Willkommen zum Postfach
vom 19. Juli 2017
Wieder sind Leserbriefe liegen geblieben, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Also ab mit ihnen ins „Postfach“ hier im FR-Blog. (Mehr über die Hintergründe –> HIER.) Zuerst wie immer ein kleiner Überblick.
- „Sehr geehrter Herr de Maizière, Sie sprechen von Respekt“, schreibt Anna Hartl aus Frankfurt im neuen Postfach. Der Innenminister hatte Respekt gegenüber der Polizei eingefordert. Die Leserin fragt ihn: „Was erwarten Sie? Dass sich ein Ausgegrenzter an die Höflichkeitsregeln einer Gesellschaft hält, die ihn ausschließt?“
- Respekt, das ist ein großes Thema. Stichwort Privatisierungen. Robert Maxeiner aus Frankfurt sagt: „Regierungen setzen auf die Privatisierung staatlicher Aufgaben, als wollten sie freiwillig noch mehr Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten an die ohnehin viel zu mächtigen Investoren und Konzerne abgeben.“ Verdient das Respekt?
- Derselbe Autor in einem weiteren Leserbrief: „Sicher, wir brauchen mehr Polizei, die uns Bürger schützen sollte, aber nicht nur Einzelne missbrauchen immer wieder ihre Kompetenzen und spitzeln ihre persönlichen Gesinnungsgegner aus“.
- Geht es nicht vielmehr darum, Debatten gar nicht erst aufkommen zu lassen? Sonst könnte nämlich ans Tageslicht kommen, „was gern weiter ungesagt bleiben soll“, mutmaßt Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt in einem Leserbrief zum Thema Neid und verlangt die volle Anerkennung der „besonders Reichen“ durch Besteuerung. Respekt!
- Sigurd Schmidt aus Bad Homburg pflichtet bei, „der Staat habe das Recht, sich dort das Steuersubstrat zu holen, wo dieSteuertragungsfähigkeit am besten legitimiert werden könne“.
- Denn: „Wenn in einem Kessel, in welchem der Druck steigt, keine Ventile vorhanden sind, fliegt der Kessel eines Tages in die Luft“, schreibt Otfried Schrot aus Ronnenberg zu den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen.
Was meinen Sie?
Die Höflichkeitsregeln einer Gesellschaft
Zu:“Gewalt gegen Polizisten“, FR vom 16. Juni
„Sehr geehrter Herr de Maizière, Sie sprechen von Respekt und vergessen dabei, dass Respekt keine Einbahnstraße ist. Angriffe auf Staatsdiener sind der Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Es zeigt ganz sicher nicht von Respekt, wenn alte Menschen, Arbeitslose usw. an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und die Aussicht auf oder tatsächliche Armut die einzige Perspektive sind. Es ist schon so lange eine Tatsache, dass immer mehr Menschen in die Armut abrutschen und verschärft wird das ganze noch durch immer weiter steigende Mieten. Was erwarten Sie? Dass sich ein ausgegrenzter an die Höflichkeitsregeln einer Gesellschaft hält, die ihn ausschließt? Den Schein waren? Welch ein Hochmut ihrerseits! Meinen Respekt , der übrigens nicht auf Bäumen wächst, er muss erworben werden, hätten Sie, wenn Sie vor der Kamera nicht immer nur Verbalblasen von sich geben würden, sondern die Angriffe wenigstens zum Teil als Ausdruck Ihrer seit Jahrzehnten verfehlten Politik