Das deutsch-polnische Verhältnis bleibt schwierig. Erika Steinbach hat nun zwar den Rückzug angetreten – diese „noble“ Geste analysiert Stephan Hebel im FR-Leitartikel -, doch an den revisionistischen Tendenzen ihres Lagers ändert das wenig; sie kommen lediglich in anderem Gewand daher. Aus polnischer Perspektive schildert dies Robert Zurek im Gastbeitrag.
Dazu meint Irena Anna Fleischer aus Wiesbaden:
„Wieder einmal durfte ich mich über die präzise Analyse von Stephan Hebel freuen. Jetzt im Besonderen darüber, dass das brennend heiße Eisen der deutsch-polnischen Beziehungen ebenso heiß angegangen worden ist. Nicht zu vergessen die anderen Beiträge, die mit ihren Details den Blickwinkel des Dramas erweitern. Klar, dass bei der eiskalten nationalen Stimmungslage viele Medienvertreter lieber eine Komödie bevorzugen, ersatzweise wegschauen oder schweigen. Das ist sicher angenehmer und erfolgversprechender, im modernen Theater von heute selbst Schausteller oder Spieler zu sein. Anstelle Klarheit darüber zu gewinnen, auf welchem Boden die Bühne des Theaters aufgestellt wurde.“
Jost Simon aus Esslingen:
„Wenn man in den letzten Tage miterlebt hat, welchen Glorienschein (und seit neuestem: welche Opferrolle) vor allem die Herren Bosbach und Pofalla um diese Dame errichtet haben und welche Vorwürfe sie alle gegen die bösen Roten und Grünen erhoben haben, weil sie der Landsfrau gegenüber den frechen Polen nicht in Nibelungentreue den Rücken gestärkt haben (sondern in diesen gefallen sind), dann darf man sich schon fragen, wie kurz die Erinnerungen auch in der Presse sind.
Anscheinend erinnert sich niemand mehr an die Erika Steinbach, die z. B. während der einstigen Wehrmachtsausstellung in Frankfurt diese vehement als widerliche Fälschung und gemeine Hetze gegen die ach so gute Wehrmacht diffamierte (ohne je einen Fuß in die Ausstellung gesetzt zu haben). Und ich erinnere mich noch an mein Erschrecken, als ausgerechnet diese bekennende Extremistin an die Spitze der berufsmäßigen Heimatvertriebenen berufen wurde, wo sie sich ja wahrlich erwartungsgemäß profiliert hat. Die Polen jedenfalls waren nicht bereit, über solche Dinge so großzügig wie hierzulande hinwegzusehen, weshalb man Frau Steinbach auch von Anfang an genau und ständig beobachtete (wobei man das Niveau der dortigen Revolverpresse ausklammern müsste). Jetzt kann man nur hoffen, dass nicht noch gewaltig getrickst wird, denn die Dame wurde ja nicht grundsätzlich zurückgezogen, und der vorgesehene Platz bleibt ja (zunächst) demonstrativ leer. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, aber wundern würde es einen nicht. Es möge uns erspart bleiben.“
Markus Erich-Delattre aus Hamburg:
Da ich (Sozialdemokrat; Enkelkind einer deutsch-polnischen Flüchtlingsfamilie aus Schlesien; als Student Praxissemester an einer Vorschule in Torun) die Aussagen der Autoren teilweise so nicht teile, erlaube ich mir eine kurze Erwiderung.
Die politisch-ideologische Polemik und das Frontdenken in den Beiträgen nicht weniger Akteure auf allen Seiten mag ich schon lange nicht mehr lesen. Mir fehlt eine wirkliche Bereitschaft, sich in die Einstellung der Opfer der verbrecherischen Politik der Nationalsozialisten einzufühlen. (Auch deutsche Vertriebene waren teilweise Opfer der monströsen Verbrechen der Nazis, vielleicht sollten sich beide Autoren noch einmal den deutschen Widerstand rund um den „Kreisauer Kreis“ in Erinnerung rufen.) Ich befürworte eine Einrichtung, die an die Vertreibung „im Kontext des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen“ erinnert. In diesem Rahmen und unter dem Dach einer Bundesstiftung muss es möglich sein, sich auch das Leid, die Traumatisierung der deutschen Vertriebenen in Erinnerung zu rufen.
