Kleidung der deutschen Rabbiner und jüdischen Kantoren im 19./20. Jahrnundert war kein Zeichen der Assimilation, sondern die von der preussischen Obrigkeit vorgeschriebene Amtstracht.
    Schief liegen Sie auch beim Vergleich Judentum/Islam. Auch im Islam hat es Perioden florierender Theologie und Philosophie. Die arabische Philosophie hat den wohl größten jüdischen Denker des Mittelaters (10./11. Jahrhundert), Rabbi Moses Meimonides (RaMbaM) stark beeinflusst; seine philosophischen Schriften schrieb er auf Arabisch. Den arabischen Philosophen verdanken wir auch, dass die grichische Philosophie von Plato und Aristoteles nicht verloren gegangen ist. Im christlichen Europa wurden nämlich deren Schriften vernichtet.

    Was die Religionen der Gegenwart betrifft, ist der Islam genauso vielschichtig wie das Judentum. Die Religionspädagogin Iamya Kaddor, die einen Koran-Übersetzung für Kinder geschrieben hat und u.a. die Emanzipation der Frau im Islam verteidigt, ist genauso wenig für islamistische Hassprediger verantwortlich wie ich als liberal-religiöser Jude für Rabbiner Ovadia Josef, der kürzlich allen Arabern das „Verderben“ gewünscht hat.

    Bei unserer Diskussion sollten wir nicht vergessen, dass wir die Mehrheit der Muslime, die sich zu den Werten unserer Grundordnung bekennen, dringend als Verbündete gegen die Minderheit der fundamentalistischen, „antiwestlichen“ Muslime dringend brauchen! Sie sind es, die die Jugend dem Einfluss der Hassprediger entziehen können.

  49. @ Katja Wolf,

    die Frage, ob „Darwins Thesen stimmen oder nicht“, muß (aus heutiger Sicht) so beantwortet werden: Manche stimmen, manche nicht. Ohne daß sie genauer ausführen, welche Thesen sie genau meinen, kann man also nichts Präziseres dazu sagen. Eine Verkomplizierung entsteht beim Thema, das wir heute „Darwinismus“ nennen, in den Sphären menschlicher Biologie und Kultur, denn der Mensch ist insofern ein einzigartig besonderes Wesen, als daß er sich dank seiner Geisteskraft über darwinistische Prinzipien erheben kann. Die Frage, ob darwinistische Prinzipien stimmen oder nicht, muß in diesen Sphären also zur Frage mutieren: SOLLEN diese darwinistischen Prinzipien stimmen oder nicht?

    Schirrmacher stellt diese Frage aber nicht. Er hat ja schon seine unerschütterliche Antworten darauf. Er verwendet Darwins Originaltexte nur, um Sarrazin anzuhängen, der würde hinter der vermuteten künftigen Intelligenzentwicklung „Entartung“ im nationalsozialistischen Sinne wittern. Mit anderen Worten: Verhetzung. Was Sie an einer solchen Hetzschrift interessant finden können, ist mir rätselhaft.

  50. Nach dem freiwilligen Ausscheiden von Sarrazin aus dem Vorstand der Deutschen Bank, erhält der „Fall“ nun eine neue Wendung.
    Wollte er Schaden verhüten, von der Bank, vom Bundespräsidenten,
    von der SPD, gar von Deutschland ?

    Mal sehen, was Experten dazu sagen…

  51. @ Max Wedell
    Mit Ihrem Diskussionstempo kann ich nicht mithalten; ich bin noch bei Ihrem Beitrag # 17.
    Die von mir aus dem Zeit-Interview zitierten Aussagen von Sarrazin ist die Zusammenfassung seiner Thesen, die er auch bei seinen Fernsehauftritten wiederholt hat. Er nennt dies den “Dreisatz“, durch den der logische Beweis erbracht sei.

    Dreisatz kennen wir aus dem Mathe-Unterricht: „Wenn zwei Arbeiter an einem Tag einen 10 m langen Graben erstellen, wie langen Graben schaffen an einem Tag fünf Arbeiter? Die mathematisch richtige Antwort lautet 25 m. Doch in der Wirklichkeit kann die Antwort falsch sein. Wenn der Graben einen Meter breit ist, können zwei Arbeiter gleichzeitig arbeiten, weil der Eine vorne gräbt und der Andere die Erde nach oben schaufelt. Fünf Arbeiter haben aber im Graben nicht Platz, sie müssen sich abwechseln und schaffen so am Tag vielleicht 15 m bestenfalls 20 m. Der Dreisatz berücksichtigt nämlich nicht die dynamische Wechselwirkung.

    Noch problematischer ist ein statisch-mechanischer Dreisatz von Sarrazins Art, wenn damit komplexe gesellschaftliche Prozesse „berechnet“ werden.

    Sarrazins erste These eines künftig zunehmenden Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung in Deutschland ist angesichts der gegenwärtigen Geburtenzahlen als eine Annahme für eine Modellrechnung plausibel. Wahrscheinlicher sind aber andere Entwicklungspfade mit wieder steigenden Geburtenraten der „deutschen“ Mittelschicht als Folge besserer Kinderbetreuung, Elterngeld, Möglichkeiten der Teilzeitarbeit und anderer Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gleichzeitig ist unter dem Einfluss der hiesigen Lebensverhältnisse mit einer sinkenden Geburtenrate der Zuwanderer und ihrer Nachkommen zu rechnen, was bereits jetzt die Statistiken belegen. Wesentlicher ist aber, dass mit der Zeit immer mehr „Menschen mit Migrationshintergrund“ nicht als solche identifizierbar bleiben und kaum von den „eingeborenen“ Deutschen zu unterscheiden sein werden (höchstens noch durch Familiennamen, durch eine immer rudimentärere Kenntnis der Sprache der „Vorfahren“ und durch eine nominelle Zugehörigkeit zu einer anderen Religion). Sarrazin selber, aber auch die polnische Zuwanderung in das Ruhrgebiet im 19. Jahrhundert sind ein Beispiel dafür.

    Die erste Gegenthese zu Sarrazin lautet also: Der Anteil der erkennbaren Migranten an der künftigen Bevölkerung in Deutschland wird durch das Tempo der Integration bestimmt. Die große Unbekannte bei dieser Rechnung ist das Ausmaß der künftigen Zuwanderung, die seit einigen Jahren gar nicht mehr stattfindet (der Familienzuzug aus dem Ausland ist geringer als die Rückwanderung).

    Sarrazins zweite These: Da Intelligenz weitgehend durch Erbfaktoren bestimmt ist, wird der zunehmende Anteil der aus bildungsfernen Schichten stammenden Bevölkerung dazu führen, dass das durchschnittliche Bildungs- und Leistungsniveau senken muss.

    Dazu verweise ich auf maat unter # 27, den Artikel von Elsbeth Stern in der Zeit sowie den von Ihnen verlinkten FAZ-Artikel, die alle die entscheidende Rolle der Bildung für die Ausschöpfung der Intelligenzpotenziale betonen (der auch Sarazzin ein Kapitel widmet). Auch hier kann man aus der Statistik das Gegenteil der These von Sarrazin herauslesen: Trotz der seit Jahrzehnten bestehenden „Geburtsüberschüsse“ der „Unterschicht“ ist in den Industriestaaten der durchschnittliche Intelligenzquotient stetig gestiegen, wenn auch mit abnehmender Dynamik. Die offensichtlich noch unausgeschöpften Potenziale im Migrantenmilieu versprechen sogar eine steigende Dynamik, wenn richtige Konsequenzen im Bildungssystem gezogen werden und ein Bildungsengagement geweckt (und auch eingefordert) wird.

    Dazu sei noch ein historischer Rückblick auf die Situation der Juden in Deutschland erlaubt, den Sie bei Götz Aly so zutreffend fanden. Allerdings war die „Bildungsexplosion“ des deutschen Judentums im 19. Jahrhundert aus der Sicht des 18. Jahrhunderts kaum zu erwarten, nach zwei, drei Jahrhunderten eines kulturellen Niedergangs. Die übergroße Mehrheit der Juden verfügte über keinerlei weltliche Bildung, sprach Jiddisch und nur rudimentär Deutsch, war der lateinischen Schrift unkundig und lernte im Cheder (der religiösen Grundschule) die Bibel auswendig. Für Talmuddiskussionen (angeblich für die hohe Intelligenz der Juden verantwortlich) fehlten der erdrückenden Mehrheit die Hebräisch- und die Aramäisch-Kenntnisse. Der Diskurs über die Notwendigkeit der „bürgerlichen Verbesserung der Juden“ beherrschte das ausgehende 18. Jahrhundert, oft mit einem deutlich antisemitischen Unterton und mit dem Verweis auf die grundsätzliche Unvereinbarkeit der jüdischen Religion mit der europäischen Kultur (dazu könne wieder einmal Heinrich einiges beitragen). Selbst Moses Mendelssohn war von der Notwendigkeit der „bürgerlichen Verbesserung“ der Juden überzeugt. Deshalb übersetzte er die Bibel ins Deutsche, um die Juden an diese Sprache heranzuführen und ihnen den Text, den sie in Hebräisch nicht verstanden, näher zu bringen. Seine Übersetzung wurde in hebräischen Buchstaben (so, wie man auch Jiddisch schrieb) gedruckt, war also für den innerjüdischen Gebrauch bestimmt. Wenn Sarrazin nur halbwegs recht hätte, hätte es die jüdische Entwicklung im 19. Jahrhundert nicht geben können.

    Auf diesen beiden wackeligen Thesen steht also die Schlussfolgerung von Sarrazin, die lautet: „Gemessen an den durch Demografie und Geburtenstruktur ausgelösten Defiziten, ist die Zuwanderung nicht passend. Besonders die Zuwanderung aus islamischen Ländern stellt für das europäische kulturelle Modell eine Gefährdung dar.”

    Diese Schlussfolgerung ist weder logisch, noch – was wichtiger ist – richtig. Wir diskutieren nämlich nicht über eine künftige Zuwanderung (diese ist ziemlich restriktiv in dem viel zu spät verabschiedeten Zuwanderungsgesetz geregelt), sondern über Menschen, die einen legalen langfristigen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben und dadurch bereits ein Teil unserer Gesellschaft sind. Dabei benutzt Sarrazin noch Formulierungen – der Ton macht die Musik -, die eine Bevölkerungsgruppe in ihrer Gesamtheit („Zuwanderung aus muslimischen Ländern“) als „unpassend“ verächtlich und als „Gefährdung der europäischen Kultur“ diffamiert. Ist Necla Kelek für Deutschland „unpassend“ und eine „Gefährdung der europäischen Kultur“? Ein Teil der Zuwanderung aus muslimischen Ländern ist sie nämlich.

    Um nicht missverstanden zu werden: Auch eine „Romantisierung“ der Zuwanderung halte ich für eine paternalistische Attitüde, die die Betroffene nicht als eigenverantwortliche Menschen mit Rechten und Pflichten wahrnimmt. Die Beiträge zum Abbau der Integrationsdefizite, die es unbestreitbar insbesondere bei einem Teil der türkisch- und arabischstämmigen Migranten gibt, müssen sowohl von der Gesellschaft als auch aus deren Community kommen. Darüber lohnt es sich zu diskutieren und zu streiten, nicht über Sarrazins falsche Thesen.

    Noch ein Aspekt der Diskussion ist mir wichtig: Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung können wir nicht mit Mitteln verteidigen, die mit dieser Grundordnung nicht vereinbar sind. Wer z.B. ein schnelles Eingreifen in die Erziehugsrechte krimineller muslimischen Familien oder für Zuwandererkinder eine Kindergartenpflicht ab dem 1. Lebensjahr fordert, muss wissen, dass dies dann nicht nur für Migranten gelten muss.

    P.S.: In den Studien wird über Integrations“defizite“ berichtet, weil diese mit sozialwissenschaftlichen Methoden messbar sind. Fähigkeit oder Unfähigkeit zur Integration entziehen sich weitgehend einer objektiven Bewertung. Die Studien machen aber durchaus deutlich, dass auch die Migranten für die Integrationsdefizite mit verantwortlich sind.

  52. @Max Wedell:
    ich habe mich auf den Satz
    „Es ist überraschend, wie schnell eine unrecht geleitete Sorgfalt zur Entartung einer domestizierten Rasse führt. Doch abgesehen vom Fall des Menschen ist niemand so töricht, seine schlechtesten Tiere zur Zucht zuzulassen“
    bezogen.

  53. Es ist schon beschämend, wie leichtfertig solche Gedankengebäude wie „Entartung“ oder „Zuchtwahl“ hier gebraucht werden.

    Keiner der Anwesenden, Abwesenden oder Unwesenden ist in der Lage, Sinn, Ziel oder Ergebnis der Evolution auch nur in Nuancen zu begreifen oder zu beurteilen.
    Ob die Existenz und Fortpflanzung jedes einzelnen der Mitredner sinnvoll oder erfolgreich sein wird, entscheidet sich in einer Zukunft, die sehr sehr weit von den Möglichkeiten der Erkenntnis der heutigen Mitredner entfernt ist.

    Der im Kommentar #54 “Es ist überraschend,…“ erwähnte Satz ist das Schlimmmste, was man sich überhaupt denken kann.

    Wenn mir meine Überzeugung mir nichts Anderes geböte, würde ich sagen, der Autor sollte diesen Satz konsequent auf sich selbst beziehen und dessen eingedenk sein, daß er selbst zu den „Schlechtesten“ gehören könnte.

  54. Ich ärgere mich über solche Passagen:

    „die Frage, ob “Darwins Thesen stimmen oder nicht”, muß (aus heutiger Sicht) so beantwortet werden: Manche stimmen, manche nicht. Ohne daß sie genauer ausführen, welche Thesen sie genau meinen, kann man also nichts Präziseres dazu sagen“

    Es ist klar, dass der Name Darwin leuchtturmartig für die ganze Evolutionstheorie steht. Aber ebenso klar müsste doch sein, dass Wissenschaft ein Prozess ist. Es geht überhaupt nicht darum, ob Darwins Thesen stimmen oder nicht. Sie stimmen weitgehend nicht, weil die Wissenschaft sie inzwischen präzisiert hat. 3sat brachte vor einigen Wochen einen hervorragenden Themenschwerpunkt dazu. Wie so oft in der Wissenschaft sind es die Kleinigkeiten, die die Forscher weiterbringen. Da wurde ein Fall von deutschen Forschern geschildert, die auf einer indonesischen Insel eine spezielle Schneckenart untersuchen, die nur in einem klar abgegrenzten Gebiet vorkam, einem Süßwassersee im Landesinneren. Von diesen Schnecken gibt es drei Erscheinungsformen. Alle fressen Algen. Eine der Formen lebt auf felsigen Untergründen, eine andere auf Holzresten, die vom Ufer ins Wasser ragen oder abgebrochen waren und im Wasser lagen, und eine im Schlick. Rein äußerlich schien es sich um eine einzige Schneckenart zu handeln, und die Forscher versuchten herauszufinden, ob sie hier vielleicht den Punkt beobachten konnten, an dem die Arten sich aufspalten. Dies sind Voraussetzungen, von denen Darwin noch keinerlei Ahnung hatte und auch nicht haben konnte. Es geht um den Einfluss der Umwelt auf die Entstehung von Arten durch allmähliche Anpassung. Also: Fels, Holz oder Schlick sind determinierende Milieus für diese Schnecken, und diese Mileus scheinen die Entstehung von Arten zu fördern. Unsere Antennen für solche Einflüsse sind heute sehr viel feiner als zu Darwins Zeiten, und die Theoriebildung ist im Fluss. Aber genau darauf kommt es an. Welche Rolle spielt es demgegenüber, ob „Darwin“ stimmt?

    Dementsprechend mutet Sarrazins sozialdarwinistisches Gelaber mehr als restaurativ an, und da gebe ich meinem Vorredner Recht. Man sollte nie vergessen, dass das Genom von uns Menschen zu 99,5 Prozent mit dem der Schimpansen übereinstimmt. Die restlichen 0,5 Prozent machen den Unterschied zwischen dem aus, was ein Schimpanse ist, und dem, was ein Mensch ist. Insbesondere fanden die zugrundeliegenden, anscheinend in einem entwicklungsgeschichtlich erstaunlich kurzen Zeitraum von wenigen Millionen Jahren stattgefundenen Mutationen in den Genbereichen „aufrechter Gang“ (damit einhergehend Entwicklung der Wirbelsäule, Vergrößerung des Schädels und des Gehirns), „Hand“ (Menschen benutzen ihre Hände noch einmal anders als Schimpansen, die damit bereits erstaunliche Dinge anstellen können) und – Achtung – „Intelligenz bzw. Hirnfunktionen“ statt. Gerade in letzterem Segment ist die Wissenschaft gerade in heller Aufregung. Entwicklungsgeschichtlich gesprochen sind es diese evolutionären Errungenschaften, die uns von allen Tieren abgrenzen, und, wiederum entwicklungsgeschichtlich gesprochen, darum ist Intelligenz etwas, was genetisch gesehen allen Menschen zueigen ist und was, siehe die Schnecken, vom Milieu beeinflusst wird. Das heißt: Das Milieu kann hemmen und es kann fördern.

    Das Spannende daran ist nun, dass diese „Intelligenzgene“ mit ihrer Umwelt interagieren. Wie das genau passiert, wird gerade erforscht, aber es scheint bereits klar, dass die Umwelt ganz massiv den Ausschlag gibt. Wir Menschen haben alle weitgehend die gleichen genetischen Voraussetzungen – nochmal: 0,5 Prozent Unterschied zum Schimpansen. Damit haben alle Menschen auch was die Intelligenz betrifft weitgehend die gleichen Chancen. Wie sich ihre Gene ausprägen, scheint zu einem sehr großen Teil davon abzuhängen, wie sie gefördert werden. Es gibt unter Menschen keine „schlechtesten Tiere“.

  55. @wedell

    Hören Sie endlich mit diesem „Gutmenschen“ -Scheiß auf. Zumindest in diesem Blog-Aufzug!

    Das Wort, das Etikett und dessen Gebrauch sind hinterlistig und gemein.

    Wenn Sie es weiterhin gebrauchen, werde ich Sie entsprechend einsortieren.

  56. @ Max Wedell
    Wie gesagt, mit Ihrem Tempo komme ich nicht mit und kann daher nur auf einzelne Aspekte eingehen. Unter # 36 fragen Sie mich: „Sind Sie sicher, daß Sarrazin die Vokabel “ungezügelt” im Zusammenhang mit der Massenzuwanderung der letzten 20 Jahre verwendet? Wie dem auch sei, ich nannte ihnen die Zahlen: in weniger als 30 Jahren von unter 5% Migrantenanteil auf jetzt knapp 20%, es ist doch müßig, sich zu streiten, ob das auf “ungezügeltem” oder “gezügeltem” Weg zustandekam.“

    Tatsächlich habe ich ungenau zitiert, Sarrazin beklagt „ungesteuerte Migration“. Kommt das nicht auf das Gleiche hinaus? Wesentlicher als dies ist aber die Frage, wieweit der Anstieg des Migrantenanteils in den letzten 20 Jahren tatsächlich auf eine laut Sarrazin „unpassende“ „Massenzuwanderung“ aus islamischen Ländern zurückzuführen ist. Meines Wissens ist dies nicht so. Die größte Gruppe der Menschen mit „Migrationshintergund“ sind die deutschen „Spätaussiedler“ aus dem Osten, vor allem aus der früheren UdSSR. Ohne die Statistiken studieren zu können (dazu fehlt mir die Zeit) nehme ich an, dass es auch diese Gruppe ist, die in den letzten Jahren den stärksten Zuwachs erfahren hat. Die zweitgrößte Gruppe, die der aus der Türkei stammenden Migranten, ist durch Familienzuwachs (keine Zuwanderung) sowie durch den Familiennachzug gewachsen. Eine „Arbeitsmigration“ fand in den letzten 20 Jahren so gut wie nicht statt (abgesehen von der mäßig erfolgreichen „Greencard“-Initiative von Schröder, die aber kaum die Zuwanderung aus muslimischen Ländern betraf). Die Zuwanderung von Flüchtlingen spielt seit der Einschränkung des Asylrechts (die praktisch der Abschaffung gleich kommt) in 1993 (also fast vor 20 Jahren) kaum eine Rolle. Und auch der Familienzuzug wird in den letzten Jahren weitgehend restriktiv gehandhabt.

    Das Thema ist also nicht Zuwanderung, sondern es geht um die Integration der hier langfristig lebenden Migranten, die zu knapp 50% die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

  57. Es würde mich interessieren wie hoch die Belohnung der Bundesregierung (=Bundesbank) ist, die Herr Sarrazin nun erhält da er durch seinen Rücktritt den Bundespräsidenten aus einem möglichen (Neutalitäts-) Dilemma nimmt. Dieser hatte schon im Vorfeld gefordert, dass herr Sarrazin als Bundesbankvorstand zurücktreten solle!
    Die Institution „Bundespräsident“ sollte neutral urteilen können, was ja jetzt nicht mehr möglich war. Deshalb auch Sarrazins Drohung, die Gerichte würden das Urteil kassieren.
    Herr Wulf sollte sich aus der Tagespolitik heraushalten, hoffentlich ist ihm das eine Lehre.
    Vielleicht wird Herr Sarrazin jetzt auch nicht mehr aus der SPD ausgeschlossen. Würde mich nicht wundern.
    H. Passet

  58. @BVG:
    zur Klarstellung:
    der Satz
    “Es ist überraschend, wie schnell eine unrecht geleitete Sorgfalt zur Entartung einer domestizierten Rasse führt. Doch abgesehen vom Fall des Menschen ist niemand so töricht, seine schlechtesten Tiere zur Zucht zuzulassen”
    wurde im besahten Artikel von Frank Schirrmacher als Aussage Darwins zitiert.

  59. @Abraham,

    ihrer ersten These stimme ich vorbehaltlos zu, wenn Sie das Wort „Integration“ durch „Assimilation“ austauschen: „Der Anteil der erkennbaren Migranten an der künftigen Bevölkerung in Deutschland wird durch das Tempo der Assimilation bestimmt.“ Eine Gegenthese zu Sarrazin ist das aber nicht, Sarrazin würde diesen Satz garantiert auch unterschreiben. Die eigentliche Frage ist doch: In welchem Ausmaß wird es diese Assimilation geben? Und hier können Sie zur Aussage Sarrazins: Diese Assimilation wird es nicht in solch ausreichendem Maße geben, daß nicht innerer Friede (und europäische Kultur) gefährdet sein werden, tatsächlich dann Ihre Gegenthese formulieren: Die Assimilation wird derart sein, daß die Eingewanderten in der Einwanderungsgesellschaft so aufgehen, daß man sie nicht mehr unterscheiden kann.

    Dann muß man Sie aber fragen: Wieso sollte das der Fall sein, wieso soll das so passieren? Besonders die muslimischen Einwandernden haben eine starke Affinität zu ihrer Ursprungskultur, die Gesellschaft, in der sie einwandern, verlangt Assimilation nicht von ihnen, die Gesellschaft, in der sie einwandern, neigt dazu, sich selber und ihre Erungenschaften klein- und schlechtzureden, die Ankömmlinge zu überhöhen, alles, was als Magnet für Assimilation dienen könnte, zu verteufeln (z.B. eine patriotische Einstellung zu Deutschland), wieso also sollte es zur Assimilation kommen?

    Eine große und strittige Unbekannte ist also nicht nur das Ausmaß der künftigen Einwanderung, sondern auch das Ausmaß der künftigen Assimilation der Eingewanderten.

    Sie sprechen als zweites Sterns Auslassungen über „Potentiale“ an:
    „Bei den Kindern mit Migrationshintergrund ist also mehr verborgenes Intelligenzpotenzial zu finden als bei den deutschstämmigen Kindern.“ muß man zunächst einmal durch die Art und Weise, wie sie es herleitet, kritisieren. Sie leitet es her, indem sie Kinder mit Migrationshintergrund aus bildungsfernem Haushalt mit rundum geförderten deutschen Akademikerkindern vergleicht. In gleicher Weise könnte ich aber rundum geförderte Kinder mit Migrationshintergrund aus Akademikerhaushalten mit deutschen Kindern aus bildungsfernen Haushalten vergleichen, und dann ebenso begründet den Satz sagen: „Bei den deutschen Kindern ist also mehr verborgenes Intelligenzpotenzial zu finden als bei den Kindern mit Migrationshintergrund.“ Es ist also unredlich, was Stern da gemacht hat, welchen Eindruck sie da offensichtlich erwecken wollte. Was sie eigentlich sagen wollte, war: „Bei ungeförderten Kindern, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ist mehr verborgenes Intelligenzpotential vorhanden als bei rundum geförderten Kindern (egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund)“.

    Die Frage ist nun, wie man an dieses Intelligenzpotential herankommt. Sicher NICHT herankommen wird man an dieses Intelligenzpotential, wenn der Staat Krippen und Kindergärten anbietet, die Schulbildung verbessert… und die Eltern sich weigern, die Kinder in diese Krippen und Kindergärten zu schicken, und die Kinder anschließend Dauerschwänzer in der Schule sind. D.h. zusätzlich zu den obigen Maßnahmen werden noch weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen… und ob da „Streetworker“ ausreichen, die durch die Wohnungstüren betteln: „Murat (oder Kevin), bist du da? Komm doch bitte zur Schule“, ist auch noch die Frage. Sarrazin macht dazu Vorschläge.

    Ich bin bei den ganzen Ankündigungen, was für wunderbare staatliche Förderungen es doch künftig geben wird, und wie diese die Probleme auf wunderbare Weise beseitigen werden, ganz skeptisch. Nicht zuletzt deshalb, weil es aus Gründen der Mittelknappheit im Großen und Ganzen nur zu Umschichtungen kommen wird. D.h., um an einer bestimmten Stelle an Intelligenzpotentiale heranzukommen, lässt man dann an anderer Stelle Intelligenz so verkümmern, daß man, um es dann mal positiv klingend auszudrücken, dort die Intelligenzpotentiale wieder vergrößert.

    Was die historische Entwicklung der Assimilation bzw. der ab dem 19. Jhd. beobachteten „Über-Assimilation“ der deutschen Juden angeht, so bin ich in dieser Angelegenheit nun wirklich, im Gegensatz zu Ihnen oder anderen, wirklich kein Experte. Es scheint mir nur so zu sein, daß hier eine letztendlich positive Entwicklung unter Bedingungen verbreiteter Ausgrenzung und Diskriminierung zustande kam. Nicht, daß ich mißverstanden werde: Natürlich soll man nicht absichtlich Ausgrenzung und Diskriminierung einführen, damit dann alles am Ende gut wird (die Nazis waren hier ja ein eklatantes Gegenbeispiel). Die Frage, die dahinter steckt, ist vielmehr: Warum feuert den einen ein attackiertes Selbstwertgefühl an, der Gesellschaft seinen Wert zu beweisen, während es den anderen in die Passivität oder Abkapselung zu treiben scheint? Was tun wir, wenn die verbreiteten Auffassungen, nach denen geistige Prosperität genau dann eintritt, wenn die Bedingungen für sie auf dem Präsentierteller (mit Goldrand) angeboten werden, so nicht stimmen?

    „Besonders die Zuwanderung aus islamischen Ländern stellt für das europäische kulturelle Modell eine Gefährdung dar.“

    Die Gefährdung besteht darin, daß die Menschen, die das Modell leben, ganz einfach aussterben, und viele, die immigrieren, ein anderes Modell mitbringen und sich weigern, sich zu assimilieren, was einen Wechsel aufs europäische kulturelle Modell bedeuten würde. Das sind doch Binsenweisheiten.

    Was das „andere Modell“ angeht, das muslimische nämlich, so bin ich noch nicht überzeugt, daß es sich unter Bedingungen, die (weitgehend) diskriminierungsfrei sind, immer nur von „eher fundamentalistisch“ zu „eher weniger fundamentalistisch“ entwickeln kann. Die Bewegungen in die umgekehrte Richtung (Türkei nach Atatürk, Schah -> Khomeini, Erstarken der Taliban in Pakistan, Erstarken der Moslembrüderschaft in Agypten, Algerien usw.) müssen dahingehend analysiert werden. Aber selbst die echte Diskriminierung muß (das gehört zum europäischen kulturellen Modell) in der Demokratie dazu führen, auf ihrem Boden auf Abhilfe hinzuarbeiten, z.B. durch politisches Engagement, und nicht durch die Art von Radikalisierung, die der religiöse Fundamentalismus darstellt. Die bloße Anwesenheit eines größeren Bevölkerungsanteils von Muslimen ist also immer auch eine unausgesprochene Drohung, daß Reibung mit anderen Bevölkerungsteilen immer auch die Radikalisierung, und letzten Endes Mord und Totschlag wie in den oben aufgeführten Beispielen, mit sich bringen wird.

    @Katja Wolf,

    zunächst einmal ist zu konstatieren, daß man am Beispiel BvG schön erkennen kann, wie die Perfidie des Schirrmacher wirkt. Begriffe, die von Darwin und den Menschen seiner Zeit in harmlosester Weise verstanden wurden (So nennt er z.B. einfach die Bedingungen, die in der Tierwelt die Fortpflanzung bestimmen, „natürliche Zuchtwahl“), sind durch politische Ereignisse in der Zeit zwischen Darwin und uns dermaßen beladen, daß unkritische Personen bei der Lektüre Darwins ja ständig ausrufen müssen: „Aber das ist ja entsetzlich… was für üble Gedankengebäude!“ Und wenn man diesen Personen dann noch erklärt, jemand wie Sarrazin würde „darauf“ aufbauen, na dann ist ja das Entsetzen ganz flugs auf Sarrazin übertragen.

    Zu ihrer ursprünglich geäußerten Frage, die ich zuerst nicht richtig verstanden habe… die Tierzucht und die Menschenzucht sind Vorgänge, die man nicht in einer Weise gleichstellen kann, wie es Darwin in diesem Satz tut. Die Tierzucht ist ja das Züchten der Tiere durch ein höherstehendes Wesen, durch den Menschen, dem die moralische Berechtigung dazu, die Fortpflanzung tieferstehender Wesen zu manipulieren, nur von ganz wenigen abgesprochen wird. Die Menschenzucht wäre aber ein Vorgang, bei der ein Mensch den anderen manipuliert. Hier ist die Frage: Wer hat hier das Recht, wessen Fortpflanzung zu manipulieren, und wer die Pflicht, diese Manipulation über sich ergehen zu lassen? Ich würde doch dazu tendieren, für beides zu antworten: Niemand.

