Herzlich willkommen zum
Postfach vom 16. November 2016
Ich bringe hier Leserbriefe, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Mehr über die Hintergründe? –> HIER. Anfangs wie immer ein kleiner Überblick.
- Der Wolf kehrt nach Deutschland zurück. In Sachsen gab es dazu Schlagzeilen. Stefan Ziegler aus Frankfurt meint: „Ein großes Raubtier in einer urbanen Gesellschaft ist ein unkalkulierbares Problem.“
- Robert Maxeiner fragt sich, ob Sachsen wirklich „im wiedervereinigten Deutschland angekommen“ ist.
- „Die interessante Frage ‚Ist Kapitalismus ohne Neoliberalismus und Finanzkapitalismus möglich?‘ erscheint wie ein Versuch, die Zahnpasta zurück in die Taube zu bekommen“, schreibt Winfried Jannack aus Hannover in seinem Leserbrief zum Thema Gier, der diesmal im Postfach gelandet ist.
- Henny Ludwig aus Bad Homburg hält das Gesetz für Forschung an Demenzkranken, das vom Bundestag verabschiedet wurde, für einen „Verstoß gegen das im Grundgesetz festgelegte Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen“.
- Heinz Orth aus Walldorf fragt sich: „Wo ist die Opposition“ im Bundestag?
- Joachim Bohndorf aus Bensheim führt das „Trump-Theater“ unter anderem auf „die Rolle der US-amerikanischen Esskultur“ zurück: Werden wir alle so, wenn wir uns jahrzehntelang mit „Big Macs und genmanipulierten Fabrikfressalien“ ernähren?
- Sigurd Schmidt, (ja, auch wieder im Postfach dabei) wird von der Frage umgetrieben, ob der „Humanismus der allgemeinen Menschenrechte“ durch die Scharia begrenzt werde und kommt zu dem Schluss, dass „universelle Menschenrechte nicht abbedungen werden können“.
- Und C.R. aus Gelnhausen (der Red. bekannt) kommt in der Mobbingaffäre des CDU-Generalsekretärs Tauber zu dem Schluss, dass dieses Verhalten „moralisch von einem führenden Politiker nicht hinnehmbar“ sei.
Los geht’s!
Ein unkalkulierbares Problem
Zu: „Sachsen streitet über den Wolf„, FR-online vom 1. November 2016
„Leider ist dies mal wieder ein sehr einseitig gefärbter Artikel zum Thema „Der Wolf in Deutschland“. Für mich ist Fakt das der Wolf ein Raubtier ist und das darstellt. Natürlich ist ein Wolf ein scheues Tier und wenige Menschen haben ihn bisher zu Gesicht bekommen. Wenn mehr Wölfe da sind wird sich dies automatisch ändern. Je dichter der Lebensraum besiedelt ist, desto mehr werden die Begegnungen, desto mehr wird sich der Wolf an den Menschen gewöhnen. Der Wolf ist unbestreitbar ein intelligenter Jäger, er wird sich den Menschen und seine Haustiere zunutze machen. Hat ein Raubtier die Auswahl zwischen einer Beute die er mit hohem Energieaufwand jagen und einer Beute mit einem wesentlich kleinerem Aufwand so wird er immer diese reisen. Und hier beginnt das Problem, Schäfer und Bauer haben einen Schaden durch gerissene Tiere. Dieser Schaden wird nicht ausreichend ausgeglichen. Auch die Vorsorge das der Wolf nicht zu seiner leichten Beute kommt wird den Bauer und Schäfern nicht im vollem Maße erstattet. Diese Personen bezahlen für einen kleinen Personenkreis die hautsächlich einer ländlichen Utopie nach hängen. Alles im Einklang und alles naturbelassen. So ist aber unser Leben nicht mehr, die Natur besitzt nicht mehr die Kraft alles selbst im Einklang zuhaben, dazu sind wir zu weit von einer Urwelt entfernt. In Bereichen die nur schwach besiedelt sind, wird es Lebensraum für den Wolf geben und in Landesbereichen mit hoher Siedlungsdichte wird es keinen Lebensraum für den Wolf ohne Probleme mit dem Menschen geben. Diesen Fakt müssen Natur. und Tierschützer anerkennen sonst verlieren sie jede Legitimation zur Ernsthaftigkeit in der Diskussion um den Wolf. Auch um die weitere Diskussion zum Schutz von Raubtieren und das Gleichgewicht in der Natur. In einer weiteren Bericht in der FR wird die Situation der Vögel in Hessen angesprochen. Fast alle Bodenbrüter sind mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Arten gelandet. In dieser Situation stellt die Landesregierung einen erhöhten Schutz den Raubtieren aus, so dass Sie noch mehr Bodenbrüter zur Beute benötigen. Damit wird auch der Druck in den Beständen durch Populationsdichte erhöht. Es wird mehr zu einem Kultur folgen kommen. Also ein mehr an Füchsen, Waschbären, Madern und Wieseln in der Stadt. Mit allen seinen Folgen, siehe hier bitte ihr eigene Berichterstattung aus dem Nordhessischem Raum. Auch diese Folgen werden von Natur- und Tierschützern nicht anerkannt und gewürdigt. Man möchte wieder zurück zu einer Natur die es so nicht mehr geben wird. Die geänderte landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen ist eine weiterer Grund für die Probleme des Wildes. Natürlich kann man fordern das hier geändert werden muss, nur wie wenn die Bauern ihr Auskommen haben sollen. Gerade die hier am lautesten eine ökologische Landwirtschaft fordern sind die ersten die in den nächsten Discounter rennen und sich ihre Butter kaufen. Beschränkungen für den Handel werden dann von dem Personenkreis abgelehnt die für das freie Unternehmertum einstehen. Ihr Ansatz für die Gedanken zum Wolf sind zu klein geraten, das Problem ist ein viel größeres. Wie hat sich unsere Gesellschaft verändert und wie wird sie sich noch verändern und das im Zusammenhang mit der Nutzung unseres Landes und unseres Planeten.“
Stefan Ziegler, Frankfurt
Nicht im wiedervereinigten Deutschland angekommen
Zu: „Fall Al-Bakr sorgt weiter für Kritik„, FR-online vom 19. Oktober.
„Allmählich komme ich nach all den Skandalen zu der Ansicht, dieser Freistaat Sachsen ist nicht wirklich im wiedervereinigten Deutschland angekommen: Die gleiche Kaderhaltung wie in der DDR, die gleichen autoritären Behörden und autoritätshörigen Beamten, der gleiche Aufklärungsunwille und das Kleben auf den Stühlen der Macht. Herrn Widmann kann ich nur zustimmen: Es muss ein unabhängige Aufklärung geben. Sämtliche politischen und behördlichen Vertreter dieses Landes haben ihr Vertrauen verspielt und dem Rechtsstaat und der Demokratie und ihren Vertretern, allen voran der Polizei damit erheblichen Schaden zugefügt. Aber möglicherweise schert sie das nicht, denn hätte es eine minimale Identifikation mit demokratischen Verhältnissen gegeben, wären diese Skandale womöglich nicht, zumindest nicht in diesem Ausmaß passiert. Typisch ist in diesem Zusammenhang, von ,Fehlern‘ zu sprechen, damit die undemokratische Grundhaltung oder das Vertuschen anderer Zusammenhänge, die zu diesen sog. Fehlern führen, nicht sichtbar werden.“
Robert Maxeiner, Frankfurt
Zahnpaste zurück in die Tube
Zu: „Die Gier bringt das Gemeinwohl in Misskredit“, Fr-online vom 1. November
„Eigentlich gehört Stephan Hebels Besprechung der Bücher von Yanis Varoufakis, Sahra Wagenknecht sowie Robert Reich in den Wirtschaftsteil und nicht ins Feuilleton.
Varoufakis thematisiert das Euro-Paradoxon: eine Währung, aber 19 verschiedene Handelsbilanzen, mal mit Überschuss, mal mit Defizit, 19 unterschiedliche Zinssätze auf Staatsanleihen, 19 unterschiedliche Steuersätze. Die Unterschiede in den Bilanzen könnte man durch Auf- (Deutschland) oder Abwerten (Griechenland) korrigieren – wenn die Länder eine eigene Währung hätten. Wenn in den Südländern die Abwertung aufgrund der Euro-Konstruktion nicht möglich ist, so kommt es zur internen Abwertung: Lohnsenkung und Einsparung an öffentlichen Ausgaben. Durch verstärkte Integration ließe sich das aufheben: ein Haushalt für den gesamten Euro-Raum, ein Zinssatz, gleicher Steuersatz, Unterstützung für strukturschwache Gebiete (gab es früher auch z.B. für das Mezzogiorno). Kontraproduktiv ist es, wenn im gleichen Wirtschaftsraum gleichzeitig kooperiert und konkurriert wird. Zu Recht klagt Varoufakis die soziale und demokratische Integration ein.
