Aufbruch in die Altersarmut

Die Franzosen legen ihr Land lahm, weil sie künftig mit 62 statt mit 60 in Rente gehen sollen. In Deutschland steht die Rente mit 67 an, und was passiert? Die Deutschen scheinen „Tina“ – There is no alternative – mit der Muttermilch eingesogen zu haben. Die Argumente für die Rente mit 67 sind bekannt. Die Deutschen werden älter, die Rentner damit zahlreicher. Junge Deutsche werden seltener – und mit ihnen die Beitragszahler. Markus Sievers hat diese Position im Leitartikel „Die beste Option“ dargestellt, und Sam More aus Dresden gibt ihm Recht:

„Die zunehmenden Lücken in der Erwerbsbiographie – Kindererziehung nicht nur bei Frauen, aber dort auch, und Arbeitslosigkeit, Studium, führen real zu hohen Abschlägen, wenn das Rentenalter zu niedrig liegt. Daher kann eine Anhebung des Rentenalters – wenn weiterhin 45 Jahre als Eckrente gezählt würden – zu einer Rentensteigerung und gleichzeitig höheren Gestaltungsfreiheit von Lebensentwürfen führen. Die Lebenserwartung steigt, und eine Arbeit bedeutet eine Chance auf aktive Teilhabe an der Gesellschaft. In diesem Licht betrachtet, ist – so unpopulär es klingt – eine Anhebung des Rentenalters ein sozialer Imperativ und eine Gebot der Fairness den Jungen wie Alten gegenüber.“

Albert Alten aus Wernigerode dagegen meint:

„Die schwarze-gelbe Bundesregierung hat die Rente mit 67 durchgeboxt und damit den Weg für Millionen Babyboomer aus den 60er-Jahren frei gemacht in die Altersarmut. Denn es gibt gerade für die ältere Generation ab 50 immer weniger Dauerarbeitsplätze und das heißt, immer mehr ältere Menschen müssen nach Erreichen des Rentenalters  arbeiten bis sie umfallen, um menschenwürdig ihren Lebensabend  über die Runden bringen zu können.
Schon heute gibt es immer weniger statistische „ Eckrentner “, die 40 Berufsjahre ohne Zeiten der Arbeitslosigkeit auf dem Buckel haben und die Durchschnittsrente ausgezahlt bekommen.  Die Rente mit 67 ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels der endgültige Aufbruch in die deutsche Altersarmut in weniger als 25 Jahren.“

Josef Hülsdünker vom DGB, Region Emscher-Lippe, aus Recklinghausen:

„Der Leitartikel gehört nicht in die FR. Sievers wiederholt nur die neoliberale Argumentationskette zur Durchsetzung der Rente mit 67 und behauptet: „Die Rente mit 67 ist zwar nicht erfreulich. Aber die Alternativen sind es noch weniger.“ Ich frage mich: „Für wen ist die Rente mit 67 und für wen ist diese „Denke“ die beste Option?“
Schon der Leitsatz von Markus Sievers, „das Rentensystem der Alterssicherung muss dem demografischen Wandel angepasst werden“, lässt keinen Zweifel daran, dass er den Privatisierungsstrategen der Versicherungswirtschaft auf den Leim geht. Ein umlagefinanziertes Rentensystem ist nicht demografiebestimmt, sondern abhängig von der Wirtschaftskraft des Landes. Diese bestimmt darüber, ob eine lebensstandardsichernde, armutsfeste Rente bezahlbar ist.
Trotz zahlreicher neoliberaler vermögens-, steuer- und rentenpolitischer Meinungsäußerungen der letzten Zeit bleibt jedoch die Sozialstaatsverpflichtung aus dem Grundgesetz unantastbar. Und das heißt, dass die Entlastung von Arbeitgebern und großer Vermögen überhaupt kein Staatsziel sein kann, wohl aber der armutsfeste Wohlstand für alle. Dies gilt natürlich auch für diejenigen, die sich für die Arbeitgeber des „Exportweltmeisters“ krumm gelegt haben. Viele haben mit ihrer Gesundheit bezahlt und sollen zukünftig mit Almosen abgespeist werden.
Man hätte von Markus Sievers erwarten dürfen, dass er die Politik des „Exportweltmeisters“, nämlich Unternehmenserfolge insbesondere durch Lohn- und Sozialdumping zu erzielen, in den Fokus seiner Rentenerörterung gerückt hätte. Bei genauer Betrachtung der Arbeitsverhältnisse  wäre ihm schnell aufgefallen, dass auf der einen Seite ein beträchtlicher Teil der erbrachten Arbeit abseits und ohne Bezug zum Rentensystem abgeleistet wird. Die Nutznießer sind Arbeitgeber, die sich über prekäre Beschäftigung vor Sozialversicherungsbeiträgen drücken. Außerdem hätte Siewers dann bemerkt, dass ein historischer Beschäftigungshöchststand erreicht worden ist. Das heißt: In der Gesellschaft sind trotz Erhöhung des Durchschnittsalters sehr viel mehr Menschen produktiv tätig als jemals zuvor. Statt vieler Kinder gibt es zwar viele Ältere, aber das Leistungsvolumen der deutschen Wirtschaft hat niemals bessere Chancen auf „Wohlstand für alle“ ermöglicht als heute.
Das Festhalten an einer lebensstandardsichernden, armutsfesten Rente geht nicht auf Kosten der Jüngeren, wie Sievers behauptet. Im Gegenteil: Die Jüngeren, sind diejenigen, die aufgrund deregulierter Arbeitsverhältnisse in Zukunft besonders von Armutsrente betroffen sein werden. Insoweit ist das Rentensenkungsmittel „Rente mit 67“ als Angriff auf den künftigen Lebensstandard der älter werdenden Jüngeren zu sehen.
Das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland kann leicht durch die Einbeziehung aller Formen von Arbeit stabilisiert werden. Auf der anderen Seite muss sicher gestellt werden, dass auch die Arbeitgeber für jede Art von Arbeit Rentenversicherungsbeiträge abführen.
Ferner ist die vom Gesetzgeber beschlossene Beitragdeckelung auf maximal 11 Prozent für Arbeitgeber eine Beschneidung sozialstaatlicher Handlungsmöglichkeiten zum Vorteil der Arbeitgeber und zu Lasten der Versicherten. Die Friedrich-Ebert-Stiftung berechnet für eine lebensstandardsichernde, armutsfeste Rente auf einem Sicherungsniveau von ca. 65 Prozent (Nettorente) einen Beitrag rd. 13 Prozent, fest bis 2030. Nimmt man die exorbitante Explosion der Unternehmensgewinne und der Einkünfte aus Vermögen wahr, die vor allem während und in dem Jahr nach der Krise gewaltig angeschwollen sind, dann ist eine höhere Beteiligung der Arbeitgeber um 2% Beitragshöhe wohl zu verkraften. Der Arbeitgeberanteil entspräche rd. 10 Mrd. Euro, also weniger als ein Zehntel der Summe, die beispielsweise an die Hypo -Real – Estate geflossen sind. Diese Summe wäre überdies nur ein Bruchteil jener Steuerentlastungs – Milliarden, mit denen die Regierungen der letzten Jahre die Unternehmen beglückt haben. Diese finden sich nicht in Investitionen in Innovation, Qualifizierung und „guter arbeit“ wieder, sondern auf den Konten der Besserverdienenden.
Die umlagefinanzierte, lebensstandardsichernde, armutsfeste Rente stellt also kein Finanzierungsproblem, sondern ein Verteilungsproblem dar. Die Demografiedebatte soll davon ablenken und Verwirrung stiften. Für die deutsche Rentenpolitik jedenfalls ist die und die Rente mit 67 nicht die „beste Option“, sondern die schlechteste.
Allerdings zeigt sich auch in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um Renteneintrittsjahre und Rentenniveau die Macht- und Verteilungsasymmetrie in der Bundesrepublik Deutschland. Es wäre hilfreich, wenn die Frankfurter Rundschau in ihren Leitartikeln auf diese Missstände ihr Augenmerk richten würde.“