    @Sirene,

    zunächst versuchen Sie eine Spiegelfechterei… eine Verfeinerung bzw. Präzisierung einer gemachten Aussage führt doch nicht unbedingt dazu, daß die ursprüngliche Aussage falsch wird. Insofern sind eine ganze Reihe von Aussagen Darwins bis auf den heutigen Tag RICHTIG. Und Ihre Behauptung, Darwin hätte davon noch keine Ahnung haben können, daß Umwelteinflüsse auf die Entwicklung der Arten einen entscheidenden Einfluß haben, zeigt mir deutlich, daß sie keine Ahnung von Darwin haben bzw. davon, was Darwins ursprüngliche Thesen waren.

    Mit welcher Absicht Sarrazin-Kritiker fortgesetzt die Tatsache aufführen, daß die Genkonstitution des Homo Sapiens sich von der der Affen nur durch ganz wenige Bruchteile eines Prozents unterscheidet, bleibt mir schleierhaft… will man vielleicht vorschlagen, man solle zur Kompensation der demografischen Entwicklung den afrikanischen Affen die Einreise erlauben und ihnen anschließend die deutsche Staatsbürgerschaft erteilen? Oder wedelt man deswegen mit den berüchtigten 0,5%, weil man irgendwie hofft, diese Zahl bliebe als der Einflußfaktor hängen, den die Gene auf die Entwicklung des Individuums haben, getreu der pseudodemokratischen Doktrin, daß der Mensch als leeres Blatt geboren wird, das erst durch die Erfahrungen im Leben gefüllt wird, und nur durch diese?

    „Es gibt unter Menschen keine „schlechtesten Tiere““. Das ist in der Bedeutungsbreite schnell mal so dahingesagt. Mein Verdacht ist, Sie meinen eigentlich: „Man sollte Menschen nicht die grundlegenden Menschenrechte absprechen oder diese einschränken, nur weil sie (die Menschen) bestimmte persönliche Eigenschaften haben.“ Daß bedeutet aber eben m.E. noch nicht, daß man bestimmte menschliche Eigenschaften nicht auch auf einer Werteskala irgendwo zwischen positiv und negativ einordnen können darf. Lehrer machen das in den Schulen tagtäglich, wenn sie einem Schüler eine 1 geben, dem andern eine 6. Aber das schon das natürlich für manche Gutmenschen hochproblematisch ist, ist mir auch klar. Den letzten Satz musste ich insbesondere auf BvG hin unbedingt noch loswerden.

  60. Hallo zusammen,

    ich unterbreche die Diskussion nur kurz, um etwas anzukündigen:

    Für den 21. und 22.9. habe ich Birgit Simon, Bürgermeisterin (Sozialdezernat) Offenbachs, zum Blogtalk eingeladen. Ich freue mich sehr über ihre Zusage. Offenbach ist bis heute die deutsche Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil, aber offenbar kommt sie damit besser zurecht als andere Städte. Wir wollen fragen, warum das so ist, aber auch zum Thema dieses Threads – Sarrazins Thesen – wird sie sicher etwas zu sagen haben.

  61. Sehr geehrter Herr Sarrazin, ich bin Migrantendeutscher und habe soeben ihr Live-Interview im Internet verfolgt. In diesen 10 Minuten habe ich es endlich begriffen: Hier eine Kurzfassung: Deutschland ist ein Paradies, verglichen mit anderen Ländern. Dieses gilt es zu schützen. Dabei muss der „aufrechte Deutsche“ „negative“ Einflüsse auch früh erkennen, bekämpfen und vor allem erst einmal aussprechen dürfen z. B. das den „aufrechten Deutschen“ Migranten mehr Kosten als sie einbringen. Denn wenn „aufrechte Deutsche“ es nicht aussprichen dürfen, dann sprechen andere „dunkle Kräfte“ davon und das ist noch schlimmer. Schuld an der Misere und Verschwiegenheit ist u. a. der „deutsche Verfassungs- und Sozialstaat“, auf keinen Fall liegt das Problem im Geld selber, denn „Geld schadet nie“, „Geld ist nicht schuld“ und vor allem ist die Problematik „mit mehr Geld nicht zu lösen“. Die Banken selber haben schon mal gar nichts mit dem Problem zu tun. Schulen, Bildung, Arbeit, Wohlstand sind nicht mit Geld zu erreichen, sondern indem man ein aufrechter Deutscher ist und frei sprechen darf. Vielen Dank Herr Bundesbankvorstand Sarrazin viele Grüße
    der Migrantendeutsche

  62. Schande über uns, das in unserem Land Menschen wie Herr Sarrazin wieder den öffentlich Raum bekommen, in dem sie ihre pseudowissenschaftlich – biologistischen Begründungen zur Ausgrenzung von Menschen benutzen können und diese fatale Botschaft auch noch bei weiten Teilen der Bevölkerung verfängt. Dieses mehr oder weniger offen rassistische Konzept verfolgt einzig das Ziel, von den wirklichen Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft abzulenken und um erste, im Rahmen der Finanz u. Wirtschaftskrise, wahrgenommene Tendenzen eines Zweifelns am System zu unterbinden bzw. zu kanalisieren. Es ging in der Ausländerpolitik der Bundesrepublik zu keinem Zeitpunkt um wirkliche Integration unter Wahrung der eigenen Identität in einem ganzheitlichen Sinn sondern um die Sicherstellung einer „reibungslosen Nützlichkeit“ von gebrauchten aber nie wirklich gewollten Menschen in einer zunehmend utilitaristisch geprägten Gesellschaft.

  63. Dass Frau Merkel da mal was gesagt hat, sehr gut. Das Publikum will unterhalten werden, 24 Std. Fussball ist auch langweilig, dass über die Absichten des Autors so wenig spekuliert wird, wundert mich, es war gerade der Zweck zu provozieren. Es läßt sich mit der Presse anscheinend jede Sau durchs Dorf treiben…

    Im Spiegel schrieb Henryk M. Broder: „…Niemand hat etwas dagegen positiv diskriminiert zu werden, warum Juden – von Ausnahmen abgesehen – schlechte Sportler und gute Schachspieler sind, warmum die meisten Blues- Musiker schwarz sind und warum Kenianer so oft Marathonrennen gewinnen; warum Asiaten an amerikanischen Universitäten überproportional vertreten sind…
    Die Überschrift des Kommentars lautet übrigens: Thilo und die Gene, Streifalls Sarrazin: Haben eigentlich alle dasselbe Zeug gekifft.

  64. @ Max Wedell
    Vorab: BvG hat Recht, ihre Abqualifizierung Andersdenkender als (dumme) Gutmenschen disqualifiziert sie.
    Zur Sache: Was für ein „Einheitsbrei“ schwebt Ihnen denn vor, wenn Sie von Migranten „Assimilation“ anfordern? Müssen sich dann auch Sachsen, Franken, Bayern usw. assimilieren, d.h. jede Eigenart aufgeben? Bestehen Ostpreußen, Banater Schwabe, Sudetendeutsche usw. darauf, als Volksgruppe weiter wahrnehmbar zu bleiben, ohne dass dies unser Zusammenleben im Geringsten stören würde. Integration (zu der Akkulturation, d.h. die Verschmelzung der eigenen Kultur mit der Kultur der Mehrheitsgesellschaft, gehört) reicht völlig. Wer Assimilation (d.h. die Aufgabe der Ursprungsidentität) fordert, baut nur zusätzliche Hürden auf und erzeugt Abwehrhaltung. Außerdem ist eine solche Forderung ein probates Mittel der Abgrenzung – wir können es zu Genüge von Antisemiten, die immer besser wussten, wann Juden nicht genug „Deutsch“ waren. Respekt vor Differenzen gehört zur europäischen Kultur, die Sie angeblich verteidigen.
    Noch zur Dynamik der Entwicklung des Bildungsniveau: Keiner behauptet, dass durch die Ausschöpfung der Begabungspotenziale die Migranten durchschnittlich einen höheren IQ bekommen als der Durchschnitt der Bildungsbürger. Es ist aber wahrscheinlich und durch viele Erfahrungen belegt, dass der IQ der Migranten schneller wachsen wird als der der saturierten Bildungsbürger. Somit wir Deutschland nicht dümmer, sondern schlauer.
    Wenn Sie an Vererbung der Begabung glauben, dann muss doch die muslimische Hochkultur in der islamischen Bevölkerung Spuren hinterlassen haben, die wieder aktiviert werden können.
    Wie wir an das Intelligenzpotenzial der Migranten aus islamischen Ländern herankommen? Durch Beharrlichkeit und Geduld, weil viele Maßnahmen (die tatsächlich zu spät eingeleitet wurden, aber daran sind die Konservativen mehr als die „Linke“ schuld) erst allmählich wirken werden. Und nochmals: Wir müssen so handeln, dass wir die 85% der integrationswilligen Migranten als Verbündete gewinnen, um auch die vielleicht 15% Integrationsunwillige in die Schranken zu weisen.

  65. @ Abraham,

    zu Ihrer Gegenthese zu Sarrazin von weiter oben nur noch kurz ein Satz aus Sarrazins Buch: „Eine Zuwanderungs- und Integrationsproblematik, die der Rede wert ist und sich nicht mit der Zeit automatisch erledigt, gibt es in Deutschland ausschließlich mit Migranten aus der Türkei, Afrika, Nah- und Mittelost, die zu mehr als 95% muslimischen Glaubens sind.“

    D.h. Sarrazin stimmt Ihrer Gegenthese gegen ihn zu (ist es dann noch eine?), bezogen auf alle Einwanderer außer den Muslimen, und zwar auf die gleiche Art, wie sie das taten: Mit der Zeit erledigt sich vieles, wenn es sich um Menschen handelt, die sich nicht langfristig gegen Assimilation sperren.

    Auf Ihre teils merkwürdigen Vorstellungen, wer wann kam, nur kurz diese Richtigstellungen: Daß die Zahl der Flüchtlinge seit 1993 keine Rolle mehr spielt, kann ich nun nicht gerade behaupten, wenn die Zahl der Erstanträge 1994 z.B. 127.210 betrugen, 1995 z.B. 127.937 und dann jedes Jahr nur wenig vermindert weiter so. Für „keine Rolle mehr spielen“ ist das doch noch recht viel. Deutschstämmige Spät-Aussiedler hingegen kommen schon seit vielen Jahren nicht mehr, Einwanderer aus dem Osten sind jetzt hauptsächlich Juden.

    Die Zahlen aus Sarrazins Buch (Basis die Mikrozensen des Stat. Bundesamtes) sprechen von ca. 6 Mio. Muslimen, der Bevölkerungsanteil bei den unter 15-Jährigen beträgt 10%, bei den unter 5-Jährigen irgendwo zwischen 14 und 23% (In der deutschen offiziellen Geburtenstatistik werden Religionszugehörigkeit und Herkunft der Mutter nicht festgehalten, daher muß man die Daten aus den Mikrozensen ableiten, die aber die Kategorie: „Migrationshintergrund, aber ohne oder mit unzutreffender Herkunftsangabe“ enthalten. Die Spanne zwischen 14 und 23% ergibt sich daraus, wie hoch man den Anteil der Muslime in dieser Gruppe ansetzt).

    Mit jedem neuen Jahr wird der Anteil der dieses Jahr geborenen Personen mit muslimischem Migrationshintergrund weiter steigen. Es ist unredlich und Augenwischerei, wenn ein Absinken der Fertilität hiesiger Musliminnen von den exorbitanten Niveaus der Herkunftsländer im ländlichen Nordafrika, Nahost und Ostanatolien schon so dargestellt wird, als wäre sie praktisch schon auf der Selbsterhaltungsebene angekommen. Nein, die weit überdurchschnittliche Fertilität wird weiterhin den Anteil der Muslime an der Bevölkerung rasch steigen lassen (und das Argument, daß wachsender Wohlstand die Reproduktionsrate dämpft, wird m.E. kaum zum Tragen kommen, weil der Wohlstand in D nämlich künftig sinken wird.)

    Was nun die zweite Komponente des Wachstums angeht, die Zuwanderung, so ist die Frage, ob man die Tatsache, daß in 60% der türkischen Ehen der Ehepartner aus der Türkei geholt wird, so umschreiben kann: „Familienzuzug wird restriktiv gehandhabt“. Ich kenne einen Afghanen (Dr. der Mathematik) persönlich gut, der auch nachdem die angebliche Verpflichtung zu Sprachkenntnissen in Kraft trat, problemlos eine Ehefrau (die der Bruder ausgesucht hatte), die kein einziges Wort deutsch sprach, aus Afghanistan nachholen konnte… sie war halt nur verpflichtet, hier in D Sprachkurse zu besuchen (die, ich kenne ja die Frau, übrigens kaum Wirkung zeigen… ein Kind ist auch schon da… zusätzlich zu den 4 aus erster Ehe). Es ist also für mich die Frage, was ist da restriktiv?

    Die Vorschläge, die Sarrazins nun macht in Richtung auf eine bessere Integration muslimischer Zuwanderer, haben zum Kern, daß Deutschland eine viel klarere Erwartungshaltung einnimmt… eine, die unmißverständlich klarmacht: Wer Türke oder Araber bleiben will, ist in seinem Heimatland besser aufgehoben.

    Dies wird dann für die verschiedenen Personenkreise über unterschiedliche Maßnahmen klargemacht: Für den Ehegattenzuzug z.B. durch folgendes Maßnahmenbündel: „Die sprachlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft werden verschärft. Die Anforderungen des Sprachtests bei Ehegattenzuzug werden erhöht. Es wird auf die tatsächliche Verständigungsfähigkeit in Alltagssituationen abgestellt. Zuzug ist nur möglich, wenn der in Deutschland lebende Ehegatte in den vorangegangenen drei Jahren seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Grundsicherung bestreiten konnte. Der zuziehende Ehegatte hat für zehn Jahre keinen Anspruch auf Grundsicherung.“

    Für Migranten in der Grundsicherung: „…jeder Arbeitsfähige muss sich an gesetzlichen Arbeitstagen zur festgesetzten Uhrzeit dort einfinden, wo er eingeteilt ist. An die Stelle gemeinnütziger Arbeit treten bei jenen Migranten, die der deutschen Sprache nicht
    ausreichend mächtig sind, Sprachkurse. Unpünktlichkeit und Nichtteilnahme haben Abzüge beim Arbeitslosengeld II zur Folge, Krankmeldungen werden überprüft.“

    Ähnlich auch die Vorschläge, um die Annahme der Bildungsangebote für Kinder zu erzwingen.

  66. Da sagt einer „Gutmensch“, und prompt kommt auch schon wieder der Beissreflex. Fehlen nur noch das schlimme R-Wort und das noch schlimmere N-Wort! [1] Weder Verwender noch Bezeichneter erklären aber, was sie darunter eigentlich verstehen. Und so soll Kommunikation gelingen?!

    „In einem Memorandum des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) wird ohne Quellenbeleg behauptet, das Wort sei als politischer Kampfbegriff bereits 1941 benutzt worden. Strittig sei lediglich, ob Joseph Goebbels persönlich das Wort ersonnen habe, oder ob ein Redakteur der Zeitschrift Der Stürmer der Urheber dieses Wortes war.“ [2]

    Alles Weitere lese man unter der angegebenen Quelle nach. „Gesinnungskitsch“ und „Plapperjargon“ – dabei geht einem doch das Herz auf. Oder man bemühe eine Suchmaschine der eigenen Wahl.

    Tja, und da platzt doch gerade heute die FR im Kulturteil mit dem Titel rein „Kinderbuch – Kein gutmenschelndes Problembuch“ und führt dann aus: „Wer aber jetzt meint, hier handele es sich wieder mal um eines dieser vielen gutmenschelnden Problembücher und schon zu lesen aufhören will, wird überrascht.“

    Nun aber nichts wie protestiert, dass die FR einen solchen Kampfbegriff verwendet und sich in Diffamierung übt!

    [1] Rassist! Nazi!
    [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch

  67. @Abraham,

    oh, da haben sich unsere Posts dann aber überschnitten…

    Wieso sollten Bayern, Schwaben, Sachsen usw. ihre kulturellen Eigenarten aufgeben, wenn sie gar nicht miteinander auf einem Fleck zusammenwohnen? Wer aber nach Bayern, Baden-Würtemberg, Sachsen usw. zieht, sollte an den jeweiligen Orten in seinen kulturellen Gewohnheiten nicht allzu inkompatibel zu denen der dortigen Wohnbevölkerung sein, und das wird auch praktiziert… oder kennen sie eine Bayernenklave in Stuttgart? Ein Sachsenviertel in München? Ein Schwabenghetto in Leipzig? Ich nicht!

    Viel mehr noch aber gilt das Anpassungsgebot für Kulturen, deren Unterschiede zur ansässigen Kultur noch ein wenig ausgeprägter sind, um es milde zu formulieren.

    Sarrazin zählt folgende Assimilationsebenen auf:

    • kulturelle Assimilation (Wissen, Fertigkeiten, Sprache)
    • strukturelle Assimilation (Behauptung in Bildung und auf dem Arbeitsmarkt)
    • soziale Assimilation (Beziehungsnetz, Heiratsverhalten)
    • emotionale Assimilation (die gefühlsmäßige Identifikation)

    Auf jeder dieser Ebenen muß es zur Assimilation kommen, was aber nicht bedeutet, daß Herkunftsfertigkeiten oder auch -verhaltensweisen aufgegeben werden müssen (letzteres ja nur, wenn sie im Konflikt zur Aufnahmegesellschaft stehen). Wenn für die kulturelle Assimilation das Erlernen der deutschen Sprache gefordert wird, ist dies nicht gleichzeitig eine Verpflichtung, das Arabische oder Türkische, so man es noch spricht, zu vergessen. Die Assimilation eines Türken in Deutschland wird genausowenig einen Deutschen ergeben wie das Hereingießen von Milch in ein Glas Wasser ein Glas Milch ergibt… aber nur sie wird ein weitgehend konfliktfreies Zusammenleben ermöglichen.

    Den Begriff Akkulturation hereinzunehmen hilft da nicht, die Begriffsverwirrung würde noch gesteigert. Außerdem, wenn Wikipedia zu glauben ist, ist Akkulturation in der Migrationsforschung erstmal nur ein Oberbegriff für alle Prozesse, die beim Zusammentreffen von Menschen verschiedener Kulturen auftreten können… enthält also auch die Assimilation.

  68. @53 Abraham
    Sehr schön, lieber Abraham, dein Beitrag gefällt mir. Ich frage mich allerdings, ob es nicht tatsächlich möglich sein könnte, Kinder, die keine deutschen muttersprachlichen Kenntnisse haben, verpflichtet in frühkindliche Bildungsprogramme aufzunehmen, damit sie bevor sie in die Schule kommen die Sprache lernen. Es wäre hier in meinen Augen keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, da ja von ungleichen Voraussetzungen ausgegangen wird, die man ja gerade beheben möchte.

  69. „Früher in die Kita – oder auf die Schulbank“ [1], zu diesem Thema findet im Berliner Tagesspiegel eine lebhafte Diskussion statt.

    Von verfassungsrechtlichen Bedenken („Das Grundgesetz garantiert den Eltern im Artikel 6 ein ’natürliches Recht‘ auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Staatliche Eingriffe sind nur bei Gefährdung des Kindeswohls und mit der Schulpflicht erlaubt.“) bis zu „Das ist eine Kriegserklärung! Diesen Politikern ist wohl gänzlich der Verstand abhanden gekommen. Rechnen Sie mit erbittertem Widerstand.“ findet sich dort ein munterer Gedankenaustausch.

    [1] http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/frueher-in-die-kita-oder-auf-die-schulbank/1918974.html

  70. maat, sicherlich wäre es rechtlich möglich, für Vorschulkinder einen Sprachtest verpflichtend einzuführen und bei Defiziten den Besuch einer Kidergarten-Vorschule vorzuschreiben. Nur müsste dies für alle Kinder gelten (was möglicherweise sinnvoll wäre). Genauso sinnvoll wäre es, die bestehenden Vorsorgeuntersuchungen der Kinder zur Pflicht zu machen, was von Kinderärzten dringend empfohlen wird. Nur traut sich niemand, solche „Zwangsmaßnahmen“, die auch die Mittel- und Oberschicht treffen, vorzuschreiben.

    Der erste Schritt wäre, Kindergarten kostenlos zu machen und dort Sprachförderung anzubieten. Doch das kostet Geld, das sich der Staat von uns Bürgern holen müsste. Welche Partei, die gewählt werden will, würde sich trauen, Steuererhöhungen für „soziale Wohltaten“ zugunsten von Migranten vorzuschlagen?

    Bei aller berechitigten Kritik an der Politik, die zu langsam handelt, sind auch wir als Bürger und Wähler mit verantwortlich.

    Sicherlich könnten auch islamische Gemeinden mehr tun, z.B. Deutschkurse für die Mütter und Nachhilfeunterricht für Schüler anzubieten. Möglicherweise geschieht dies schon, aber mehr ist sicher möglich.

    P.S.: Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute über eine Untersuchung, wonach türkischstämmige Familien überdurchschnittlich am Schulerfolg ihrer Kinder interessiert sind. „Türkische“ Kinder werden bei gleichen Leistungen häufiger an weiterbildende Schulen geschickt als „deutsche“.

  71. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky argumentiert im Berliner Tagesspiegel „Kitapflicht für Einjährige – Wir verschließen die Augen“ [1]:

    „Zweitens: Wir wenden pro Jahr 35 Milliarden Euro für Kindergeld auf. Ich schlage vor, nur noch die Hälfte davon bar auszuzahlen und die andere Hälfte zwingend in die Welt der Kinder, zum Beispiel in Kitas, Schulen, Lehrer, Essen und Schulbücher zu stecken. Das wären jedes Jahr 17 Milliarden Euro zusätzliche Bildungsinvestitionen.“

    [1] http://www.tagesspiegel.de/berlin/heinz-buschkowsky-wir-verschliessen-die-augen/1918358.html

  72. Max Wedell

    Die Rheinländer-Zirkel (samt Karnevallsitzungen) in Berlin sind Ihnen entgangen?

    Mag sein, dass Sarrazin im „Kleingedruckten“ manches entschärft. Warum spitzt er es aber bei seinen öffentlichen Auftritten zu? Seine Forderung nach Assimilation (und das Wort wird oft als „Kampfbegriff“ verwendet, darüber können Ihnen Menschen, die einer Minderheit angehören, aus ihrer Erfahrung einiges erzählen; auch deren Ängste sind real) kommt jedenfalls nicht in der von Ihnen dargestellten Differenzierung an.

  73. @ Max Wedell

    Zur Zuwanderungsbilanz Deutschland/Türkei die letzten Zahlen von 2009: 30.000 Zuzüge nach Deutschland, 40.000 Wegzüge aus Deutschland.

  74. …nach meiner Hochrechnung sind dann in ca. 300 Jahren alle Türken wieder zuhause…

    Worüber regen wir uns denn dann noch auf ?

    ( Tschuldigung – schon Spät heute…)

  75. @schnippsel

    Wir hatten in diesem Blog schon ein paar Auseinandersetzungen über das Wort „Gutmensch“ und ich bin eigentlich davon ausgegangen, das es hier „erledigt“ sei.

    Auch Sie können mir nicht weismachen, es sei anders gemeint als abwertend und polemisch und mir ist bewußt, daß dieses Unwort mittlerweile den Weg in den Alltag gefunden hat und dort ein unseliges Eigenleben im Wortschatz der Scheinrealisten führt, nachgeplappert wird und genau die Wirkung entfaltet, die es entfalten soll.

    Ich halte Menschen, die dieses Wort zur Abwertung anderer und zur Selbstaufwertung benutzen, für zu ängstlich, sich den Realitäten zu stellen, und, was schlimmer ist, sie gebrauchen das Wort zur Rechtfertigung eigener Härte bis hin zu Gewalt, die aus Ratlosigkeit und Unvermögen stammt.
    Die Realität ist: Meist sind es die sogenannten Gutmenschen, die sich in die schwierigsten und gefährlichsten Situationen begeben um Probleme zu lösen oder Menschen zu helfen. Sie begeben sich dazu in Gefahren, die Sie oder M.Wedell vermutlich nicht mal kennen.
    Meist sind es auch die sogenannten Gutmenschen, die die Problem lange vor den Realisten wahrnehmen und zum Thema machen. Später kommen dann die Schlafmützen und spielen Problemlöser. Da habe ich schon viele stolze Adler flattern und plumpsen sehen.

    Bezüglich des „Beißreflexes“ irren Sie sich. Derjenige, der das Unwort benutzt, beißt, und zwar reflexartig.
    Dagegen darf und muss man sich wehren.

  76. Bravo, BvG! Es ist in der tat wirklich so, dass die Bösmenschen keine Lösungen anbieten sondern nur anprangern und auch gar nicht an Lösungen interessiert sind, weil sie dann nichts mehr anprangern können. Sie wollen schimpfen, lästern, schreien und keifen. Sie sind steril und anonym und weichen konkreten Problemen aus, wenn sie ihnen begegnen. Stattdessen markieren sie in Onlineforen oder am den Stammtischen den starken Max. Sie sind fast immer männlich aber meistens in Wirklichkeit …

    Passage gelöscht. Keine Beleidigungen hier im FR-Blog bitte! Gruß Bronski

  77. @Abraham,

    wer den Gedanken an Assimilation schon von vorneherein als unerträglich empfindet, sollte sich überlegen, ob er nicht in der Heimat besser aufgehoben ist. Wir reden doch hier davon, daß eine gefühlsmäßige Identifikation angestrebt wird, daß der Migrant eines Tages sagt: „Ich bin Deutscher“. Kultur ganz generell ist aber eine im Laufe der Evolution herausgebildete Eigenschaft, deren wichtigster Zweck doch war: Identität zu stiften in Großgemeinschaften. Da ist es doch hirnverbrandt, zu sagen, jemand soll sich als Teil einer Großgemeinschaft fühlen, ohne aber die kulturellen Gemeinsamkeiten, die die Großgemeinschaft überhaupt erst definieren, zu teilen. Wenn wir wollen, daß jemand sagt, „Ich bin Deutscher“, dann wollen wir doch nicht, daß er damit meint: „Ich halte mich auf dem Territorium Deutschlands auf“, oder „Ich habe einen deutschen Pass“, oder „Ich spreche die deutsche Sprache“, und sonst nichts!

    Als „Kampfbegriff“ kann Assimilation nur deshalb verstanden werden, weil aufgrund der deutschen, typisch gutmenschlichen Unfähigkeit, (vermeintlich oder tatsächlich) Schwachen irgend etwas abzuverlangen (oder sie gar zu kritisieren), so lange Zeit den Migranten eingeredet wurde: Kommt, und wenn ihr bleiben wollt, wie ihr seid, ist uns das auch recht. Ich kann nachvollziehen, daß es dann teilweise auf Unverständnis stößt, hier jetzt aus heiterem Himmel höhere Anforderungen gestellt zu bekommen, mit anderen bzw. überhaupt mit Erwartungen konfrontiert zu werden: Erst Hü, dann Hott. Nun, zumindest wer noch die Staatsbürgerschaft des Heimatlandes besitzt, hätte ja einen Ausweg aus solcher Frustration.

  78. @ # 81 Max Wedell

    „wer den Gedanken an Assimilation schon von vorneherein als unerträglich empfindet, sollte sich überlegen, ob er nicht in der Heimat besser aufgehoben ist“. Genau diese Haltung ist es, die Integration erschwert. Offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, die Vielschichtigkeit der Identität eines Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund als dem Ihren wahrzunehmen. Als deutscher Jude aus Böhmen lasse ich mich nicht auf Ihr „Ich bin ein Deutscher“ reduzieren. Das ist auch in einer pluralistischen Gesellschaft, die dem Verständnis unseres Grundgesetzes zugrundeliegt, nicht nötig. Notwendig ist, von jedem einzufordern, ein verantworliches Mitglied der deutschen Gesellschaft mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten zu sein. Die Zeiten, wo „Fremdvölkische“ in „minderwertige“, und dadurch der Vernichtung (odr dem „Auwachsen“ anheimgestellt, und assimilationsfähige aufgeteilt wurden, sind Gott sei Dank vorbei – das muss sich derjenige sagen lassen, der ständig die „Gutmenschen“ für alles verantwortlich macht.

    Was die Sarrazin-Vorschläge zur „Lösung“ der Integrationsprobleme betrifft, die Sie unter # 69 zitieren und offensichtlich gutheißen (vergessen haben sie den Vorschlag zu zitieren, Akademikerinnen eine Geburtsprämie zu zahlen): Sie mißachten den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie nur gegen Migranten angewendet werden sollen. Sie offenbaren auch ein Bild eines vormodernen Obrigkeitsstates, der schon weiß, was für die Menschen gut ist. Es ist falsch, die individuellen Freiheiten dadurch verteidigen zu wollen, dass man diese Freiheiten immer mehr einschränkt. Das hat mit der berechtigten Forderung der konsequenten Durchsetzung der Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft nichts zu tun.

  79. „Notwendig ist, von jedem einzufordern, ein verantworliches Mitglied der deutschen Gesellschaft mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten zu sein“

    Es wird oft und gern behauptet, daß dies die ausreichende Forderung sei, über die hinaus nichts zu fordern ist, und das ist in meinen Augen grundfalsch. Es ist für einen Migranten perfekt möglich, seine gesetzlich vorgegebenen Pflichten zu erfüllen (und auch seine Rechte wahrzunehmen, soweit er das will), und sich anschließend keinen Deut um das ihn umgebende Land zu scheren… man sieht Satelliten-TV aus der Heimat, man bezieht die Zeitungen aus der Heimat, und sollte einen irgendjemand fragen, wer der Bundeskanzler ist (oder auch nur der Bürgermeister der Stadt, in der man lebt), muß man sagen: Weiß nich. Ansonsten diskutiert man die Fragen, die einen umtreiben, die Politik des Heimatlandes etwa, oder religiöse Fragen, oder Privatangelegenheiten, mit den Menschen, die man in der Moschee trifft oder den ihr angegliederten Örtlichkeiten… mit anderen Eingewanderten.

    Welchen Sinn macht es denn überhaupt, in ein fremdes Land auszuwandern und sich dann damit zufrieden zu geben, daß einem das Land fremd bleibt, weil es einen gar nicht interessiert?