eingestehen würden. Ich halte nichts von Gewalt, ob verbal oder physisch. Ich kann nur auch verstehen, dass Menschen durch Not in Situationen geraten, wo der innere Druck freigesetzt wird und sie die Kontrolle verlieren. Sie nehmen es billigend in Kauf, dass diese Not immer mehr Menschen betrifft und empören sich dann über die Folgen! Die Verantwortung für Ihr politisches Handeln oder die Unterlassung müssen Sie selbst übernehmen. Dann kann sich wirklich was verändern.“
Anna Hartl, Frankfurt
Freiwilliger Kontrollverlust
Zu: „Gewinn statt Daseinsvorsorge“, FR-Wirtschaft vom 19. Juni
„Fußballvereine kaufen ihre Stadien zurück, Städte ihre Bauhöfe, die sie nur wenige Jahre vorher outgesourct, d.h. zum Schleuderpreis privatisiert hatten, um die Bilanzen etwas aufzuhübschen, Konzerne vergrößern sich durch mehr Branchen, die sie vertreten, um möglichst autonom auf dem Markt agieren zu können. Regierungen setzen stattdessen auf die Privatisierung staatlicher Aufgaben, als wollten sie freiwillig noch mehr Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten an die ohnehin viel zu mächtigen Investoren und Konzerne abgeben. CDU/CSU und FDP scheinen ohnehin im Sinne Roland Kochs Konzernpolitk als die eigentliche anzusehen, und sei sie auch gegen die Bürger gerichtet, während die SPD sich wie zu Kaisers Zeiten damit zufrieden gibt, wenigstens einige Korrekturen zugunsten der sog. kleinen Leute wie die Einführung des Mindestlohns vornehmen zu können. Was ist Privatisierung, auch die staatlicher Aufgaben, anderes als legalisierter Diebstahl oder Enteignung der Bürger? Und wenn erst mal privatisiert ist, muss natürlich auch für die erbrachte Leistung bezahlt werden. Und Unternehmen, die hauptsächlich auf Gewinne aus sind, machen in der Regel schlampige Arbeit und vernachlässigen die Sicherheit, oder überlassen selbige staatlichen Organen (siehe Atomkraftwerke). Trotz all dieser offensichtlichen Nachteile machen es Regierungen, weil sie damit selbst, mehr oder weniger verschleiert, bei diesem Monopoly mitspielen können – das Risiko tragen natürlich die Steuerzahler – und sich glauben
unabhängiger von Steuereinnahmen machen und auf Transparenz verzichten zu können. Wie die Mitarbeiter-innen der Heinrich-Böll-Stiftung belegen, ist dieses Spiel wegen des Qualitätsverlusts nicht nur gefährlich, es kann auch teuer werden. Einige Investoren und Großkonzerne werden reiche Gewinne einfahren, während ein Staat in einer Krise, wenn er selbst nichts mehr besitzt, nur noch seine Bürger zur Kasse bitten kann (siehe Griechenland).“
Robert Maxeiner, Frankfurt
Gesinnungsgegner
Zu: „Polizei spionierte linke Aktivisten aus„, FR.de vom