Claudia Hannemann aus Borken:

„Es gibt massiv unterschiedliche Belastungen zwischen einem Schreibtisch-Arbeitsplatz und vielen schweren Berufen für Psyche und Körper. Was hat Markus Sievers dazu geschrieben? Nichts! Was sagt er zur stets steigenden Produktivität und Produktion, die sehr wohl eine älter werdende Gesellschaft ohne Rene mit 67 tragen kann? Nichts!
Eine Teil-Finanzierung der Zukunftsrente durch alle Steuerzahler – auch die höher Verdienenden – wäe gerechter als die Rente mit 67. Eine Finanzierung der Zukunftsrente durch die paritätische Rentenversicherung – und damit auch Arbeitgeber – ist gerechter als die Rente mit 67, die alle Belastung auf die kleinen Leute ablädt.“

Verwandte Themen

17 Kommentare zu “Aufbruch in die Altersarmut

  1. Die Produkivitätszuwächse pro Jahr dürfen nicht eiseitig als Gewinne in die Unternehmen und private
    Bereicherung fließen.Man muß die gesellschaftliche Entwicklung einer Langzeitbetrachtung unterziehen.
    Noch vor der industreillen Revolution im 19.Jahrhundert haben statistisch 8o Landwirte 100 menschen ernährt.
    Heute erzeugen 5 Bauern einen Überfluß an Nahrungsmittel.Welche Produktivitätssteigerung in rund 160 Jahren?
    Ähnlich verläuft die Kurve in in Industrie und Dienstleistung.Bei einer gerechteren Verteilung der Zuwächse
    kann der demokgraphische Wandel in der Bevölkerung ohne Altersarmut bewältigt werden.
    Walter Lachenmayer
    Frankfurt

  2. Die Diskussion um die Rente mit 67 krankt, wie viele politische Auseinandersetzungen, an fehlender Ursachenanalyse. Die vielen Beschäftigten drohende Altersarmut wird nicht durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit verursacht. Die Ursache sind die Brüche in der „Beschäftigungsbiographie“, verursacht durch immer häufigere Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der prekären Beschäftigung mit geringer (oder keiner) Beitragszahlung.

    Es ist zwar richtig, dass die Verschiebung des Renteneintritts für einen 65jährigen Arbeitslosen zusätzliche Abschläge bei der Rente bedeutet, doch von den Folgen der vorausgegangenen Arbeitslosigkeit oder „beitragsarmen“ Beschäftigung schützt auch die Beibehaltung der Rente mit 65 nicht.

    Die richtige Lösung des Problems muss anderswo im System der Rentenversicherung gesucht werden: Eine Möglichkeit wäre es, die Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung bei der Rentenberechnung mit dem durchschnittlichen Beitrag der vorangegangenen (oder nachfolgenden) Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen. Dieser soziale Ausgleich sollte allerdings nicht zu Lasten der Beitragszahler erfolgen, sondern sollte von der Solidargemeinschaft der Steuerzahler getragen werden, in dem der Staat die Beitragszahlung der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten übernimmt. Über Steuerzahlungen wären auch die nur begrenzt Rentenbeiträge zahlenden „Großverdiener“ sowie die Selbständigen mit einbezogen. Außerdem würde der Missstand beseitigt, dass Unternehmen, die auf Kosten der Beschäftigung ihren Profit „optimieren“, auch noch die Sozialbeiträge einsparen.

    Gänzlich andere Frage ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die demographischen Daten – abnehmende Geburtszahlen und die höhere Lebenserwartung – kann man nicht ignorieren. Die Rente mit 67 erscheint mir ein sinnvoller Ausgleich der Interessen der Jüngerer und der Älteren. Eine frühere Berentung aus Gesundheitsgründen sollte natürlich möglich bleiben.

    Den in Arbeit und Brot stehenden ist eine schrittweise Verschiebung des Renteneintrittsalters zumutbar, sofern sie gesund sind. Den Arbeitslosen ist eine Kürzung der Renten nicht zumutbar. Eine „Rentenreform“ muss daher (siehe oben) entsprechenden Ausgleich schaffen.

  3. Bevor man über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nachdenkt sollten erst einige andere Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie z.B. Schaffung eines Arbeitsmarktes für über 50 jährige und Rentenanspruch für Leute die mindestens 45 Jahre Beiträge gezahlt haben. Wenn man das nicht tut ist das nichts anderes als eine Verhöhnung der über 50 jährigen Arbeitslosen.

  4. Mit großem Interesse lese ich den Leserbriefteil Ihrer Zeitung. In die schier endlos erscheinende Kritik an der gegenwärtigen Politik der regierenden Parteien möchte ich mich heute einreihen. Auch wenn es mich häufig sprachlos macht, wie dreist und verächtlich mit den Menschen in diesem Land umgegangen wird und viele Menschen, die eigentlich Opfer dieser politischen Haltungen sind, sich nicht wehren.