    Die Interessenskonflikte verschiedener sich voneinander deutlich abgrenzender gesellschaftlicher Gruppen werden den inneren Frieden immer gefährden… erst wenn die Eingewanderten sich soweit assimiliert haben, daß eine Hereinnahme in eine nationale Interessengemeinschaft möglich wird, kann die Situation stabil werden.

    Es ist ja lustig, wie oft auf vergangene Immigration hingewiesen wird, „die Deutschland auch gut ausgehalten habe“ (Hugenotten usw.); schaut man sich dann an, welchen Endpunkt die jeweils angeführte Einwanderung nahm, findet man AUSNAHMSLOS die Assimilation. Daß die Großmutter des einen andere Geschichten erzählt als die Großmutter des anderen, widerspricht dem nicht, das sind doch Kinkerlitzchen. Daß die modernen Immigrationswellen aus grundverschiedenen Kulturen ohne Assimilationsdruck prächtig funktionieren würden, damit beweisen zu wollen, daß man zurückliegende Immigrationsereignisse anführt (und noch aus weitgehend ähnlichen Kulturen), die sämtlich in der Assimilation endeten, ist doch absurd… oder denkt man, Assimilation wäre so ein scheues Vögelchen, daß es nur angeflogen kommt, wenn man es nicht zu dolle lockt? Man will sie also, darf sie aber nicht laut verlangen, denn dann kann es sie nicht geben? Sie deuten ja so etwas an, wenn sie sagen, daß „genau solch eine Haltung“, nämlich die Forderung nach Assimilation, die Intergration erschwere. Ich halte das für nachweislich falsch, denn in den historischen Fällen, die ständig angeführt werden, gab es am Ende die doch Assimilation, weil sie von der aufnehmenden Gesellschaft ERWARTET und verlangt wurde. Das moderne Gutmenschentum hingegen, das völlig außerstande ist, von (vermeintlich oder tatsächlich) Schwachen wie z.B. Migranten auch nur irgend etwas zu verlangen, wurde ja erst 1968 erfunden, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nach den Immigrationsergeignissen, „die Deutschland immer so schön verkraftet hat.“

    Einen „Grundsatz der Gleichbehandlung“ muß es gegenüber Einwanderern nicht unbedingt geben. In einer Firma z.B. gibt es auch eine sog. „Probezeit“, in der der neu Aufzunehmende geringere Rechte hat als der schon Etablierte. Bei der Immigration könnte man ähnlich verfahren, Einwanderung „auf Probe“, warum nicht? Es ist erschreckend, wie die im Grunde vernünftigsten Vorschläge immer gleich problematisiert werden müssen, immer natürlich im Sinne der vermeintlich Schwachen…

    Was das „Bild eines vormodernen Obrigkeitsstaates, der schon weiß, was für die Menschen gut ist“ angeht… mit diesem Vorwurf kann man ja so gut wie jede Maßnahme des Staates kritisieren, die zum Ziel hat, die Verhältnisse zu steuern… also entweder stellt der Staat also alle steuernden Tätigkeiten ein, oder man beschränkt sich darauf, über die Sinnhaftigkeit, Erfolgswahrscheinlichkeit usw. einzelner konkreter steuernder Maßnahmen zu diskutieren. Wahlweise mit dem Obrigkeitsstaat zu kommen, wahlweise nicht, je nachdem, wie einem die konkrete Steuerung gerade gefällt, wäre unredlich.

  80. @ Max Wedell

    Ein Blick in die USA zeigt, dass eine Gemeinschaft unterschiedlicher „Ethnien“ auch ohne Assimilation funktioniert. Dort kann man patriotischer Amerikaner sein, der auch auf seinen Generationen zurückliegenden italienischen oder irischen Ursprung stolz ist. Und das gilt auch für Zuwanderer aus „fremden“ Kulturen wie Inder, Japaner oder Chinesen.

    Ihre falschen Alternativen – entweder Assimilation oder Parallelgesellschaft – haben mit der Lebenswirklichkeit der großen Mehrheit der Zuwanderer nichts zu tun. In dem 2009 im Auftrag des Bundesamtes für Migrtation und Flüchtlinge erstellten Bericht „Muslimisches Leben in Deutschland“ http://www.bamf.de/cln_092/nn_442016/SharedDocs/Anlagen/DE/Migration/Publikationen/Forschung/Forschungsberichte/fb6-muslimisches-leben.html?__nnn=true, der auch die Deizite bei der strukturellen Integration deutlich bennent, heißt es: „Die soziale Integration ist besser, als vielfach angenommen: Mehr als die Hälfte der Muslime über 16 Jahre sind Mitglied in einem deutschen Verein, nur 4 Prozent sind ausschließlich Mitglied in einem herkunftslandbezogenen Verein. Die überwiegende Mehrheit muslimischer Mädchen und Jungen nimmt am gemischtgeschlechtlichen Sport- und Schwimmunterricht teil. Insgesamt bleiben jedoch 7 Prozent der muslimischen Mädchen einem angebotenen gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht fern und 10 Prozent nehmen nicht an Klassenfahrten teil. Hier bleibt die Integrationspolitik gefordert.“

    Was Ihre „Probezeit“ für Zuwanderer betrifft, in der der Gleichheitsgrundsatz nicht zu gelten habe: Diese ist für die Migranten, die entweder unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung haben oder gar die deutsche Staatsangehörigket, also die weit überwiegende Mehrheit der türkischen Migranten, längst abgelaufen.

  81. @Abraham,

    die unterschiedlichen Ethnien haben sich in die US-amerikanische Gesellschaft zu einem Grad assimiliert, von dem wir in Deutschland, was viele Muslime angeht, nur träumen können. Wo diese Assimilation bisher nicht stattfand (z.B. Hispanics in manchen Bereichen des Landes), gibt es auch in den USA postwendend Ghettos, Kriminalität und weitere Probleme.

    Wenn die muslimische soziale Integration wirklich so weit fortgeschritten ist, wie staatlich veröffentlichte Berichte das behaupten, frage ich mich, wieso so viele Menschen auf der Seite Sarrazins stehen. Die Antwort habe ich auch schon: Die Menschen machen persönliche Erfahrungen, und diese Erfahrungen passen nicht zu den Beschwichtigungen der Politiker und Ministerialbürokratien.

    Ich kann Ihnen ja mal nur ein Beispiel aus meiner „Lebenswirklichkeit“ schildern: Ein paar Straßen von meinem Wohnhaus entfernt gibt es einen parkähnlichen Platz mit schönen Rasenflächen und angrenzenden Mietskasernen. Beim Inlinern mache ich da manchmal Halt, verschnaufe ein bißchen, und sauge bei einem Spielchen auf dem Iphone noch ein wenig die Sonnenstrahlen auf. Kürzlich näherte sich mir ein erboster Einwanderer (Kaftan und Fez) und fragte mich in leidlichem Deutsch, was ich da mache, und ich solle zusehen, daß ich da verschwinde. Ich war natürlich verdattert und versuchte erstmal, herauszubekommen, was Grund der Aufregung ist. Das gelang mir nicht. Die Aufforderung, endlich Leine zu ziehen, wurde andauernd wiederholt, die Drohung, man werde die Polizei holen, ausgestoßen, und als ich sagte, die Polizei könne man gerne holen, da das Herumstehen im öffentlichen Raum in Deutschland keine strafbare Handlung darstellt, möglicherweise im Gegensatz zu anderen Ländern, wurden unvermittelt auch noch arabische Teile in den Redefluß eingewoben, wobei relativ klar war, daß hier das arabische nicht dazu diente, Defizite im Deutschen zu überbrücken, sondern zu verschleiern, was er an Nettigkeiten über mich, meine Mutter o.ä. zu sagen hatte. Ebenso unvermittelt, wie das über mich hereinbrach, hörte es auch auf, laut schimpfend marschierte der Mann ab.
    Als ich nun länger darüber nachdachte, was Hintergrund des ganzen gewesen sein könnte, fiel mir ein, daß, als der Mann auf mich zumarschierte, im Hintergrund ein vermummtes Weibchen vorbeihuschte, derart verschleiert, daß nur die Gesichtsfläche zu sehen war, die Hände voller Plastiktüten. In geduckter Haltung und mit von mir unnatürlich weggedrehtem Gesicht huschte sie flink auf der an der Häuserseite gelegenen Seite der Wege um den Platz, an dem ich saß, herum, und verschwand in einem Hauseingang, während der Mann mich wie beschrieben attackierte. Hier war also ein noch ganz besonders archaischen Vorstellungen verhaftetes Paar unterwegs: Die Frau als Einkäuferin und Schlepperin, der Mann als Aufpasser, das nichts unislamisches mit der Frau passiert. Unislamisch muß ihm nun nicht nur vorgekommen sein, wie dieser Ungläubige in sehr luftiger Sportbekleidung sich den Blicken seiner Frau aussetzte, sondern auch, daß er offensichtlich ein Handy in der Hand hielt, das vermutlich eine Kamera hatte, die auch noch in die ungefähre Richtung vor dem Hauseingang zeigte, die seine vor den Blicken oder gar Fotoaufnahmen anderer zu schützende Frau durchqueren musste. Diese Erklärung mag abenteuerlich klingen… aber ich habe einfach keine andere. Ich kann jedenfalls versichern, daß meine Bekleidung in Ordnung war (kurze Hose bis Mitte Oberschenkel sowie ärmelloses T-Shirt (es war heiß)), auf vorher zurückgelegten ca. 20 Kilometern würdigte mich jedenfalls niemand eines besonderen Blickes.

    Ich will jetzt nicht des langen und breiten erklären, was mich an der Anwesenheit solcher Menschen hier stört. Die freche, vom eignen Recht überzeugte, konfrontative Art ist da noch das Wenigste. Da ich in diesem Fall eine Assimilation derart nicht für möglich halte, daß man eines Tages die Anwesenheit solcher Personen wie mich auszuhalten gelernt hat entlang der öffentlichen Wege, die man der Frau zu folgen befiehlt, und da mit ziemlicher Sicherheit die ursprüngliche Staatsbürgerschaft noch vorhanden ist, kann ich, auch im eigenen Interesse, nur noch die Heimreise empfehlen! Selbst dann noch, wenn mir das einen Vortrag zur Menschenverachtung der Nazis einbringt!

    P.S. Stichwort „Verderbung der Frauen“… Der mir bekannte Afghane, den ich weiter oben schon erwähnte, machte mir während seiner Scheidung klar, daß er die Verfehlungen seiner Frau (Fremdgehen) auf moralische Verkommenheit zurückführt, induziert durch die westliche Gesellschaft. Sobald die Scheidung erledigt wäre, würde er sich eine neue Frau aus Afghanistan holen (was er dann ja auch gemacht hat), der aber kein einziges Wort deutsch beibringen (dann könne sie auch nicht fernsehen oder durch sonstige Kanäle die verderblichen Einflüsse der verrotteten deutschen Gesellschaft aufnehmen, wie das die vorherige Frau angeblich getan hatte). Einzig die Zahlen würde er ihr beibringen, denn sie müsse ja beim Einkaufen die Preise lesen und verstehen können. Na, da schimmerte wohl die Liebe zu den Zahlen durch, da er selbst in Mathematik promovierte. 😀

  82. @ Max Wedell

    Und aus meiner Begegnung mit grölenden Neonazis im Osten Berlins soll ich schließen, dass alle Ostberliner Neonazis sind?

    Auf diesem Niveu lohnt eine weitere Diskussion mit Ihnen nicht.

  83. @ Abraham 86

    Ich konnte bisher nicht erkennen, dass irgendjemand behauptet hätte, die /gesamte/ Unterschicht oder /alle/ Muslime würden Probleme machen. So etwas sollten Sie anderen nicht unterstellen.

    In meinem ersten Beitrag wies ich bereits darauf hin, dass Bronski auf eben einer solchen Ebene – nur mit umgekehrtem Vorzeichen – operiert, indem er nämlich den Eindruck erweckt, um die Integration von Migranten stünde es zum besten. Sollte man aus diesem Grund Ihrer Einschätzung folgen, dass auf einem solchen Niveau eine weitere Diskussion dann tatsächlich nicht lohnt?

  84. @Abraham,

    wenn Sie davon hören würden, daß mit nach Deutschland eingewanderten grölenden Neonazis im ganzen Land negative Erfahrungen gemacht werden, und schließlich in Ostberlin mit solchen eingewanderten Neonazis selber ihre Erfahrungen machen, dann würde ich Ihnen den Gedanken sicher nicht übelnehmen, daß mit einer solchen Einwanderung etwas nicht stimmt.

    Übrigens, mein Wohnort ist nicht Berlin, sondern eine Kleinstadt mitten in Deutschland, mit 50.000 Einwohnern (und großer Moschee).

  85. @ # 87 Schnippsel

    Bitte lesen Sie nach: Es war Wedell, der meine Verweise auf Untersuchungen zur Lebenswirklichkeit der Muslime in Deutschland mit Einzelbeispielen reagiert hat. Diese Untersuchungen zeigen sowohl Integrationserfolge als auch Integrationsprobleme mit einer Minderheit der Migranten. Dabei haben auch zu viele relativ gut integrierte Migranten einen zu großen Bildungsrückstand. Das sind ernsthafte Probleme, die man durch Pauschalisierung nicht lösen wird.

    Halten Sie Sarrazins Vorschläge für den richtigen Weg? Welcher Deutscher, der eine ausländische Frau heiratet, kann garantieren, dass sie in den nächsten zehn Jahren nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sein wird, weil er (odr sie) nach jahrelanger Beschäftigung den Job verliert (siehe die Pleite von Quelle)?

  86. In dieser Republik ist mittlerweile offenbar nichts mehr unmöglich. Einen ganz ordinären Deal „gütliche Einigung“ zu nennen, mag ja in diesen verrückten Zeiten noch irgendwie angehen. Wenn dieser Deal allerdings zwischen dem Bundespräsidialamt, also dem Bundespräsidenten, und einem gewissen Herrn Sarrazin abgeschlossen wird, wird man ja wohl mal fragen dürfen, ob die Beteiligten noch alle Tassen im Schrank haben. Einerseits heißt es aus dem Bundespräsidialamt: „Alle inhaltlichen Vereinbarungen wurden ausschließlich von den Vertragspartnern getroffen.“ Andererseits bestätigte selbiges Amt ausdrücklich, dass es sich aktiv als Vermittler in den Streit zwischen Sarrazin und der Notenbank eingeschaltet habe, und dadurch doch noch eine „gütliche Einigung“ zustande gekommen sei, bei der Sarrazin u.a. eine um 1000 Euro höhere Pension durchsetzte. Die Bundesbank selbst, die auch faktisch alle (berechtigten) Vorwürfe gegen Sarrazin hat fallen lassen, wollte sich zu den konkreten Vereinbarungen mit Sarrazin nicht äußern. Eine Sprecherin bekräftigte, beide Seiten hätten Stillschweigen vereinbart. Punkt. Schier unglaublich aber offenkundig wahr. Und so etwas ist tatsächlich in diesem Lande möglich, ohne dass ein medialer Aufschrei erfolgt. Da wird die Öffentlichkeit lediglich, nüchtern und sachlich, über die Zusammensetzung und Höhe der sarrazinischen Bezüge aufgeklärt, weiterhin der übliche Streit innerhalb der SPD (dieser Partei ist wirklich nicht mehr zu helfen) in dieser Angelegenheit beschrieben, und fertig ist die Laube. Ach, ja, und dann wird noch, mit einer gewissen Erleichterung, Verständnis für den Herrn Bundespräsidenten geäußert, der höchstes Interesse an dieser „gütlichen Einigung“ hatte, da er andernfalls über den Entlassungsantrag der Bundesbank hätte entscheiden müssen. Erinnere ich mich richtig, dass vor gar nicht allzu langer Zeit, feierlich und pathetisch, vom Respekt vor dem Amt und der Person, Bundespräsident, landauf, landab, in dieser Republik schwadroniert wurde? Nun dealt der Bundespräsident mit einem Mann, auch wegen höherer Bezüge, dessen Äußerungen schon lange vor dem Erscheinen seines Buches, als eindeutig rassistisch eingestuft wurden. Und davor soll ich jetzt Respekt haben? Es wird allerallerhöchste Zeit, dass dieses Amt abgeschafft wird, damit die damit verbundenen Peinlichkeiten endlich aufhören. Ich persönlich hätte nicht geglaubt, dass es nach Köhler noch schlimmer werden könnte.

  87. @Abraham,

    ich meine einfach, daß Sie es sich zu leicht machen, wenn Sie die breite Zustimmung zu Sarrazin in der Bevölkerung sowie die hohe Bereitschaft, sein Buch zu kaufen, auf verzerrte Wahrnehmung der Realität zurückführen. Sicher, wer schlechte Einzelerfahrungen macht, wird dies nicht gleich in Relation setzen mit der Anzahl der guten Einzelerfahrungen, so er sie denn machte… besonders auch deshalb nicht, weil hoher Integrationswille und daraus resultierende gute Einzelerfahrungen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Wie dem auch sei, von der weiteren Entwicklung der Wahrscheinlichkeit, mit der Menschen künftig schlechte Einzelerfahrungen machen, wird davon abhängen, wie sich der innere Friede künftig entwickelt. Und da bin ich überhaupt nicht davon überzeugt, daß diese Wahrscheinlichkeit abnehmen wird.

  88. Ich will nochmal kurz weg vom Immigrationsthema hin zur Vererbung, die ja bei Sarrazin auch ein Thema ist. Als neuen Aspekt möchte ich anmerken, daß ja von den geistigen Leistungen die Intelligenz nicht die einzige ist mit Vererbungseinfluß. Die Anlagen der sozialen Instinkte (z.B. Zuneigung, Mitleid, Hilfsbereitschaft, natürliches Rechtsempfinden) werden ja ebenso vererbt wie die Intelligenzanlagen. Wenn also schichtbezogen ein Ungleichgewicht in der Fortpflanzung zu beobachten ist, muß auch die Frage gestellt werden: Ist das langfristig positiv, negativ oder eher neutral für die Entwicklung der sozialen Instinkte?

    Schaut man sich Vermüllung, Zerstörung, Verwahrlosung, Kriminalitätsraten usw. in ausgesprochenen Unterschichtenghettos an, könnte man zum Schluß kommen, daß hier die Anlagen der sozialen Instinkte, die ein erträgliches Miteinander erzeugen sollen, eher unterentwickelt sind… aber dieser erste Eindruck müsste natürlich durch umfassendere Untersuchungen dazu ergänzt werden. Eine erhöhte Weitergabe des Ausfallbehafteten wird jedenfalls, jenseits der Weigerung aus Gründen der Political Correctness, sie zuzugeben, ihre durchaus negative Wirkung entfalten. Wer also zu Sarrazins Intelligenzthese stellungnehmend sagt: „Weniger als auf die Bildung kommt es doch auf die Herzensbildung an“, hat das Problem nur verschoben, wenn auch die Anlagen zur „Herzensbildung“ vererbt werden.

    Konrad Lorenz schildert diesen Sachverhalt in seinem Buch „Die 8 Todsünden der Menschheit“ im Kapitel „Genetischer Verfall“, allerdings ohne die Schichtenfrage zu diskutieren, denn das schichtengestaffelte Fortpflanzungsungleichgewicht war ja 1973, als das Buch erschien, noch kein Thema. Entsprechend einfach konnte noch seine Empfehlung zur Lösung des Problems sein: Bei der „Gattenwahl“ (ja, so hieß das damals noch) einfach auf die ANSTÄNDIGKEIT achten, als sine qua non, dann ist die Gefahr gebannt.

  89. Theo hat muslimische Vorfahren.
    Entdeckt bei Wikipedia.

    „Sarrazin ist ein französischer Familienname, der etymologisch auf die Sarazenen bzw. verwandte Begriffe zurückzuführen ist……!

    Weiter bei Wikipedia:
    „Sarazenen ist ein Begriff, der ursprünglich einen im Nordwesten der arabischen Halbinsel siedelnden Volksstamm bezeichnete. Im Gefolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen und im christlichen Europa als Sammelbezeichnung für die muslimischen Völker, die ab ca. 700 n.Chr. in den Mittelmeerraum eingedrungen waren, verwendet, meist in angstgeprägtem Sinn.[1] Obgleich dieser Begriff noch heute zuweilen in historischen Darstellungen als Bezeichnung für Muslime verwendet wird, ist dieser Gebrauch geschichtswissenschaftlich nicht korrekt, da es sich um einen „asymmetrischen Gegenbegriff“ (Reinhart Koselleck) handelt und überdies häufig nicht klar wird, welche muslimische Macht (Fatimiden, Ziriden, Abbasiden etc.) konkret damit gemeint ist.[2]“

    Ist das nicht herrlich?

    Wolfgang Schmitz

  90. @ Wolfgang Schmitz #93

    Vielleicht bin ich dieser Tage ja etwas begriffsstutzig, aber ich verstehe nicht, was Sie dem geneigten Leser denn nun eigentlich mitteilen wollen.

    1. Möglichkeit: Schaut her, ein Mann mit muslimischen Vorfahren hat es bis zum Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank geschafft! Ein tolles Beispiel für gelungene Integration! Auch wenn es mehrere Jahrhunderte gedauert hat.

    2. Möglichkeit: Wie man an ihm selber sieht, stimmt Sarrazins These. Da sind dämliche Sarrazenen in Europa eingefallen und einer ihrer Nachkommen ist immer noch dämlich! Auch über Jahrhunderte hat sich die Dämlichkeit trotz eines hohen sozio-ökonomischen Status nicht verändert.

    Was Sie uns hier als Ihre Entdeckung andrehen, schwirrt seit gut zwei Wochen – wenn nicht schon seit Monaten – massenhaft durch die Blogs und Foren.

  91. Lachen Sie doch einfach !
    Das hilft gegen Begriffstutzigkeit und könnte Ihnen
    vielleicht auch eine 3. und 4. Argumentationslinie verschaffen.
    Dieser Typ ist lächerlich und ich werde weiter auf
    Entdeckungsreise gehen, um ihn noch lächerlicher zu machen.

    Wolfgang Schmitz

  92. Zum Lachen finde ich z.B. folgende Geschichte:

    Die drei Chinesen Bu, Chu und Fu wandern nach Amerika aus. Um sich gut in die neue Gesellschaft zu integrieren, nennt sich Bu künftig Buck. Chu nennt sich fortan Chuck. Fu geht zurück nach China.

    Der in Andernach geborene Heinz Karl Bukowski hatte auch kein Problem damit, sich zu assimilieren – oder heist das: sich assimilieren lassen? – und unter dem Namen (Henry) Charles Bukowski ein bekannter amerikanischer Schriftsteller zu werden.

    Stellen Sie sich vor, eine Frau Maria-Creszenzia Leutberger-Schnarrenheuser würde die chinesische Staatsbürgerschaft annehmen. Glauben Sie, sie würde auf der Beibehaltung ihres deutschen Namens bestehen?

    Wenn ich während meiner langjährigen Auslandsaufenthalte tatsächlich die Staatsbürgerschaft des Gastlandes hätte annehmen wollen, hätte ich auch kein Problem damit gehabt, meinen ursprünglichen Namen zu anglisieren oder zu franzisieren oder zu sinisieren – allein schon aus dem Grund, um den unsäglichen alläglichen Verhunzungen des Namens zu entgehen. Als ein Verbrechen wider die Menschlichkeit hätte ich dies nicht empfunden.

  93. Wer an seniler Bettflucht leidet, kann sich nachher ja noch die folgende Dokumentation in hr3 reinziehen:

    01:15 Luise – Eine deutsche Muslima
    Laufzeit: 45 Minuten
    Dokumentation, D 2007

    „Luise, Tochter eines deutschen Ehepaares, konvertierte zum Islam, heiratete einen Algerier und ist inzwischen Mutter zweier Kinder. Der Film führt in die Lebenswelt einer Familie, deren private Konflikte geprägt und überlagert werden durch aktuelle gesellschaftliche Strömungen und weltpolitische Ereignisse. Im Mikrokosmos dieser Familie mischen sich westliche und islamische Werte, gleichzeitig spiegeln sich die Ängste wider, die der Islam gegenwärtig hervorruft. Immer mehr Menschen in Deutschland treten zum Islam über. Nach Aussagen des Leiters des Zentralinstituts Islam-Archiv, Salim Abdullah, sind 2005 erstmals binnen eines Jahres mehr als tausend Deutsche konvertiert. Von den bundesweit 3,2 Millionen Muslimen sind 14.352 deutschstämmig. Der Film erzählt von einer deutschen Familie, deren einzige Tochter Luise im Alter von 19 Jahren zum Islam konvertiert ist. Im Alltag trägt sie Kopftuch und islamische Kleidung, die Moschee besucht sie regelmäßig. Mittlerweile ist sie 25 Jahre alt, verheiratet mit dem arabischen Informatikstudenten Mohamed und in ihrer selbst gewählten Welt glücklich. Sie hat eine dreijährige Tochter und inzwischen auch ihr zweites Kind bekommen. Bis vor wenigen Wochen lebte das Paar gemeinsam mit Luises Eltern. Nach außen funktioniert die Familie solidarisch, nach innen hat sie mit alltäglichen Widersprüchen und Grenzsituationen zu tun. Luises Eltern suchen einen Weg, mit der fremden Kultur umzugehen, die in ihre Familie eingedrungen ist. Der Film erzählt von Menschen, die sich lieben und streiten, er begleitet die Familie auf ihrer Reise in Mohameds Heimat Algerien, erzählt von Ängsten, Respekt, Resignation, vom Aufeinanderprallen unterschiedlicher Weltbilder und Lebensentwürfe. Gezeigt wird kein Kampf der Kulturen, sondern der konfliktreiche und steinige Weg hin zu Toleranz und Annäherung, aber auch die Grenzen von Verständnis und Akzeptanz werden sichtbar gemacht.“

  94. Es wird doch Zeit dass Sie sich zu erkennen geben.
    Was wollen Sie mit Hinweisen auf das Abendprogramm
    der ARD bezwecken?
    Gemischte Ehen:
    hat es immer gegeben.

    Deutsche Ehen:
    Frau: kein Kopftuch
    Mann: dämliche Amikappe

    Nachtrag für Begriffsstutzige:
    Einen Familiennamen in eine andere Sprache zu übertragen,
    ist nicht gleichzusetzen mit der etymologischen Herkunft
    eines Namens.

  95. Sarrazin gibt selber zu Protokoll: „Ich selbst bin eine europäische Promenadenmischung: Väterlicherseits stammt die Familie ab von Hugenotten aus Lyon. Ich habe eine englische Großmutter, irgendwo eine italienische Ururgroßmutter und meinen slawischen Backenknochen sieht man an, dass meine Mutter aus Westpreußen stammt […] Mein Name kommt in Südfrankrecih häufiger vor. Er leitet sich von arabischen Seeräubern ab, die man im Mittelalter „Sarrazenen“ nannte.“

    Schnipsel, auch ich frage mich andauernd, was die Häme bedeuten soll, mit der Sarrazin-Gegner diesen von Sarrazin selbst gebrachten Sachverhalt ständig wiederholen. Scheinbar will man die Tatsache, daß eine Migration unter starkem Assimilationsdruck zur nahezu völligen Ununterscheidbarkeit der Menschen führte (Ausnahme: Kinkerlitzchen wie der Name), als Beweis sehen, daß die heutige muslimische Migrationswelle völlig ohne Assimilationsdruck zu ähnlichen Ergebnissen führt. D.h. diejenigen, die solch gelungene Migrationen ständig anführen, machen ungewollt auch klar, was an ihr so gelungen ist: nämlich die Assimilation. Den nächsten Schritt zu tun, also die Assimilation auch bei den jetzigen Migrationswellen zu fordern, trauen sie sich aber nicht, denken wohl insgeheim: Na, die wird schon von allein kommen, ob wir sie fordern oder nicht.

    In dem Zusammenhang ist die ARD-Sendung natürlich interessant, denn sie zeigt, daß Assimilation auch andersherum stattfinden kann. Ob in einem künftigen Deutschland, in dem Muslime die Mehrheit ausmachen werden, die Assimilation der Deutschen ebenso der Freiwilligkeit anheimgestellt sein wird wie heute umgekehrt, das ist die große Frage. Es ist jedenfalls nicht abwegig, es zu bezweifeln.

  96. Wann werden Sie es begreifen, Herr Max, Assimilationsdruck oder gar -zwang ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und das sagt nicht nur Herr Erdogan, sondern sinngemäß sogar der schwarze Peter (Müller), von der schwarzen Partei und saarländischer Ministerpräsident. Müller in einem Gastbeitrag der FAZ 2008: Der Zwang zur Assimilierung unter Verleugnung der bisherigen Identität ist verwerflich. Sie haben allerdings auch Zustimmer, Herr Max, wie z.B. den so genannten Historiker Arnulf Baring, immer wieder gern gesehener Gast bei dem unsäglichen öffentlich-rechtlichen Talkshowgetöse. Baring hält auch nix von Integration, sondern ist der Auffassung, dass Ausländer eingeDEUTSCHT werden müssten. Übrigens, dieser Herr Baring hat, wie ich meine, ohnehin sehr seltsame Vorstellungen, um das mal wohlwollend auszudrücken. 2006 hat er z.B. vor der Hessen-CDU, auf Einladung des damaligen Justizministers und heutigen Fraktionsvorsitzenden, Christean Wagner, das ist der Wagner, der schon 2005 den „innovativen“ Vorschlag gemacht hatte, nicht nur Straftäter, sondern auch Drogenabhängige und Langzeitarbeitlose mit einer Fußfessel, als „Hilfe zur Selbsthilfe“, auszustatten, einen frenetisch umjubelten Vortrag gehalten. Unter dem Titel „Es lebe Deutschland“ (von wegen Deutschland schafft sich ab);-))bezeichnete er dabei den Naziterror zwischen 33 und 45 lediglich als beklagenswerte Entgleisung. Doch damit nicht genug. Den Holocaust als singuläres Menschheitsverbrechen einzustufen, wie ich das z.B. tue, hielt Baring für weit übertrieben. Was ich aber besonders bemerkenswert fand, dass 2003, im Nachtstudio des ZDF, dieser Herr Professor erklärte:

    „Der Hitler hat ja in einem Maße dieses Land in Bewegung gebracht, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er hat in den 30er Jahren, was bis in die 40er, 50er – man kann sagen – in die 60er Jahre weitergewirkt hat, den Leuten einen Elan vermittelt, der vollkommen von uns gewichen ist.“

    Wer wundert sich bei diesen „Aussagen“ nun noch ernsthaft darüber, dass dieser Herr Baring die Assimilation bzw. Eindeutschung fordert? Sie, Herr Max? Schließlich muss das Land doch endlich wieder in Bewegung gebracht werden, so wie es, gem. Herrn Baring, der Hitler gemacht hat.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  97. @ Jutta Rydzewski #100

    Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich mit derselben Verve der Tschechischen Republik gegenüber verhalten würden, die die unveränderte Gültigkeit der sog. Benesch-Dekrete erst wieder am 24. April 2002 in einer einstimmigen Resolution des Abgeordnetenhauses des Tschechischen Parlaments bestätigt hat. Durch diese Dekrete wurden bis 1947 insgesamt etwa 2,9 Millionen Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Bevölkerung pauschal zu Staatsfeinden erklärt, ausgebürgert und enteignet. Von den Ermordeten nicht zu reden.