„Geahnt haben wir ja schon lange, was Polizei, Bundeswehr und Geheimdienste – ich nenne die bewusst so – alles so treiben. Natürlich darf ich nicht pauschal urteilen und sollte immer die Einzelfälle betrachten und gesondert nach ihren Motiven, aber diese dringen in den letzten Monaten gehäuft an die Öffentlichkeit, so dass man schon von einer rechtsradikalen Bedrohung sprechen kann. Sicher, wir brauchen mehr Polizei, die uns Bürger schützen sollten, aber nicht nur Einzelne, wie hier berichtet, missbrauchen immer wieder ihre Kompetenzen und spitzeln ihre persönlichen Gesinnungsgegner aus und haben dann keine Ressourcen mehr frei, uns vor gefährlichen Terroristen zu schützen. Von politischer Seite werden Bürger vor diesen Tendenzen leider kaum geschützt, sondern von sog. Parteien wie der AfD werden diese noch befeuert. Ich bin übrigens nicht der Meinung, wie im Artikel über die AfD auf der nächsten Seite dieser Aussage suggeriert wird, dass die CDU/CSU unter dem Aufstieg der AfD nur leidet, sondern sie kann ihren eigenen rechtsradikalen und antidemokratischen Anschauungen ungehemmt frönen – als nichts anderes sind die Vorhaben des Innenministers und großen Teilen der CSU nicht nur in der Flüchtlingsfrage zu bezeichnen – und dabei entschuldigend auf die AfD zeigen, die es ja noch menschenverachtender treibt. Die großen Konzerne unterstützen diese Politik zumindest indirekt, indem sie für keinerlei moralischen Werte eintreten, sondern nur die Ziele anstreben, die den meisten Profit versprechen. Mal abgesehen von der Schroeder-Ära haben dies immer CDU-geführte Regierungen umgesetzt. Ergo geht es immer weiter nach rechts, und diese Richtung wird zur Mitte erklärt. Alles, was nicht ins Bild
passt, wird pauschal als populistisch, nicht finanzierbar oder nicht regierungsfähig abgekanzelt, während ansonsten immer auf den oder die Einzeltäter verwiesen wird, um die Institution (Polizei, Bundeswehr) oder den Konzern (Volkswagen, Deutsche Bank) zu schützen.“
Robert Maxeiner, Frankfurt
Wenn eine Debatte gar nicht erst aufkommt
Zu: „Phrasenschwein: Neid„, FR-Politik vom 24. Juni
„Der Vorwurf, jemand besäße keine überzeugenden Argumente für soziale Forderungen und bediene sich stattdessen lediglich des Neids und der Missgunst, wird dann gebraucht, wenn es um Wesentliches geht. Denn damit soll eine Debatte über den eigentlichen Gegenstand der Auseinandersetzung überhaupt nicht erst aufkommen. Diese könnte nämlich ans Tageslicht fördern, was gern weiter ungesagt bleiben soll.
Der Ausdruck Neid besitzt zwei Bedeutungen. Die eine meint Eifersucht und Missgunst, die andere hingegen so etwas wie verborgene, nicht offen artikulierte Hochachtung. Vom Philosophen Arthur Schopenhauer ist der Ausspruch überliefert: „In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid.“ Der Maler und Dichter Wilhelm Busch soll Ähnliches geäußert haben.
Wer beispielsweise den besonders Reichen einen vollständigen Staatsbürger-Mitgliedsbeitrag entsprechend ihrem Vermögen abverlangt (also die komplette Besteuerung der Einkünfte und sonstigen materiellen Güter), missgönnt ihnen ihre Schätze gar nicht. Er anerkennt ihre Besitztümer sogar ausdrücklich; drängt jedoch auf deren Offenlegung und erinnert an den Gesellschaftsvertrag jedes demokratischen Gemeinwesens. Ein solcher zielt (in Anlehnung an den Entwurf des Philosophen Jean-Jacques Rousseau von 1762) auf die Beteiligung aller und auf das Wohl derselben.