    Ich beobachte ein Klima des sich Abschottens der Politiker, einen Bau neuer Festungsmauern, der es ihnen ermöglicht, so hoffen sie wohl, in den Hinterzimmern geheime Verträge abzuschließen, siehe Atomvertrag, und sich damit an die von ihnen so wahrgenommenen Mächtigen eitel ranzuschmeißen. Siehe Geburtstag von Bankchef Ackermann.

    Es ist wohl auch nicht zu erwarten, dass Minister eine fachliche Kompetenz mitbringen, sondern die jeweilige Klientel bitten, doch den „Schriftkram“ zu erledigen. Was diese natürlich sehr freut, siehe Pharmaindustrie. Ich beobachte ein Klima des Miefs und des Muffs wie wir es aus den 60iger Jahren kennen, das aber auch in der ehemaligen DDR weit verbreitet war.

    Misstrauen scheint eine vorherrschende soziale Haltung der jetzigen Regierung zu sein. Misstrauen gegenüber demokratischen Prozessen, die natürlich Zeit und Geduld erfordern, Respekt vor dem Anderen und Vertrauen in Entwicklungsprozesse. Siehe das Durchpeitschen von Gesetzen im Bundestag, ohne umfassende Kenntnis des Gesetzesinhalts durch nicht wenige Abgeordnete.

    Misstrauen gegenüber den Bürgern war ein wesentliches Moment der DDR-Regierungen. Wie ich überhaupt das Gefühl habe, dass sich vor allem der Mief der DDR in die Bundesrepublik einschleicht und nicht etwa die sozialen Haltungen und Leistungen der Bürger der ehemaligen DDR anerkennend zum Thema werden.

    Ich wünsche mir mehr „Stuttgart 21“, mehr Rufe „Wir sind das Volk“, mehr Widerstand. Ich meine, die Bürger dieses Landes müssen sich mehr um sich selber kümmern und Wege finden, gerechtere Verhältnisse herzustellen. Denn von den regierenden Parteien und leider auch öfter von der Opposition (Rente mit 67) werden sie nicht mehr wahrgenommen und verstanden.

  5. Seit mehr als vierzig (!) Jahren ist das Problem der umlagefinanzierten Rentenversicherung offensichtlich. Immer mehr Rentnern stehen immer weniger Einzahler gegenüber. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die faktisch nur eine Rentenkürzung darstellt, ist einmal mehr ein wenig zielführendes Herumdoktern an Symptomen. Alle Regierungen wissen seit den frühen 70er Jahren (und auch schon davor) von der demographischen Entwicklung. Alle Versuche, die Bürger zu einer gesteigerten Fortpflanzung anzuregen, sind gescheitert. Zuletzt das vielumjubelte Elterngeld, das bis auf einen kurzfristigen „me too“-Effekt nichts gebracht hat außer Kosten.

    Wann kommt endlich eine Regierung mit dem Mut zu einer durchgreifenden Reform? Wir müssen nur über die Grenze in die Schweiz schauen, um einen möglichen Weg zu erkennen. Aber auch ganz andere Lösungen sind denkbar. Die demographische Entwicklung ist umunkehrbar. Die Kinder, die die Rentnergenerationen ab den nächsten 20er Jahren ernähren sollen, wurden nie geboren. Auch mit Zuwanderung ist da nichts mehr zu retten. Der Weg in die Alersarmut ist vorprogrammiert.

    Natürlich muss man bei einer nahezu Verdopplung der Rentenbezugszeiten seit 1960 auch über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nachdenken dürfen. Gleichzeitig muss man sich aber von dem sterbenden System der Umlagefinanzierung trennen. Gradezu grob fahrlässig war 1995 die Einführung eines weiteren umlagefinanzierten Systems, der Pflegeversicherung.

    Der Generationenvertrag ist längst gekündigt!

  6. Alle die immer sagen das in Frankreich der Wiederstand größer ist als in Deutschland sollten bedenken das es in Frankreich auch ein größeres Problem gibt. Durch die bessere? Familienpolitik ist es in Frankreich nicht zu dem massiven Rückgang der Geburten gekommen. Deshalb sind die Jahrgänge relativ gleich groß geblieben. Wenn in Deutschland anstatt 700000 immer noch über 1 Million Personen pro Jahr in den Arbeitsmarkt strömmen würden hätten wir noch größere Probleme. Die ich mit gar nicht vorstellen mag.
    Das das Elterngeld nicht funktioniert war eigentlich klar. Man hat den niedrigen Einkommensgruppen durch das Streichen des Erziehungsgeldes die Förderung stark gekürzt und den hohen Einkommensgruppen durch das Elterngeld die Förderung erhöht. Die Leute mit geringen Einkommen und auch eher unsicheren Jobs werden sich Kinder nicht mehr leisten und den hohen Einkommen ist die Förderung im Grunde egal die werden sich in ihrer Entscheidung davon nicht beeinflussen lassen. Ich denke das war aber von Anfang an klar,es ging wohl nur um einen weiteren Schritt der Umverteilung. Oder? Da hat doch vor einiger Zeit jemand ein Buch geschrieben in dem es auch um niedrig oder hoch zu bewertendes Erbgut gehen soll. Ich habe das Buch nicht gelesen,aber vielleicht spiegelt sich dieses Gedankengut auch beim Elterngeld wieder?

  7. @ #4, comment-30649, Gabriele Schrödter am 22.11.2010 00:45
    „dass sich vor allem der Mief der DDR in die Bundesrepublik einschleicht“ — M.E. ist der Mief — als Begriff der sozialen Umwelt — „bodenständig“ 😉 , Düngemittel oder Invasion (wie invasive Pflanzen) spielen da keine Rolle, der Mief entsteht & wächst, wenn der Boden reif wird.

  8. [Zeitrechnung] Hallo Blogmaster! Meinen Beitrag #7 comment-30652 habe ich zwar heute 22.11.2010, jedoch um 14:58 gepostet, daraus ist 15:58 geworden. Das FR-Blog taugt nicht als Alibi 😉 Vielleicht hat Gabriele Schrödter den Beitrag #4 comment-30649 schon am 21.11.2010 23:45 gepostet?!