    Denjenigen, die das Prinzip „Fördern und fordern“ nun endlich einmal auch in Richtung „Fordern“ ausgelegt und angewendet sehen wollen, wieder nur mit der Nazikeule zu kommen – das ist mir in dieser Situation denn doch zu billig. Darauf zu antworten: dazu ist mir meine Zeit denn doch zu schade.

  98. Nachtrag:

    Mit dem Wirksamwerden des Lissabon-Vertrages wurde auch die Grundrechtecharta der EU erstmals für alle Mitgliedsländer verbindlich. Die darin definierten Grundrechte stehen allerdings in krassem Widerspruch zu den Benesch-Dekreten. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus befürchtete also, daß die Opfer der Benesch-Dekrete nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages auf Wiedergutmachung klagen könnten.

    Am 29.10.2009 stimmten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten daher für eine Ausnahmeregelung und segneten damit zugleich das Unrecht der Benesch-Dekrete als Teil der EU-Rechtskultur ab! Erst danach unterzeichnete der tschechische Staatschef am 3.11.2009 den Lissabon-Vertrag.

  99. @ Michael Beitz

    Die Debatte um die Benes-Dekrete zur Ausbürgerung, Enteignung und Vertreibung Deutscher (und Ungarn) aus der Tschechoslowakei hat eine Parallele in der in den 1970er Jahren geführte Auseinandersetzung darüber, ob die Bundesregierung das Münchner Abkommen als von Anfang an ungültig bezeichnen darf. Heftig dagegen waren gerade diejenigen (Vertriebenenverbände und die CDU/CSU), die heute von der tschechischen Regierung die Aufhebung der Benes-Dekrete fordern. Dabei gleichen sich die Argumente: Die nachträgliche Aufhebung berge die Gefahr, dass damit auch alle auf dem Abkommen/Dekreten beruhende individuelle Rechtsakte ihre Gültigkeit verlören mit unabsehbaren Folgen für Eigentumsverhältnisse und Entschädigungsansprüche.

    Unabhängig von der Rechtsfrage anerkennen die Mehrheit der Tschechen und Mähren sowie die politische Führung des Landes, dass die Gewalt gegen die Deutschen und ihre Vertreibung ein Unrecht waren. Anderseits darf man auch nicht verschweigen, dass die Mehrheit der Sudetendeutschen den Anschluss an das Nazi-Deutschland begrüßt und aktiv betrieben hat, sich also freiwillig der CSR-Staatsangehörigkeit entledigt hat. Sie haben auch mehrheitlich als Täter und Mitläufer das NS-Unrecht mit zu verantworten – was keine Rechtfertigung für eine „Kollektivbestrafung“ sein darf.

  100. @ Abraham # 103

    Manchmal ärgert mich halt die Einäugigkeit (einschließlich meiner eigenen!), mit der Dinge betrachtet werden. Oft genug sind die Dinge komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussehen.

    Auf keinen Fall möchte ich an dieser Stelle irgendeine Art der Auf- und Gegenrechnung betreiben.

    Inwieweit Parallelen vorhanden sind oder konstruiert werden könnten, möchte ich in diesem Thread auch nicht über Gebühr auswalzen. Nur soviel: hie werden einer Minderheit größere Integrationsanstrengungen abverlangt (und Assimilation gewünscht), dort wird eine Minderheit mit Gewalt vertrieben. Hie werden die Geforderten in Schutz genommen, dort werden die Vertriebenen als ewiggestrige Revanchisten diffamiert. Beide Gruppen zeichne(te)n sich durch die Identifikation mit dem Herkunftsland aus. usw. usw. Deswegen meine Replik auf Frau J.R.

    Dass z.Zt. junge Tschechen das Thema mutig und vorurteilslos aufarbeiten, macht nach über 60 Jahren Mut. Der letzte Satz des u.a. Artikels [2] lautet:

    „Manche Tschechen sind weiter als ihre politischen Repräsentanten. In Dobronin beispielsweise haben tschechische Einwohner in unmittelbarer Nähe zu dem Massengrab ein schlichtes Kreuz errichtet. Ohne Aufforderung, ganz allein.“

    Und auf jeden Fall weiter als in der BRD die (revisionistischen und revanchistischen) Rechten auf der einen Seite, die (geschichts- und realitätsverleugnenden) Linken auf der anderen Seite und mittendrin rückgratlose, konfliktscheue und visionslose Angehörige der politische Kaste.

    Unter all dem hetzerischen rechten Dreck sind die folgenden Links noch einigermaßen lesbar:

    [1] http://www.welt.de/die-welt/politik/article7771771/Prag-naehert-sich-den-Sudetendeutschen-an.html
    [2] http://www.welt.de/politik/ausland/article9113074/Prag-stellt-Bedingungen-fuer-Seehofer-Besuch.html

  101. @101 Michael Beitz

    Und ich würde es begüßen, wenn Sie beim vorgegeben Thema bleiben würden. Die Tschechische Republik gehört meines Wissens nicht dazu, sondern die unendliche Geschichte, der Dauerbrenner Sarrazin und Co..

    Obwohl Ihnen Ihre Zeit zu schade ist, das vorgegebene Thema zu behandeln, tun Sie es dann aber doch. Übrigens, ich hatte Sie nicht gebeten Stellung zu nehmen, das haben Sie aus freien Stücken getan. Nachdem Sie sich aber nun zu meinem Beitrag geäußert haben, hoffe ich auf Ihr Verständnis, dass ich Ihnen ein paar Fragen stelle. Ich frage auch deshalb, weil Ihre Anmerkungen sehr nebulös sind, was letztlich zu Missverständnissen führen könnte, die ich möglichst vermeiden möchte.

    Zitat: „Denjenigen, die das Prinzip „Fördern und fordern“ nun endlich einmal auch in Richtung „Fordern“ausgelegt und angewendet sehen wollen,

    Wer soll das sein, diejenigen, die das …? Nennen Sie doch einfach Ross und Reiter.

    Zitat: „wieder nur mit der Nazikeule zu kommen – das ist mir in dieser Situation denn doch zu billig.“

    Die Nazikeule würde ich das nicht nennen, aber Erinnerungen an das menschenverachtende Nazi-Terror-Regime sind bei mir schon hochgekommen, hinsichtlich der Baringschen Äußerungen. Ihnen nicht? Oder meinten Sie gar nicht Baring, in Verbindung mit der Keule?

    Zitat: „Darauf zu antworten: dazu ist mir meine Zeit denn doch zu schade.“

    Das entscheiden ganz alleine Sie, ob Sie auf meine Fragen antworten. Allerdings entscheide ich auch darüber, was ich hier, in welcher Form und wie zum Ausdruck bringe. Und das völlig unabhängig davon, ob Sie etwas billig finden, oder Ihnen irgendetwas zu schade ist.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  102. @ Michael Beitz

    Ich weiß nicht, wer Ihrer Meinung nach „die Vertriebenen als ewiggestrige Revanchisten diffamiert“. In der Tschechoslowakei hat sich längst eine differenzierte Sicht durchgesetzt, auch dank Sudetendeutscher, die wie die Ackermann-Gemeinde frühzeitig auf Versöhnung hingearbeitet haben. Die Suddetendeutsche Landsmannschaft führt in München regelmäßig gemeinsam mit dem Tschechischen Kulturzentrum Veranstaltungen durch.

    Übrigens haben die Deutschen und die Tschechen lange genug vorgelebt, dass auch ohne Assimilation ein Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien möglich ist. Die tragische Geschichte der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts ist kein Gegenbeweis.

  103. Danke, maat, für diesen informativen Link. /Sie/ waren es ja auch schon im Beitrag #10, der den Link zur FAZ geliefert hatte. Zur Erinnerung: das Fazit aus dem Artikel lautete

    „Sarrazins Thesen sind, was die psychologischen Aspekte betrifft, im Großen und Ganzen mit dem Kenntnisstand der modernen psychologischen Forschung vereinbar. Hier und da ließe sich sicher eine abweichende Gewichtung vornehmen. Massive Fehlinterpretationen haben wir aber nicht gefunden. Sarrazin macht auch Vorschläge zur Förderung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern. Seine diesbezüglichen Anregungen sind vernünftig und unterscheiden sich wenig von denen, die in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion auch von anderen geäußert werden (z. B. mehr Krippen; mehr und bessere Kindergärten; intensivierte Sprachförderung; Ganztagsschulen).“

    Bisher habe ich einige wenige Stimmen aus dem wissenschaftlichen Lager vernommen, die Sarrazins These(n) bzw. Schlüsse maßvoll in Frage stellen oder kritisieren, mir ist aber bisher niemand untergekommen, der auch nur im entferntesten in der Lage war, Thesen und Schlüsse wissenschaftlich (und bitte auch verständlich, also populärwissenschaftlich) zu widerlegen.

    Ich selber sitze seit 14 Tagen an Recherchen zum Thema „Vererbung von Intelligenz“, nachdem ich aus meinem Bücherschrank ein altes Taschenbuch aus dem Piper-Verlag [1] herausgekramt hatte. Mir war nämlich so, als hätte ich schon vor Jahren dazu etwas Revolutionäres gelesen.

    Allerdings war mir damals noch nicht klar, dass sich hier – wie bei den Erkenntnissen der Neurobiologie – eine weitere Kränkung des Menschen ankündigte. Freud hat schon vor vielen Jahrzehnten auf drei fundamentale Kränkungen hingewiesen, die die Wissenschaft der menschlichen Selbstverliebtheit (und den religiösen Dogmen) zugefügt hat. Es waren dies:

    1. die kopernikanische Kränkung: die Erde ist nicht das Zentrum des Universums
    2. die darwinsche Kränkung: der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern zufälliges Produkt der natürlichen Evolution
    3. die tiefenpsychologische Kränkung: der Mensch ist, vom Unbewussten gesteuert, nicht einmal „Herr im eigenen Haus“

    Zwischenzeitlich sind durch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse eine ganze Reihe weiterer Kränkungen und Entzauberungen hinzugekommen. Ich erlaube mir, einige davon hier auch noch stichwortartig anzuführen:

    4. die ethologische Kränkung: der Mensch ist nicht nur stammesgeschichtlich mit dem Tierreich verbunden, sondern zeigt dies auch täglich in seinem Verhalten
    5. die soziobiologische Kränkung: alles Leben beruht auf Eigennutz, altruistische Tugenden können auf einen „genetisch-memetischen Egoismus“ zurückgeführt werden
    6. die ökologische Kränkung: wir sind abhängig von einer ungeheuer komplexen Biosphäre, die wir weder durchschauen noch gar kontrollieren können
    7. die evolutionäre Kränkung der Fortschrittserwartung: die biologische wie kulturelle Evolution geht nicht zwangsläufig zum Besseren und Höheren
    8. die neurobiologische Kränkung: das angeblich autonome Ich ist ein Produkt unbewusster, neuronaler Prozesse
    (Links hierzu kann ich gerne liefern, ich möchte nur nicht in Bronskis Warteschleife landen).

    Die FR hat ja dankenswerterweise vor kurzem das Thema Neurobiologie, Willensfreiheit, Verantwortung und Schuldfähigkeit ausführlich und sachlich aufbereitet. Bei der Frage der Verhaltensgenetik hingegen, die Sarrazin aufs Tapet gebracht hat, verhält sie sich eigentümlich bedeckt.

    „Meinungen“, „Leserbriefe“, „Kommentare“ und „Leitartikel“ sind zwar sehr schön und machen manchmal auch Lust auf mehr, aber sie befriedigen meinen Wissensdurst leider nicht. („Der Wissensdurst ist die flüssige Form des Bildungshungers!“)

    Mehr zum Thema baldmöglichst.

    [1] Rolf Degen, Lexikon der Psycho-Irrtümer – Warum der Mensch sich nicht therapieren, erziehen und beeinflussen lässt, Serie Piper 4020, München 2004, (c) 2000 Eichborn AG

    Hier: Mythen der Beeinflussung, Karma im Zellkern: Die Persönlichkeit des Menschen wird durch die Erziehung bestimmt, Der Erziehungseinfluss ist wichtiger als die Macht der Erbanlagen, S. 96-105

  104. Vorbemerkung:

    Ich habe, ebenso wenig wie Bronski, Sarrazins Buch gelesen. Daher weiss ich auch nicht, welche Quellen er für seine Thesen verwendet hat. Sollten sich TS’s Quellen mit meinen decken, ist dies unbeabsichtigt – ich bitte daher, mir nicht zu unterstellen, ich würde mir Sarrazins Quellen und damit auch seine Meinung zu eigen machen. Ich bin zunächst einmal den Namen und Quellen nachgegangen, die der Wissenschaftsjournalist Rolf Degen in dem unter # 109 genannten Buch genannt hat.

    Zum Paradigmenwechsel der Entwicklungspsychologie aus [1]:

    Psychology Today
    The Gene Responsibility
    Why you don’t have total control over how your kid turns out.
    By Annie Murphy Paul, published on January 01, 1998 – last reviewed on August 18, 2005

    What Reiss and his colleagues discovered, in one of the longest and most thorough studies of child development ever attempted, was that parents appear to have relatively little effect on how children turn out, once genetic influences are accounted for. „The original objective was to look for environmental differences,“ says Reiss. „We didn’t find many.“ Instead, it seems that genetic influences are largely responsible for how „adjusted“ kids are: how well they do in school, how they get along with their peers, whether they engage in dangerous or delinquent behavior. „If you follow the study’s implications through to the end, it’s a radical revision of contemporary theories of child development,“ says Reiss. „I can’t even describe what a paradigm shift it is.“

    [1] http://www.psychologytoday.com/articles/199802/the-gene-responsibility

  105. Einige methodische Geplänkel über die Höhe des genetischen Anteils führen zu folgendem Fazit:

    This accumulated evidence strongly suggests that the heritability of IQ is somewhere between a low estimate of about .48, provided by Devlin et al.’s impressive but nevertheless still inconclusive meta-analysis, and the more usual estimates of .60–.70 derived from classic twin methods. It is testimony to the remarkable progress of research that the question of prenatal influences on IQ can be narrowed down to a debate over 20 percent, and probably much less, of the overall variance.

    [1] How to Inherit IQ: An Exchange | The New York Review of Books
    http://www.nybooks.com/articles/archives/2007/mar/15/how-to-inherit-iq-an-exchange/

    [2] How to Inherit IQ: The Fetal Question | The New York Review of Books
    http://www.nybooks.com/articles/archives/2007/oct/25/how-to-inherit-iq-the-fetal-question/

  106. Ein gerade einmal 15-seitiges Skript der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema „Zur Bedeutung der frühkindlichen Sozialisation aus entwicklungsgenetischer Perspektive“ [1] gibt einen einfachen Einstieg in den methodischen Ansatz der Entwicklungsgenetik.

    1. Einleitung
    2. Grundannahmen klassischer Sozialisationstheorien und methodische Probleme von Sozialisationsstudien
    3. Methodischer Ansatz und zentrale Befunde der Entwicklungsgenetik
    4. Konsequenzen für die gegenwärtige und zukünftige Sozialisationsforschung
    5. Literaturverzeichnis

    [1] Marko Neumann, 2004
    http://www.familienheute.de/attachments/131_Die%20Bedeutung%20der%20fr%C3%BChkindlichen%20Sozialisation.pdf

  107. Vollzitat aus Welt Online vom 01.02.2000 [1]

    Intellektuelle Begabung ist nicht erlernbar

    Eine Studie des Münchener Max-Planck-Instituts greift das Konzept der Gesamtschule an
    Von Kathrin Spoerr

    Ein kürzlich im Max-Planck-Institut für psychologische Forschung erschienener Aufsatz über die intellektuelle Begabung von Kindern stellt erneut die These in Zweifel, dass der Leistungsunterschied verschieden begabter Kinder ausgeglichen werden kann, wenn sie gemeinsam lernen. Der Wissenschaftler Franz Emanuel Weinert stellte in seinem Aufsatz „Begabung und Lernen – zur Entwicklung geistiger Leistungsunterschiede“ zwei Thesen auf: Intellektuelle Unterschiede zwischen Menschen können durch keine noch so intensiven schulischen Bemühungen egalisiert werden. Damit widerlegt Weinert eine der zentralen Annahmen, die in den siebziger Jahren zur Gründung der Gesamtschulen geführt haben: Dass nämlich Begabung lernbar ist und gemeinsames Lernen zu einer Egalisierung der Intelligenz auf höherem Niveau erfolgt. Weinert hält dem entgegen: Unterschiedlich Intelligente können große persönliche Lernfortschritte machen, aber nur, wenn sie individuell gefördert werden.

    Weinert greift auf die Ergebnisse mehrerer Langzeitstudien zurück, die am Münchener Max-Planck-Institut erhoben werden und zum Teil im Kaiser-Wilhelm-Institut im Jahre 1937 begonnen wurden. Er geht von der Annahme aus, dass etwas mehr als 50 Prozent der intellektuellen Ausstattung durch Erbeinflüsse erklärbar sind, die andere Hälfte durch die persönliche und die kollektive Umwelt beeinflussbar ist. Das Ergebnis: Intelligenzunterschiede, die schon in der frühen Kindheit vorhanden waren, bleiben „auch unter dem Einfluss extern angeregter und geförderter Lernprozesse erhalten“. Unterschiedliche Begabungsstufen entwickeln sich also parallel. Und: Auch Kinder, die mit geringerer angeborener Intelligenz ausgestattet sind, können ein Entwicklungsniveau erreichen, das eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Alle Begabungsstufen sind also förderbar. Daraus schlussfolgert Weinert, dass vor allem lernschwache Kinder „möglichst optimal gefördert werden müssen“, zumal, wie Weinert im Gespräch mit der WELT betonte, weil in der modernen Industriegesellschaft von Arbeitslosigkeit vor allem gering Qualifizierte betroffen sind.

    Weinert diagnostiziert einen Konflikt zwischen der „optimalen individuellen“ und der „optimalen gesellschaftlichen“ Förderung der Kinder. Er ist auch die Ursache für die verfestigten ideologischen Standpunkte. Möglichst frühe Trennung fördert zwar die individuellen Fähigkeiten der Kinder, gemeinsames Lernen ist aber in jungen Jahren wünschenswert, zumal der „Matthäuseffekt“, den Weinert erkennt, erst in höheren Jahren einsetzt: dass also klügere Kinder mehr von besonderer Förderung profitieren als weniger kluge. Wann der optimale Zeitpunkt der Trennung der Schüler gekommen ist, muss nach Weinerts Meinung indes die Politik entscheiden. Die ideologisierte deutsche Gesamtschule sei jedoch nicht die Basis, auf der aufzubauen lohne.

    [1] http://www.welt.de/print-welt/article500164/Intellektuelle_Begabung_ist_nicht_erlernbar.html

  108. Für mich persönlich ziehe ich folgende Zwischenbilanz, die auf folgenden Überlegungen und Erkentnissen beruht.

    Sind wir Menschen stärker durch unsere Anlagen oder durch die Erziehung geprägt? Sind’s die Gene oder die Umwelt? In welchem Verhältnis stehen „nature“ und „nurture“ zueinander? Darauf sollte uns die Wissenschaft Antwort geben.

    Die herkömmliche Sozialisationsforschung kann den Einfluss von Genen und Umwelt nicht voneinander abgrenzen, denn beides ist bei Eltern und Kindern hoffnungslos miteinander verwoben. Die Verhaltensgenetik verwendet daher insbesondere Zwillings- und Adoptivstudien, d.h. man untersucht Gruppen, bei denen Erbfaktoren und Umfeld zu einem genau definierten Grad zusammenfallen.

    Getrennt aufgewachsene eineiige Zwillingen haben 100% gleiche Erbfaktoren, aber keine gemeinsamen Umweltbedingungen. Andererseits haben Adoptivgeschwister z.B. 100% gleiche Umfeldbedingungen, aber keine gemeinsamen Gene. „Normale“ Geschwister wiederum besitzen zu 50% gemeinsame Gene und ein zu 100% gemeinsames Umfeld.

    Nun versucht man herauszufinden, wie stark sich die Personen in dem jeweils untersuchten Merkmal ähneln (oder unterscheiden). Mit mathematischen Verfahren kann man dann den Einfluss der Gene und des Umfelds voneinander trennen.

    Soweit ich feststellen konnte, besteht mindestens seit den 90er Jahren Einigkeit in der Fachwelt darüber, dass Intelligenz zu einem beträchtlichen Prozentsatz genetisch bedingt ist und somit auch vererbt wird. Einen gewissen Dissenz gibt es noch bei der Höhe des Prozentsatzes. Dieser schwankt zwischen knapp 50% und 70%. Die populärste Interpretation läuft bei Otto Normalbürger und Lieschen Müller darauf hinaus: naja, fifty-fifty Gene und Umwelt.

    Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Sache allerdings weniger wurstig dar. Denn was fällt eigentlich unter den Begriff „Umfeld“ oder „Umwelt“? Hier sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Es gibt Umwelteinflüsse, die Geschwister teilen und andere, die sie nicht teilen.
    [siehe: Asendorpf]

    Zu ersten gehören die soziale Schicht, die Wohnumgebung, das familiäre Umfeld (Verwandte und Bekannte), die Qualität der elterlichen Ehe, die Arbeitsbedingungen der Eltern, das Familienklima, die Erziehungsziele der Eltern. Häufig unter dem Begriff „Milieu“ subsumiert.

    Zu den eher nicht geteilten Bedingungen zählen der Schwangerschaftsverlauf, die Geburtsumstände, die Geschwisterposition, die Bevorzugung oder Ablehnung durch einen oder beide Elternteile, die sozialen Beziehungen des Kindes, der Einfluss von Kindergartengruppe bzw. Schulklasse, der Schulunterricht, Unfälle, Krankheiten, emotional aufwühlende individuelle Erlebnisse, Medienkonsum.

    Da diese Einflussfaktoren ja nicht mal eben so experimentell hergestellt und/oder verändert werden können, rechnen die Forscher hierbei Messfehler in einer Größenordnung von 10% bis sogar 20% des Gesamtergebnisses ein. Wenn wir für den genetischen Anteil an der Intelligenz einmal 50% annehmen und 10% Messfehler berücksichtigen, bleiben für /sämtliche/ Umwelteinflüsse 40% übrig!

    Nach der gängigen „Milieutheorie“ der Soziologen müssten natürlich alle Personen, die dem Einfluss desselben Milieus unterworfen sind, in dieselbe Richtung beeinflusst werden. Die Persönlichkeit von Geschwistern müsste sich aufgrund der geteilten Umwelt ähneln und auf Dauer immer mehr annähern. Die Überprüfung anhand von Adoptivgeschwistern (ungleiche Gene, gleiches Umfeld) müsste also ein Annäherung der Persönlichkeitsmerkmale ergeben. Pustekuchen! Ihre Persönlichkeit bleibt auch nach Jahren gemeinsamer Aufzucht so unterschiedlich wie die von zwei willkürlich herausgegriffenen Individuen. Auch bei „normalen“ Geschwistern (50% gemeinsame Gene, gleiches Umfeld) lässt sich eine durchgängige Annäherung nicht nachweisen. Damit ist die alte Milieutheorie tot!

    Dieses Phänomen wurde natürlich spiegelbildlich auch an (eineiigen) Zwillingen überprüft. Der Einfluss der globalen Milieufaktoren, also der o.g. geteilten Umwelt, ist in allen Studien vernachlässigbar gering. [siehe: Bouchard]

    Die Peer-Group, die Klamotten- oder Handymarke, die Fernsehserie aus der Kindheit, der eine idealisierte Lehrer drücken dem Ego womöglich viel stärker ihren Stempel auf, als alle Grobfaktoren der Familie und der Herkunft(sschicht).

    Fazit an dieser Stelle: die genetischen Unterschiede machen den bei weitem größten Einfluss aus. Die Vielzahl der nicht genetischen Einflüsse bedeutet hingegen, dass jeder einzelne dieser Faktoren kein entsprechendes Gewicht gegenüber den Genen hat.

    Gutgemeinte Rezepte, die sich auf eine einzige Umweltursache (zumal aus dem Bereich der geteilten Umwelteinflüsse) beziehen, sind zwangsläufig zum Scheitern verurteilt: mehr Geld für die Schulen, kooperativer Erziehungsstil, mehr Hartz IV, mehr Sprachförderung – solange niemand weiss, welche(r) der Umweltfaktoren tatsächlich wichtig sind, wird munter im Nebel herumgestochert.

    Man muss sich schon fragen, ob die Anstrengungen auch finanzieller Art, die bisher im Hinblick auf Menschen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status (SES), vulgo auch „Unterschicht“ oder „Prekariat“ genannt, überhaupt zielführend sind.

  109. Ein starkes Argument für das Übergewicht der Erbanlagen findet sich auch in einem Artikel von Rolf Degen aus dem Jahr 1997 – „Im Alter siegen die Gene“ [1].

    Die Macht der Gene müsste nach Ansicht derjenigen, die Erziehung und Erfahrung einen hohen Stellenwert beimessen, mit steigendem Alter eigentlich abnehmen. Dies ist jedoch nach einer in „Science“ veröffentlichten Studie nicht der Fall. Im Gegenteil: es scheint, dass der Einfluss der Gene im Alter zunimmt. Münchner Forscher am MPI für Psychiatrie kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

    Der Hinweis im letzten Absatz deutet übrigens auf ein Problem der Forschung und unseres Verständnisses hin:

    „Aber ‚die Umwelt‘ ist keine anonyme Macht, die von außen auf das Individuum einwirkt. Es ist eher so, daß der einzelne sich eine ganz persönliche Mischung aus den vielen Möglichkeiten herausgreift -­ gelenkt von seinem Geschmack und seinen Genen.“ [siehe: Plomin]

    Ganz überspitzt könnte man formulieren: ein echter Proll schafft sich sein Proll-Umfeld selbst, wenn es seinen Genen und seinem Geschmack entspricht.

    [1] https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1997/0702/wissenschaft/0005/index.html

  110. @ maat, Schnippsel

    Leider habe ich im Moment wenig Zeit und kann mich deshalb nicht wirklich an der Diskussion beteiligen. Allerdings ging mir schon beim kurzen Hineinlesen in das erzkonservative Pamphlet des Deutschen Lehrerverbandes, auf das maat verwiesen hat, der Hut hoch und noch mehr bei den nachfolgenden Beiträgen von Schnippsel, der sich auf allemöglichen Quellen bezieht um bloß „beweisen“ zu können, dass Menschen eben dumm, dick und somit zurecht arm sind, weil sie genetisch dazu prädestiniert sind.
    Dem möchte ich nun folgende einfache Frage entgegehalten: Kann mir denn einer „wissenschaftlich/populärwissenschaftlich“ erklären, wie es möglich ist, dass strunzdumme Kinder, die in gesellschaftlich höhergestellte, gebildete Familien hineingeboren wurden, sehr wohl an Gymnasien anzutreffen sind – besonders, wenn er z.B. „Max“ heisst – während pfiffige, schlaue Kinder aus einfachen, bildungsfernen Verhältnissen oftmals nur auf der Realschule landen – besonders wenn er auch noch „Kevin“ heißt?

  111. Schnippsel,

    wer die These vertritt, daß Gene einen hohen Einfluß auf die menschliche Entwicklung haben, sieht sich sofort dem Verdacht ausgesetzt, er plädiere beim Ausfallbehafteten, egal ob bei Intelligenz oder sozialen Instinkten, für die Sterilisation oder gar Gaskammer.

    Um das zu verhindern wurde die pseudodemokratische Doktrin geschaffen, nach der jeder Mensch als weißes Blatt Papier geboren wird, das im Laufe des Lebens beschrieben wird, wobei einzig die Erfahrungen dieses „Beschreiben“ steuern. Diese Doktrin ist nicht richtig, weil sie richtig ist, sondern sie ist richtig, weil sie aus gesellschaftspolitischen Gründen einfach richtig sein MUSS.

    @anna,

    ihre Behauptung, daß „strunzdumme Kinder, die in gesellschaftlich höhergestellte, gebildete Familien hineingeboren wurden, sehr wohl an Gymnasien anzutreffen sind“ stimmt genauso wie die Feststellung, daß strunzdumme Kinder, die in gesellschaftlich höhergestellte, gebildete Familien hineingeboren wurden, oft auch nur auf der Realschule landen und die Behauptung, daß „pfiffige, schlaue Kinder aus einfachen, bildungsfernen Verhältnissen oftmals nur auf der Realschule landen“ stimmt genauso wie die Feststellung, daß pfiffige, schlaue Kinder aus einfachen, bildungsfernen Verhältnissen sehr wohl an Gymnasien anzutreffen sind.

    Eine vermutlich vorhandene Ungenauigkeit bei der Verteilung (kein System ist perfekt) hat sicher viele Ursachen. Nicht zuletzt wird aber auch die Kategorisierung in z.B. „strunzdumm“ oder „pfiffig,schlau“ doch der Persönlichkeitsstruktur des Menschen nicht gerecht, sodaß Lehrer ja nicht so simpel vorgehen können, wenn Sie die weitergehenden Schulen bestimmen. Was machen sie denn z.B. im Fall „pfiffig, schlau, grottenfaul“?

    Das eigentliche Drama aber ist die neuerdings anzutreffende Einschleimung der Politiker bei den Wählern, indem sie Eltern das Recht der Mitsprache bei der Schulwahl geben… ein Recht, daß natürlich, je höher sie in der Schicht kommen, desto stärker wahrgenommen wird? Dieses Recht muß vollig und komplett ABGESCHAFFT werden, egal wie groß das Gezeter der Eltern links und rechts ist.

  112. 1. Ich habe zunächst einmal dargelegt, wie ich mich auf den Weg gemacht habe, mir zu dem Thema „Anlagen oder Umwelt“ einen Überblick zu verschaffen. TS als Advocatus Diaboli zu beweihräuchern oder ihn reflexhaft als Anhänger nationalsozialistischen Rassenwahns zu diffamieren war mir zu billig.