Die Ablehnung einer solchen Bundesstiftung seitens der polnischen Regierung wäre meiner Auffassung nach nicht nachvollziehbar (auch wenn ich die deutliche Kritik von Herrn Prof. Bartoszewski an Frau Steinbach in vielen Aussagen teile und verstehen kann).“
Ulrich Heinz aus Marburg:
„Der Verzicht der Vertriebenenpräsidentin im Stiftungsrat zu Flucht und Vertreibung wird nichts mildern. Er wird die nächste Welle der Verdammnis nach sich ziehen: gegen ihren Ersatzmann, die beiden anderen Vertriebenenvertreter, den Verband selber, seine Nachbarn. Aus Polen und aus dem Teil des hiesigen Journalismus, der geschichtliches Halbwissen mit Empörung überdeckt.
Der polnischen Politik geht es erklärtermaßen um mehr als die Person. Es geht um die Herrschaft des polnischen Geschichtsbildes. Es geht darum, die eigene Täterschaft bei der Okkupation Ostdeutschlands und dem Vertreiben der Eingesessenen zu verbergen hinter den Naziverbrechen. Ebenso ist es beim tschechischen Parlament, das jüngst beim Ratifizieren des EU-Vertrags die Benes-Dekrete bekräftigte, welche die Verbrechen an nicht-tschechischen Minderheiten veranlassten und straffrei stellten.
Wer von dem Gedenkvorhaben fern gehalten gehört, sind jene deutschen Politiker, die den ausländischen Revanchismus beschönigen, die Meckels, Griefahns, Thierses und andere von SPD und Grünen, von der Linkslinken ganz zu schweigen.
Solange Polen und Tschechien die Vertreibungen rechtfertigen und andere Länder das zustimmend zur Kenntnis nehmen, ist es mit gemeinsamen Werten der EU nicht weit her. Wer Versöhnung will, halte sich an das Beispiel Ungarns, das offiziell sein Vertreiben bedauert hat. Aber darüber hat der hiesige vertriebenenfeindliche Journalismus nur einen Bruchteil der Worte gemacht wie jetzt wieder um die Vertriebenenpräsidentin.“
@ Irena Anna Fleischer
Ganz toller Text. Nur leider habe ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden, was Sie der Welt mitteilen möchten. Aber egal – sowohl auf der Correctness-Skala als auch in der „Ich habe keine Ahnung, wovon ich rede, mache es aber trotzdem“-Hitparade steht er sicher ganz oben. Und darauf kommt’s doch an, nicht wahr?
@ Jost Simon
„Anscheinend erinnert sich niemand mehr an die Erika Steinbach, die z. B. während der einstigen Wehrmachtsausstellung in Frankfurt diese vehement als widerliche Fälschung und gemeine Hetze gegen die ach so gute Wehrmacht diffamierte (ohne je einen Fuß in die Ausstellung gesetzt zu haben). Und ich erinnere mich noch an mein Erschrecken, als ausgerechnet diese bekennende Extremistin an die Spitze der berufsmäßigen Heimatvertriebenen berufen wurde, wo sie sich ja wahrlich erwartungsgemäß profiliert hat“
Was meinen Sie mit „erwartungsgemäß“? Und darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie je einen Fuß in die Ausstellung „Erzwungene Wege“ des BdV gesetzt haben? Wie so viele Kritiker von Frau Steinbach sicher nicht. Zum Glück für Sie, kann ich nur sagen. Denn es wäre ja auch überaus lästig, sich mit der Tatsache konfrontieren zu müssen, dass dies eine vollkommen ausgewogene Darstellung der europäischen Vertreibungen in ihrem jeweiligen historischen Kontext war bzw. ist – weitaus mehr als die hochgelobte „offizielle“ Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“. Aber wie gesagt: lästige Realität.
@ Ulrich Heinz
Ich stimme Ihnen zu. Und ein Vorschlag an die linke Presse in Deutschland, wie z. B. die FR: Einfach über die Artikel zu diesem Thema einen kurzen Erläuterungstext setzen: „Das Schicksal der deutschen Vertriebenen schert uns eigentlich einen Dreck und wir werden stets die Sicht der Vertreiberstaaten vertreten. In den einzelnen Artikeln bringen wir das allerdings indirekter zum Ausdruck z.B. dadurch, dass wir uns stets an Kleinigkeiten oder Details hochziehen.“