    Test der Uhrzeitangabe: Jetzt um 15:35 probiere ich es wieder…

  9. Die Perspektiven für die Beschäftigung Älterer helle sich auf schreibt Markus Sievers und gibt sich optimistisch, dass dies nur der Anfang ist. Die Arbeitsmarktzahlen sprechen allerdings eine ganz andere Sprache: Wer genauer hinschaut, entdeckt, dass die Regierung Menschen in Arbeit zählt, die längst in der Passivphase der Altersteilzeit leben. Nach wie vor nimmt die Beschäftigung ab dem 61. Lebensjahr deutlich ab. Die Regierung bedient sich daher bei den neuesten Zählungen eines Tricks, indem sie die Gruppe der 55- bis 64-jährigen zusammenfasst und damit gerade die Situation der über 60-jährigen verschleiert. Fakt ist, mit 64 Jahre hat gerade mal jeder Zehnte eine Arbeitsstelle. Für die vielen heute schon mit 58 Jahren nicht mehr Beschäftigten aber führt das spätere Renteneintrittsalter zu einer drastischen Rentenkürzung. Bedenkt man noch, dass in vielen Berufsfeldern (Pflegedienste, Krankenhäuser, Industriearbeitsplätze und Handwerk) die körperliche Belastung jenseits der 60 nicht mehr zu bewältigen ist, wird klar, dass für viele mit der Heraufsetzung der Altersgrenze die Altersarmut trotz lebenslanger Arbeit droht.

    Außerdem entpuppt sich der demografische Wandel, der scheinbare Sachzwang Nummer eins für die Anhebung der Altersgrenze, bei genauem Nachrechnen, als Panikmache: Im Jahr 2000 kamen auf eine Person über 65 4,1 Personen im Erwerbsalter von 15 bis 65. Für das Jahr 2020 geht man davon aus, dass nur noch drei Erwerbsfähige und 2040 nur zwei einem Rentner gegenüberstehen. Was auf den ersten Blick kritisch aussieht, relativiert sich durch eine historische Betrachtung. Im Jahr 1900 standen 12,4 Erwerbsfähige einem Rentner gegenüber. Wenn man also den Zeitraum zwischen 1900 und 2040 betrachtet, haben wir bereits den größten Teil des demografischen Wandels hinter uns gebracht. Und dennoch war ein Auf- und Ausbau des öffentlichen Rentensystems möglich. Die Erklärung hierfür ist recht einfach. Die Finanzierbarkeit der Renten hängt nämlich mehr an der Ökonomie als der Demografie. Im Zentrum stehen dabei die Arbeitsproduktivität, der Beschäftigungsstand und die Beiträge aus der Lohn- und Gehaltssumme.
    Wir können davon ausgehen, dass in Deutschland die Produktivität in jedem Jahr um etwa 1,8 % steigt. Wenn die Arbeitnehmer angemessen an dieser Entwicklung durch entsprechende Löhne und Gehälter teilhaben, müssen wir uns um die Renten keine Sorge machen. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters schont im Wesentlichen nur die Arbeitgeber, die Millionen durch geringere Beiträge einsparen, während der Beschäftigte ermuntert wird, eine private Versicherung abzuschließen. Natürlich auf eigene Kosten, ohne Beteiligung der Arbeitgeber. Das Problem der Rentenkasse ist nicht der demografische Wandel, sondern die Verschlechterung der Arbeitseinkommen durch Teilzeit- und Minijobs und das dadurch verursachte Beitragsdefizit.

    Ich halte es für die bessere Idee, die Arbeitgeber an der öffentlichen Versicherung wieder stärker zu beteiligen. Wenn man sich die Einkommen aus Gewinnen und Unternehmenstätigkeit der letzten Jahre anschaut, ist dies leicht zu machen, die Politik muss nur den Mut dazu aufbringen. Aber sie leistet zurzeit lieber Zutreiberdienste für die private Versicherungswirtschaft. Das ist allemal die schlechteste Option.

  10. (i) #2, comment-30643, Abraham am 20.11.2010 19:32
    „Die demographischen Daten […] kann man nicht ignorieren.“ Richtig. ++ „frühere Berentung aus Gesundheitsgründen „ Einigen (nicht nur so zwei oder drei) Jahrgängen sollte die bisherige Berentung auf Wunsch und insb. aus Anstandsgründen 😉 möglich sein.

    (ii) Sehr interessanter aktueller Artikel mit vielen „pros & cons“ (pro und contra Argumenten):
    [www aolnews.com/money/article/pros-and-cons-of-raising-the-social-security-retirement-age/19730382]

    (iii) Uhrzeit: ca. 15:54.

  11. Ausgerechnet diejenigen, die ihre allererste Aufgabe darin sehen, den allgemeinen „Wachstumswahn“ in Wirtschaft und Gesellschaft zu bekämpfen (teilweise auch durchaus berechtigt), haben einen erstaunlichen Kniff gefunden, wie die negativen Auswirkungen auf die Altersversorgung finanziert werden können, die steigende Lebensspannen und geringe Geburtenraten haben: Durch mehr Wachstum!

    Eines von beiden scheint man also nicht besonders ernst zu glauben, in der linken Weltsicht… entweder, daß es Grenzen des Wachstums gibt und die hierzulande schon so ziemlich erreicht sind, oder daß die Alten auch in 30 Jahren noch über ein Umlagesystem wie das gegenwärtige finanziert werden können.

    Wie Linke Produktivität (den Quotient von Nutzen zu Aufwand) steigern wollen, ist ja bekannt: Die Produktivität der Energiewirtschaft soll erhöht werden, indem voll funktionsfähige Stromerzeugungsanlagen Jahrzehnte vor ihrem Lebensende stillgelegt werden sollen… die Produktivität der Landwirtschaft soll erhöht werden, indem Gentechnik verboten wird usw. usf.

    Es steht für mich ein ganz großes Fragezeichen hinter der Behauptung, eine Produktivitätssteigerung von 1,8% jährlich wäre für die nächsten 30 oder 40 Jahre machbar. Drei Viertel aller Wirtschaftsleistung überhaupt findet im Dienstleistungssektor statt, in dem die möglichen Produktivitätssteigerungen weit geringer, teils stagnierend sind, weil die Automatisierung im Kerngeschäft ganz einfach nicht möglich ist, die für die Produktivitätssteigerungen im produzierenden Gewerbe Ursache ist. Wenn eine Alten- oder Krankenpflegerin heute mit Ach und Krach gerade mal 10 Patienten pro Stunde betreut, bedeutet ein jährliches Produktivitätswachstum von 1,8%, daß sie in 23 Jahren 15 Patienten betreut. Glaubt jemand, das wäre machbar oder gar wünschenswert? Erheblich wäre allerdings die Produktivitätssteigerung, wenn man die Alten- oder Krankenpflegerin durch eine einigermaßen bezahlbare Maschine ersetzen könnte. Glaubt jemand, DAS wäre machbar oder gar wünschenswert?