Vielleicht liegt die Lösung des Rätsels im Wort Gier. „Reichtum ohne Gier“ heißt Wagenknechts Buch. Für viele Menschen beruht die Finanzkrise 2007/8 auf Gier und nicht auf der Logik des Kapitalismus. Nun soll – so auch bei Reich – der Kapitalismus vor sich selber gerettet werden (Untertitel bei Wagenknecht: „Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten“; „Rettet den Kapitalismus!“ bei Reich). Finanzkapitalismus = gierig = schlecht; Realwirtschaft = gut. Die Unterscheidung in das gute und das schlechte Kapital kann schnell in schaffendes und raffendes umgedeutet werden.
Das hat gute deutsche Tradition. Statt Finanzkapital raunt man sich in gewissen Kreisen – die meines Erachtens affin zum Kopp-Verlag sind – dann den Code „Ostküste“ zu. Für die Einschlägigen ist damit alles gesagt. Von Bebel stammt der Ausspruch, dass der Antisemitismus der Sozialismus der dummen Kerls sei. Neu ist dieser verkürzte Antikapitalismus also nicht.
Einen Weg zurück vom Neo- zum Ordoliberalismus von vor 50 bis 70 Jahren sehe ich nicht, aber vielleicht kann Wagenknecht mich doch noch überraschen. Selber wird sie für diese Werbung nichts können. Eine deutliche Distanzierung wäre durchaus hilfreich.
Die interessante Frage „Ist Kapitalismus ohne Neoliberalismus und Finanzkapitalismus möglich?“ erscheint wie ein Versuch, die Zahnpasta zurück in die Taube zu bekommen.“
Wilfried Jannack, Hannover
Selbstbestimmungsrecht des Menschen
Zum Gastbeitrag: „Gefährliches Spiel mit Demenzkranken“, FR-online vom 4. November
„Ich danke Kordula Schulz-Asche, MdB, für die ausführliche Darstellung des Sachverhalts über die geplante Änderung des Arzneimittelgesetzes, das Forschung an Demenzkranken und anderen einwilligungsunfähigen Menschen erlauben soll und die am 9. November im Bundestag beraten wurde. Ich wünschte, dass die Gegner diesen Gesetzentwurf mit großer Mehrheit abgelehnt hätten! Er ist ein Verstoß gegen das im Grundgesetz festgelegte Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen. Die Autorin weist mit Recht darauf hin, dass vor allem nichtpharmakologische Maßnahmen ausgebaut und Studien über Vorbeugung und Früherkennung durchgeführt werden sollten, um die Situation von Demenzkranken zu verbessern.
Ich kenne Vorschläge, wie man am Anfang der Alzheimererkrankung dagegen vorgehen kann, die Dr. Michael Nehls in seinem Buch „Alzheimer ist heilbar“ (2015) beschreibt. Er erwähnt darin den Durchbruch einer wegweisenden Therapie, die Dale Bredesen, Professor für Neurologie, am Mary S. Easton Center for Alzheimer`s Disease der kalifornischen Universität in Los Angeles durchführte.“
Henny Ludwig, Bad Homburg
Massives Demokratiedefizit
Gastbeitrag: „Schluss mit der ewigen Kanzlerschaft“, Fr-online vom 3. November
„Danke für den hervorragenden Beitrag. Die FR ist dafür zu loben, als eine der wenigen Qualitätsmedien derartig wichtige, aber vergessene Themen aufzugreifen. Wo ist die Opposition, SPD? Beispiel Demokratie: Nach dem Rückzug von Cameron gab es in England binnen einer Woche sechs Kandidaten für dessen Nachfolge. Wir haben in zwölf Jahren eine angeblich alternativlose Kanzlerin, die aber ebenfalls angeblich die Gesellschaft spaltet (Migrationsfrage). Wir haben große Probleme nur einen Bundespräsidenten zu finden. Anscheinend haben wir ein massives Demokratiedefizit. Bitte daher weiter so!“
Heinz Orth, Walldorf
Genmanipulierte Fabrikfressalien
US-Wahl: „Donald Trump kann nicht anders“, FR-online vom 23. Oktober
„Einen Aspekt zum Thema im Zusammenhang mit dem unsäglichen Trump-Theater möchte ich hinzufügen: die Rolle der US-amerikanischen Esskultur. Kann es nicht sein, daß auch jahrzehntelange Ernährung mit Big Macs und genmanipulierte Fabrikfressalien zu solch abwegigen Monster-Erscheinungen wie Halloween und Donald Trump führen!? Trump sollte uns eine allerletzte Warnung sein. Wenn erst die nordamerikanischen Agrarkonzerne mittels Ceta und TTIP den europäischen Lebensmittelmarkt im Würgegriff haben, ist es zu spät. Dann enden wir noch alle wie Trump. Die Wallonen scheinen diesen Braten gerochen zu haben.“