Kein Demokrat, erst recht kein Sozialist, will den Reichtum verbieten. Er möchte ihn jedoch zum Nutzen aller verwenden. Meinetwegen kann man diese ehrliche Form der Anerkennung als Neid bezeichnen. Hauptsache, es trägt dazu bei, Armut und Elend zu beenden bzw. zu vermeiden.“
Klaus Philipp Mertens, Frankfurt
Was bei höheren Einkommen der Fall ist
Zu: „Phrasenschwein: Neid„, FR-Politik vom 24. Juni
„FR-Kommentator Stephan Hebel verweist darauf, daß zu den sieben Haupt- oder gar Todsünden in der christlichen Tradition der NEID ( neben Faulheit, Geiz, Hochmut, Völlerei, Wollust und Zorn) gehöre. Allerdings ordnet der Karlsruher Philosoph Peter Sloterdijk neuerdings den Zorn eher bei den Tugenden ein, weshalb vielleicht besser von Jähzorn als Hauptsünde zu sprechen sei? Nu denn – das polemische Wort von einer Neiddebatte ist rasch im Spiel, wenn nach mehr Steuergerechtigkeit gerufen wird und für höhere Einkommen eine Reichensteuer ins Gespräch gebracht wird. Man fürchtet dann darum, dass die Leistungsträger der Gesellschaft unangemessen belastet werden. Fritz Neumark, ein Nestor der deutschen Finanzwirtschaft, pflegte in seinen Vorlesungen jedoch immer zu sagen, der Staat habe das Recht, sich dort das Steuersubstrat zu holen, wo dieSteuertragungsfähigkeit , man kann auch in der heutigen Sprachwelt sagen: die Nachhaltigkeit der Besteuerung, am besten gewährleistet bzw. am besten legitimiert werden könne. Dies ist nun einmal bei höheren Einkommen der Fall.“
Sigurd Schmidt, Bad Homburg
Druck im Kessel
Zu: „Katalonien plant Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober„, FR.de vom 9. Juni
„Zwei spanische Brüder streiten sich. Der eine, der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont, strebt die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien an und möchte sich diesen Schritt durch ein Referendum des katalanischen Volkes absegnen lassen, und der andere, der spanische Regierungschef Manuel Rajoy, möchte, gestützt auf die spanische Verfassung, dieses Referendum verhindern. Bei einer Rede in Barcelona gab Puigdemont am Freitag, 9.Juni 2017 die Frage des Volksentscheids an: ‚Möchten Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik sein soll?‘
Liebe spanische Brüder, ein europäischer Bruder gibt euch beiden zweierlei zu bedenken. Erstens: Spanien hat von 1936 bis 1939 einen furchtbaren Bürgerkrieg erlitten, der sich nicht wiederholen sollte. Zweitens: Eine Verfassung kann man ändern, wenn sich die menschlichen Bedürfnisse ändern. Die Gefahr eines erneuten Bürgerkrieges ist groß, wenn man den Katalanen einfach einen Hammer auf den Kopf schlägt und „Nein“ sagt.
Was kann man tun, um einen Bürgerkrieg zu verhindern? Lieber Herr Carles Puigdemont, formulieren Sie den Text des Referendums doch einfach um, so dass er lautet: ‚Das katalanische Volk bittet das spanische Volk um Zustimmung zu seinem Wunsche, den spanischen Staatsverband zu verlassen und eine eigene Republik zu gründen.‘ Lieber Herr Ministerpräsident Manuel Rajoy, es ist gewiss nicht verfassungswidrig, wenn das spanische Parlament die Bitte des katalanischen Volkes an das spanische Volk zu einer Abstimmung mit Ja oder Nein weiterleitet. Bedenken Sie: Wenn in einem Kessel, in welchem der Druck steigt, keine Ventile vorhanden sind, fliegt der Kessel eines Tages in die Luft!“
@ Druck im Kessel, Ottfried Schrot
Ich meine das Herr Schrot das Unabhängigkeitsbestreben Kataloniens zu dramatisch sieht. Es sei denn, man ist spanischer Nationalist. Katalonien würde, nach Plan, direkt nach der Unabhängigkeit einen Antrag auf Mitgliedschaft der EU stellen, was würde sich also groß ändern ?
Es besteht ja tatsächlich die Gefahr das das Baskenland eine Unabhängigkeit gleichfalls erstreben könnte, wie auch andere Regionen Spaniens dem Beispiel folgen könnten.
Im Baskenland kam es in der Tat zu einem Bürgerkrieg des Staates mit der Eta.
Sollte doch vielleicht besser Spanien dem Beispiel Großbritanniens folgen, ein Unabhängigkeitsreferendum zulassen, wie Großbritannien das im Fall Schottlands tat.
Schottland strebt nach Unabhängigkeit, desgleichen Katalonien.
EU Mitglieder kommen und gehen. Darum sage ich mir :
„Willkommen Katalonien und Schottland in der EU.“
und goodbye Britain