    Die Produktivität im Dienstleistungsbereich zu steigern wurde auch jenseits des Bereichs „Organisation/Verwaltung“ natürlich versucht… Resultat ist ein allgemeines Klima der ständigen Zeitverknappung für konstante Aufgaben oder der ständigen Aufgabenvermehrung für konstante Zeiteinheiten, das beklagt wird… wenn jemand jährlich 1,8% Produktivitätssteigerung auch im Dienstleistungssektor postuliert (der, wie gesagt 75% der Gesamtwirtschaft ausmacht), bedeutet dies, daß die Arbeitsleistung in 23 Jahren nochmal weiter um 50% gesteigert ist… der Friseur schneidet in der gleichen Zeit 50% mehr Frisuren, die Kassiererin kassiert 50% mehr Kunden ab, der Journalist schreibt 50% mehr Zeilen usw. Das heutige schon für viele schwer zu ertragende Klima des Leistungsdrucks nochmals verschärft… dann kann man ja mit der Mehrleistung die Rentner bezahlen, toll!

    Einem Autor, der vor kurzem noch eine Verdummung Deutschlands konstatierte, mit allen wirtschaftlichen Folgeerscheinungen, der Gefährdung des Wohlstands usw., entgegnete man erbost, er würde die Menschen auf ihren Wirtschaftszweck reduzieren. Schön zu sehen, wenn Linke jetzt den Zweck verkünden, den der Mensch nach ihrer Meinung in 23 Jahren haben soll: 50% mehr Produktivität als heute zu bringen, damit das heutige Rentensystem ungeändert weiterbestehen kann.

    Dieser Wachstums-Optimismus von Albrecht Müller und allen, die von ihm in dieser Hinsicht abschreiben, ist wirklich bemerkenswert.

    Ich persönlich sehe die Wirtschaftsleistung Deutschlands längerfristig zurückgehen. Zur Finanzierung eines Rentensystems ist ja nicht nur eine theoretische, mögliche Produktivität von Interesse, sondern zuallererst auch, ob diese in konkreten Anlagen oder Geschäften überhaupt die Gelegenheit hat, wirksam zu werden. Eine hohe theoretische Produktivität in der Autoproduktion nützt mir nichts, wenn es keine Produktionsstätte gibt, an der Autos produziert werden. Da sehe ich das langfristige Problem Deutschlands: das Zurückfallen hinter aufstrebende Nationen wie China oder Indien, sobald der Wissensvorsprung Deutschlands eingeholt wurde, d.h. Deutschland auf den globalen Märkten nicht mehr konkurrenzfähig ist, seine Exportwirtschaft einbricht, auf den Export angewiesene Firmen reihenweise den Geschäftsbetrieb einstellen, weil sie gegen die marktüberlegenen Newcomer aus Asien und anderen aufstrebenden Weltgegenden nicht mehr konkurrieren können.

    Überholt werden kann man, weil der andere schneller wird, aber auch, weil man selber langsamer wird. Unzählige Studien in den wohlstandsverwöhnten Ländern zeugen von einem rapiden Wissensverfall bzw. stark bröckelnden Bildungserfolgen nachwachsender Generationen, denen die Vorgänge der Bildungsaneignung weniger Lust bringen als der Konsum, weswegen man kaum Interesse an Bildung zeigt. In den aufstrebenden Nationen China, Indien, Brasilien usw. wachsen hingegen die Heerscharen bestausgebildeter und hochmotivierter Wissenschaftler, Techniker und Unternehmer weiter schnell an, die dort die Hochschulen und Universitäten verlassen.

    Wer also die Produktivität in 30 Jahren betrachtet, um zu entscheiden, ob sie wohl für die Finanzierung der dann stark gestiegenen Aufwände fürs Rentensystem ausreicht, muß die Jungen von heute betrachten… ein Drittel Hauptschule oder gar keinen Abschluß, verbeitet Null-Bock auf Bildung, gesellschaftliche Umstände, die Leistungsbereitschaft zerstören (Konsum (Verbrauch) ist wichtiger als Kreativität (Schöpfung)), hohe Verbreitung psychosozialer Störungen, über Immigrationspolitik zugelassener und ebenso auch durch einheimisches Vermehrungsverhalten steigender Anteil der Kinder in bildungsfernen Familien, mit mich nicht überzeugenden Vorstellungen, daß das durch Bildungssysteme weitgehend ausgeglichen werden kann… also, ehrlich gesagt, für mich klingt das alles nicht nach künftiger globaler Konkurrenzfähigkeit, und auch nicht nach „Produktivitätssteigerung“.

    Es wird eher so sein, daß die letzten wenigen, die dann noch zu den erforderlichen, hohen Leistungen fähig sein werden, entsetzt das Land verlassen im Angesicht der finanziellen Bürden, die ihnen aufgehalst werden müssen. Die ersten Anfänge einer solchen Absetzbewegung von überwiegend Leistungsträgern erleben wir gerade.

    @Abraham,

    Ihr Vorschlag zu den Rentenzahlungen bei Arbeitslosigkeit sind teilweise schon Realität. Wer arbeitslos wird, dem zahlt die BfA für die Dauer des ALG I-Bezugs 80% der bisherigen Rentenbeiträge ein. Diese individuell dann verschiedenen Zahlungen sind nicht ungerecht, denn auch die Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung, die das ja finanzieren, staffelten sich nach dem Einkommen.

    Eine Orientierung der Renteneinzahlungen bei ALG II am letzten Einkommen fände ich hingegen ungerecht. ALG II ist nicht von den Betroffenen selber durch Versicherungszahlungen finanziert, sondern von der Allgemeinheit. Da sehe ich nicht ein, wieso ein Gutverdienender (= hohe Rentenbeiträge) dafür, daß er später seine dicke Rente auch dann bekommt, wenn er vorher mal langzeitarbeitslos war, für die Zeit der Langzeitarbeitslosigkeit die dicken Beiträge für die dicke Rente vom Staat finanziert bekommt, dem Geringverdienenden aber nur staatlicherseits mit seinen kleinen Beiträgen ausgeholfen wird.

    Über die Höhe der staatlichen Renteneinzahlungen bei ALG II kann man ja streiten, aber sie muß aus Gerechtigkeitsgründen für alle gleich sein.