Joachim Bohndorf, Bensheim
Universalsittlichkeit contra Herkunftssittlichkeit
Zum Thema „Menschenrechte versus Scharia“, kein konkreter Bezug zur FR-Berichterstattung
„Seit der sogenannten Kairoer Erklärung von 1990 wird in Europa und arabischen Ländern darüber diskutiert, ob die sogenannten abendländisch-jüdisch-christlichen Werte eine Universalgeltung beanspruchen können oder ob sie nur relativ-kulturell zu verstehen sind. In der Kairoer Erklärung heißt es, ja, die UN-Menschenrechtscharta von 1948 gilt, aber ihr geht die Scharia voraus !!- Die Relativierung des universalistischen kategorischen Imperativs und der Losung von 1789: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, ist auf dem Hintergrund einer unangemessenen Erweiterung des Kulturbegriffes als solchen zu interpretieren. Danach stellt jedes gleichförmiges soziales Verhalten schon „Kultur als solche“ dar. Sittlichkeit ergibt sich aber nicht aus den Geboten eines in der Umma fest eingebundenen Menschen als quasi Clanmitglied, sondern daraus, daß universelle Menschenrechte nicht abbedungen werden können. Im naturrechtlichen Sinne gehen sie jeglichem positiven Recht voraus und erschließen ihre universalistische Wirkung im Sinne einer Selbstevidenz. Der Humanismus der allgemeinen Menschenrechte läßt sich nicht durch die Scharia begrenzen.“
Sigurd Schmidt, Bad Homburg
Moralisch nicht hinnehmbar
Zu: „Peter Tauber schweigt noch immer„, FR-online vom 4. Oktober
„Die diversen Berichte über das „Kaninchen“-Papier und was Herr Tauber dazu alles (nicht!) zu sagen hat, verblüffen schon sehr. Schließlich handelt es sich hier um einen führenden Politiker der Hauptregierungspartei, mit dem berühmten C im Namen.
Mobbing ist als solches in Deutschland kein Straftatbestand. Aber: Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass „der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden (kann), wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird“ (Quelle: Wikipedia).
Herr Tauber war zumindest zeitweise doch Teil des Arbeitgebermanagements. Und hat hier nicht gegengewirkt, sondern war daran beteiligt, Mobbing-Maßnahmen zu entwickeln. Dies ist grenzwertig, und wohl juristisch nicht zu belangen – aber moralisch von einem führenden Politiker nicht hinnehmbar.
Nun mag man dem damals aufstrebenden Nachwuchsmann vielleicht ein wenig jugendliche Unbedarftheit anrechnen, nicht aber mehr dem heutigen Spitzenpolitiker. Die Solidarität mit einem Freund ist wichtiger, als hier glaubwürdig eine Umkehr zu zeigen, samt Nennung von Ross und Reiter? Dies ist beschämend, für diese Partei aber durchaus typisch. Und so darf Herr Tauber gemeinsam mit anderen diejenigen als das Problem bezeichnen, die den Skandal aufdeckten.
Wie wusste schon Kurt Tucholsky: In Deutschland ist nicht der das Problem, der den Dreck macht, sondern der, der auf ihn zeigt.“
Wenn ich mir einen großen Teil der vorstehenden Leserbriefe, deren Inhalt ich überwiegend teile, muss man fragen, wieweit wir in Europa und Deutschland noch von einer USA mit einem Trump entfernt sind.
Mit einer korrupten Politik, mit EU-Kommissaren, die in gleicher Weise wie Trump plumpe Äußerungen von sich geben, sich nicht scheuen, mit einem Diktator Orban zu speisen und dazu noch sich private Flüge – aus angeblicher Terminnot (?) – sponsern zu lassen etc., mit Autobahnprivatisierungen, damit Versicherungskonzerne ihre Gewinne Kosten der Autofahrer (mit PKW-Maut) maximieren etc.etc., dann haben wir doch hierzulande etliche Trumps und dürfen uns über die Wahlergebnisse der AfD nicht wundern!
Herrn Boettel kann ich nur zustimmen.
So wie der Kommunismus gescheitert ist wird der
Raubtierkapitalismus auch abgeschafft werden.
Das Volk wacht langsam auf und lässt sich nicht mehr melken.Die Gier der obersten 10.000
wird immer skrupelloser. Ich hoffe nur, dass wir keinen neuen Hitler bekommen.