    Leider habe ich nicht die Möglichkeit, meine 24-Std.-Tage beliebig zu verlängern, um mich in Bibliotheken zu setzen oder mir die Nächte noch mehr um die Ohren zu hauen als eh schon. Meine finanziellen Mittel erlauben es mir nicht, umfangreiche Fachliteratur zu bestellen.

    Dass die von mir angeführten Links zunächst einmal vergleichsweise leichte Kost sind, halte ich nicht für einen grundsätzlichen und entscheidenden Mangel. Insbesondere nicht im Hinblick darauf, Menschen zu ermutigen, selber nach Erkenntnis zu streben.

    2. Ich möchte niemand etwas beweisen, schon gar nicht Ihnen. Aber es gibt ja auch Leute, die hier nur mitlesen und die – wie ich – zunächst einmal versuchen, sich ein eigenes Bild zu machen. All diejenigen aus dem sozialpädagogischen Lager (andere würden hier vermutlich wieder den Begriff „Gutmenschen“ anbringen), die mit ihrem gutgemeinten, aber hilflosen Gestümpere die Menschheit meinen beglücken zu müssen, entziehen sich der Debatte meist ohnehin.

    3. Zur Verbindung von Intelligenz (oder anderen Persönlichkeitsmerkmalen) und gesellschaftlichem Status habe ich mich bisher noch gar nicht dezidiert geäußert. Den Schluss „dass Menschen eben … zu recht arm sind, weil sie genetisch dazu prädestiniert sind“, habe ich nicht gezogen. Mir zu unterstellen, ich hätte gewertet – und damit Menschen abgewertet und diffamiert -, ist doch völig aus der Luft gegriffen. /Sie/ sind diejenige, die mit den zwei unscheinbaren Wörten „zu recht“ eine völlig unnötige Wertung einführen.

    Etwas weniger vorurteilsbeladen könnte man aber in Betracht ziehen, „dass Menschen eben [auch] deswegen … arm sind, weil sie genetisch dazu prädestiniert sind „.

    4. Ich habe darauf hingewiesen, dass mir das Schweigen unserer Wissenselite auffällt. Mögliche Erklärungen dafür könnten sein

    a) Wissenschaft hat mit realem Leben nichts zu tun. Ein Wissenschaftler begibt sich nicht in die Niederungen des Alltags und der Politik. (Das Elfenbeinturm-Syndrom)

    b) Wissenschaftler stimmen mit Sarrazins Thesen, seinen Begründungen und Rückschlüssen überein, trauen sich aber nicht, dies zu sagen. In die Ecke der NS-Eugenik gerückt zu werden oder Forschungsgelder gestrichen zu bekommen, will niemand riskieren. (Das Angst-Syndrom)

    c) Wissenschaft hat zum Thema nichts zu sagen. Forschung läuft an den realen Fragen des Lebens vorbei. (Das Fachidioten-Syndrom)

    d) Die geballte Wissenschaftlerriege ist gegen TS’s Thesen, Begründungen und Rückschlüsse, hält es aber nicht für nötig, den dummen Michel darüber zu informieren. (Das Eliten-Syndrom)

    e) Die Wissenschaftler scheuen sich davor, Verantwortung für ihre Forschung zu übernehmen. Sowohl was ihre Thesen, als auch ihre Methodiken und Ergebnisse betrifft. Man könnte sagen, Intelligenz und sittliches Verhalten gehen nicht zwangsläufig Hand in Hand.

    Weitere Erklärungen zum Schweigen der Wissenschaftler dürfen geneigte Leser gerne beitragen

    5. Ich hatte der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass eine Zeitung wie die FR dem Durchschnittsbürger wie mir durch recherchieren des Wissensstandes (am liebsten mit Pro und Kontra, aber nicht wie bisher nur Kontra) Hilfestellung beim Gewinnen eigener Erkenntnisse geben würde. Diese Hoffnung ist bisher leider enttäuscht worden – im Gegensatz zur Willensfreiheitsdebatte.

    6. Ich gebe nochmals meinem Erstaunen Ausdruck, dass von den Sarrazin-Gegnern bisher keine (wissenschaftlich) stichhaltige Widerlegung von TS‘ Zahlen, Thesen, Begründungen und Rückschlüssen vorgelegt wurde, möglicherweise auch gar nicht vorgelegt werden kann.

  113. @ Anna # 116

    Auch wenn ich kein Spezialist für Dieses, Jenes und Alles Andere bin, könnte ich mir als Antwort auf Ihre Frage folgende ganz einfache Antwort vorstellen: weil es genügend Menschen in dieser Republik gibt, die (trotz guter Bildung?) vorurteilsbehaftet und dünkelhaft sind.

  114. @Anna „Strunzdoofe Kinder“ schaffen nicht das Abitur egal aus welchen Verhältnissen sie kommen -dies ist meine Erfahrung. Es gibt aber natürlich Menschen, die weit unter ihren Möglichkeiten bleiben aus verschiedenen Gründen. Welchen Bildungsabschluss man erreicht, hängt neben der Begabung auch stark von Faktoren ab wie Interesse, Wille, Leistungsbereitschaft, Fleiß, Konzentrationsvermögen, Freizeitverhalten etc. Diese „Tugenden“ werden sehr stark vom Elternhaus beeinflusst bzw. vorgelebt und hängen stark ab vom Stellenwert, den die Bildung in der Familie einnimmt. Hier ist der Staat gefordert, um diese Kinder in jungen Jahren stärker zu fördern. Man kann aber niemanden zur Bildung zwingen. Es gehört auch zur Freiheit des Menschen, sich dafür zu entscheiden, nix zu lernen.
    Die 6-jährige Grundschule wie die Gesamtschulen haben allerdings nicht gehalten, was sie versprechen. Es ist schlicht nirgends belegt, dass diese Schultypen gerechter sind oder bessere Leistungen bewirken als die Dreigliedrigkeit- auch wenn dies manche Leute einem gerne glauben machen möchten und propagieren, wenn dieser Schultyp erst flächendeckend eingeführt werden würde, wären wir die Probleme los.
    Das ist ein Trugschluss.
    Vielleicht liest du dir die Texte halt doch mal durch, die ich verlinkt habe anstatt einfach nur zu behaupten, sie seien „erzkonservativ“.

  115. @schnipsel,

    es wäre mir sehr unangenehm, wenn der Eindruck entstünde, ich würde Sozialpädagogen pauschal als Gutmenschen bezeichnen. Deshalb hier vielleicht nochmal die Definition des Gutmenschen, die in diesem Zusammenhang ja vielleicht sogar ihre Frage beantwortet, warum die Wissenselite in solch einer Diskussion wohl lieber zu schweigen scheint oder, wenn Schweigen nicht möglich ist, sich so merkwürdig windet wie Frau Stern.

    In der linken Sicht besonders seit den 68ern wird die Welt auschließlich als Arena der Ausbeutung gesehen, in der die Unternehmer die Arbeiter ausbeuten, „die da oben“ „die da unten“ ausbeuten, die Reichen die Armen ausbeuten, die entwickelten Länder die Entwicklungsländer ausbeuten, die Männer die Frauen ausbeuten usw… es gibt da überhaupt kaum einen Aspekt des gesellschaftlichen Lebens, der nicht damit in Verbindung gebracht wird, daß sog. „privilegierte“ Gruppen die unterprivilegierten ausbeuten, drangsaliern, ins Unrecht setzen oder sonstwie schikanieren oder „nach unten drücken“. Das ist die zentrale Idee, um die sich alles zu drehen hat. Das Bildungswesen ist nach dieser Weltsicht nur dazu da, um die Verhältnisse, die zur Ausbeutung führen, stabil zu halten bzw. zu erhalten.

    Als ausgebeutet bzw. unterprivilegiert haben grundsätzlich die Arbeiter, die Armen, die Einwanderer, die Frauen usw. zu gelten (in den USA, in denen eine bestimmte akademische Elite ebenso die 68er beerbten, könnte man hinzufügen: die Schwarzen). Kritik an diesen Personengruppen ist grundsätzlich unmöglich, denn das würde ja, in dieser linken 68er-Weltsicht, bedeuten, daß man auf den ohnehin schon Ausgebeuteten, den Unterprivilegierten, den Opfern, auch noch zusätzlich herumtrampelt! Wer es dennoch macht, dennoch Kritik äußert, dem schlagen ähnliche Reaktionen entgegen, wie sie Passanten einem Vater gegenüber zeigen, der in der Fußgängerzone sein Kind verprügelt.

    Kein Mensch wird abstreiten, daß es in unserem Land nicht auch Ausbeutung gibt, daß es nicht Verhältnisse gibt, in denen Privilegierte ihre Privilegien ausnutzen, auf Kosten anderer. Wer das abstritte, wäre ja nicht ganz bei Trost. Man kann aber doch nicht derart penetrant bestimmte Personengruppen, diese ständigen Opfer, von jeglicher Kritik oder auch nur „Tatsachenbeschreibung mit ungünstiger Wertungsmöglichkeit (nämlich jedesmal, wenn die Möglichkeit eines kleinen Stücks Verantwortung beim „Opfer“ aufschimmert, ist das im linken Gut/Böse-Schema ungünstig)“ ausnehmen, wie man es im linken Gutmenschentum tut, das ja durch diese Praxis auch seinen Namen bekam.

    Gutmenschentum hat nichts damit zu tun, daß man sich um tatsächliche Opfer und die Wiederherstellung ihrer Rechte bemüht. Wer sich um tatsächliche Opfer und der Wiederherstellung ihrer Rechte bemüht, ist ja kein Gutmensch, sondern eher ein guter Mensch.

    Ob ein Einwanderer ein tatsächliches Opfer oder selber ein Ausbeuter ist, z.B. ein Ausbeuter des deutschen Sozialstaats, interessiert den Gutmenschen nicht. Ein Einwanderer ist prinzipiell und stets ein Opfer, er kann gar kein Ausbeuter sein, basta! Kritik an Einwanderern ist daher stets und prinzipiell ein Herumtrampeln auf Ausgebeuteten, Opfern und Schwachen, basta! Kritik an Lebensumständen der Einwanderer kann nur eine Kritik an den „Tätern“, den Menschen der aufnehmenden Gesellschaft und ihren „Systemen“ sein, bei denen liegt die ausschließliche Verantwortung für alle Mißstände, basta!

    Das eigentliche Verbrechen des Sarrazin ist, daß er die Nase voll hat von diesen Dogmen, und das einfache 68er-Weltbild, das Täter- und Opferrollen unverrückbar und glasklar verteilt sieht, dabei empfindlich angreift. Es ist in öffentlichen Debatten schwer zu sagen, welcher gutmenschlich Erscheinende Denkfilter eingeschaltet hat, und wer einfach nur Sprechfilter eingeschaltet hat. Wer aber weder das eine noch das andere Filter hat, wie Sarrazin, der kriegt sein Fett ab.

    Es darf nichts gesagt werden, was so gedeutet werden könnte, als wiese man den behaupteten Opfern, Schwachen, Benachteiligten irgendwelche Verantwortungen zu oder wolle gar das Unrecht, daß diese sowieso schon erfahren, noch vergößern, oder, ultimatives Vergehen, man bestreitet gar, daß es sich hier um Opfer von Unrecht, Diskriminierung usw. handelt. Der Gedanke, schlechtes Abschneiden in der Schule könne andere Ursachen haben als die Unterdrückung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen durch andere gesellschaflichte Gruppen, ist dem Gutmenschen unerträglich. In solch einer vergifteten Gesamtsituation ist es am besten (wenn man nicht mitlügen will), man sagt gar nichts, denn dann kann man nichts falschmachen.

  116. @ Max Wedell

    Bitte nennen Sie mir mal einige Vetreter dieser Gutmenschen und 68ern. Ich kenne niemanden, der solch ein simples Denken praktiziert.

  117. @ I.Werner

    Doch, einen gibt es der dieses Denken praktiziert: Max Wedell. Hätte ich ihm nie zugetraut. Eigentlich wirkt er, als ob er die Welt mit halbwegs wachen Augen beobachtet und dann müsste er ja wissen, wie das mit den einfachen Erklärungsmustern ist. Er will wohl nur provozieren so nach dem Motto: Hund, hol’s Stöckchen. Aber ich lauf dem nicht hinterher.
    Frage an Bronski: Sie gucken ja imemr nach Regelverstößen, siehe mein Kommentar Nr. 80. Finden Sie, dass das hier noch was mit dem Thema zu tun hat?

  118. Nun ja, ich finde Max Wedell neigt zu Übertreibungen. Vielleicht ist dafür irgendeine frühkindliche traumatische Erfahrung mit der 68-Pädagogik verantwortlich –wer weiß es?
    Ich sehe allerdings in linker Bildungspolitik auch mehr Schwächen als in der konservativen. Max Wedell hat hier insofern recht, dass das linke Spektrum die Bildungspolitik vor allen Dingen zum Ausgleich von ungerechten sozialen Verhältnissen begreift und das leider auch oft auf Kosten sog. bürgerlicher Bildungsinhalte. In meinen Augen ist der Ausgleich von Ungerechtigkeit über die Bildungspolitik EIN Aspekt. Man darf diesen jedoch nicht überstrapazieren, da man die Schule damit schlicht überfordert. Schule kann das nicht leisten, sie hat es übrigens auch in der DDR nicht hinbekommen.
    Vorrangig muss es um Unterrichts-Qualität gehen. Man kann den Konservativen viel vorwerfen, aber sie haben über die Jahre wenigstens eine Vorstellung von anspruchsvoller Bildung entwickelt. Es wäre falsch, den intellektuellen Anspruch zurückzuschrauben. Individuelle Förderung wird überall als Zauberformel verwendet als sei sie des Rätsels Lösung. Individuelle Förderung ist wichtig- keine Frage, ist aber leichter gesagt als getan. Sie ist sehr anspruchsvoll in der Umsetzung und mit sehr hohem Vorbereitungsaufwand verbunden und setzt voraus, dass der Schüler gefördert werden möchte. Häufig erschöpft sich leider das „individuelle Fördern“ darin, den Schülern unterschiedlich anspruchsvolle Arbeitsblätter hinzulegen (auch an der Gesamtschule), weil diesem hohen Anspruch kaum jemand gerecht werden kann. Daher würde ich mir wünschen, dass man sich mehr auf die Ebene der Realität begibt. Wir werden damit leben müssen, dass es Ungleichheit gibt. Auch wird es weiterhin viel zu viele junge Menschen geben, die sich den Bildungsbemühungen ihrer Lehrer verweigern und ohne Schulabschluss nur eine Aussicht auf Hartz IV haben werden. Ich glaube nicht, dass irgendein Schulsystem daran etwas ändern wird. Langfristig kann man nur hoffen, dass sich die Einstellung zur Bildung bei den betreffenden Familien ändert, dass Eltern mit ihren Kindern sprechen und sie nicht der Glotze überlassen. Politisch kann man sicher einiges versuchen im Hinblick auf Frühförderung und Kontaktpflege zu den Eltern. Ob das aber Früchte trägt?- Ich bin da wenig optimistisch.

  119. @Markus Dehnerle,

    ich denke schon, daß meine Theorie, die die Aufgeregtheit zu erklären versucht, mit der man den Thesen Sarrazins begegnet, etwas mit dem Thema zu tun hat.

    I. Werner,

    es ist die Frage, ob wir es hier noch mit „Denken“ zu tun haben, oder nicht doch eigentlich schon weitgehend mit bedingten Reflexen.

    Wenn Sie klare Beispiele suchen, brauchen Sie doch nur die Debatte um Sarrazins Hartz IV-Speiseplan anzuschauen. Im Gegensatz zur Frage, wie sehr Vererbungsfaktoren auf spätere kognitive Entwicklungen einwirken oder nicht ist doch die Frage, ob ein Erwachsener sich in Berlin von 4,42 Euro am Tag gesund ernähren kann, kinderleicht zu klären, würde man denken. Sarrazin klärte es: Man kann.

    Wie war nun die Reaktion? Ich erinnere mich nicht, daß jemand sich inhaltlich mit dem Speiseplan Sarrazins befasste. Stattdessen wurde gleich das allgemeine Entsetzen artikuliert (= der bedingte Reflex), wie man denn so auf den Schwächsten der Schwachen herumtrampeln kann… Der ALG II-Bezieher gehört laut gutmenschlicher Doktrin zu den Geknechteten der Gesellschaft, ihm einen Speiseplan vor die Nase zu halten ist eine zusätzliche Erniedrigung, und wer solches tut, dem muß man daher mit allen Anzeichen tiefster Abscheu begegnen, egal was auf dem Speiseplan steht… Des weiteren ist ein solcher Speiseplan überhaupt ein Versuch, die gutmenschliche Gewißheit, daß der ALG II-Bezieher ein durchweg Drangsalierter und Entrechteter ist, zu gefährden. Ein Gutmensch kann den Gedanken nicht ertragen, der ALG II-Bezieher könne evtl. kein Drangsalierter sein, sondern könne tatsächlich unter zumutbaren Bedingungen leben. Gelingt es jemandem, letzteres ein Stückweit zu beweisen, bleiben dem Gutmenschen, im Fall des Speiseplans, für Kritik nur die unsachbezogenen Methoden übrig: die Diffamierung und Verhetzung Sarrazins… und das wird dann ausgiebig betrieben.

    Und am Ende ist Sarrazin geoutet… nicht als jemand, der einfach bloß nachweisen will und scheinbar kann, daß man von 4,42 Euro am Tag gesund leben kann, sondern als jemand, dem es ein Vergnügen ist, auf den Schwachen herumzutrampeln, und vor allem jemand, den die „Lust an der Provokation“ umtreibt, wie wir jetzt wieder bis zum Erbrechen hören mussten, und was der Hirngespinste mehr sind.

    Ich finde es ehrlich gesagt merkwürdig, daß es für Sie so schwer ist, diese Rituale zu erkennen, daß Sie so rein gar nicht verstehen, welche Phänomene ich hier beschreibe.

  120. @Max Wedell
    Nun, es mag sein dass Sarrazin vorrechnet, dass man mit 4,42 pro Tag gesund essen kann: Sein Lebensstil ist jedoch weit weg davon. Sie können ja mal seinen Tagessatz anhand seiner üppigen Pension ausrechnen. Dieser Umstand schmälert schon die Überzeugungskraft seiner Rechnerei, finde ich. Glaubwürdiger wäre es, wenn Sie, Herr Wedell mir erzählen würden, dass sie seit Jahren von Hartz IV leben und sich mit 4,42 äußerst gesund ernähren können.

  121. „frühkindliche traumatische Erfahrung mit der 68-Pädagogik“

    Alles, nur das nicht… als Jg. 1962 geht „frühkindliche Erfahrung mit 68ern“ schon mal schlecht, aber selbst später in der Schule war das Auftauchen der ersten Referendare mit den neuen Methoden, nach all den Jahren mit den fordernden Lehrern von altem Schrot und Korn, doch eher was Tolles… endlich konnte Schule auch bequem sein, und endlich gab es Lehrer, denen man auf dem Kopf herumtanzen konnte statt umgekehrt… ganz das Gegenteil von traumatisch! Die Reife, erkannt zu haben, daß man fürs Leben lernt und nicht für die Schule, hatten wir jedenfalls erst spät, wenn überhaupt, und daher konnten wir die neuen Lehr-Methoden leider nur so würdigen, daß am Ende die Referendarinnen auch mal tränenüberströmt aus dem Klassenraum liefen… Wenn ich zurückdenke an die Lehrerpersönlichkeiten, die mir wirklich was vermittelt haben (was zugegebenermaßen ein subjektiver Ansatz ist), dann ist da keine dieser jungen Lehrer/innen von Ende der 70er dabei, die plötzlich den Unterricht weitgehend mit diesen blaßblauen, stinkenden Zetteln bestreiten wollten, deren Inhalte zwar kaum lesbar waren, aber dennoch von uns unbedingt kritisiert werden sollten.

  122. #123 Dehnerle

    Gebe Ihnen Recht, dieses Geschwafel hat nur noch den Zweck, Steine in’s Gebüsch zu werfen und zu glauben, daß jeder, der sich dagegen wehrt, ein Hund ist.
    Die Inhalte sind längst irrelevant geworden.

  123. @ 118 Schnippsel
    Sie vermissen „eine (wissenschaftlich) stichhaltige Widerlegung von TS’ Zahlen, Thesen, Begründungen und Rückschlüssen“ in der bisherigen Debatte. Ein Blog ist kaum der Ort für „wissenschaftliche“ Beweise. Im Rahmen des Möglichen (auch ich muss „nebenher“ meinen Job machen und anderen Verpflichtungen nachkommen) halte ich meinen Beitrag # 53 durchaus für einen begründeten Widerspruch zur Sarrazins Grundthese zur Vererbung der Intelligenz und der sich daraus sowie aus der höheren Geburtenzahl der Unterschicht und der „Migranten aus muslimischen Ländern“ ergebenden „Verdummung“ der deutschen Gesellschaft.
    Von der Wissenschaftsseite hat dieser These eindeutig Elsbeth Stern widersprochen. Aber auch Heiner Rindermann und Detlef Rost haben in ihrem hier früher verlinkten FAZ-Artikel Sarrazin überdeutlich korrigiert. (Wobei ich im Gegensatz zu Max Wedell Sterns Ausführungen schlüssig finde. Das Fazit der FAZ-Autoren, Sarrazins Thesen seien „im Großen und Ganzen mit dem Kenntnisstand der modernen psychologischen Forschung vereinbar“ und ihm seien keine „massive Fehlinterpretationen“ vorzuwerfen, halte ich allerdings nicht mit ihren ausführlichen Einlassungen zur Sache für „kompatibel“ – wollte da jemand unbedingt „gegen den Strom schwimmen“?)
    Unstrittig ist, dass Erbfaktoren einen Einfluss auf die Intelligenz der Kinder haben. Rindermann und Rost schreiben aber auch: „Außerdem sind kognitive Kompetenzen von der Qualität der Erziehung und Bildung abhängig. Intelligenz ist immer ein in Kausalnetze eingebundener Faktor. Je komplexer ein Wirtschaftssystem ist, desto mehr hängen seine Erfolge von kognitiven Kompetenzen ab.“
    „In all diesen Wirkprozessen dürfen die vielfach belegten Zusammenhänge mit der allgemeinen Intelligenz nicht deterministisch interpretiert werden; eine höhere Intelligenz erhöht lediglich Wahrscheinlichkeiten für positive Effekte und senkt diese für Risiken. Die Genese von Intelligenz ist weniger auf ökonomische Faktoren als auf kulturell-pädagogische und auf heute im Einzelnen noch unbekannte genetische Determinanten zurückführbar. Damit steht diese Position einem deterministischen Sozialkausalmodell entgegen: Nicht äußere, vom Individuum, einer Familie oder einer Gesellschaft unbeeinflussbare Faktoren, sondern interne, mindestens teilweise veränderbare Faktoren, sind entscheidend.“
    „Aufgrund vieler Zwillings-, Adoptions- und Patchworkfamilienstudien aus unterschiedlichsten Ländern wissen wir, dass sich Intelligenzunterschiede von Menschen zu fünfzig bis achtzig Prozent durch genetische Faktoren aufklären lassen; bei Älteren und unter günstigen Umweltbedingungen ist der Einfluss genetischer Faktoren auf die interindividuelle Variabilität kognitiver Leistungen stärker als bei jüngeren Kindern und unter ungünstigen Umweltbedingungen.“
    „Für das Intelligenzwachstum ist dagegen das Bildungssystem (Krippe, Kindergarten, Schule, Universität) ein entscheidender Faktor. In der Kindheit und Jugend nimmt die kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen immer weiter zu, und zwar pro Jahr um ca. fünf IQ-Punkte. Rund achtzig Prozent dieses Intelligenzzuwachses gehen auf das Konto der Schule.“
    Zu Sarrazins Thesen zum Zusammenhang von Migration, Bildung und Intelligenz muslimischer Migranten führen die Autoren aus: „Es gibt eine beträchtliche Variabilität innerhalb der Gruppen, zwischen verschiedenen Gruppen existieren große Überlappungen. Mittelwertsunterschiede führen aber auch zu unterschiedlichen Häufigkeiten schwacher und günstiger Werte. Für die Praxis kann immer nur das Individuum von Bedeutung sein.“ Auch die – ebenfalls unbestreitbaren – Bildungsdefizite innerhalb der türkischen Migrantengruppe führen die Autoren weniger auf Vererbung, sondern mehr auf kulturelle Faktoren zurück. Auch das ist nichts neues und keineswegs ein Tabuthema. Allerdings zeigen die Untersuchungen der Lebenswirklichkeit der Muslime in Deutschland, auf die ich bereit verwiesen habe, dass sich diese „Kultur“ durchaus verändert (auch ohne „Assimilation“). Eine wichtige Diskussion wäre, was zu tun wäre – von den Migranten und von der Aufnahmegesellschaft – damit sich dieser positive Wandel beschleunigt. Wenn, wie die FAZ-Autoren (vermutlich zu Recht) als einen negativen Faktor das Auswendiglernen des Korans bei der religiösen Erziehung der Muslime in den ländlichen Gebieten der Türkei sehen, so müsste die Einführung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichts nach staatlich genehmigten Lehrplänen (so wie bei dem katholischen, evangelischen und jüdischen Religionsunterricht) möglichst schnell erfolgen.

  124. @ maat
    Nach meinem Dafürhalten hast du bei deiner Aufzählung der Gründe, die du für mitbestimmend hälst, welcher Bildungsabschluß erreicht wird, einen äußerst schwerwiegenden nicht genannt: und zwar den, dass die Zahl der Plätze an Gymnasien begrenzt ist und deshalb nicht alle, die könnten und wollten, auch wirklich die Chance bekommen, das Abitur zu machen. Aus diesem Grunde muss „ausgesiebt“ werden und nach meiner Beobachtung und Information wird das eher ein Kind aus einfacheren Verhältnissen treffen als eines aus bürgerlichen, und zwar selbst dann, wenn das „Arbeiterkind“ eigentlich begabter ist. Bürgerlicher Habitus und selbstbewusstes Auftreten der Eltern sind im Zweifelsfall nämlich entscheidender als die Begabung des Kindes. Von daher wäre es aus meiner Sicht tatsächlich ein Fortschritt, endlich Abschied vom dreigliedrigen System zu nehmen und eine Einheitsschule im Ganztagstagsbetrieb einzuführen.
    PS: Ich habe den Beitrag „Bildungsgerechtigkeit aus anthropologischer und begabungstheoretischer Sicht“ von Prof. Dr. Dieter Neumann inzwischen vollständig gelesen und finde diesen nach wie vor erzkonservativ und ausserdem entschieden zu tendenziös, weil er Begabung als eine praktisch von Geburt an festgelegte Größe ansieht und kein Wort darüber verliert, dass bei begabten Kinder, die nicht entprechend gefördert werden, ein Verlust an Intelligenzleistung eintritt. Nicht umsonst heisst es ja, dass „der Mensch mit seinen Aufgaben wächst“

  125. @maat,

    zunächst: daß ich mich nicht erinnere, daß jemand sich inhaltlich mit dem Speiseplan auseinandergesetzt hat, können Sie gar nicht widerlegen. 😉 Darum, ob nicht irgendwer in irgend einer versteckten Ecke der Medienlandschaft diese Überprüfung gemacht hat oder nicht geht es aber doch in meiner Argumentation gar nicht. Sondern es geht darum, wieviele Menschen es gab, die sich mit der von mir beschriebenen Empörung geäußert haben, ohne daß sie klarmachen konnten, daß diese Empörung auf Basis einer Analyse des Sarrazinschen Speiseplans zustandekommt. Die Empörung ist erstmal der bedingte Reflex, der da ist, ohne daß er einer konkret nachvollziehbaren Basis bedürfte, wie einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem, über das man sich empört. Bei der Empörung über Sarrazins Buch konnte man das insofern noch besser erkennen, als daß sie ja schon massiv einsetzte, als das Buch noch von gar niemandem gekauft sein konnte. Ebenso setzte ja die Aufregung über seinen Hartz IV-Speiseplan nicht dann erst ein, als Geißler Tage später seine inhaltliche Kritik übte, oder als Ernährungsexperten ihre Sicht der Dinge äußerten:

    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0213/berlin/0041/index.html

    Auch in dem Artikel wird doch die gutmenschliche Position par Excellence gezeigt, die ich oben beschrieb, nämlich die von Wowereit:

    „Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte die Berechnungen „nicht notwendig“, weil jeder wisse, dass der Hartz-IV-Satz nicht üppig sei.“

    Mit anderen Worten, es ist gar nicht notwendig, zu überprüfen, ob ALG II-Empfänger unter zumutbaren Bedingungen leben, weil ja jeder (Gutmensch) einfach weiß, daß sie es nicht tun.

  126. @Anna
    Also, dass ausgesiebt wird, WEIL es nicht genügend Plätze auf dem Gymnasium gibt, halte ich für Unsinn. Wo hast du diese Info denn her? In Ba-Wü ist der Notenschnitt entscheidend. Wer diesen Schnitt erreicht, erhält eine Gymnasialempfehlung. Das Gymnasium, an dem ich unterrichte, platzt aus allen Nähten. Dass die Notengebung nicht nur objektiven Kriterien unterliegt, ist richtig und ein Schwachpunkt des Systems. Dass Lehrer in Grundschulen jedoch systematisch leistungsstarke Arbeiterkinder in der Notengebung benachteiligen, halte ich für einen Mythos. Jeder Grundschullehrer ist doch froh, wenn er gute Schüler hat, die auf das Gymnasium gehen können.

  127. @wedell

    So langsam geben Sie denselben Rumpelstilz, den hier J.R. gegeben hat.
    Schade, ich dachte, Sie seien bei gegensätzlichen Positionen doch ein ernstzunehmender Diskutant.
    Aber daß Sie das Unwort immer wieder aus dem obersten Fach zaubern, scheint Ihnen ja doch eine einsame Freude zu bereiten.

    Wenn Sie glauben, linke Denker mit Ihren Holzfällerargumenten beschädigen zu können, so muss ich Sie enttäuschen.
    So mancher „realistische“ Holzfäller hat schon sehr verblüfft erkannt, daß er ohne Gutmenschen gar keinen Wald mehr hätte.
    Er war wohl ein Bildmensch und hat Blödzeitung gelesen.