  12. zu @ Max Wedell
    zu all dem was Sie da gschrieben haben 2 Anmerkungen. Der Kuchen den es zu verteilen gibt in Deutschland wächst. Mit der Ausnahme 2008 aber diese Lücke ist wohl bald geschlosssen. Deshalb müssen die Stücke für sehr viele Einzelne nicht vorbeugend kleiner werden. Sollte Ihre Horrorvorstellung über die wirtschaftliche Entwicklung richtig sein muß man über die Verteilung des kleiner werdenden Kuchens nachdenken. Wenn im Moment die Stücke für viele kleiner werden ist das einzig und alleine auf politisch gewollte Umverteilung von unten nach oben zurück zu führen. Ich habe weiter oben bei einer Aussage zum Erziehungsgeld ein Beispiel aufgeführt.
    Zu Ihrer Aussage das Linke funktionstüchtige Kraftwerke, ich vermute Sie meinen AKW, unnötigerweise stilllegen wollen gibt es sicher auch andere Sichtweisen. Ich bin da eher der Meinung da wird ein Fehler begangen der leicht als größer sich herraustellen könnte als das was die Finanzwirtschaft derzeit abliefert.(Waren wir nicht vor 3 Jahren der Meinung wir hätten funktionstüchtige Banken und wie haben Sie damals über Irland gedacht?) Es gibt und gab hier im Forum schon mehrere Diskussionen zu diesem Thema von denen ich nicht weiß ob Sie da mitlesen. Aber auch da gilt der Spruch lesen bildet. Ich würde mich aber auch freuen Sie würden sich an diesen Diskussionen beteiligen um den Unsinn von sicheren und funktionstüchtigen AKW richtig zu stellen.

  13. @hans,

    wenn Sie eine steigende Produktivität an den einzelnen Arbeitsplätzen haben, dann kann sich natürlich die gesamte Wirtschaftsleistung entsprechend auch in gleichem Maße steigern… sie wird es aber nur tun, wenn die gesteigerte Waren- und Dienstleistungsmenge auch irgendwo verkauft werden kann. Ist das nicht der Fall, daß diese gesteigerte Waren- und Dienstleistungsmenge irgendwo verkauft werden kann, (etwa weil die Bedürfnisse der Menschen nicht beliebig steigerbar sind (z.B. im Inland) oder weil man aufgrund hoher Abgabenlasten an den Märkten nicht mehr Preiskonkurrenzfähig ist (Ausland)) dann wird die Steigerung der Produktivität nicht zu einer gesteigerten Waren- und Dienstleistungsmenge führen, sondern sie wird ganz einfach zu ENTLASSUNGEN führen, da dann aufgrund der gesteigerten Produktivität immer weniger Menschen für die Produktion der Waren- und Dienstleistungsmenge nötig sind, die gerade noch absetzbar ist. Um diese Entlassungen sozial abfedern zu können, braucht man dann wieder eine höhere Produktivität… also mehr von dem „Medikament“, daß die Krankheit ERZEUGTE.

    Völlig irrig ist die Vorstellung, daß die finanziellen Vorteile höherer Produktivität nur in die Taschen fetter Kapitalisten fließen würden, wenn ansonsten keine zusätzliche staatliche Abschöpfung betrieben würde. Über den Mechanismus der Marktkonkurrenz führen diese Produktivitätssteigerungen nämlich auch zu fallenden Warenpreisen und damit fallenden Erlösen, denn die Gewinne können immer nur so hoch sein, wie die Marktkonkurrenten das zulassen, und sie arbeiten auf ihre Drosselung (beim anderen) hin (vorausgesetzt natürlich, die Bedingungen für die Produktivitätssteigerungen, in erster Linie Know-How, stehen allen Marktteilnehmern offen).

    Gelingt es dennoch, Produktivitätssteigerungen staatlicherseits abzuschöpfen, um wachsende Aufwendungen für Rentner gegenfinanzieren können, so verschlechtert man die Konkurrenzfähigkeit auf globalen Märkten gegenüber jenen Ländern, in denen solche Abschöpfungen deshalb nicht notwendig sind, weil die demografische Situation anders ist. Ein Hersteller von Kühlschränken in Deutschland, der (in 30 Jahren) sämtliche Produktivitätssteigerungen der letzten 30 Jahre in Abgaben abführen muß, die ein Rentenumlagesystem finanzieren, wird massive Preisnachteile gegenüber einem Kühlschrankhersteller in sagen wir Tunesien haben, der (in 30 Jahren) den ganz großen Teil der Produktivitätssteigerungen der letzten 30 Jahre direkt in Preisreduktionen umsetzen kann.

    Die Vorstellungen von A. Müller oder anderen, wie das Rentensystem über Produktivitätszuwächse auch künftig noch finanziert werden soll, halte ich deshalb auch schon dann für unrealistisch, wenn man zusätzliche „Katastrophen“ wie die sich abzeichnende Bildungskatastrophe (in Relation jedenfalls zum Bildungsaufschwung in vielen anderen Ländern) oder den zunehmenden Verlust weiterer bisheriger Alleinstellungsmerkmale auf den globalen Märkten gar nicht voraussetzt.

    Was die Atomkraft angeht, so kann man eigentlich gar nicht über das, was ökonomisch sinnvoll ist und was nicht, richtig diskutieren, weil es gigantische Unterschiede bei den Einschätzungen der Folgekosten gibt, schon ganz einfach weil es gigantische Unterschiede bei der Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten gibt, mit der Folgekosten auftreten. Wenn es Menschen gibt, die nicht von der Idee abzubringen sind, schon morgen könne ein AKW in die Luft gehen, mit enormen Folgekosten und Folgeschäden, dann macht es wenig Sinn, weiter über den „ökonomischen Sinn“ einer Laufzeitverlängerung zu diskutieren. Deswegen halte ich mich bei Atomenergiediskussionen eigentlich eher zurück, sie führen zu nichts, denn ein stückweit ist die allen Argumenten der Atomgegner zugrundeliegende, in D extrem ausgeprägte Strahlenfurcht ja kaum heilbar… d.h. auch immun gegen rationale Argumente.

  14. P.S. Ich rede dabei gar nicht von einem „Kuchen“ 2010, oder 2011, oder 2012, oder bestreite, ein solcher wäre (geringfügig) größer geworden. Ich rede vom Kuchen in 20 oder 30 Jahren, wenn die demographischen Effekte dann richtig zugeschlagen haben.

  15. @ Max Wedell

    Ohne Feindbilder kommen Sie nicht aus? Mal sind es „die Gutmenschen“, mal „die Linken“. Das macht weder Ihre Argumente noch Ihre Einwände gegen andere Positionen glaubwürdiger.

    Vom Dienstleistungssektor haben Sie offensichtlich keine Ahnung. Auch dort führt die Innovation (neue IT- und Kommunikationstechnologien) zur erhöhten Produktivität. Oder denken Sie, dass ein Grafiker oder eine Redaktion, eine Bank oder eine Versicherung heute noch so arbeitet wie vor 30 Jahren? Und Webdesigner hat es damals noch überhaupt nicht gegeben.

    Die Untergangspropheten des Abendlandes hat es auch schon vor hundert Jahren gegeben, ohne dass ihre Horrorvisionen eingetreten sind.

    Noch zu Ihrem Kommentar zu meinem Posting # 2: Dass es bereits jetzt Ansätze zum steuerfinanzierten Sozialausgleich in der Rentenversicherung gibt, ist mir bekannt, nur reichen diese nicht aus. Statt sie auszubauen und damit die Lasten gerechter zu verteilen, hat die Bundesregierung gerade die Beitragszahlung für ALG II-Bezieher abgeschaft und bezeichnet dies als „Einsparung“. Dabei werden künftige Steuerzahler über die Grundsicherung zur Kasse gebeten. Die Einbeziehung aller Einkommen und Einkommensarten zur Finanzierung der Sozialsysteme ist notwendig, um diese zukunftssicher zu machen. Die Bürgerversicherung könnte ein erster Schritt sein, eine Steuerfinanzierung ist aber besser.

  16. zu @ Max Wedell
    Die Grenzen des Wachstums. Eine schon seit Jahrzehnten diskutierte Frage. Das die Wünsche und Bedürfnisse von Milliarden von Menschen wahrscheinlich nie gedeckt sein werden und es deshalb auf absehbarer Zeit Möglichkeiten des Wachstums geben wird ist glaube ich unstrittig. Die Frage ist kann sich Deutschland davon genug für sich holen das es auch in Jahren noch reicht den gewohnten Standart zu halten. Ich glaube das es zu erst davon abhängt ob es gelingt das auseinander gehen der Schere zwischen Arm und Reich zu stoppen. Die Länder die über genug Geld verfügen wie die erdölexportierenden Länder in denen eine unvorstellbar reiche Oberschicht sich einen viel zu großes Stück von dem Kuchen dieses Landes nimmt scheitern genau daran. Wenn man nicht hergeht und schöpft mit Vermögens und Erbschaftsteuern so viel ab das es möglich ist das das ganze Land produktiv sein kann wird es möglicherweise zu den von Ihnen beschriebenen Problemen kommen. Man könnte auch den Unsinn anführen das sich 10% der Bevölkerung in private Krankenversicherungen verabschieden können. u.s.w. Diese Sachen führen dazu das sich eine Oberschicht immer weiter absetzt, was für die Gesammtproduktivität des Landes extrem negativ ist. In einer Sache gebe ich Ihnen recht. Die Regeln nach denen das gesellschaftliche Leben abläuft sollten so weit möglich Missbrauch nicht zulassen. Es gibt in Skandinavien ja Länder die bei allem hin und her so ein Modell besser auf die Reihe bringen als wir derzeit. Wo z.B. Irland mit möglichst wenig Regulierung und Steuern für Unternehmen hingekommen ist kann man ja derzeit bewundern. Das gilt auch für das was die rechte Regierung Busch in den USA angerichtet hat.
    Zum Thama Atom sind die Argumente viel klarer als bei dem Thema das wir hier diskutieren. Wie ich früher schon geschrieben habe bin ich seit Jahrzehnten in Katastrohpenschutz tätig und habe eine Ausbildung wie man sich z.B. bei einem Autounfall mit Beteiligung von Atommüll verhalten muss. Irgend welche unrationale Ängste vor Strahlung sind sicher nicht mein Motiv gegen die Nutzung von AKW zu sein. Das sind eher solche Fakten wie das die Gesetzte so sind wie sie sein müssen das den Betreibern nichts passiert wenn sich die Anlagen als nicht sicher herrausstellen. Da werde ich misstrauisch, aber das ist ein anderes Thema.

  17. @Abraham,

    vom Dienstleistungssektor habe ich gesagt, daß er in seinen Produktivitätssteigerungen weit geringer liegt als das produzierende Gewerbe. Damit habe ich nicht gesagt, daß es im Dienstleistungssektor generell überhaupt keine Produktivitätssteigerungen gibt. Sie müssen mal genauer lesen. Die von Ihnen erwähnte IT hat im Dienstleistungssektor im Bereich „Organisation/Verwaltung“, den ich erwähnte, natürlich auch entsprechende Produktivitätssteigerungen nach sich gezogen. Organisation/Verwaltung ist aber nicht der Hauptzweck im Dienstleistungsgewerbe. Ein Kundenberater in einer Versicherung ist also natürlich produktiver, wenn er nicht mehr in irgendwelche Archive schlurfen muß, um Akten zu suchen etc., aber glauben Sie wirklich, daß seine mehr oder weniger kreative Hauptleistung, das Beratungsgespräch mit dem Kunden ebenfalls ständig „produktiver“ wird? D.h. er produziert mehr Kompetenz oder mehr Freundlichkeit pro Zeiteinheit, sodaß man die dann auf mehr Kunden verteilen werden kann, oder wie?

    Das Ausmaß der Ersetzbarkeit des Menschen durch Maschinen ist im produzierenden Gewerbe allgemein höher als in jenen Teilen des Dienstleistungssektors, in denen menschliche Kreativität, bzw. überhaupt die Anwesenheit eines Menschen notwendig ist. Menschliche Kreativität aber kann durch maschinelle Kreativität nicht ersetzt werden (auch nicht beim Grafiker oder in der Redaktion), und menschlicher Kontakt auch nicht (Pflegekraft, Verkäufer usw.). Sie können eine komplette Fabrikhalle roboterisieren… wenn Sie aber alle Journalisten bei der FR feuern und durch IT oder Roboter ersetzen, um eine vergleichbare Produktivitätssteigerung zu erreichen wie in der Fabrikhalle, möchte ich die dann entstehende Zeitung nicht lesen müssen. D.h. die Produktivitätssteigerung wäre gar keine, denn die entstehende Zeitung wäre unverkäuflich.