  128. @Abraham,

    Zur These, ob es aufgrund des Fortpflanzungsungleichgewichts künftig zum Absinken des durchschnittlichen IQs kommen kann…

    „Von der Wissenschaftsseite hat dieser These eindeutig Elsbeth Stern widersprochen.“ … „Wobei ich im Gegensatz zu Max Wedell Sterns Ausführungen schlüssig finde.“

    Die entsprechende Stelle im FAZ-Interview mit Stern lautet dazu:

    Frage: „Wird es im Sinne Sarrazins zu einem Einbruch des Durchschnitts-IQ in Deutschland kommen, wenn Menschen, die sich in der unteren Hälfte der Intelligenzverteilung befinden, mehr Kinder bekommen?“

    Antwort: „Nein. Vielmehr gehen wir davon aus, dass bei der Ausbildung und Entwicklung von Intelligenz sehr viele über alle Chromosomen verteilte Gene zusammenwirken. Eltern und Kinder zeigen nur eine mittelhohe Übereinstimmung im Intelligenzquotienten. Unterdurchschnittlich intelligente Eltern können überdurchschnittlich intelligente Kinder haben und umgekehrt. Das Ungleichgewicht in der Fortpflanzung müsste noch über viele Generationen gehen, bevor der IQ merklich absinkt.“

    Wenn Sie das „eindeutiges Widersprechen“ nennen, dann wäre mal interessant, zu wissen, was bei Ihnen „zweideutiges Widersprechen“ wäre.

    Halten wir fest: Daß es bei einem Ungleichgewicht in der Fortpflanzung zu einem Absinken des IQ kommt, hat Stern in ihrer obigen Antwort mit dem letzten zitierten Satz doch ebenso bestätigt wie mit dem Satz, daß die Intelligenz von Eltern und Kindern eine mittelhohe Übereinstimmung zeigt. Der Streitpunkt kann hier also eigentlich nur sein, wer jetzt welche Vorstellung von „viele Generationen“ und von „merklich“ hat.

    Sarrazin setzt das Absinken des IQ auf 1 Punkt pro Generation an. Ist das jetzt im Sinne Sterns „merklich“ oder nicht? Wenn Stern mit „viele Generationen“ etwa 5 Generationen meint (ca. 150 Jahre), und ein „merkliches Absinken des IQs“ für sie etwa 5 Punkte bedeutet, dann hat doch Sarrazin die gleichen Vorstellungen wie Frau Stern!

    Man müsste diese Fragen „Was heißt „merklich“, was sind „viele Generationen“?“ also doch schon beantwortet haben, um zu wissen, inwieweit Stern und Sarrazin also in dieser Sache übereinstimmen; auf keinen Fall aber widerspricht sie ihm in dieser Frage, darüber kann auch das vorherige erklärungslos abgeschossene „Nein“ nicht hinwegtäuschen.

    Zwei Sätze in obiger Antwort sind allerdings merkwürdig, sie zeigen deutlich, daß es ihr hier nicht darum geht, über ihre Erkenntnisse aufzuklären, sondern daß es ihr ausschließlich darum geht, einen eventuellen negativen Eindruck des von ihr Gesagten zu vermeiden:

    „Eltern und Kinder zeigen nur eine mittelhohe Übereinstimmung im Intelligenzquotienten. Unterdurchschnittlich intelligente Eltern können überdurchschnittlich intelligente Kinder haben und umgekehrt.“

    Eine „mittelhohe Übereinstimmung“ bedeutet natürlich, daß es durchaus Fälle gibt, bei denen unterdurchschnittlich intelligente Eltern überdurchschnittlich intelligente Kinder haben und umgekehrt. Eine „mittelhohe Übereinstimmung“ bedeutet aber NICHT, daß die Intelligenz der Kinder statistisch so gestreut ist, daß man sie, bezogen auf ihre Eltern, als „völlig zufällig“ bezeichnen könnte. Nur bei einer solchen völligen Zufälligkeit würde ja bei einer Ungleichverteilung der Fortpflanzung es zu keinen Veränderungen über die Generationenabfolge hinweg kommen, und zwar unabhängig davon, ob sich nur noch die überdurchschnittlich intelligenten Eltern vermehren oder nur noch die unterdurchschnittlich intelligenten.

    Eine „mittelhohe Übereinstimmung“ bedeutet, daß unterdurchschnittlich intelligente Eltern überdurchschnittlich intelligente Kinder haben können und umgekehrt, daß aber auch die Fälle, in denen unterdurchschnittlich intelligente Eltern auch unterdurchschnittliche intelligente Kinder haben, sowie überdurchschnittlich intelligente Eltern überdurchschnittlich intelligente Kinder, in der statistischen Häufigkeit ÜBERWIEGEN! So etwas auch klar auszusprechen, dazu fehlt Frau Stern offensichtlich der Mut, sie versteckt sich hinter dem Begriff „mittelhohe Übereinstimmung“, von dem sie hofft, daß niemand zu sehr nachdenken möge, was er bedeutet, und garniert das zur Sicherheit noch mit dem Wörtchen „nur“, damit der Eindruck entsteht, „nur mittelhoch“ wäre dann ja schon praktisch niedrig, und beschreibt dann in einem Satz ein Phänomen, das auch, aber eben seltener vorkommt, offensichtlich mit der Absicht, den Eindruck zu erwecken, als käme es häufig vor: die unterdurchschnittlich intelligenten Eltern mit den überdurchschnittlich intelligenten Kindern.

    Stern ist in vielen Punkten dieser Interviews widersprüchlich und gefärbt, das ist ihr vorzuwerfen.

  129. @BvG,

    ich sehe hier ein gesellschaftliches Phänomen, das ich für sehr relevant halte, weil es Diskussionen wie die jetzige über Sarrazin weniger steuert als all die Diskussionen, die überhaupt nicht stattfinden, weil diejenigen, die sie führen könnten bzw. wollten, Angst vor den Konsequenzen haben. Nicht umsonst wies Sarrazin darauf hin, daß er sich dieses Buch nur deshalb hat erlauben können, weil er materiell abgesichert ist. Das gesellschaftliche Phänomen schreckt nämlich vor der Existenzvernichtung mißliebiger Personen nicht zurück.

    Viele andere sehen dieses Phänomen auch. Jan Fleischhauer hat z.B. ein ganz großartiges Buch darüber geschrieben: „Unter Linken“, in dem diese linken Rituale aufgezeigt und analysiert werden.

    In Ermangelung eines besseren Wortes nenne ich das „Gutmenschentum“. Sind Sie etwa der Meinung, weil Ihnen mein Wort dafür nicht gefällt, sollte man über dieses gesellschaftliche Phänomen gar nicht diskutieren? Oder haben Sie vielleicht ein besseres Wort dafür? Ich denke, das hatten wir schon, und es kam von Ihnen kein Vorschlag.

  130. @wedell

    Diskutieren kann ich über alles, nur nicht über Herabsetzungen.

    Worte wie „Gutmenschentum“ und „Gutmensch“ sind negativ besetzt und werden negativ gebraucht, um anders Denkende herabzuwürdigen, zu beleidigen oder die eigene Position zu überhöhen. Ein solches Gebaren ist gemeinhin als Arroganz bekannt.

    Wenn Sie nur einfach auf das provokante und widersinnige Wort verzichten wollten, und es nicht dazu benutzten, jeden vorsichtigen Geist als unrealistischen Träumer zu brandmarken, geräten Sie nicht in die Nähe zynischer Ideologen.

    Nach wie vor schätze ich Ihre durchdachten Kontrapunkte und ich fände es schade, wenn Sie nurmehr auf Verunglimpfung anders Denkender setzten. Ich verstehe wohl, daß sie die Position, man müsse nur immer „an das Gute im Menschen glauben“,als zu kurz gedacht empfinden, aber ich habe in diesem Blog aber noch niemanden erlebt, der ein „Friede,Freude, Eierkuchen“-Konzept vertreten hat. Deshalb sind Ihre ungezielten Steinwürfe in’s Gebüsch provokant bis beleidigend und zerstören die ernsthafte Basis.

    Bedenken Sie das Folgende: Träumer zweifeln an ihren Träumen, Realisten zweifeln an der Realität.

  131. Ich komme gerade aus dem Kino („Salt“) und finde hier eine Diskussion vor, die sich weiterentwickelt hat und dabei die Thesen Sarrazins weiterhin umkreist. Da ich als echter 68er (das ist geradezu mein Geburtsjahr), wie ich erfahre, zwangsläufig zu den Ausbeutungskritikern gehöre – was Sie daran erkennen können, dass ich um diese Uhrzeit noch arbeite —> Selbstausbeuter – und daher nach Max Wedells ein quasi zertifizierter Gutmensch bin, habe ich nichts dagegen, @ Markus Dehnerle, dass der Fokus entsprechend erweitert wird. Mehr oder weniger direkt berührt Max Wedell ja das Thema, indem er die Perspektive hinterfragt, aus der heraus die Kritik etwa seitens der FR vorgebracht wurde.

    Wir sind jetzt beim Thema Bildungsgerechtigkeit angelangt, und auch das gehört natürlich zum sarrazinschen Dunstkreis. Erstaunlich, wie sich dieser sozialdarwinistische Tau über unsere gesamte Gesellschaft legt, nicht wahr? Ich möchte dazu eine Geschichte erzählen, die ich am vergangenen Samstag auf der Hochzeit hörte, zu der ich eingeladen war. Seitens meiner Göttergattin verfüge ich über eine umfangreiche Verwandtschaft, und zu der gehören viele Lehrerinnen und Lehrer. Darunter eine, die in der Karlsruher Nordstadt an einer Grundschule unterrichtet, einem so zu nennenden „guten“ Viertel, wenn man die relativ geringfügige Anwesenheit von Migranten unbedingt als gut bezeichnen möchte; darin steckt natürlich ein gewisser Rassismus, und darauf hinzuweisen ist typisch 68er.

    Diese Lehrerin vergibt u.a. die begehrten Gymnasialempfehlungen. Das „gute“ Viertel hat nun allerdings die Eigenart, relativ viele Anwälte, Ärzte und weitere Akademiker zu beherbergen, die hier gewissermaßen ein Ghetto bilden, und die können es wiederum anscheinend nicht leiden, wenn ihr Kind keine Gymnasialempfehlung bekommt. Ein Akademikerkind gehört schließlich aufs Gymnasium. Meine entfernte Verwandte erzählte nun – das Gespräch ging von der Aufregung um Sarrazin aus – etliche Schwänke von ihren Auseinandersetzungen mit den hochgebildeten Karlsruher Nordstädtern, die offensichtlich weniger das Wohl ihrer Kinder im Auge hatten als ihren eigenen Status. Ein Anwaltssohn auf der Realschule ist anscheinend für den Besitzer desselben eine Provokation, auch heute noch, wo der Realschule bei entsprechendem Interesse leicht eine Oberstufe nachgeschaltet werden kann. Der Lieblingssatz meiner entfernten Verwandten: „Wir werden gegen ihre Einstufung unseres Kindes klagen.“ Seitens der Schule und der Schulbehörden, fügte sie hinzu, sei man irgendwann machtlos: Solche Prozesse verlieren die Behörden. Also werde ein Irrtum in der Bewertung des Kindes eingeräumt, das Kind erhält dann die Gymnasialempfehlung und darf/muss auf die hohe Schule. Wie sie mit diesen ständigen Auseinandersetzungen klarkomme? Meine Verwandte zuckte nur mit den Schultern, zwinkerte mir zu und sagte: „Das regelt sich von allein.“ Sie gibt also wider besseres Wissen nach, wenn solcher Widerstand kommt, und das Kind hat es auszubaden.

    Ich finde, das ist eine sehr süße kleine Gutmenschen-Gutenacht-Geschichte, oder? Man kann sogar mal darüber nachdenken, was sie mit Sarrazins Sozialdarwinismus zu tun hat. Oder mit der stetig steigenden Depressiven-Zahl. Oder mit dem SUV-Zweitwagen unten im Carport. Das Thema ist vielfältig. Daher, @ Markus Dehnerle, werde ich hier nicht einschreiten. Ich werde Ihnen allerdings auch nicht dazwischenfunken, wenn Sie das Bösmenschen-Profil vielleicht etwas präziser darstellen wollen, nur verzichten Sie dabei bitte auf Beleidigungen!

  132. @ Max Wedell
    Sie picken sich wieder nur den Einfluss der Erbanlagen auf den Ausgangs-IQ heraus und unterschlagen die wesentlich wichtigere Rolle der Erziehung bei dem IQ-Zuwachs (den Ihre Kronzeugen Rindermann und Rost mit 80% veranschlagen). Das „erbanlagenbedingte“ Absinken des IQ kann durch frühkindliche Bildung mehr als überkompensiert werden, womit auch der steigende Anteil der höher Gebildeten ihre „besseren Erbanlagen“ wieder weiter geben kann. Diese Bildungsdynamik entspringt nicht meinem „Gutmenschentum“, sondern der Empirie. Sonst wäre in den Industriestaaten der IQ in den letzten Jahrzehnten nicht ständig gestiegen.

    Ob wir bei den problematischen Migrantengruppen einen Bildungserfolg erzielen, hängt von vielen Faktoren ab:
    – Die Qualität unseres (frühkindlichen) Bildungssystems muss verbessert werden. Dazu gehört auch, dass diejenigen, die die pädagogische Arbeit leisten, so bezahlt werden, dass sich ihre Leistung lohnt. Es muss also Schluss sein mit Gehältern für Kindergärtnerinnen die in der Endstufe ein Niveau erreichen (was auch für Krankenschwester und Pflegekräfte gilt), das ein Bankkaufmann höchstens als Einstieggehalt zu akzeptieren bereit ist. (Womit ich mich in Ihren Augen wieder als „Gutmensch“ geoutet habe, der „Opfer der Ausbeutung“ beklagt; ich nenne das allerdings Solidarität.)
    – Die Bildungsbereitschaft der Migranten muss eingefordert werden, wobei bei vielen offensichtlich offene Türen eingerannt werden (laut SZ schicken türkischstämmige Eltern häufiger bei gleichen Noten ihre Kinder auf höherbildende Schulen als deutsche Eltern), sicherlich aber noch einiges getan werden kann und muss (ich weiß nicht, wie viele islamische Gemeinden oder türkische Kulturvereine Deutschkurse für Mütter und Schulaufgabenbetreuung anbieten). Im Übrigen: In diesem Bereich engagieren sich eher „Gutmenschen“ als Sarrazin-Anhänger.
    – Verletzungen der Schul- und Erziehungspflichen sind zu verfolgen, wofür es bereits Gesetze gibt, deren Umsetzung aber Geld und Personal erfordert (Verstärkung der Jugendhilfe und der Gerichte).

    Gänzlich kontraproduktiv ist das Geschwätz über Assimilation. In Gegensatz zu Erdogan sehe ich nicht in der Assimilation ein Verbrechen – jeder Mensch in einer freien Gesellschaft muss darüber selber entscheiden. Gleichzeitig muss man auch die Ängste von Minderheiten verstehen, die eine völlige Entfremdung ihrer Kinder von der Ursprungskultur befürchten. Jede laute Forderung der „Assimilation“ verstärkt nur die Abschottungstendenzen, die potenziell in jeder Zuwanderungsgruppe vorhanden sind. Ein bisschen mehr Vertrauen in die Attraktivität unserer Kultur wäre angebracht; das heutige Deutschland bietet meiner Meinung nach in seiner Mehrheit eine offene, lebenswerte Gesellschaft an. Dafür, dass es so bleibt, müssen wir – auch gegen Trash und Hetze – alle einiges tun. Aber auch da spricht nur meine Gutmenschen-Naivität aus mir.

  133. @Abraham,

    zunächst einmal: da Sie durchweg inhaltlich diskutieren, statt mit reflexartiger Empörung und sonst wenig, sind Sie kein Gutmensch, Sie können sich also Ihre Spitzen in dieser Hinsicht sparen.

    Was die Möglichkeit angeht, den IQ auch in den nächsten Generationen zum Steigen zu bringen, so widerspricht doch keiner der Auffassung, das wäre möglich, auch Sarrazin nicht. Nehmen wir an, durch eine gigantische Anstrengung der Bildungssysteme würde der durchschnittliche IQ in der nächsten Generation um 3 Punkte steigen, dann hat man in einer Situation, in der der IQ aus genetischen Gründen um 1 Punkt absinkt, am Ende ein Netto von 2 Punkten Hinzugewinn. In einer Situation, in der der IQ aus genetischen Gründen nicht absinkt, ein Netto von 3 Punkten. In einer Situation, in der der IQ aus genetischen (oder anderen Gründen, z.B. Verbesserung der Ernährung) um 1 Punkt steigt, ein Netto von durchschnittlich 4 IQ Punkten. Bei gleichbleibender Bildungsanstrengung also unterschiedliche Resultate.

    Um dieser Vorstellung mal vorzubeugen: Wenn Stern sagt, daß Menschen mit unterdurchschnittlichem IQ nach oben hin größere Möglichkeiten haben, meint sie damit ja nicht, daß diese Möglichkeiten auch mit nennenswert weniger Aufwand erreicht werden können, GANZ IM GEGENTEIL. Ein Kind mit IQ 80 ist schwieriger, d.h. mit mehr Aufwand, durch Bildung auf IQ 81 zu bringen, als ein gleich veranlagtes Kind mit IQ 100 (das in ähnlicher soziokultureller Umgebung ebenfalls nur IQ 80 hätte, durch ein besseres Elternhaus usw. aber schon IQ 100 hat) auf IQ 101 zu bringen ist. Dies geht ganz klar aus der Aussage Sterns hervor, daß bei gleichen Bildungsangeboten sich die Schere zwischen niedrigerem und höherem IQ öffnet. Kinder mit niedrigerem IQ brauchen aufwendigere Bildungsangebote.

    Sarrazin zielt ja am Ende übrigens darauf ab, daß durch das Fortpflanzungsungleichgewicht Deutschland in der globalen Wirtschaft Standortnachteile derart entstehen, daß der Wohlstand gefährdet ist. Wenn Deutschland einen Teil seiner Humanressourcen aus der Wohlstandserzeugung abzweigen muß, um die aufgeführten Auswirkungen des Fortpflanzungsungleichgewichts zu neutralisieren, so ist auch dies ein Beitrag zur Minderung künftigen Wohlstands, unabhängig von der Tatsache, daß die langfristige Minderung noch höher ausfiele, wenn man gar nichts täte. Daß die Auswirkungen des Fortpflanzungsungleichgewichts prinzipiell nicht neutralisiert werden können, behauptet Sarrazin hingegen nirgends.

    Verschiedentlich klang in der Sarrazinkritik an, daß diese Sarrazinsche Fokussierung auf den Wohlstand schon abstrus wäre. Ist einem der künftige Wohlstand in D allerdings völlig schnurz, dann ist es tatsächlich völlig egal, was man macht. Dann kann man ja alles erstmal ruhig und gelassen auf sich zukommen lassen und schauen, was sich so ergeben wird.

    Was das Vertrauen in die Attraktivität unserer Kultur angeht, so kann man das ja haben, aber die Frage ist doch, ob jene das beeindrucken wird, die hier leben und unsere Kultur verachten. Das sind bei den Muslimen mehr als die von ihnen genannten 15%, aber das wissen Sie ja auch, denn Sie können ja nur davon sprechen, daß wir die 85% „auf unsere Seite bekommen“ müssen, weil sie nicht schon auf unserer Seite sind. Der Afghane aus meinem Bekanntenkreis, den ich schon mehrfach erwähnte, ist ja nach den allgemein verwendeten Kriterien beurteilt bestens integriert (spricht deutsch, guter Job), aber seine Verachtung gegenüber diesem Land ist stark ausgeprägt: die Frauen sind sowieso alle verkommen, der Staat fördert Verkommenheit oder schreitet nicht gegen sie ein, wohin man nur blickt, die Außenpolitik ist verkommen, denn sie ist bedingungslos pro-Israelisch und obsessiv anti-Iran usw.usf. Am Ende bleibt nur ein Grund, warum man sich die Anwesenheit in diesem Sumpf Deutschland überhaupt antut: der Wohlstand. Wenn Sie meinen, von solcherart Personen könne die De-Fundamentalisierung anderer ausgehen, dann ist das mehr als optimistisch. Bleibt nur die Frage, wie groß der Anteil jener unter den Muslimen ist, die tatsächlich die Vorzüge unserer Kultur als größer erachten als deren Nachteile. Die ist rhetorisch, denn es weiß keiner. Mit bloßen Befragungen, wie sie im Mikrozensus stattfinden, oder diversen Studien, kann man das nicht feststellen. Dazu bräuchte man Tiefeninterviews, deren Durchführung in nennenswertem Umfang (zur Herstellung der Representativität) viel zu teuer ist.

  134. @Bronski,

    ich kann nur nochmal wiederholen, daß es auch aus meiner Sicht eine der schlimmsten Ungeheuerlichkeiten in unserem Bildungssystem ist, daß Eltern ihre Vorstellungen dazu durchsetzen können, welchen Schulzweig ihr Kind im öffentlichen Schulsystem besuchen soll, egal ob sie die Lehrer mit Rechtsanwälten unter Druck setzen oder anderswie. Insofern es linke Politiker waren, die in der jeweiligen Landespolitik solche Möglichkeiten einrichteten, stellt sich für mich die Frage, ob das nicht auch einen hinterlistigen Zweck verfolgt: Die durch solche Möglichkeiten zwangsläufig auftretenden Ungerechtigkeiten kann man dann anführen, um die Einheitsschule zu pushen.

    Im übrigen finde ich es aber beruhigend, daß auch ein bekennender Echt-68er, vor die Wahl zwischen Sozialdarwinismus (die Befähigungen des Individuums soll zählen) und Überhaupt-Nicht-Irgendein-Darwinismus (Eine Interessengruppe entscheidet ex cathedra) gestellt, ersteres vorzieht.

  135. P.S. @Abraham,

    „jeder Mensch in einer freien Gesellschaft muss darüber selber entscheiden.“

    Das stelle ich nicht in Abrede. Ich bin nicht für Assimilationszwang nach dem Motto: Wer sich nicht assimiliert, kommt ins Gefängnis. Es muß aber meiner Meinung nach einen Assimilationsdruck geben. D.h. wer sich nicht zu einem gewissen Grad assimiliert, muß das als Nachteil erfahren. Über die Details (welcher „Grad“, was für Nachteile) kann man ja dann diskutieren.

  136. Aus den Kommentaren zu Ferdos Forudastans Kolumne “Gut = Deutsch”:

    “Es lebe Beltz sagt:
    Matthias Beltz hat einmal gesagt: ‘Auch Behinderte haben ein Recht darauf, verarscht zu werden!’ In diesem Sinne würde ich sagen: integriert ist jemand, wenn man zu ihm sagen kann ‘Du Arschloch!’, ohne dass einem Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Schwulenfeindlichkeit etc. unterstellt wird. Zudem kommen derlei Vorwürfe oft gar nicht von den Betroffenen selbst, sondern von denen, die sich zu Oberaufsehern aufspielen.”

  137. @ Schnippsel
    Als was würden Sie denn die von Ferdos Forudastan beschriebenen Haltungen beschreiben wenn nicht als fremdenfeindlich bis rassistisch?

    So wie unstrittig ist, dass es in Deutschland Migranten gibt, die kriminell sind oder sich gesellschaftsfeindlich verhalten, so bestätigt die Alltagserfahrung, das es auch Menschen mit fremdenfeindlichen Einstellungen und Rassisten gibt.

    @ Max Wedell
    So ist es, wenn Sie mit Schlagworten wie „Gutmenschen“ um sich werfen: Dann treffen Sie auch die mit, die Sie angeblich nicht meinen. Das nicht zu tun, gehört eigentlich zu den Grundlagen unserer Kultur. Altmodisch nennt man diese Tugend Anstand.

    Ähnlichen „Kollateralschaden“ nimmt Sarrazin mit seinen undifferenzierten Äußerungen über muslimische Migranten in Kauf, was sie an den Reaktionen der gut gebildeten, integrierten, den deutschen Wohlstand mehrenden Muslime sehen können.

    Sarrazins (und Ihre) „Modellrechnungen“ über die Entwicklung des IQ bringen uns gar nichts. Zum widerholten Male weise ich darauf hin, dass wir über Menschen reden, die als deutsche Staatsbürger oder auf der Grundlage einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung seit Jahren in Deutschland leben und nicht verschwinden werden. Zu einer besseren Bildung (für Migranten und Nichtmigranten) haben wir überhaupt keine Alternative. Und was für eine weltbewegende Erkenntnis es ist, dass durch Bildung schicht- und kulturspezifische Unterschiede nur verringert, nicht aber innerhalb weniger Generationen gänzlich beseitigt werden! Dazu hätte Sarrazin wahrlich kein Buch schreiben müssen.

    Auch die von Ihnen angeführte These Sarrazins, wonach „durch das Fortpflanzungsungleichgewicht Deutschland in der globalen Wirtschaft Standortnachteile derart entstehen, dass der Wohlstand gefährdet ist“, greift zu kurz. Sie zeugt davon, dass Sarrazin die komplexe Dynamik moderner Gesellschaften nicht verstanden hat. Innovationsprozesse verlaufen nicht linear, weshalb bisher jeder Prognose falsch war, die die bisherigen Trends fortgeschrieben hat, egal wie genau die verwendeten Statistiken waren. Die größte Gefährdung unseres künftigen Wohlstands ist die Tatsache, dass zunehmen qualifizierte Menschen (auch solche mit Migrationshintergrund) auswandern. Der Hauptfehler der deutschen Zuwanderungspolitik ist im Übrigen nicht die Anwerbung bildungsferner Gastarbeiter (ohne die wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen), sondern dass man sich nicht um Zuwanderung qualifizierter Menschen gekümmert hat. Ein erst sehr spät und nur halbherzig modernisiertes Staatsangehörigkeitsrecht, hohe Hürden für den Familiennachzug, unfreundliche Ausländerbehörden, Ignoranz gegenüber ausländischen Bildungsabschlüssen (deren Anerkennung oft im Dickicht der Bürokratie scheitert) und auch die nicht seltene religiöse Intoleranz im Alltag (Kopftuch- und Moscheeverbotdebatten) sind nur einige der Gründe, weshalb Deutschland im Wettbewerb um die Besten den Kürzeren zieht. Ich kenne russisch-jüdische Mathematiker und Physiker, deren Abschlüsse in Deutschland nichts wert waren, und heute in den USA zu den Spitzenforschern zählen.

    Als letztes noch eine Anmerkung zu „Ihrem“ Iraner: Dumme Machos gibt es auch unter Deutschen, religiös verbrämte reaktionäre Vorstellungen über Sexualmoral, Rolle der Frau und „Familienwerte“ finden Sie auch bei Anhängern der Pius-Brüder. Auf der anderen Seite finden Sie unter wenig gebildeten, ungenügend deutsch sprechenden türkischen Zuwanderern nicht wenige, die alles darauf gesetzt haben, dass ihre Töchter bessere Bildung bekommen haben.

  138. @Bronski
    Nun, dass die Eltern klagen oder damit drohen, ist mir nicht neu, (das haben wir am Gymnasium auch). Es ist bedauerlich, wenn sich Lehrer diesem Druck beugen. Eine Benachteiligung der Arbeiterkinder sehe ich darin jedoch nicht, höchstens eine kurzfristige Bevorzugung mancher Akademikerkinder. Diese Unvernunft der Eltern schadet aber den Kindern. Ich sitze in zahlreichen Notenkonventen. Die Schüler, die eine pädagogische Realschulempfehlung erhielten und trotzdem mit sehr knappen Noten auf das Gymnasium wechselten, verlassen in der Regel nach zwei Jahren die Schule wieder, weil sie völlig überfordert sind. Ich sehe aber nicht, inwiefern dies ein Arbeiterkind benachteiligen soll, wenn es selbst sehr gute Noten hat.
    Die Benachteiligung besteht doch bei Migrantenkindern darin, dass sie einfach nicht genügend Deutschkenntnisse haben, wenn sie in die Grundschule kommen. Deshalb können sie in sprachunabhängigen Intelligenztests gut abschneiden, aber trotzdem schlechte Noten bekommen. Aus dem Grund ist der Spracherwerb vor der Grundschule der wichtigste Ansatzpunkt. Denkbar wäre zusätzlich auch ein Nachteilsausgleich z.B. in Diktaten.

    Die ungerechte Notengebung könnte man ganz einfach dadurch korrigieren, indem man die Schüler in der 4. Klasse in den Kernfächern z.B. zwei anonymisierte Prüfungen schreiben lässt mit Zweitkorrektor an einer anderen Schule (ähnlich wie im Abitur). Im Übrigen wird man das Problem ungerechter Bewertung auch an den weiterführenden Schulen nicht los. Angenommen wir hätten überall Gesamtschulen, dann ginge der Druck der Eltern dort genauso weiter. Wenn Kinder aus Arbeiterverhältnissen angeblich in der Grundschule massiv benachteiligt werden, warum soll das dann in der Gesamtschule anders sein, da geht es auch um Beurteilungen, Notenschnitte, Prüfungen, Zulassungen zu Abschlüssen etc.? Sind die Lehrer dort die besseren Menschen?
    Das Problem löst sich nicht durch ein anderes Schulsystem, es wird dadurch höchstens nach hinten verlagert, sondern durch eine gerechtere, da objektivere Form der Beurteilung.

  139. @Abraham

    Lieber Abraham, bitte entschuldige, dass ich nicht geantwortet habe. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Ich habe den Kommentar erst selbst nicht mehr gefunden, bis mir dann klar wurde, dass ich mich in der Namensnennung vertan habe.
    Der Kommentar, auf den ich mich bezogen habe war von götz aly.
    Du hast zum selben Kommentar ja schon Erhellendes geschrieben, ich habe mich auf den oberen Abschnitt bezogen.
    Gruß
    maat

  140. @ maat
    Aus „Schlaue Kinder, schlechte Schulen“ von Christian Füller – vielleicht kennst du das Buch ja – habe ich eine Stelle herausgepickt, die meine eigene Wahrnehmung zu der Thematik bestätigt:
    „Die frühe Verteilung der Schüler erfolgt vordergründig nach Leistung. Tatsächlich, das zeigen die Pisa-Studien, fallen die Urteile über den Aufstieg ins Gymnasium entlang dem sozialen Status. In Gymnasien finden sich 52 Prozent Schüler, die dem oberen Viertel der Gesellschaft angehören – aber nur 6 Prozent, die zu den unteren Schichten zählen.
    Eine Untersuchung in Hamburg hat herausgefunden, dass Schüler aus benachteiligten Schichten deutlich bessere Leistungen bringen müssen – sonst verweigern ihnen die Lehrer die Übertrittsempfehlung ins Gymnasium.“
    Wie schätzt du denn diese Aussage ein?