    Das Eigentliche, das der Mensch einbringt und das nicht maschinell ersetzbar ist, kann also in seinem Ausmaß (auf die dienstleistende Einzelperson bezogen) nicht beliebig gesteigert werden (auch wenn es natürlich einen gewissen Trend gibt, das über Druckausübung zu versuchen, das wird auch in den FR-Redaktionsstuben so sein).

    Fazit: Mit der ständigen Vergrößerung des Dienstleistungssektor und entsprechender Verkleinerung des produktiven Sektors in einer Wirtschaft wie der unseren werden auch die Produktivitätsteigerungsmöglichkeiten reduziert (aber sicher deswegen nicht auf Null, das habe ich nicht behauptet).

    „Die Untergangspropheten des Abendlandes hat es auch schon vor hundert Jahren gegeben, ohne dass ihre Horrorvisionen eingetreten sind.“

    Ich finde es bemerkenswert, daß sie eine Vorhersage, daß die Wirtschaftsleistung Deutschlands langfristig stagniert oder gar zurückgeht, als „Horrorvision“ bezeichnen. Sicher, für die Linken, die ein ständiges Produktivitätswachstum unbedingt brauchen, um die demographischen Herausforderungen im Rentensystem meistern zu können, sehen solche Ideen sicher nach „Untergang“ aus… nämlich nach Untergang des umlagefinanzierten Rentensystems… und insofern darf diese Vorhersage ja, komme was da wolle, gar nicht richtig sein.

    Im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland der letzten 60 Jahren wurden zu verschiedenen Zeiten Studien gemacht zur persönlichen Zufriedenheit. Es zeigte sich, daß in der Anfangszeit dieser wirtschaftlichen Entwicklung durchaus Steigerungen der persönlichen Zufriedenheit auftraten, seit Anfang der 70er Jahre aber nicht mehr… d.h. obwohl der Wohlstand danach weiter zunahm, hatte das keine Auswirkungen mehr auf die individuelle persönliche Zufriedenheit, zumnindest wie die Menschen sie selber wahrnahmen und artikulierten. Solange also künftig der Wohlstand des Einzelnen nicht unter den durchschnittlich vorhandenen im Jahr 1972 sinkt, bestünde eigentlich kein Grund, unzufriedener zu werden, und schon gar nicht, bei prognostizierten stagnierenden oder rückläufigen Wirtschaftsentwicklungen von „Horrorszenario“ zu reden… wenn es da natürlich nicht das Phänomen der Wohlstandsverwöhnung gäbe. Von „mehr“ hin zu „weniger“ ist immer unbefriedigender als sich von „weniger“ hin zu „mehr“ zu entwickeln, das ist evident.

    Wenn Sie hingegen meine Vorhersage bzgl. der Bildungsbereitschaft/erfolge als das „Horrorszenario“ betrachten, so empfehle ich Ihnen einen Blick in die Menschheitsgeschichte… Es gab bisher genügend Zeitalter der „Aufhellung“, denen auch wieder dunkle Zeitalter folgten. Ich benutze diesen Hinweis nicht in ähnlicher Weise wie Sie: Genausowenig, wie Vorhersagen dadurch als falsch erklärt werden können, daß man darauf hinweist, daß es auch schon irgendwann mal andere oder ähnliche Vorhersagen gab, die sich dann als falsch herausgestellt hatten, genausowenig kann man ja sagen, diese oder jene Entwicklung muß so oder so ablaufen, weil sie früher irgendwann einmal auch so oder so abgelaufen ist.

    Tatsache ist jedenfalls, daß die Produktivitätsfortschritte, was Organisation und Zurverfügungstellung geistiger Inhalte angeht, leider nicht in dem Maße in die persönliche Horizonterweiterung einfließen, wie sie bei ganz großen Bevölkerungsteilen in Zerstreuung, in den bloßen Zeitvertreib, in die Befriedigung mehr oder weniger niederer Instinkte (von youporn bis Computertötungsspiele) usw. eingehen. Westerwelle, als Spezialist für römische Dekadenz, könnte sich dazu auch mal endlich äußern. Daß diese allgemeine Entwicklung keine schädlichen Auswirkungen haben wird, ist ganz einfach eine falsche Ansicht, viele Experten widersprechen ihr eindringlich (Von Pfeiffer bis Spitzer).

    @hans,

    meine Ansicht zur Schere zwischen Arm und Reich, was Deutschland angeht, kennen Sie ja. Die Hauptursache für die statistischen Befunde ist die Armutsimmigration der letzten 20 Jahre, die einesteils in die Sozialsysteme stattfand, zu einem beträchtlichen Teil aber auch in Wirtschaftszweige, die sich daraufhin zum Niedriglohn hin entwickeln konnten, für den zu arbeiten die Zugewanderten im Gegensatz zu den Einheimischen bereit waren.

    Heben Sie den Blick über Deutschlands Grenzen, so gibt es viele Länder, bei denen die steigende Kluft zwischen Arm und Reich eine ganz positive Entwicklung ist, über die man sich freuen kann. So ist in einem Land, in dem gestern noch alle arm waren, d.h. überhaupt keine Kluft und völlige ökonomische Gleichstellung bestand, der Übergang in eine Situation, in der nur noch die Hälfte arm ist, und die andere Hälfte wohlhabend, d.h. in der sich Einkommenskluften bilden und daher auch vergrößern, sehr zu begrüßen… ein Anfang ist gemacht, weiter so!

    Die zentrale Frage ist in meinen Augen nicht die des Vorhandenseins einer Kluft, und wie groß diese Kluft ist oder ob sie größer oder kleiner wird. Die zentrale Frage ist, ob der Wohlstand des einen auf der Verarmung des anderen BASIERT, d.h. sie nach sich zieht. Es ist doch völlig falsch, wenn man behauptet, Wohlstand des einen wäre GRUNDsÄTZLICH durch die Verarmung des anderen herbeigeführt.

    Linke, die ja mein Feindbild sind, wie Abraham richtig erkannt hat (genauer: Alt-68er und Gutmenschen… wobei „Feind“ aber nicht bedeutet, daß ich sie gleich über den Haufen schieße, wenn ich ihnen im richtigen Leben begegne), gerade Linke haben ja ziemlich grundsätzlich genau diese falsche Auffassung: „Wer reich ist, muß doch jemanden betrogen haben, der deswegen nun arm geworden ist… anders gehts doch nicht.“

Kommentarfunktion geschlossen