  141. @Anna
    Nun ja, ich habe u.a. zu den von dir nicht geschätzten Vorträgen verlinkt, da dort wie ich finde v.a. die Pisa-Studie gut analysiert wird insbesondere ihre falschen Rückschlüsse. Demnach kann man aus der Pisa-Studie das was Füller behauptet, nicht herauslesen.

    Ich stimme dir aber zu, dass der Text „Bildungsgerechtigkeit aus anthropologischer und begabungstheoretischer Sicht“ von Prof. Dr. Dieter Neumanndie Schwäche hat, dass er wichtigen Ergebnisse in der Zwillingsforschung nicht erwähnt, nämlich dass spätere Studien gezeigt haben, dass zweieiige Zwillinge, die in sehr unterschiedlichen Milieus aufwuchsen, tatsächlich große Unterschiede in ihrem Intelligenzuwachs aufwiesen. Die früheren Untersuchungen bezogen sich auf ähnliche Milieus.

    Nun zu Füller
    Wie ich diese Aussage einschätze?
    Ich persönlich finde, dass das Leistungsprinzip das einzig gerechte sein kann bei der Beurteilung von Schulleistungen. Wenn Studien nun ergeben, dass andere Gesichtspunkte (Status etc.) mehr zählen, müsste man genau untersuchen, woran es liegt. Mir fehlt diese Transparenz.
    Ich frage mich z.B., wie es möglich sein kann, dass ein Lehrer der ein Diktat schreiben lässt, Schüler aus Unterschichtsfamilien dabei benachteiligt. Angenommen des Lehrers Korrekturschlüssel besagt bei 1 Fehler gibt es eine 1-, bei 2 Fehlern eine 1-2, dann müssten alle Schüler, die in der Klasse 2 Rechtschreibfehler in ihrem Diktat gemacht haben, genau die gleiche Noten bekommen. Wie muss ich mir jetzt eine Benachteiligung vorstellen? Werden bei den Akademikerkindern wissentlich Fehler übersehen, bei den Unterschichtkinder strenger gesucht? Auch in Mathe will mir nicht einleuchten, wie bei simplen Additionsaufgaben mit ganz klaren Korrekturschlüsseln absichtlich Schüler benachteiligt werden können. Schwierig wird Benotung immer bei offeneren Aufgabenstellungen wie Aufsätzen oder Kunst oder mündlichen Leistungen. Hier frage ich mich aber, wie man überhaupt herausfinden kann, dass gleiche Leistungen ungleich bewertet wurden. Das heißt wer kann von sich sagen, hier einen objektiven Blickwinkel einnehmen zu können? Muss ich mir das so vorstellen, dass ein Gremium von Forschern sich Schüleraufsätze vorlegen lässt und dann untersucht, ob Aufsätze den gleichen Qualitätskriterien entsprechen? Werden die Unterschichtskinder schlechter behandelt, weniger gelobt- wie sieht dei Benachteiligung genau aus- das würde mich schon mal interessieren. Und warum weisen diese Schüler an den Realschulen dann keien Spitzenleistungen auf, wenn sie nur falsch eingestuft wurden? Und warum soll das bitte in anderen Schulsystemen besser funktionieren?

  142. Es muss natürlich heißen: dass EIN (!)eiige Zwillinge, die in sehr unterschiedlichen Milieus aufwuchsen, tatsächlich große Unterschiede in ihrem Intelligenzuwachs aufwiesen.

  143. @ Abraham #144

    1. Ich musste erst einmal nachschauen, wer Frau Forudastan (F.F.) ist, ich dachte nämlich, es sei die Dame die kürzlich in einer Talkshow einen anderen Gast (Broder?) niedergeschrien hat. Sie ist es nicht, denn die andere heisst Foroutan.

    2. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, irgendwelche Beiträge, in denen das Wort „Hetze“ vorkommt, nicht mehr zu lesen. Auch F.F. meint, auf dieses Wort nicht verzichten zu können.

    3. Ich fühle mich in meiner Ehre nicht gekränkt, weil F.F. einen Teil der autochtonen Deutschen heftig kritisiert. Würde sie das Auftreten „germanischer Säuferhorden auf Mallorca“ kritisieren, würde ich mich ebenso wenig angegriffen fühlen – ganz im Gegenteil. Ebenso wenig fühle ich mich durch ein Titanic-Titelbild mit einem an ein Kreuz genagelten Hasen angegriffen.

    4. Auch F.F. meint, sie müsste sich zur Sprecherin Dritter aufschwingen, ohne in ihrem Umfeld selbst diskriminiert zu sein. Insofern bestätigt sie natürlich unbewusst den Vereinfachungsbegriff „die Muslime“. Wenn F.F. die Erlebnisse anderer Muslime teilt, sich daraus also eine intersubjektive Erkenntnis bildet, kann sie doch anderen nicht absprechen, aus ihren persönlichen Erfahrungen (mit Migranten, insbesondere den türkischen und arabischen) ebensolche intersubjektiven Erkenntnisse herauszubilden.

    5. Zu den von F.F. angeführten Internetkommentaren und E-Mails sage ich mit dem neudeutschen Jungsprech „Das geht ja mal gar nicht!“

    6. F.F. leitet ihre Kolumne mit dem Satz ein „Wären vor allem muslimische Einwanderer besser angepasst …“. Soweit ich mich erinnere, kreist die aktuelle, nicht-sarrazinische Diskussion um zwei Aspekte. Nämlich erstens um „jung, männlich, muslimisch“ und zweitens um den kleinen Teil vornehmlich türkischer und arabischer Integrationsverweigerer. Wobei: klein? Bundesinnenminister de Maizière bezeichnet diesen Anteil immerhin auf 10%-15% der muslimischen Migranten.

    Dass die vermeintlich stark religiösen Jungmuslime in vielen Fällen noch weniger Ahnung vom Koran haben als ich, dass sie – völlig unislamisch – wie die Bekloppten kiffen und koksen oder sich mit Tilidin aufputschen, sei nur am Rande erwähnt.

    7. Persönliche Erfahrungen ins Feld zu führen, ist natürlich gut und richtig. Sobald und solange daraus verallgemeinernde Schlüsse gezogen werden, wird’s problematisch. Ich hatte bereits am Anfang dieses Threads im Hinblick auf Bronski geschrieben, dass allein das Vorhandensein eines ayyurvedischen Restaurants nicht als Beleg für gelungene Integration genommen werden kann! Allenfalls für die deutsche Seite, dass nämlich die Bundesbürger es einer ungeheuren Vielzahl und Vielfalt von Migranten ermöglich(t)en, hier Fuß zu fassen – das war in Deutschland ja bekanntlich nicht immer so. Ich kann mir vorstellen, dass es eines Tages mit dieser Idylle wieder vorbei sein könnte.

    8. Ich verstehe F.F.s Argumentation, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auch in gebildeten Kreisen vorkommen, diese Erkenntnis ist ja nicht neu. Genauso gut ließe sich allerdings auch einem Teil der gebildeten Migranten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (in Form der Deutschenfeindlichkeit) vorwerfen.

    Aber geht’s manchmal nicht auch ein wenig kleiner? Muss man das Vorhandensein von Ressentiments immer so aufbauschen, damit man die Schablonen „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ hervorholen kann? Um es mit Freud zu sagen „Manchmal ist eine Zigarre eben einfach nur eine Zigarre.“

    9. Wer „/den/ Türken“ zugesteht, per Satellit das türkische Fernsehprogramm zu schauen, die türkischsprachige Zeitung zu lesen, türkische Musik zu hören, in türkische Teestuben zu gehen, in den türkischen Geschäften einzukaufen usw. usw. ohne den Kontakt zur umgebenden deutschen Bevölkerung zu suchen, sollte sich eigentlich nicht darüber aufregen, dass /ein/ Bekannter keine türkische Haushaltshilfe einstellen mag.

    Ich persönlich würde natürlich einer – muslimischen – Haushaltshilfe mit „besten Referenzen“ den Vorzug vor einer Bewerberin mit keinen oder schlechteren Referenzen geben, gleiche Entlohnung vorausgesetzt.

    Eine „Kopftuchträgerin“ würde ich allerdings nicht anstellen. Mir ständig von jemand demonstrativ sein/ihr Glaubensbekenntnis unter die Nase reiben lassen zu sollen: nein danke!

  144. @ maat
    Danke für die Aufklärung zum Hebel-Blog. Ich war neugierig, nicht böse.

    Zurück zum Thema: Auf Diskussionen über Bildungssysteme will ich mich nicht einlassen, weil ich gegen Dich als Profi ohnehin schlechte Karten habe. Das Aussieben nach der 4. Klasse finde ich aber nach wie vor nicht die pädagogisch beste Methode, weil sie nicht berücksichtigt, dass Kinder unterschiedliche „Bildungsgeschwindigkeiten“ haben. Ich habe in der Familie zwei „Spätzünder“, nämlich meine Frau und meine mittlere Tochter. Beide waren in den ersten Schuljahren eher unterdurchschnittlich, haben aber dann ein sehr gutes Abitur geschafft, weil sie ein Ziel hatten: Meine Frau das Studium der Medizin, meine Tochter das der Psychologie. Die Psychologin arbeitet jetzt in der Familien- und Erziehungsberatung und erlebt, wie belastend für die Familien hier in Bayern die Übertrittszeit ist. Trotz der starken Auslese habe ich bei dem deutschen Schulsystem nicht den Eindruck, dass es Talente sucht und fördert. Ganz andere Erfahrungen hat meine älteste Tochter in England gemacht, was wohl auch an der Ganztagsschule und an dem Wettbewerb der Schulen liegt, wie viele ihrer Abiturienten es nach Oxford und Cambridge schaffen. Diese Unis schicken wiederum ihre Studenten gezielt in Mittelschulen in „unterprivilegierten“ Gegenden, um für das Studium insgesamt und für Bewerbungen an den „Eliteunis“ zu werben.

    Noch zur Benotung: Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass in einem Test Lehrer schriftliche Arbeiten von Kevin deutlich schlechter bewertet haben als die vom Max, obwohl es die identische Arbeit war.

  145. @Abraham,

    „Und was für eine weltbewegende Erkenntnis es ist, dass durch Bildung schicht- und kulturspezifische Unterschiede nur verringert, nicht aber innerhalb weniger Generationen gänzlich beseitigt werden!“

    So eine Erkenntnis irgendwo gelesen zu haben, kann ich mich nicht erinnern. Daß gemeinsame Bildung aber Unterschiede in der Intelligenz nicht nur nicht beseitigt, sondern auch nicht verringert, sondern durchschnittlich VERGRÖSSERT, schon.

    „Sie zeugt davon, dass Sarrazin die komplexe Dynamik moderner Gesellschaften nicht verstanden hat“

    Auch hier weiß ich nicht genau, was Sie meinen. Kräfte, die in einem System negativ wirken, werden doch nicht dadurch neutral oder positiv, weil die Komplexität eines Systems hoch ist, d.h. weil es vielleicht andere, positive Kräfte gibt. Ich kann doch ihrem Argument, daß die dauerhafte Abwanderung von Hochqualifizierten für unser Land schlecht ist, (dem ich zustimme) nicht mit dem Vorwurf begegnen, daß Sie die Komplexität der modernen Gesellschaft nicht verstehen… und Teil dieser Komplexität wäre nun mal, daß man durch ein gutes Bildungssystem jederzeit Hochbegabte nachproduzieren könnte o.ä. Die Auswanderung ist schlecht und bleibt schlecht, unabhängig von den Möglichkeiten, sie auszugleichen, die immer Ressourcen verbrauchen, und die Auswirkungen des beschriebenen Fortpflanzungsungleichgewichts sind und bleiben unabhängig von den Möglichkeiten, sie auszugleichen, (die ebenfalls Ressourcen verbrauchen) ebenso negativ.

    Zu Ihren Faktoren, die die Einwanderung Hochqualifizierter behindern, wäre einiges zu sagen, aber bevor das ausufert… das wird irgendwann hier als separates Thema auftauchen, soviel ist schonmal sicher, und dann können wir das ausführlich diskutieren.

    Für mich persönlich gibt es nur einen Grund, auswandern zu wollen: Eine Neugier, ein Interesse am Gastland und dessen Bewohnern. Um diese Neugier zu befriedigen, muß man ein stückweit mit dem Gastland verschmelzen, auf die dortigen Menschen zugehen… aus der Absonderung heraus geht das doch nicht. Die Frage: Hast Du aber da nicht Angst, deine Identität zu verlieren? kommt mir dabei derart absurd vor, daß ich sie ehrlich gesagt gar nicht richtig verstehe… der mit dem Gastland verschmolzene Wedell hat doch immer noch eine Identität, und wenn es mit der Zeit eine Identität des halb dies/halb das geworden ist, so ist das doch kein Identitätsverlust!

    Ein leider viel zu großer Teil der stattgefundenen Einwanderung ist aber nicht nach solchen Prinzipien vor sich gegangen, an deren Anfang die Lust auf Land und Leute stand. Sondern es ging einzig und allein um die Wohlstandsmehrung. Für eine persönliche Wohlstandsmehrung sind viele Menschen bereit gewesen, in ein Land einzuwandern, daß sie nicht im Mindesten interessiert. Im weiteren Verlauf der Einwanderung interessiert man sich nur soweit für das Land, wie es für den täglichen Ablauf des Lebens eben so nötig ist… d.h., wenn es nicht nötig ist (wenn man im Migrantenghetto lebt und arbeitet und dort vom Gastgeberland in Ruhe gelassen wird), gar nicht.

    Relativ hoffnungslos scheint mir, es bei den Alten hinzubekommen, daß Deutschland zu einem Land wird, daß sie interessiert, wenn es dazu nicht schon relativ schnell nach ihrer Ankunft wurde. Bleibt also nur die Hoffnung auf die folgenden Generationen.

  146. @ Schnippsel

    Da ich nicht der Pressesprecher von Frau Forudastan bin, kann ich Ihre Fragen nicht beantworten. Ich vermute aber, dass sie sich von Bemerkungen über „muslimische Gewalt-Machos“ genauso wenig angesprochen fühlen würde wie sie über das Auftreten “germanischer Säuferhorden auf Mallorca”. Dass sie sich aber über Pauschalurteile wie „unpassende Migration aus muslimischen Ländern“ ärgert, kann ich gut verstehen. Sie würden sich auch gegen den Vorwurf währen, die „Germanen“ seien Rassisten.
    Zu Ihrem forschem Urteil über „Kopftuchträgerinnen“: Würden Sie auch jedem Turban tragenden Sikh vorhalten, er reibe Ihnen sein religiöses Bekenntnis unter die Nase? Geht es nicht etwas kleiner, ein wenig toleranter? Vielleich hat die muslimische Frau das Kopftuch gewählt, weil es ihr etwas bedeutet, nicht um Ihnen etwas mitzuteilen. Haben Sie sich schon darüber mit einer „Kopftuchträgerin“ unterhalten? Meinen Sie dann bei einer bauchfrei gekleideten jungen Frau, sie reibe Ihnen ihre sexuelle Verfügbarkeit unter die Nase?

  147. @ Max Wedell #154

    In diesem Zusammenhang fand ich den FR-Artikel „Debatte über Einwanderung – Reden wir mal über deine Zukunft“ [1] informativ und hilfreich. Darin werden aus Cem Gülays Buch „Türken-Sam. Eine deutsche Gangsterkarriere“ zwei Auszüge veröffentlicht. Mich hatte damals der Titel abgeschreckt, heute bin ich froh, zumindest diese zwei Auszüge gelesen zu haben.

    „Wie ich die Dinge sehe, gibt es bereits sechs Generationen von Türken in Deutschland. Ich betrachte diese Unterscheidung für das allgemeine Verständnis als sehr wichtig.“, schreibt Gülay.

    [1] http://www.fr-online.de/kultur/debatte/reden-wir-mal-ueber-deine-zukunft/-/1473340/4643794/-/index.html

  148. „Das Aussieben nach der 4. Klasse finde ich aber nach wie vor nicht die pädagogisch beste Methode, weil sie nicht berücksichtigt, dass Kinder unterschiedliche „Bildungsgeschwindigkeiten“ haben.“

    Sinn und Zweck der unterschiedlichen Schulformen ist doch, in besonderem Maße auf die Kinder eingehen zu können. Ihre Argumentation lautet im Grunde so: Das normalerweise auf das Aussieben folgende auf die Begabungen angepasste besondere Eingehen auf die Kinder hat solange zu unterbleiben, bis auch der Entwicklungslangsamste beurteilt werden kann.

    Ich hielte das für nicht wünschenswert. Um Spätzünder allerdings nicht zu benachteiligen, sollte man den späteren Wechsel von einem Schulzweig auf den anderen vereinfachen, wenn die Leistungen das befürworten… und nicht nur von oben nach unten, sondern selbstverständlich auch von unten nach oben.

  149. @ Max Wedell
    Tatsächlich habe ich ungenau formuliert und nicht klar gemacht, dass es sich bei dem fehlenden Verständnis Sarrazins für gesellschaftliche Dynamik und bei der Abwanderung der Gebildeten als einer Gefahr für den künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands um zwei unabhängige Sachverhalte handelt. Da hätte ein Absatz im Text für Klarheit gesorgt.

    Was Ihr fehlendes Verständnis zur Frage der Identität einer Minderheit in einer Mehrheitsgesellschaft betrifft, mag dies an Ihrem fehlenden Einfühlungsvermögen liegen. Die Problematik, die durch psychologische und soziologische Studien belegt ist, schaffen Sie damit nicht aus der Welt. Gerade an den Reibungsflächen solcher Identitätskonflikte sind große kulturelle Leistungen entstanden (siehe Heinrich Heine, Franz Kafka, Salman Rushdie oder Pamuk Orhan).

  150. @ Max Wedell

    Nach meinen Erfahrungen gleichen sich die Entwicklungen der Kinder etwa ab der 7. Klasse aus. Die Zeit danach reicht durchaus, um gut auf das Abitur und das anschließende Studium vorzubereiten. Aber sicher hat maat als Fachfrau Recht, es kommt nicht nur auf die Schulform an. Es müsste auch mehr darüber diskutiert werden, welche Fähigkeiten die Schulbildung vermitteln soll. Mein Eindruck vom Mathe- und Physikunterricht (und das an einem bayerischen naturwissenschaftlichen Gymnasium, das wohl als vorbildlich gilt): Es wird viel Stoff in Form von „Kochrezepten“ gepaukt, der nach der nächsten Schularbeit wieder vergessen wird, und wenig mathematisches und physikalisches Verständnis vermittelt. Dieses Verständnis fehlt – maat möge vezeihen – aber auch manchem Lehrer, was ich während meiner Physiker-Promotion an der Uni bei Betreuung von Lehramtskandidaten und später auch bei einigen der Lehrer meiner Kinder leider feststellen musste.

  151. @ Abraham #155

    Meine Toleranz wird bereits im öffentlichen Raum derart strapaziert, dass ich in meinem unmittelbaren Umfeld in der mir genehmen Weise leben möchte. Einen Mann mit einer in die Haarstoppeln hineinrasierten Odalrune würde ich ebenso wenig wie eine Kopftuchträgerin als Haushaltshilfe beschäftigen wollen. Ich kann darin zunächst einmal auch kein Zeichen der Intoleranz sehen.

    Da fordert die niedersächsische Integrationsministerin Aygül Ozkan, die Presse solle sich einer kultursensibleren Sprache bedienen. Was wäre im Gegenzug eigentlich so verkehrt daran, die Kopftuchträgerinnen aufzufordern, sich kultursensibler zu verhalten? Wissen Sie, was ich doch sehr befremdlich und wenig kultursensibel finde? Dass sich eine zahlenmäßig nicht unbeträchtliche Gruppe freiwillig (nicht einmal ihr Heiliges Buch fordert es) und bewusst durch äußere Zeichen abgrenzt – und das in einem Land, wo Menschen zwangsweise durch äußere Zeichen markiert und der Vernichtung zugeführt wurden.

    Ich kenne nicht nur die verschiedensten Formen, „das Tuch“ zu tragen, sondern auch verschiedenste Begründungen für das Tragen des Kopftuchs. Da gibt es die fundamentalistische religiöse Begründung. Da gibt es die unglücklichen Töchter, die dem Zwang ihrer Eltern nachgeben, und mehr oder weniger wiederwillig und unglücklich mit dem Tuch herumlaufen. Da gibt es diejenigen Musliminnen, die nach allen Seiten provozieren: „nuttig“ (würden meine Eltern sagen) angezogen, aber Kopftuch. Den Eltern gegenüber können sie sagen: „Ich weiss gar nicht, was ihr wollt – ihr trage das Kopftuch doch!?“, ausserfamiliär heisst es dann „Was regst du dich auf – du siehst doch, wie modern ich bin!“. Da gibt es das Bandana oder die – eher persische – Schalvariante oder was weiss ich sonst noch (muss ich so kultursensibel sein, all die Arten auch benennen zu können? Hijab, Al-amira, Shayla, Khimar, Chador, Niqab, Burka).

    Kürzlich antwortete mir eine Muslima an der Kasse, sie trage das Kopftuch, um Allah zu zeigen, dass sie eine gute Muslima sei. Mein Hinweis, dass der Allwissende doch auch ohne ihr Kopftuch wissen müsste, dass sie eine gute Muslima sei und der Allgütige und Allbarmherzige und Allverzeihende ihr ein fehlendes Kopftuch doch sicher verzeihen würde, erzeugte – Schweigen.

    Religion ist Privatsache. Liberal sein heisst, die Menschen ohne Ansehen (im wahrsten Sinne!) ihrer Religion zu beurteilen. Deshalb will ich auch nicht wissen, welcher Religion sie anhängen.

    Zur bauchfreien Mode: was die Frau damit beabsichtigt, weiss ich in der Regel genauso wenig wie bei der Kopftuchträgerin. Das ist eigentlich aber doch egal. Auch ohne gleich als prüde abgestempelt zu werden (oder, wie im anderen Fall: islamfeindlich): eine fast durchgängige Sexualisierung des öffentlichen Raumes halte ich nicht gerade für den Gipfel zivilisatorischer Entwicklung.

    Dass zur Bauchfreiheit meist auch noch überquellende Fettwülste gehören, finde ich eklig. Ein Hosenbund, der in Tiefen gerutscht ist, wo eigentlich die Schambehaarung sichtbar wäre – muss das sein? Wenn Männer in kurzen Hosen mir neben ihren Krampfadern auch noch ihre in hautenge Tank Tops gezwängten Schmerbäuche entgegenschwabbeln, kann ich mir echt Schöneres vorstellen. Dass mir dieselben Personen in einem Naturistencamp überhaupt kein Problem darstellen, liegt daran, dass sich beide Seiten einvernehmlich auf ein generalisiertes Nacktheitsumfeld einlassen.

    Wie ich eingangs sagte: im öffentlichen Raum muss ich halt einiges hinnehmen, in meinem persönlichen Umfeld muss ich mir so etwas aber nicht antun.

  152. Sehr geehrte Frau Forudastan,

    mit Interesse habe ich Ihre Kolumne „Gut = deutsch“ gelesen. Zu einigen Aspekten Ihres Beitrags habe ich mich bereits weiter oben geäußert:

    Schnippsel #143
    Abraham #144
    Schnippsel @ Abraham #152
    Abraham @ Schnippsel #155
    Schnippsel @ Abraham #161

    Dabei sind mir jedoch einige Überlegungen verloren gegangen, die ich hiermit nachtragen bzw. ein wenig umformulieren möchte.

    Ich bin erstaunt, dass Sie Banalitäten so darstellen, als hätten Sie auf einmal den Stein der Weisen entdeckt. Natürlich kann ich nicht für alle Gesellschaften auf dieser Welt sprechen, aber in vielen – einige kenne ich aus eigener Weltläufigkeit – hat ein „Teil der Bürger tief sitzende Ängste vor allem Fremden“.

    Das fängt ja schon beim Essen an („Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.“), wie sie an Kindern unschwer feststellen können. Die einen essen eine Vielzahl von Fleischarten, andere schüttelt es beim Gedanken an Froschschenkel, wieder andere lehnen flache Bratklopse zwischen Wabbelbrötchen ab. Daran ist nichts besonders Bemerkenswertes. /Eine/ bestimmte Gruppe allerdings verknüpft den Fleischkonsum mit ihren religiösen Vorstellungen und der (Ab)Wertung Anderer: „Schweinefleisch ist eklig! Das steht schon im Koran!“

    Ihre zweite „Entdeckung“, dass sich Rassismus durch alle Schichten zieht, ist ebenso wenig sensationell und auch in vielen anderen Gesellschaften anzutreffen. Dass Bildung kein Schutz vor Blödheit ist, zumindest auf bestimmten Gebieten nicht, ist leider eine längst bekannte Erkenntnis. Auch bei theologisch hochgebildeten Mullahs im Iran lässt sich dieses Phänomen möglicherweise beobachten.

    Ihre Argumentation, den Vorwurf „Ein kleiner Teil der Migranten ist integrationsfeindlich!“ mit „Ein Teil der Ursprungsdeutschen ist fremdenfeindlich!“ zu kontern, ist an Schlichtheit kaum noch zu unterbieten. Sie erinnert mich, entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, an die Streitereien und Zänkereien, die ich als kleiner Junge mit meiner Schwester ausgetragen habe.

    Dann führen Sie die Aussage ins Feld: „Aber nicht alle, die Sarrazin applaudieren, treibt die edle Sorge um das geordnete, friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft an.“ Was halten Sie davon, wenn ich den Satz an /einer/ Stelle verändere in „Aber nicht alle, die Sarrazin kritisieren, treibt die edle Sorge um das geordnete, friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft an.“?

    Anhand dreier Beispiele wollen Sie demonstrieren, dass es Menschen gibt, die die Welt – wertend – grob vereinfachen: „Sie teilen die Welt in gut = deutsch oder mindestens weiß und schlecht = muslimisch, ausländisch oder schwarz.“. Wenn meine Antwort nicht zu lang würde, könnte ich Ihnen aus dem Stand drei Gegenbeispiele aufführen, und damit den Schwarzen Peter von den Ursprungsdeutschen an die Migranten türkischer und arabischer Herkunft weiterreichen.

    Um einen letzten Punkt komme ich nicht herum. Auf der Einkaufsstraße meines Stadtviertels gibt es den sprichwörtlichen türkischen Gemüsehändler. („Gemüsehändler“ würde als Bezeichnung eigentlich langen, denn alle sechs Gemüsehändler auf der 900 m langen Einkaufsstraße sind Türken.) Wenn der Gemüsehändler oder auch der testosteronstrotzende Schlägertyp vor dem Wettbüro sagen „Isch Tüüürrke!“, dann weiss ich nicht so genau, was sie eigentlich meinen. Besitzen sie die türkische Staatsbürgerschaft, betrachten sie die Türkei als ihre („wirkliche“) Heimat, wollen sie ausdrücken „ich besitze türkische Wurzeln“ oder „ich bin türkischer Herkunft“, halten sie sich für etwas Besseres als ich?

    Sie, als „die Frau mit iranischen Wurzeln“, drücken sich dagegen differenziert aus. (Nebenbei: mit einer ostpreussischen Mutter und einem schlesischen Vater käme ich nie auf den Gedanken, mich als Kind mit ostpreussisch-schlesischen Wurzeln zu bezeichnen.) Genau deswegen stolpere ich auch über Ihre Formulierung „meines Zeichens ebenfalls Muslimin“, die sie sicher nicht ohne Hintersinn gewählt haben. Sie haben also keine „muslimischen Wurzeln“, sondern „sind“ Muslimin. Ob jemand, der sich dazu bekennt, auch die Adjektive „gläubig“ und „praktizierend“ mitsendet, lasse ich dahingestellt.

    Sicherlich sage ich Ihnen nichts Neues oder Sensationelles, wenn ich Ihnen in Erinnerung rufe, dass der Islam als monotheistische Religion einen Absolutheitsanspruch formuliert. Es ist dem Islam weder möglich, zuzugestehen, dass es gar keinen Gott gibt, noch dass es möglicherweise auch andere oder mehrere Götter geben könnte. Noch simpler, als die Menschen in „Gläubige“ und „Ungläubige“ einzuteilen, kann man es sich ja überhaupt nicht mehr machen. Dass eine solche Religion damit weit über einen nationalen, ethnischen oder sonstigen Überlegenheitswahn („Rassismus“, „Fremdenfeindlichkeit“, „Frauenfeindlichkeit“, „Schwulenfeindlichkeit“ etc.), den Sie zu recht kritisieren, hinausgeht, scheinen Sie nicht zu sehen.

    Als Journalistin sollte Ihnen folgender Mechanismus bekannt sein: die eigene Position ist „Information“, die Position des Anderen ist „Propaganda“. Die eigene Meinung ist „fundiert“, die Meinung des anderen „ideologisch verblendet“, man selber bezieht „engagiert Stellung“, der andere „hetzt“. Der eine ist der GröVaz („Größter Vereinfacher aller Zeiten“), der andere hat nur „überflüssiges Beiwerk weggelassen“.

    Ich hoffe, dass Ihre sonstige journalistische Arbeit gehaltvoller ist als diese kurze Meinungskolumne, die natürlich kurz und pointiert sein soll/darf. Schließlich sind Sie Trägerin des Theodor-Wolff-Preises. Damit „ausgezeichnet werden journalistische Glanzstücke in Sprache, Stil und Form, die durch ihre gründliche Recherche, ihre eingehende Analyse und ihre breite Information Zeugnisse einer demokratischen und gesellschaftspolitischen Verantwortung sind.“

    Auch wenn es dafür kein Zeilenhonorar gibt: warum beteiligen Sie sich eigentlich nicht hier am FR-Blog und bereichern die Diskussion um Ihre Beiträge?

    Mit freundlichen Grüßen

  153. Gut, dass es das Internet gibt und man sich aus vielen Quellen ungehindert informieren kann. Bei der Lektüre zweier FAZ-Artikel hätte ich mir gewünscht, sie stünden in der FR.

    Volker Zastrow schreibt als Einleitung zu seinem Artikel [1] vom 12. September 2010: „Was Thilo Sarrazin gesagt hat, ist also nicht „auszuhalten“, seine Beschreibung der Welt „unerträglich“? Das meinen jedenfalls die intellektuellen Lobbyisten und kriegen sich kaum noch ein vor bebender Empörung. Dabei zeigt ihr Meinungskrieg in Schleimsprache nur eins: Wie unreif das deutsche Verhältnis zur Freiheit ist.“ Die Zwischenüberschrift resümiert: „Zu viele Nacktschnecken machen auf der eigenen Schleimspur Karriere“

    Im zweiten Artikel [2] vom 17. September 2010 gibt die FAZ Thilo Sarrazin Gelegenheit, auf die Vorwürfe von Sigmar Gabriel zu antworten.

    „Sigmar Gabriel stilisiert mich zum Wegbereiter von Hasspredigern, weil ich von der Evolutionsbiologie nicht schweigen will. Meine Thesen zur Sozialpolitik verfälscht er. Eine Antwort auf die Anklage, die mein Parteivorsitzender in der ,Zeit‘ gegen mich erhoben hat.“

    [1] http://www.faz.net/s/Rub546D91F15D9A404286667CCD54ACA9BA/Doc~E607E9F54E06146FCAB69559F3F3455BE~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    [2] http://www.faz.net/s/Rub546D91F15D9A404286667CCD54ACA9BA/Doc~E278286515AFC4D9D9B8BBA89725D602A~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  154. Da ich mich hier am Anfang zu Wort gemeldet hatte, möchte ich auch am Ende – das ich nahen sehe – noch ein paar einfache Worte setzen.

    Sehr interessant für mich, wie sich „höhere Kreise“ des Themas angenommen haben. Es waren auch etliche neue Erkenntnisse für mich dabei.

    Wie man Sätze zerpflückt, Worte umdrehen kann, eben „Meinung bildet“…

    Gerade der letzte Beitrag,162, von Scnippsel war einfach köstlich…

    Liebe Blogger, wenn ich auch nicht in diesen Kreis passe, ab und zu eine kleine Bemerkung zu diesem und jenem mache – stört doch nicht, oder ?

    Für mich ist das hier eben ein bisschen mehr als nur „Zeitunglesen“.

    maderholz

  155. @Schnipsel,

    Was Sarrazin jetzt in der FAZ machte, ist doch vergeblich. Wenn Menschen wie Gabriel es für wichtig halten, Sarrazin niederzumachen, indem sie ihn in eine Traditionslinie mit den Nationalsozialisten stellen, dann lassen die sich doch nicht davon beirren, was in Sarrazins Buch steht… mit einer Zitatensammlung kann man denen doch nicht beikommen. Wer unbedingt will, daß Sarrazin ein Eugeniker ist, für den ist er es halt. Und wenn es dem Buch nicht direkt zu entnehmen ist, und es einem doch zu gefährlich ist, es dennoch zu behaupten, dann leitet man es eben auf fadenscheinige Art und Weise her… wie das geht, hat Schirrmacher ja gezeigt.

    @Abraham,

    „Es wird viel Stoff in Form von “Kochrezepten” gepaukt, der nach der nächsten Schularbeit wieder vergessen wird, und wenig mathematisches und physikalisches Verständnis vermittelt.“

    Je schlechter die Schüler in dieser Hinsicht, desto schlechter doch auch die Lehrer der nächsten Generation. Auch wer abstreitet, daß sich kognitive Fähigkeiten über die Gene vererben, wird vielleicht weniger Probleme haben, einzusehen, daß ein allgemein schlechteres Bildungsniveau sich über die Tatsache, daß jeder Lehrer mal ein Schüler war, „vererbt“. Auch vor diesem Hintergrund wundert mich der Optimismus, mit dem man alle Probleme als reparabel ansieht, denn man wird doch wohl nicht glauben, daß nur die besten Schüler später dann Lehrer werden. Im Gegenteil, die werden es eher nicht.

    Anonsten halte ich es für einen Trend, daß „Verständnis“ immer weniger das Resultat unserer Bildungssysteme ist und sein wird. Verständnis kann nicht erreicht werden bei Desinteresse, und im Erwecken des Interesses scheitern Eltern und Lehrer mehr und mehr gegen die elektronische Konkurrenz und aus anderen Gründen. Ohne Interesse sieht aber Schule nun mal so aus: Pauken pauken pauken für die nächste Klausur, dann kann mans ja wieder vergessen… Irgendwie, egal wie, gut abschneiden, aus dem einzigen Grund, aus dem das wichtig ist… damit man später irgendeinen Beruf hat, in dem man ausreichend verdienen kann.

    Das mit den „kulturellen Leistungen aufgrund von Identitätskrisen“ bezweifle ich. Außergewöhnliche kulturelle Leistungen können ausreichend durch die Bereicherung erklärt werden, die das Kennenlernen anderer Kulturen darstellt, die Möglichkeit, Phänomene der Kultur B aus dem Blickwinkel von Kultur A anders zu sehen oder umgekehrt, oder in einer Synthese A und B zu neuem zu verschmelzen. Wenn einen das Kennenlernen von Kultur B dazu befähigt, bestimmte Phänomene der Heimatkultur A anders, kritischer zu betrachten, ja zu hinterfragen, dann mag das zur Krise führen, wenn man A emotional sehr verhaftet ist. Diese Krise ist im Grunde eine Verunsicherung. Das, was man liebt, ist in Frage gestellt. Will man diese Krise, diese Verunsicherung vermeiden, muß man sich gegen Kultur B abschotten.

    Wer seiner Geburtskultur so emotional verhaftet ist, daß er kulturelle Verunsicherungen durch Konfrontation mit anderen Kulturen nicht erträgt, sodaß er sich in der Fremde abkapselt, der sollte nicht auswandern, meine ich. Die Frage ist aber eigentlich: Wer seiner Geburtskultur so emotional verhaftet ist, daß er kulturelle Verunsicherungen durch Konfrontation mit anderen Kulturen nicht erträgt, inwieweit darf man dem am Heimatort andere Kulturen vor die Nase setzen?

  156. @ maderholz #164
    @ Max Wedell #165

    Ich habe mir inzwischen natürlich noch ein wenig genauer angeschaut, was die FR-Kolumnistin Ferdos Forudastan (F.F.) uns Ursprungsdeutschen mitzuteilen hat.

    In einem Zeit-Artikel [1] erfahren wir, dass F.F. als Tochter eines Ärztepaares (Vater Iraner, Mutter Deutsche) in Deutschland geboren wurde und in Deutschland, der Schweiz und im Iran aufgewachsen ist. Sie hat (ebenfalls in Deutschland) Jura und Politische Wissenschaften studiert, arbeitet als Journalistin und Hochschuldozentin – in Deutschland. Dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft hat, sei am Rande auch noch erwähnt. Kurz gesagt: sowas von deutsch und integriert – es fehlt nur noch die Mitgliedschaft in einem Doppelkopf-Verein!

    Der Titel des o.a. Artikels lautete: „Wir sind nicht alle Fatma! – Warum tun sich die Deutschen so schwer, Migranten differenziert zu betrachten? Eine Empörung“.

    Meine spontane Reaktion erahnen Sie sicherlich: „Wir sind nicht alle Adolf! – Warum tun sich die Migranten so schwer, Deutsche differenziert zu betrachten? Eine Empörung“

    Was mich ein wenig bestürzt: dass eine Deutsche (namens Ferdos Forudastan, aber das tut eigentlich nichts zur Sache) eine derartige Überschrift produziert, dass sie das polarisierende „die Deutschen“ statt des realitätsgerechteren „Deutsche“ verwendet und sich selbst davon ausnimmt. Da wird die Deutsche mit iranischen Wurzeln blitzschnell zur Migrantin. Wenn sich schon bei F.F. zeigt, wie brüchig Integrationserfolge sind, dann wird mir bei den sog. „Integrationsunwilligen“ und erst recht bei den „Integrationsverweigerern“ angst und bange!

    „Den Deutschen“ einen Mangel an Differenzierung vorzuwerfen, ist doch absurd. Dort, wo Vietnamesen als Zigarettenmafia auftreten, muss man es sagen und wird es gesagt. Wo ihre Kinder auffallend gute Schüler sind, muss man es sagen und sagt man es auch. Wo Kurden und Türken ihre Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss man – ggf. auch mit Gewalt – einschreiten. Genauso gut aber kann ein türkischstämmiger Unternehmer, der 1990 die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, 2001 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Ich kenne hierzulande keine randalierenden Eriträer. Dass Schwarzafrikaner lautstark einfordern, ihre Riten und Gebräuche müssten Eingang in deutsche Gesetze finden, ist mir bisher nicht untergekommen. Von den hier lebenden europäischen Ausländern ist derlei ebenfalls nicht zu hören.

    Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, erklärt auf die Frage des Hamburger Abendblatts, „Wie gut klappt es mit der Integration der Roma in Deutschland?“ [2]:

    „Die 70 000 deutschen Sinti und Roma sind gut integriert. Viele leben seit Generationen hier in Familien und haben Arbeit. Es gibt hier keine Roma-Lager wie in Frankreich. Dennoch werden Roma auch aus Deutschland abgeschoben. Vor allem in den Kosovo, wo Roma während der Balkankriege vor den Säuberungen geflohen sind. Doch im Gegensatz zu Frankreich wird jeder Einzelfall behördlich geprüft. Es gibt keine Kontingentabschiebungen.“

    Es gibt, und da differenzieren „die Deutschen“ sehr wohl, ein auffallend präzise beschriebenes Phänomen: der fortdauernde – oder wie Neuköllns Bezirksbürgermeister Buschkowski meint: anwachsende und sich verschärfende – Ärger mit einer türkischen und arabischen Minderheit.

    Ich würde mir wünschen, das die arrivierten, erfolgreichen Migranten (zumal dann, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben) nicht auch noch auf das Land eindreschen, dass ihnen die Chancen eröffnet hat. Von Dankbarkeit traut man sich heutzutage ja fast schon nicht mehr zu reden. Schwingt da eine Art schlechtes Gewissen über den eigenen Erfolg mit? Handelt es sich hierbei um das, weiter oben ja ausführlich beschriebene Verhaltensschema, sich aus einer komfortablen und auskömmlichen Position heraus auf die Seite der vermeintlich Schwachen zu schlagen? Neben dem G-Wort („politischer Kampfbegriff!“) fallen mir in diesem Zusammenhang oft die Begriffe „Helfersyndrom – die hilflosen Helfer“ und Co-Abhängigkeit ein.

    Getoppt wird das Ganze mit folgendem Satz: „Sie [Fatma], die tiefgläubige Muslimin, trägt Kopftuch, betet, fastet. Ich, die ungläubige Muslimin, halte mich an keines dieser Gebote.“

    Günter Grünwald [3], der „beliebte, bayrische Kabarettist“, würde vielleicht fragen „Ja leben wir denn in Plemplemland?! Eine ‚ungläubige Muslimin‘! Demnächst werden uns auch noch ‚esoterische Wissenschaftler‘ untergejubelt.

    Eine „ungläubige Muslimin“ fühlt sich also aufgerufen, MuslimInnen in Schutz zu nehmen. Vielleicht sollte man es dann aber auch einer Menge „ungläubiger Christen“ zugestehen, deren einziges Christsein im Zahlen von Kirchensteuer und der Mitnahme von drei Kirchenritualen (Taufe, Hochzeit, Beerdigung) besteht, ihr „christliches Abendland“ in Schutz zu nehmen. Als Konfessionsloser bin ich von derlei religiösem Klimbim glücklicherweise befreit.

    Zumindest mit der Schlussbemerkung von F.F. kann ich mich vorsichtig anfreunden:

    „Eigentlich liegt die Sache doch auf der Hand: Sowenig es /die/ Ursprungsdeutschen gibt, so wenig gibt es /die/ Migranten. Wir sind sehr viele sehr verschiedene – und ein Teil des Ganzen. Das zu erkennen ist ganz einfach. Man muss nichts weiter tun als: hinschauen.“ (Textauszeichnung per // von mir).

    Vorsichtig bin ich deswegen, weil mir das Ganze zu glatt daherkommt. Sollte F.F. auf das so häufig bemühte Bild von dem Mosaik mit den vielen bunten Steinchen abheben (also das obige „Ganze“), wäre mein Einwand:

    Buntheit um der Buntheit willen? Die Steine müssen nicht nur bunt sein, sondern auch zum Gesamtbild passen. Es ist wie beim Scrabble: die Steine müssen einen Sinn ergeben. Und am Ende sind immer ein paar übrig.

    [1] http://www.zeit.de/2009/32/oped-Multikulti
    [2] http://www.abendblatt.de/hamburg/article1635714/Hier-gibt-es-keine-Lager-wie-in-Frankreich.html
    [3] http://www.guenter-gruenwald.de/

  157. @Abraham
    also diese Studien, die besagen, dass Lehrer zwei Schülern für die identische Arbeit unterschiedliche Beurteilungen gegeben haben, finde ich bedenklich, aber ich sehe darin kein Argument für einen Schulsystemwechsel, da das Problem sich ja fortsetzen dürfte. Man muss darüber nachdenken, inwieweit Leistungsbeurteilung einen Sinn ergibt und ob sie objektivierbarer ist. Sinnvoll ist es, die Lehrer zu schulen, dass sie ihre Notengebung stärker hinterfragen bzw. sich über Vorurteile klar werden.

    Ich möchte allerdings klar stellen, das ich überhaupt nicht die Gesamtschule, wo sie etabliert ist, abschaffen wollen würde genauso wenig wie die 6-jährige Grundschule. Ich finde nicht, dass die Dreigliedrigkeit grundsätzlich besser ist. Ich halte viel von Kontinuität im Schulsystem. Ich finde, dass das Schulsystem als Einflussfaktor für die Qualität der Schule jedoch weit überschätzt wird. Entsprechend hoch sind die Erwartungen und Versprechungen. Das bereitet mir Sorge, da ich weiß, wer diese Ideen dann umsetzen soll. Diesen Heilsversprechungen insbesondere der Grünen stehe ich skeptisch gegenüber. Meiner Meinung nach, hängt es an anderem. Schauen wir uns mal Rütli an: Die Probleme, die es dort gab, waren nicht systemabhängig, sondern bestanden aus einer unglücklichen Mischung aus Versagen der Schulleitung, mangelnder Ausstattung (zu wenig Geld!), schlechter Kommunikation mit Schülern und Eltern bzw. mangelndem Respekt. All die hübschen Maßnahmen, die dauernd aufgezählt werden, welche nun zum Erfolg der Schule beitragen, würden auch jede andere Schule aufwerten- hier wird aber gespart.
    Dort wo die Hauptschule noch existiert, kann sie nur überleben, indem man sie besonders gut ausstattet und spezielle, auf die Schüler zugeschnittene Angebote anbietet, z.B. Hausaufgabenbetreuung, kostenlose Nachhilfe, Freizeitangebote, Schulessen, Kleinstklassen, kostenloser Musikunterricht und andere Bildungsangebote- dann gibt es auch kein Hauptschul-Stigma mehr. Dass es an der Rütli-Schule nun gemeinsame Kochveranstaltungen gibt, um die Eltern mit ins Boot zu holen, ist auch schön, aber auf solche Ideen hätte man auch schon früher kommen können. Dazu braucht man keinen Schulsystemwechsel. Abschließend möchte ich folgendes zu bedenken geben: Leider werden die fantasielosesten, unstrukturiertesten und eitelsten Menschen ohne Führungsqualitäten oft Schulleiter und diese prägen eine Schule mehr, als sich Außenstehende vorstellen können.

  158. „Biologen aus Kanada behaupten, ein hoher Anteil von Mangan im Wasser wirke sich negativ auf die Intelligenz von Kindern aus. Die Forscher untersuchten mehr als 360 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren. Außerdem ermittelten sie den Anteil von Metallen und Mineralien, den das Leitungswasser bei den Kinder zu Hause enthielt. Ein Ergebnis lautete: Bei Kindern, die manganreiches Wasser tranken, war der Intelligenz-Quotient um sechs Punkte niedriger als in der Vergleichsgruppe.“ (DRadio Wissen, 20.9.)

    Was für ein Quark. Intelligenz ist nicht einfältig. Die Intelligenzforscher haben Dutzende von Intelligenz-Formen ausfindig gemacht, von sozialer Intelligenz bis zu technischer Intelligenz, die sich individuell unterschiedlich mischen – doch für ihre Ausprägung ist schlicht das soziale Umfeld verantwortlich, in dem ein Kind aufwächst. Da reden welche von Intelligenz und gerieren sich als Aufklärer, die in Wahrheit von Intelligenz – genauer: vom Kenntnisstand der Wissenschaft zum Thema Intelligenz – keinerlei Ahnung haben, und der ist nun mal: Das Leitungswasser bestimmt nicht die Intelligenz der Menschen.

  159. @Schnipsel,

    es wurde schon oft gesagt, bleibt aber leider wahr: „Deutschland ist das beste Land der Welt“, „Ich bin so dankbar, in Deutschland zu leben“, „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“… konfrontiert mit solchen Sätzen regt sich die eine Hälfte der Deutschen fürchterlich auf, die andere lacht schallend. Wechseln Sie „Deutschland“ aus mit z.B. „USA“, so werden Sie kaum einen US-amerikanischen Bürger finden, der nicht völlig problemlos diese Sätze sagen kann und sie auch aus tiefstem Herzen MEINT: „The United States of America, The Greatest Country of All“, „I feel so grateful to live in the USofA“, „I’m proud to be American“. Selbst Angehörige linker akademischer, kritischer Kreise („Liberals“) machen üblicherweise klar, daß hinter jeder Detailkritik diese Grundhaltung steht.

    Der Spiegel berichtete kürzlich von einer Studie über Patriotismus, in der 33 Ländern gerankt wurden hinsichtlich des Patriotismus seiner Bürger. Deutschland landete, sehr erstaunlich, auf dem letzten Platz.

    Man könnte ja einmal eine ähnliche Studie machen, diesmal aber nur über die Immigranten in diesen Ländern. Wieviele Immigranten werden in den USA schon kurz nach der Einbürgerung sagen: „Ich bin stolz, ein Amerikaner zu sein“, „Amerika, das beste Land der Welt“… Wieviele Immigranten werden in Deutschland schon kurz nach der Einbürgerung sagen; „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“, „Deutschland, das beste Land der Welt“…

    Zu letzterem: Ich erinnere mich an eine TV-Sendung, in der eine Einbürgerungsveranstaltung in Berlin gezeigt wurde, mit Buschkowski unter festlichem Tam-Tam abgehalten. Eine Frau zeigte ihre neue Staatsbürgerschaft in die Kamera, und sagte leicht angewidert: „Ich hätte lieber meine eigene Nationalhymne (sic!) gesungen. Ich hab auch gar nicht mitgesungen, also, ich will das gar nicht. Für mich ist nur das Papier wichtig. Deutsch bin ich nicht.“ Das wird m.E. die verbreitete Haltung sein bei jenen, die eingebürgert werden, und auch F.F. ist da wohl keine Ausnahme. Wieso sollte es auch anders sein, wenn im Grunde auch die Deutschen gar nicht deutsch sein wollen… aus der 68er-Einstellung zum Patriotismus heraus, d.h. einer außerordentlich feindseligen Einstellung gegenüber einer „Liebe zum Vaterland“. Die meisten Deutschen wollen gar nicht deutsch sein, aber von den Ausländern erwarten wir genau das plötzlich, nachdem sie das Papier der Staatsbürgerschaft überreicht bekamen?

  160. @wedell

    Schon der Satz „das beste Land der Welt“ ist ausgesprochen albern.
    Patriotismus ist eine Dümmlichkeit.

    Kennen Sie ein Land ohne „Fehl‘ und Tadel“? Nur in Bezug auf dieses könnte man sagen, man sei „stolz“ zu diesem zu gehören.
    Wer diesen Ausdruck außerhalb dieses Landes ohne Nachdenklichkeit und Scham verwendet, ist historisch blind.

    Niemand kann mehr ungebrochen stolz sein, Deutscher (oder …) zu sein.
    Es gibt Schuldige, die dies herbeigeführt haben und es gibt erneut Schuldige, die dies herbeiführen.

    Moralische Integrität ist Bedingung für Stolz, nicht umgekehrt.

  161. betr. Hebel-Blog

    HALLO,
    abraham, maat, heinrich, Anna …
    Nun hat sich Stefan endlich zu mehr Beteiligung im Blog entschlossen, was immer wieder auch von euch gefordert wurde, wo seid ihr nun geblieben?

  162. @BvG,

    daß Sie die zahlreichen Einwanderer als dümmlich bezeichnen, die mit „Proud To Be American“ auf den Lippen freudig die amerikanische Staatsbürgerschaft emfangen, finde ich befremdlich.

    Die eigentliche Dämlichkeit liegt woanders: In der reflexartige Ablehnung einer positiven emotionalen Bindung an das eigene Gemeinwesen, die durchaus auch die Überhöhung beinhalten darf, in der wahnwitzigen Idee, diese dürfe nur bestehen, wenn man handfeste „Gründe“ dafür hätte und nun schon gleich gar keine „Gründe“ dagegen… Und so entsteht dann die völlig absurde Situation, daß einem aus der Türkei Eingewanderten mit Hinweis auf Auschwitz quasi verboten wird, seine große Liebe zur Türkei auf Deutschland zu übertragen.

    Niemand kann mehr ungebrochen Amerikaner sein wegen Vietnam, Irak oder was auch immer… eine solche Ansicht ist, indem sie Vergangenes hernimmt, um eine Identifikation mit dem Land zu behindern, deren Zweck auf eine positive Zukunft hin gerichtet ist, dermaßen verschroben, daß ich sie noch nie einen Amerikaner äußern hörte.

  163. @wedell

    Herr Wedell, dieser Patriotismus- Ansatz klingt derart verworren und selbstrechtfertigend, daß ich kaum weiß, was man dazu sagen soll.

    Sie können sich doch sicher für jedes Land der Welt eine Situation oder eine Lokalität denken, wo kein vernünftiger Mensch darauf käme zu verkünden, er sei stolz auf sein Land?

    Nun einfach den Spieß herumzudrehen und denen „emotionale Probleme“ anzuhängen, die nicht die Augen verschließen können, ist ein seltsamer Kunstgriff.

  164. „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau.“ Gustav Heinemann

    Das ganze Fähnchenschwingen ist mir ziemlich fremd. Ich habe noch nie verstanden, wieso man sich wegen eines Fußballklubs, in dem überbezahlte Millionäre anderthalb Stunden lang auf einen Lederball treten, prügeln kann.

    Deutschland ist mein Vaterland, ich bin hier hineingeboren, ich finde mein Land ziemlich ok, zumal im Vergleich mit der Mehrzahl der anderen Länder der Welt. Mein Vaterland hat der Welt die schrecklichste Seite des Menschen gezeigt und die beste. Deutschland hat der Menschheit in Wissenschaft und Technik, in Kunst und Literatur, in Philosophie und tätiger Hilfe viel gegeben.

    Ob deswegen nun der Einzelne, der vielleicht gerade mal – wenn überhaupt! – durch seine Steuerzahlung dazu beigetragen hat, lauthals „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!“ tönen sollte, weiss ich nicht. Ich jedenfalls tue es nicht und ich möchte auch nicht mit rechten Glatzen im selben Boot sitzen.

    Sollte man in den Schulen Fahnenappelle und das morgendliche Absingen der Nationalhymne einführen? Nee, das riecht mir dann doch zu sehr nach totalitären Regimen. Das Getue der (französischen) „Grande Nation“ geht mir ziemlich gegen den Strich, aber selbst dort ist Staatspräsident Sarkozy mit derlei Vorschlägen gescheitert. Trotz allen historischen Verständnisses kann ich der blutrünstigen Marseillaise genauso wenig abgewinnen wie der britischen „God Save the Queen“. Unsere Nationalhymne hingegen berührt mich tief, bei aller Diskussionswürdigkeit.

    Wir sollten nicht vergessen, dass „wir“ durch EU-Subventionen, Altkleiderexporte, unfaire Verträge usw. die Märkte der ärmsten Länder kaputtmachen. „Wir“ lassen Verschleppungen in Geheimgefängnisse zu, in denen Menschen gefoltert werden, „wir“ beteiligen uns an Kriegseinsätzen gegen ein Land, das weder unsere Verbündeten und erst recht nicht „uns“ etwas getan hat. Dass Evangelikale im Jemen unter dem Deckmantel der medizinischen Hilfe missionieren, finde ich unerträglich. Warum wir meinen, unser politisches System sei so viel besser als die Loya Jirga in Afghanistan (und Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan, der Mongolei) oder das Panchayat-System in Nepal bleibt mir unerklärlich.

    Auch wenn „wir“ uns also oft nicht so respektvoll verhalten, wie „wir“ es uns gegenüber erwarten: ich /persönlich/ erwarte denselben Respekt, den ich anderen Ländern und insbesondere den dort lebenden Menschen gegenüber zu erweisen bereit bin, auch gegenüber mir und meinem Vaterland.

  165. „Sie können sich doch sicher für jedes Land der Welt eine Situation oder eine Lokalität denken, wo kein vernünftiger Mensch darauf käme zu verkünden, er sei stolz auf sein Land?“

    Nein. Außerdem ist es ein krankhaftes Verhalten, aus den Milliarden „Situationen“ und „Lokalitäten“ eines Landes ausgerechnet jene herauszusuchen (und alle anderen wegzublenden), die eine positive emotionale Verbundenheit mit dem Land angeblich verhindern müssten.

    @Schnippsel,

    Sie sehen das zu sehr mit dem Verstand. Es geht gar nicht um Gründe für ein „Bessersein“; damit Patriotismus seine positiven Effekte entfalten kann, braucht es diese Gründe überhaupt nicht zu geben, und das Gefühl, im besten Land der Welt zu leben, muß auch nicht mit dem Gefühl einhergehen, alle anderen Nationen wären irgendwie schlechter. Darum geht es doch gar nicht.

    Das emotionale Bekenntnis zum Vaterland schweißt die Menschen zusammen (wenn es echt ist). Eine Zuwanderung, insbesondere bei solch erheblichen Kulturabständen wie bei uns, kann nur weitgehend konfliktfrei werden, wenn am Ende entweder die Assimilation steht, oder ein ganz starkes Bekenntnis zur größeren Gemeinschaft, in die man einwanderte, und das ist nunmal die Nation.

    Nicht umsonst heißt es ja „Ausländerfeindlichkeit“. Ein sich glaubhaft patriotisch zu Deutschland bekennender Mensch kann aber nicht als Ausländer wahrgenommen werden, und es ist für normale Menschen unmöglich, eine irgendwie geartete Feindlichkeit solchen Mitbürgern gegenüber zu pflegen. (Für krankhafte allerdings schon, siehe die Antifa-Idioten, die Einwanderern aus der Türkei und anderen Ländern die deutsche Fahne herunterissen, die sie anläßlich der Fußball-WM aufhingen).

    Es handelt sich hier um hunderttausende Jahre alte Verhaltensmuster. Der Stamm ist Fremden gegenüber bei Ressourcenknappheit feindlich, bei Ressourcenüberfluß immernoch scheu, zurückhaltend, abwartend. Die Aufnahme des Fremden erfolgt dann, wenn der Fremde seine Verbundenheit mit dem Stamm in besonderer, deutlicher Weise klargemacht hat. Einfach nur die Regeln und Gepflogenheiten des Stammes zu befolgen reicht da nicht. Bzw., auf unsere Zeit übertragen: Den Menschen, die Ausländern erstmal ablehnend gegenüberstellen, wird man diese Ablehnung nicht mit dem Hinweis austreiben können: Die zahlen doch korrekt ihre Steuern!

    Wenn aber Eingewanderte medial bei uns in Erscheinung treten, dann in der großen Mehrheit der Fälle entweder, weil sie a) den Ansässigen schaden (Kriminalität, Zusatzausgaben Bildung, Sozialsystem usw.) oder b) weil sie ihre eigenen egoistischen Interessen verfolgen, oft auch gegen die Ansässigen (z.B. Moscheenbau). Wie so eine positive Einstellung gegenüber den Eingewanderten zustandekommen soll, ist mir ein Rätsel. Weil Claudia Roth es befiehlt?

  166. @wedell
    „oder ein ganz starkes Bekenntnis zur größeren Gemeinschaft, in die man einwanderte, und das ist nunmal die Nation.“

    Nein!

    Die „größere Gesellschaft“ ist nunmal die Welt, die größtmögliche, und in diese ist niemand „eingewandert“, sondern er lebt darin und ist in sie hineingeboren und ein „ganz starkes Bekenntnis“ zu dieser ist vonnöten.
    Patriotismus ist im Kern weltfremd. Man kann diese Weltfremdheit überwinden, indem man sich und andere beschränkt, man kann sie auch überwinden, indem man sich und seine Beschränktheit über die ganze Welt ausgiesst. Beides ist nicht akzeptabel.

    Man kann aber die Welt kennenlernen und sich miteinander verständigen, was einen gegenseitigen Prozeß bezeichnet, einen der Emanzipation, Aufklärung und des Erwachsenwerdens.

    „Vater“-land und „Mutter“-sprache sind dabei nur kindliche Umschreibungen, die letztlich nur unterstreichen, das wir auf dem Weg zur Gemeinsamkeit noch ganz am Anfang der Entwicklung stehen.

    Ihrer Formulierung einer ersehnten Sicherheit innerhalb einer Gruppe widerspricht dies nicht, sie wählen nur die Gruppe zu klein.

    Ziel ist, sich in der ganzen Welt sicher und heimisch fühlen zu können, ohne den Rückhalt einer „Nation“ oder „Macht“.

  167. Und nun singt mal alle schön den WELTHIT mit:

    „Verliebte Fischer zieh’n mit den Booten
    die Berge hinauf
    Grüß‘ mir die Gemse, den Adler, den Rotbarsch,
    Bergmann Glück auf!

    Und wenn der Sommer, die Träume, das Glück und
    Die Rosen vergeh’n,
    Klingt die Suzuki am Hafen
    Teilweise doppelt so schön.“

    Vollständiger Text:
    [1] http://www.assoziations-blaster.de/blast/Stenkelfeld.7.html

    Oder man gurgele mit einer Internet-Suchmaschine seiner Wahl nach:
    „verliebte fischer“ stenkelfeld
    um auch in den Genuß von Ralf Sögels eingängiger Melodei zu kommen.
    Oder, wenn man zu faul zum suchen ist, wähle man die Abkürzung
    [2] http://www.youtube.com/watch?v=O1lSzgOtnxY

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